Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: SGB X § 44
Instanzenzug:
Gründe
I
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Zugunstenverfahrens um die Bewertung von beitragsbelegten Kindererziehungszeiten (KEZ) bei einer vom bis geleisteten Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU-Rente).
Der im Oktober 1936 geborenen Klägerin wurde mit Bescheid der Beklagten vom BU-Rente ab bewilligt. Bei der Rentenberechnung wurden auch KEZ für die im Juni 1959, im August 1960 und im Januar 1967 geborenen Kinder der Klägerin berücksichtigt. Soweit diese Zeiten mit Pflichtbeitragszeiten zusammenfielen, wurden sie nicht zusätzlich angerechnet. Mit Bescheid vom wurde der Klägerin ab Altersrente für Frauen bewilligt. Diese Rente wurde im Hinblick auf die durch das Rentenreformgesetz 1999 (RRG 1999) geänderte Bewertung von KEZ mit Bescheid vom von Beginn an neu berechnet.
Die von der Klägerin beantragte Neuberechnung der BU-Rente lehnte die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ab. Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts <SG> Speyer vom und Urteil des Landessozialgerichts <LSG> Rheinland-Pfalz vom ). Das LSG hat im Wesentlichen ausgeführt: Der bestandskräftige Bescheid über die Bewilligung der BU-Rente sei weder nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) noch nach § 48 SGB X aufzuheben. Hinsichtlich des § 44 SGB X fehle es an der Voraussetzung, dass Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden seien; das seinerzeit geltende Recht habe keine additive Berücksichtigung von KEZ vorgesehen; dies sei erst seit im Anschluss an die Entscheidung des und 692/90) möglich. Soweit die Übergangsregelung in § 307d Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) eine additive Berücksichtigung von KEZ vorsehe, wenn am ein Anspruch auf Rente bestanden habe, bei der KEZ berücksichtigt worden seien, oder wenn eine solche am noch nicht bindend bewilligte Rente vor dem weggefallen sei, erfülle die Klägerin diese Voraussetzungen nicht. Am habe sie keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit mehr gehabt; ihr sei zwischenzeitlich Altersrente bewilligt worden. Die Rente wegen Berufsunfähigkeit sei ferner bereits am bindend bewilligt worden. Für den streitigen Zeitpunkt sei es auch nicht im Sinne von § 48 SGB X zu einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse gekommen. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass das BVerfG die früheren Regelungen zur Bewertung von KEZ nicht für nichtig, sondern nur für mit der Verfassung nicht vereinbar erklärt habe. Das BVerfG habe dementsprechend den Gesetzgeber verpflichtet, die verfassungswidrige Regelung spätestens bis durch eine verfassungsgemäße zu ersetzen, und hervorgehoben, dass es ihm unbenommen bleibe, die Neuregelung auf rechts- und bestandskräftig gewordene Entscheidungen und zurückliegende Sachverhalte zu erstrecken. Dem sei der Gesetzgeber mit § 307d SGB VI nachgekommen. Aus § 79 Abs 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) ergebe sich nichts anderes.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 44 SGB X. Entgegen der Auffassung des LSG werde die Anwendbarkeit des § 44 SGB X durch § 307d SGB VI nicht ausgeschlossen. Diese vom Gesetzgeber mit dem RRG 1999 eingefügte Regelung sei Ausfluss der Entscheidung des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit der Regelung über die rentenrechtliche Bewertung von KEZ und müsse im Zusammenhang mit dieser Entscheidung und damit auch im Licht der Ausführungen des BVerfG im Hinblick auf § 79 BVerfGG gesehen werden. Gerade die Tatsache, dass hier für bestandskräftige und nicht bestandskräftige Bescheide unterschiedliche Regelungen getroffen worden seien, was die Rückwirkung in die Vergangenheit betreffe, zeige, dass § 307d SGB VI Ausfluss des Gedankens des § 79 BVerfGG sei. § 79 BVerfGG sei eine einfach-gesetzliche Regelung, durch die dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit Vorrang vor dem Rechtsschutz des Einzelnen gegeben werden solle. § 307d SGB VI solle sicherstellen, dass Bestandsrentner mit KEZ die gleichen Leistungen erhielten wie Zugangsrentner. Der Gesetzesbegründung sei an keiner Stelle zu entnehmen, dass die Möglichkeit der Erteilung eines Zugunstenbescheids ausdrücklich ausgeschlossen werden solle. Gerade die Tatsache, dass für nicht bindende Rentenbescheide nach § 307d SGB VI eine rückwirkende Neufestsetzung zu treffen sei, spreche für die Anwendbarkeit von § 44 SGB X. Hätte der Gesetzgeber die Anwendung von § 44 SGB X ausschließen wollen, so hätte er dies, wie auch in anderen Gesetzen, zB § 47a Abs 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) geschehen, ausdrücklich im Gesetz aufnehmen können. Es sei auch nicht einzusehen, wieso bei Verstößen gegen einfach-gesetzliche Vorschriften eine Überprüfung nach § 44 SGB X möglich sein solle, während bei Verstößen gegen die verfassungsmäßig garantierten Rechte eines Bürgers eine solche Überprüfung durch die Vorschrift des § 79 BVerfGG ausgeschlossen sein solle.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom und des Sozialgerichts Speyer vom aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom zu verurteilen, ihren Bescheid vom teilweise aufzuheben und die Kindererziehungszeiten additiv zu den vorhandenen Beitragszeiten zu berücksichtigen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und bezieht sich dazu ergänzend auf die Gesetzesbegründung (BT-Drucks 13/8011, s 66 zu Art 1 Nr 117 des Entwurfs), der der Wortlaut des § 307d SGB VI entspreche. Danach habe sich der Gesetzgeber eindeutig an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und dessen Ausführungen zur Erstreckung einer Neuregelung auf bestandskräftige Entscheidungen orientiert. Die Formulierung des § 307d SGB VI stelle mit nicht mehr zu überbietender Deutlichkeit sicher, dass am bindend gewesene Rentenbescheide nicht mehr als überprüfungsfähig angesehen werden. Der eindeutige Regelungsinhalt weise die Vorschrift als § 44 SGB X vorgehende Spezialvorschrift aus. Aus § 47a Abs 2 SGB V folge nicht anderes. Denn ausweislich der dazu gegebenen Gesetzesbegründung (BT-Drucks 14/4371, S 16) komme dieser Vorschrift insgesamt lediglich klarstellende Bedeutung zu vor dem Hintergrund, dass sich das BVerfG nicht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) angeschlossen habe, wonach § 44 SGB X als spezielle Regelung dem § 79 Abs 2 BVerfGG vorgehe. Daraus folge zwingend, dass auch dem von der Klägerin angeführten § 47a Satz 2 SGB V lediglich eine klarstellende Funktion zukomme.
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das LSG hat ihre Berufung gegen das klagabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom , mit dem die Beklagte eine Änderung des Bescheids über die Bewilligung der BU-Rente im Hinblick auf die neue Bewertung von KEZ abgelehnt hat. Dieser Bescheid ist rechtmäßig. Die Beklagte hat der neuen Bewertung bei der an Stelle der BU-Rente ab geleisteten höheren Altersrente Rechnung getragen. Eine Verpflichtung, sie darüber hinaus auch für die davor geleistete BU-Rente zu berücksichtigen, bestand - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - weder nach § 307d SGB VI noch nach §§ 44 oder 48 SGB X.
1. § 307d SGB VI, eingefügt durch Art 1 Nr 125 RRG 1999, enthält eine Regelung über Entgeltpunkte (EP) für KEZ bei Bestandsrenten. Als Vorschrift des Fünften Kapitels des SGB VI handelt es sich um eine Sonderregelung zu der durch Art 1 Nr 34 RRG 1999 geänderten Bestimmung in § 70 Abs 2 SGB VI und zu deren Ergänzung durch § 256d SGB VI.
a) Nach dem früheren, bei der Berechnung der BU-Rente der Klägerin angewendeten Recht, wurde KEZ, sofern diese Zeiten nicht mit Beiträgen belegt waren, ein fiktiver Wert von 6,25 bzw ab Inkrafttreten des SGB VI 0,00625 EP zugeordnet; waren Beiträge vorhanden, die diesen Wert nicht erreichten, wurden sie bis zu diesem Wert aufgestockt (§ 1255 Abs 6a Reichsversicherungsordnung <RVO>, § 32a Angestelltenversicherungsgesetz, § 54a Abs 5 Reichsknappschaftsgesetz, § 70 Abs 2 SGB VI idF des RRG 1992). Die KEZ wirkten sich aufgrund dieser Regelung bei Personen, die während der KEZ durch eigene Beiträge Vorsorge für das Alter getroffen hatten, nur bei Lücken im Versicherungsverlauf oder freiwilligen oder Pflichtbeiträgen, die Werteinheiten unter 75 pro Jahr (0,75 EP) entsprachen, rentensteigernd aus. Das neue Recht ordnet KEZ einen höheren Wert, nämlich für jeden Kalendermonat 0,0833 EP, zu und sieht eine additive Berücksichtigung von KEZ vor: beim Zusammentreffen von KEZ mit sonstigen Beitragszeiten werden die EP für KEZ ermittelt, indem die EP für sonstige Beitragszeiten um 0,0833 erhöht werden, höchstens um die EP bis zum Erreichen der jeweiligen Höchstwerte an EP nach Anlage 2b zum SGB VI. Die neuen EP für KEZ werden nach dem gleichzeitig (durch Art 1 Nr 95 RRG 1999) eingefügten § 256d SGB VI bei Rentenzahlungen bis stufenweise berücksichtigt.
b) § 307d SGB VI findet Anwendung, wenn am ein Anspruch auf eine Rente bestand, bei der KEZ angerechnet worden sind, oder wenn eine solche Rente, die am noch nicht bindend bewilligt war, vor dem weggefallen ist (§ 307d Satz 1, 1. Halbsatz SGB VI). In diesen Fällen werden die bisher in der Rente enthaltenen EP für KEZ durch pauschale EP für KEZ ersetzt (§ 307d Satz 1, 2. Halbsatz, Satz 6 SGB VI). Die pauschalen EP werden ermittelt, indem die Anzahl an Monaten mit KEZ mit 0,0833 EP vervielfältigt werden (§ 307d Satz 2 SGB VI); bei der Rentenleistung bis werden sie ebenfalls nur stufenweise berücksichtigt (§ 307d Satz 5 SGB VI). Hinsichtlich des Zeitraums, für den der Austausch der EP erfolgt, ist eine Differenzierung vorgenommen zwischen Personen, denen am eine Rente noch nicht bindend bewilligt war und solchen, bei denen dies schon der Fall war. Diese Differenzierung ergibt sich aus den verschiedenen Zeitpunkten, zu denen das neue Recht nach Art 33 Abs 2 und 12 RRG 1999 in Kraft getreten ist. Demzufolge gilt § 307d SGB VI für Personen, für die am eine Rente noch nicht bindend bewilligt war, rückwirkend vom an (Art 33 Abs 2 RRG 1999), ansonsten gilt die Vorschrift wie auch die geänderte Fassung des § 70 Abs 2 SGB VI erst ab (Art 33 Abs 12 RRG 1999).
c) Entsprechend den in § 307d SGB VI genannten Voraussetzungen hat die Beklagte zutreffend den Austausch der EP für KEZ bei den Rentenleistungen an die Klägerin erst mit Beginn deren Altersrente für Frauen ab vorgenommen. Denn diese Rente war am noch nicht bindend bewilligt. Bei der BU-Rente der Klägerin war dies hingegen der Fall. Es kann daher dahinstehen, ob hinsichtlich dieser Rente, an deren Stelle die Klägerin - wie auch im Bescheid vom verfügt - ab die (höhere) Altersrente für Frauen erhielt, wodurch entsprechend der Konkurrenzregelung in § 89 SGB VI für die Dauer des Zusammentreffens beider Rentenansprüche lediglich der Zahlungsanspruch auf die BU-Rente entfiel (vgl - SozR 3-2600 § 319b Nr 3 mwN), iS des § 307d Satz 1 SGB VI ein Anspruch am noch bestand oder - wovon das LSG ausgegangen ist - zuvor weggefallen war. Dafür, dass § 307d Satz 1 SGB VI den Begriff des Anspruchs iS eines Zahlungsanspruchs versteht, sprechen allerdings Ziel und Zweck der Regelung, nämlich sicherzustellen, dass Bestandsrentner mit KEZ für diese Zeiten die gleiche Leistung erhalten wie Zugangsrentner (vgl die Begründung zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP - BT-Drucks 13/8011, S 66, zu Nr 117 <§ 307d>).
2. § 307d SGB VI regelt abschließend, wie die additive Bewertung von KEZ bei Bestandsrenten zu berücksichtigen ist. Dabei kann offen bleiben, ob es sich bei § 307d SGB VI - wozu der Senat neigt - um eine Spezialvorschrift für einen Sozialleistungsbereich handelt, die gemäß § 37 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) den allgemeinen Regelungen in §§ 48 und 44 SGB X vorgeht. Denn ungeachtet, ob - auch im Hinblick auf § 79 Abs 2 BVerfGG (vgl dazu - SozR 3-8570 § 8 Nr 7 - zum Verhältnis von § 44 SGB X zu § 79 BVerfGG bei einer vom BVerfG für nichtig erklärten Norm) - eine Anwendung dieser allgemeinen Vorschriften grundsätzlich in Betracht käme, wären deren Voraussetzungen hier nicht erfüllt.
a) Dafür, dass es sich bei § 307d SGB VI um eine von § 44 SGB X abweichende Regelung iS des § 37 SGB I handelt, spricht neben dem sachlichen und zeitlichen Anwendungsbereich der Norm ihre systematische Stellung. Als Sonderregelung über EP für KEZ im Vierten Unterabschnitt (Rentenhöhe) des Zweiten Abschnitts (Ausnahmen von der Anwendung neuen Rechts) des Fünften Kapitels des SGB VI enthält § 307d SGB VI iS von § 300 Abs 5 und 306 Abs 1 letzter Halbsatz SGB VI abweichende Regelungen gegenüber den allgemeinen Grundsätzen des § 300 Abs 1 und 2 SGB VI zur Anwendung neuen Rechts und dem speziellen Grundsatz des § 306 Abs 1 SGB VI, wonach aus Anlass einer Rechtsänderung die einer Rente zu Grunde gelegten persönlichen EP nicht neu bestimmt werden. In diesem Zusammenhang ist aus der Festlegung eines Zeitpunkts für den Austausch der EP für KEZ vor dem nur bei am noch nicht bindend festgestellten Renten die Absicht des Gesetzgebers hinreichend deutlich erkennbar, eine weitergehende Anwendung des neuen Rechts auszuschließen.
b) Nach § 44 SGB X besteht ein Anspruch auf Rücknahme eines bindenden Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit, soweit sich im Einzelfall erweist, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind (§ 44 Abs 1 Satz 1 SGB X). Letzteres kommt hier überhaupt nur für die Zeit vom bis in Betracht; denn für die nachfolgende Zeit hat die Klägerin Rentenleistungen unter Berücksichtigung höherer EP für KEZ bereits erhalten. Nach § 44 Abs 4 SGB X werden, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist, Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile des SGB VI längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme bzw dem Antrag auf Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme bzw des Antrags von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen bzw der Antrag gestellt wird. Unterstellt, bei der Klägerin wären die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 SGB X erfüllt, könnte auf ihren in 1998 gestellten Antrag die auf Grund additiver Berücksichtigung von KEZ höhere BU-Rente mithin zwar nicht von ihrem Beginn () an, jedoch noch vom bis geleistet werden. Indes lässt sich hier nicht feststellen, dass aufgrund einer unrichtigen Anwendung des Rechts Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht wurden.
aa) Nach der Rechtsprechung des BSG kommt es zwar für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts bei unveränderter Sachlage grundsätzlich auf die damalige Rechtslage aus heutiger Sicht an (vgl - BSGE 57, 209 = SozR 1300 § 44 Nr 13, vom - 1 RJ 2/84 - BSGE 58, 27 = SozR 1300 § 44 Nr 16). Von daher kann nicht mehr ohne weiteres auf die bei Erlass des Bescheids über die Bewilligung der BU-Rente im Juli 1994 vorhandene höchstrichterliche Rechtsprechung abgestellt werden, wonach § 1255a Abs 5 RVO als verfassungsgemäß anzusehen sei ( 4/11 RA 59/87 - SozR 2200 § 1255a Nr 20 sowie vom - 1 RA 83/88 - DAngVers 1991, 96 - und 1 BA 243/88 - veröffentlicht in JURIS), nachdem das BVerfG diese Auffassung in seinem Beschluss vom (1 BvR 609/90, 692/90 - BVerfGE 94, 241 = SozR 3-2200 § 1255a Nr 5) verworfen hat. Beim Wandel der Rechtsprechung ist jedoch zu prüfen, ob der anderen rechtlichen Beurteilung Wirkung auch für die Vergangenheit oder nur für die Zukunft beigemessen wird (vgl - BSGE 58, 27, 32 f = SozR 1300 § 44 Nr 16, S 32 f, vom - 11 RAr 101/94 - BSGE 78, 109, 116 f = SozR 3-1300 § 48 Nr 48, vom - B 9 V 16/98 R - veröffentlicht in JURIS und vom - B 4 RA 6/01 R - SozR 3-8570 § 8 Nr 7, S 42 f). Entsprechendes muss - auch für die Frage, ob Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind - gelten, wenn das BVerfG festgestellt hat, dass die einfach-gesetzliche Rechtslage nicht der Verfassung entspricht. Insoweit ist hier von besonderer Bedeutung, dass das BVerfG die frühere Bewertung von beitragsbelegten KEZ für mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) unvereinbar und deswegen lediglich für verfassungswidrig und nicht für nichtig erklärt hat. Die Ausführungen des BVerfG zur Beschränkung auf eine Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Gleichheitsverstoßes (aaO BVerfGE 94, 241, 264 ff = SozR 3-2200 § 1255a Nr 5, S 18 f) und die damit verbundenen Auflagen an den Gesetzgeber sind dabei entscheidend für die Frage, ob und in wieweit die Entscheidung des BVerfG Wirkung für die Vergangenheit hat.
bb) Das BVerfG hat hervorgehoben, dass das GG den Gesetzgeber bei der Verbesserung der sozialen Lage kindererziehender Mütter und Väter nicht auf eine bestimmte Lösung festlege. Er sei insbesondere von Verfassungs wegen nicht gehalten, KEZ auf der Grundlage des additiven Modells zu berücksichtigen. Das BVerfG habe auch nicht darüber zu entscheiden, ob der Gesetzgeber sein Ziel auch außerhalb des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung im Einklang mit dem GG hätte erreichen können (BVerfG aaO BVerfGE 94, 241, 264 f = SozR 3-2200 § 1255a Nr 5, S 17). Was die Auswirkungen seiner Entscheidung angeht, verweist das Gericht sodann zunächst auf seine Entscheidung vom (1 BvL 15/85 ua - BVerfGE 87, 114, 135). Dort ist (unter Hinweis auf die Beschlüsse des , 61/79 und 21/77 - BVerfGE 55, 100, 110 = SozR 2600 § 60 Nr 2, vom - 2 BvL 1/86 - BVerfGE 81, 363, 383 f und vom - 1 BvL 2/83 ua - BVerfGE 82, 126, 155) dargelegt, dass sich das BVerfG im Fall der Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Regelung darauf beschränke, deren Unvereinbarkeit mit dem GG festzustellen, und von einer Nichtigerklärung absehe, wenn dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stünden, eine verfassungsmäßige Gesetzeslage herzustellen. Es greife dann in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers nicht dadurch ein, dass es unmittelbar durch seine Entscheidung eine neue Rechtslage in einem bestimmten Sinn schaffe; die Unvereinbarkeitserklärung habe regelmäßig die Wirkung, dass Gerichte und Verwaltung die beanstandeten Normen nicht mehr anwenden dürften, sondern in anhängigen Verfahren die Neuregelung des Gesetzgebers abwarten müssten. Es trete danach zunächst ein rechtlicher Schwebezustand ein, der grundsätzlich erst durch die Neuregelung des Gesetzgebers beendet werde. Anschließend heißt es (aaO BVerfGE 94, 241, 266 f = SozR 3-2200 § 1255a Nr 5 S 18 f):
"Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die verfassungswidrige Regelung durch eine verfassungsgemäße Regelung zu ersetzen. Für die in diesem Zusammenhang erforderlichen Entscheidungen und deren Verwirklichung im Gesetzgebungsverfahren erscheint ein Zeitraum bis zum angemessen. Dabei hat der Gesetzgeber grundsätzlich auch Vorsorge dafür zu treffen, dass in Fällen, in denen die Verwaltung erstmals nach Bekanntgabe des vorliegenden Beschlusses auch über die Frage der Berücksichtigung von mit beitragsbelegten Zeiten zusammentreffenden Kindererziehungszeiten entscheidet, die von ihm vorgenommene Neuregelung (gegebenenfalls rückwirkend) wirksam wird... Rentenbescheide, die im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung bereits bestandskräftig sind, bleiben von ihr unberührt. Dies entspricht dem Grundgedanken des § 79 Abs 2 Satz 1 BVerfGG, der auch zur Anwendung kommt, wenn das BVerfG eine Vorschrift als mit dem GG unvereinbar erklärt (vgl BVerfGE 81, 363, 384). Es ist dem Gesetzgeber unbenommen, im Zusammenhang mit dem Gegenstand der vorliegenden Entscheidung eine andere Regelung zu treffen. Er kann die gesetzliche Neuregelung des Zusammentreffens von Kindererziehungszeiten mit beitragsbelegten Zeiten auf rechts- oder bestandskräftig gewordene Entscheidungen und zurückliegende Sachverhalte erstrecken; von Verfassungs wegen verpflichtet ist er hierzu nicht. Die fachgerichtlichen Urteile und Beschlüsse, die auf der für verfassungswidrig erklärten Vorschrift beruhen und mit den vorliegenden Verfassungsbeschwerden angegriffen sind, werden aufgehoben. Die zugrundeliegenden Verfahren sind auszusetzen.... Soweit Rentenbescheide, die auf der für verfassungswidrig erklärten Norm beruhen, im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Entscheidung des BVerfG noch keine Bestandskraft haben, sind anhängige Gerichtsverfahren bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber auszusetzen. Rentenbescheiden, die nach Bekanntgabe des vorliegenden Beschlusses des BVerfG erlassen werden, ist zunächst das bisher geltende Recht zugrunde zu legen, jedoch unter dem Vorbehalt der Anpassung an die künftige Neuregelung."
cc) Diesen Ausführungen ist zu entnehmen, dass das BVerfG die Folgen seiner Entscheidung und insbesondere den zeitlichen Umfang, in dem der verfassungswidrige Rechtszustand hinzunehmen ist, dahin bestimmt hat, dass seiner rechtlichen Beurteilung unmittelbar keine Rückwirkung zukommt, der verfassungswidrige Zustand längstens bis zum hinzunehmen ist und der Gesetzgeber auch bei Renten, über die im Zeitpunkt der Entscheidung des BVerfG bereits bindend entschieden war, darüber entscheidet, in wieweit der verfassungswidrige Zustand rückwirkend beseitigt wird (vgl auch - SozR 3-1700 § 31 Nr 1 und vom - B 8 KN 2/00 R - BSGE 88, 138 = SozR 3-2600 § 93 Nr 10, S 101).
c) Da die Entscheidung des BVerfG die Rechtslage nicht rückwirkend geändert hat und in den rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheids vom vorgelegen haben, eine Änderung vielmehr erst durch § 307d SGB VI eingetreten ist, ergibt sich ein Anspruch der Klägerin auf Änderung der EP für KEZ für Zeiten des Bezugs der BU-Rente auch nicht nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X.
3. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 307d SGB VI bestehen nicht. Die damit verbundene Privilegierung derjenigen Personen, deren Rente am (dem Tag der Verkündung der Entscheidung des BVerfG) noch nicht bindend bewilligt war, gegenüber denjenigen, bei denen dies der Fall war, hält sich im Rahmen der Vorgaben des BVerfG für die Umsetzung seiner Entscheidung. Dabei hat das BVerfG eine an diesen Sachverhalt anknüpfende ungleiche Begünstigung durch das neue Recht bereits als dem Grundgedanken aus § 79 Abs 2 BVerfGG entsprechend sogar in noch größerem Umfang - nämlich auch für Rentenleistungen ab - gebilligt. Sie verliert ihre Rechtfertigung nicht dadurch, dass der Gesetzgeber die Privilegierung auf Leistungen vor dem begrenzt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
IAAAC-13865