Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: SGB V § 71; GKV-SolG Art 15; GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 Art 21 § 1
Instanzenzug:
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über höheres Honorar für vertragszahnärztliche Leistungen.
Der Kläger ist Vertragszahnarzt. Er gliederte einer Versicherten der zu 1) beigeladenen Krankenkasse am auf der Grundlage eines Heil- und Kostenplans Zahnersatz ein und setzte hierfür in seiner Abrechnung gegenüber der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) einen Punktwert von 1,3674 DM an. Diese berichtigte die Abrechnung und legte einen Punktwert von 1,3023 DM zu Grunde; sie wies den Widerspruch des Klägers zurück (Bescheide vom und vom ). Sie berief sich auf die Gesamtvergütungsvereinbarung, die sie und die beigeladenen Krankenkassen und Krankenkassen-Verbände am für das Jahr 2000 abgeschlossen hatten und in der der Punktwert für kieferorthopädische Behandlungen sowie für die Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen (Teile 3 und 5 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für zahnärztliche Leistungen <Bema-Z>) auf 1,3023 DM festgelegt worden war.
Die Beklagte und die Beigeladenen waren bei den Verhandlungen über die Gesamtvergütungsvereinbarung für das Jahr 2000 unterschiedlicher Ansicht darüber gewesen, ob die für 1999 gesetzlich angeordnete Reduzierung des Ausgabenvolumens und der gesamtvertraglich vereinbarten Punktwerte in den Bereichen Zahnersatz und Kieferorthopädie auf die Werte von 1997 abzüglich 5 % (Art 15 GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz <GKV-SolG> vom ) für die folgenden Jahre fortwirke. Sie vereinbarten zwar einen reduzierten Punktwert von 1,3023 DM, hielten aber in einer Protokollnotiz fest, dass für den Fall, dass die Ansicht, der Punktwertabschlag sei ab entfallen, höchstrichterlich bestätigt werde, die Beigeladenen entsprechende Nachzahlungen vorzunehmen hätten.
Der Kläger ist mit seiner Klage auf höhere Honorierung des Zahnersatzes und seiner Berufung ohne Erfolg geblieben (Urteile des Sozialgerichts <SG> vom und des Landessozialgerichts <LSG> vom ). Im Urteil des LSG ist ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Vergütung unter Zugrundelegung eines Punktwertes von 1,3674 DM. Die in der Gesamtvergütungsvereinbarung erfolgte Festlegung des Punktwertes für Zahnersatz auf 1,3023 DM entspreche den Regelungen des § 85 Abs 3 und § 71 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) iVm Art 15 GKV-SolG. Die Vereinbarung einer Gesamtvergütung müsse an die vorjährige - hier also an diejenige für das Jahr 1999 - anknüpfen. Dies gelte nicht nur für die Festlegung der Vergütungsobergrenze, sondern auch für die Festsetzung von Punktwerten im Rahmen der Vereinbarung einer Einzelleistungsvergütung. Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71 SGB V) sei auch bei den Punktwertfestlegungen zu beachten. Die in Art 15 Abs 1 GKV-SolG angeordnete Vergütungsabsenkung für das Jahr 1999 habe die Vermutung der Angemessenheit für sich. Eine Ausnahme derart, dass die Vertragsparteien bei ihren Vereinbarungen für das Jahr 2000 nicht daran anknüpfen müssten, sondern die Punktwerte eines anderen Jahres zu Grunde legen dürften, bestehe nicht. Auch aus der weiteren Entwicklung der Gesetzgebung ergebe sich nichts anderes. Die ursprüngliche Absicht, im Zuge der Einführung eines Globalbudgets die Punktwertabsenkung des Jahres 1999 für Zahnersatz und Kieferorthopädie nicht fortwirken zu lassen, sei nicht Gesetz geworden. Das Fehlen einer Regelung wie in § 85 Abs 2b Satz 2 SGB V lasse ebenfalls keinen Rückschluss darauf zu, die Punktwertabsenkung des Art 15 Abs 1 GKV-SolG habe nur für das Jahr 1999 gelten und nicht über dieses Jahr hinaus fortwirken sollen.
Der Kläger macht mit seiner Revision geltend, er habe Anspruch auf Berechnung seiner Vergütung nach dem Punktwert von 1,3674 DM. Die als Vertragsergänzung zu verstehende Protokollnotiz enthalte die Zusage der Beigeladenen, im Falle höchstrichterlicher Bestätigung des Anspruchs auf diesen höheren Punktwert entsprechende Nachzahlungen vorzunehmen. Diese Bestätigung müsse nun erfolgen. Die Annahme, die Fortwirkung der 5%igen Absenkung für die folgenden Jahre hätte ausdrücklich angeordnet werden müssen, sei unzutreffend. Die Regelung des § 71 SGB V, die ohnehin nur das Ausgabenvolumen insgesamt und nicht die Punktwerte betreffe, befasse sich nicht mit der Frage der Fortgeltung der Wirkungen des Art 15 GKV-SolG. Die Antwort auf diese Frage könne nur der Bestimmung des Art 15 GKV-SolG selbst entnommen werden, wobei auch der vergleichenden Heranziehung des Art 21 § 1 GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 Bedeutung zukomme. Nach den Materialen des Gesetzgebungsverfahrens habe mit Art 15 GKV-SolG für das Jahr 1999 eine vorläufige, kurzfristig wirksame Ausgabenbegrenzung erreicht und nach den Äußerungen am Gesetzgebungsverfahren Beteiligter habe den KZÄVen und Krankenkassen für die weiteren Gesamtvergütungsvereinbarungen mehr Verhandlungsspielraum eingeräumt werden sollen. Dies bestätige auch der Vergleich mit der Vorschrift des Art 21 § 1 GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000, in der für das Jahr 2000 die Anknüpfung an die abgesenkte Vergütungssumme des Jahres 1999 ausdrücklich angeordnet sei. Eine solche Regelung fehle in Art 15 GKV-SolG. Auch Wortlaut und Überschrift des Art 15 GKV-SolG sprächen für die Begrenzung der Absenkung auf das Jahr 1999. Eine Fortwirkung der in Art 15 GKV-SolG vorgeschriebenen Absenkung hätte als Eingriff in die Vertragsautonomie ausdrücklich bestimmt werden müssen. Die Annahme einer Fortwirkung könne nicht allein auf den Grundsatz der Beitragssatzstabilität gestützt werden. Die Behauptung, diese wäre durch eine Punktwertanpassung gefährdet worden, habe keiner der Beteiligten erhoben. Feststellungen des LSG lägen dazu nicht vor. Dieses habe insoweit seine Amtsaufklärungspflicht vernachlässigt, was einen Verfahrensmangel begründe.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom und des Sozialgerichts Düsseldorf vom aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom die Abrechnung des Zahnersatzantrages betreffend die Patientin M. St. nach einem Punktwert von 1,3674 DM vorzunehmen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, ihn - den Kläger - erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu bescheiden.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 2. ist dem Vorbringen des Klägers entgegengetreten und hat das Berufungsurteil verteidigt. Die Beklagte hat mitgeteilt, dass sie sich an die Gesamtvergütungsvereinbarung gebunden fühle. Deshalb beantrage sie die Zurückweisung der Revision, obgleich sie an sich im Interesse der Vertragszahnärzteschaft das Begehren des Klägers befürworte.
Die übrigen Beigeladenen haben sich nicht geäußert.
II
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.
Der - neben dem Hauptantrag auf Zuerkennung höheren Honorars zusätzlich gestellte - Hilfsantrag auf Neubescheidung ist ungeachtet des Verbots von Klageänderungen im Revisionsverfahren (§ 168 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) zulässig. Denn dieses Verbot erfasst Antragsbeschränkungen, die den Klagegrund im Sinne des § 99 Abs 3 Nr 2 SGG unverändert lassen, nicht (allg Meinung, zB Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 168 RdNr 2a). Hierzu zählt auch der Fall, dass zu einem Verpflichtungsantrag zusätzlich ohne Änderung des Klagegrundes ein Neubescheidungsantrag gestellt wird (vgl dazu Meyer-Ladewig aaO § 99 RdNr 4a; Ortloff in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand September 2004, § 91 RdNr 30). Diese Konstellation ist vorliegend gegeben. Der Kläger hat für den Fall, dass das Bundessozialgericht (BSG) sich an einer Durchentscheidung im Sinne der Zuerkennung eines Punktwerts von 1,3674 DM gehindert sehe, hilfsweise eine bloße Neubescheidung - auf der Grundlage eines vom Gericht vorzugebenden Punktwerts - beantragt.
Grundsätzlich haben allerdings einzelne Vertrags(zahn)ärzte keine Befugnis bzw kein Recht, eine Gesamtvergütungsvereinbarung anzufechten (hierzu s zB BSGE 76, 48, 49 f = SozR 3-2500 § 120 Nr 5 S 27) oder sie inzident in einem Honorarstreit als rechtswidrig zu beanstanden (vgl dazu SozR Nr 2 zu § 368h RVO = Breithaupt 1966, 16). Eine Ausnahme hiervon dürfte auch dann nicht in Betracht zu ziehen sein, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Gesamtvertragsparteien eine den Gesamtvergütungsvertrag ergänzende Protokollnotiz mit einer möglichen Nachzahlungspflicht der Krankenkassen vereinbart haben, die sich auf eine innerhalb des Gesamtvergütungsvertrags getroffene Punktwertfestlegung bezieht. Diese Frage bedarf hier aber keiner abschließenden Entscheidung. Denn in der Sache besteht ohnehin kein Anspruch der beklagten KZÄV gegen die beigeladenen Krankenkassen auf Vergütung der Zahnersatzleistungen mit einem höheren als dem vereinbarten Punktwert von 1,3023 DM.
Die Vertragsparteien der Gesamtvergütungsvereinbarung für das Jahr 2000 knüpften bei ihren Punktwertfestlegungen zu Recht an die für 1999 reduzierten Ausgabenvolumina und Punktwerte an, wie in den Urteilen vom heutigen Tag in den Verfahren B 6 KA 22/04 R und B 6 KA 42/04 R im Einzelnen ausgeführt ist (Letzteres zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Nach Art 15 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 GKV-SolG (vom , BGBl I 3853) durfte im Jahr 1999 das Ausgabenvolumen für Zahnersatz und Kieferorthopädie, jeweils ohne zahntechnische Leistungen, die Gesamtheit der über die KZÄVen Vereinigungen abgerechneten entsprechenden Vergütungen für das Jahr 1997 abzüglich 5 vom Hundert nicht überschreiten. Nach Satz 7 aaO durften zudem, sofern für 1999 Punktwerte für zahnärztliche Leistungen bei Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und bei Kieferorthopädie vereinbart wurden, diese Punktwerte die am geltenden Punktwerte abzüglich 5 vom Hundert nicht überschreiten. Die so abgesenkte Gesamtvergütung für 1999 war gemäß § 85 Abs 3 SGB V (hier anzuwenden in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom , BGBl I 2266, die bis zum galt) der zutreffende Anknüpfungspunkt für die Vereinbarung der Gesamtvergütung für das nachfolgende Jahr 2000. Dies ergibt sich zum einen aus der Regelung des § 85 Abs 3 Satz 1 SGB V, die die Vorgabe der Anknüpfung jeweils an die vorjährige Gesamtvergütung enthält, und zum anderen aus § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V mit seiner Bezugnahme auf den in § 71 SGB V verankerten Grundsatz der Beitragssatzstabilität. Die aus diesen beiden Regelungen folgende Anbindung an die vorjährige Gesamtvergütung gilt nicht nur für die Festsetzung des höchstzulässigen Ausgabenvolumens, sondern auch für die Festlegung von Punktwerten für Einzelleistungen. Eine Eingrenzung dahingehend, dass die Absenkung nur für 1999 habe gelten sollen und bei nachfolgenden Vereinbarungen außer Betracht zu lassen, dh dann wieder vom nicht abgesenkten Niveau auszugehen sei, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen (s die genannten Urteile in den Verfahren B 6 KA 22/04 R und B 6 KA 42/04 R).
Aus der Protokollnotiz, die die Gesamtvertragsparteien ergänzend zum Gesamtvergütungsvertrag vereinbart haben, ergibt sich nichts anderes. Die Protokollnotiz, die vom BSG ausgelegt werden kann, da das LSG sie unberücksichtigt gelassen hat (dazu s zB BSGE 93, 258 = SozR 4-2500 § 85 Nr 12, jeweils RdNr 7; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, jeweils RdNr 124 mwN), sah nach ihrem Wortlaut und Sinngehalt Nachzahlungen der Krankenkassen nur für den Fall vor, dass die Frage der Begrenzung der Honorarabsenkung auf das Jahr 1999 oder ihrer Fortwirkung für die Folgejahre höchstrichterlich im Sinne der Geltung für 1999 entschieden werde. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Der Senat hat vielmehr in mehreren Urteilen vom heutigen Tag entschieden, dass die für 1999 gesetzlich angeordnete Reduzierung der Ausgabenvolumina und der Punktwerte auch der Gesamtvergütungsvereinbarung für das Jahr 2000 zu Grunde zu legen war (wie oben im Anschluss an die Urteile in den Verfahren B 6 KA 22/04 R und B 6 KA 42/04 R ausgeführt).
Erfolglos ist auch die vom Kläger erhobene Rüge, das LSG habe es verfahrensfehlerhaft versäumt, die Frage einer Gefährdung der Beitragssatzstabilität von Amts wegen gemäß § 103 SGG aufzuklären. Gerichtlicher Ermittlungen bedurfte es insoweit nicht. Denn der Grundsatz der Beitragssatzstabilität stellt gemäß § 85 Abs 3 Satz 2 iVm § 71 SGB V ein bei Gesamtvergütungsvereinbarungen zu beachtendes Ziel dar, unabhängig davon, ob die Beitragssatzstabilität konkret gefährdet ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG in der bis zum geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
EAAAC-13982