BSG Beschluss v. - B 4 RA 24/02 R

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: FRG § 22 Abs 4; FANG Art 6 § 4c idF des WFG; GG Art 14; GG Art 3 Abs 1

Instanzenzug:

Gründe

3. Die durch § 22 Abs 4 FRG iVm Art 6 § 4c FANG idF des WFG nur für Vertriebene vorgenommene generelle Absenkung der Rangstellen von Anwartschaftsrechtsinhabern um 40 vH des relativen Wertes ihrer FRG-Zeiten verstößt in mehrfacher Hinsicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG.

3.1 Zur Einhaltung des allgemeinen Gleichheitssatzes ist der Gesetzgeber bei jeder Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art 14 Abs 1 Satz 2 GG verpflichtet (BVerfGE 58, 137, 150). Dieser ist jedenfalls dann verletzt, wenn die Vorgehensweise des Gesetzgebers mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise unvereinbar erscheint (BVerfGE 21, 73, 84).

Art 3 Abs 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten anders behandelt, obgleich zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine solche Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 55, 72, 88; 72, 141, 150; 87, 1, 36). Entsprechendes gilt für eine für alle Betroffenen gleiche Regelung, wenn sie für eine Personengruppe Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht zur Folge hätte, dass ihr gegenüber die gleichartige Behandlung nicht zu rechtfertigen wäre (BVerfGE 72, 141, 150). Geht es - wie hier - um die Ungleichbehandlung von Personengruppen, unterliegt die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers regelmäßig einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse und wird nicht nur durch das Willkürverbot begrenzt (BVerfGE 88, 87, 96 f). Dem gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum (gegenüber der Kontrolle durch die rechtsprechende Gewalt) sind umso engere Grenzen gesetzt (dh: die gerichtliche Kontrolle reicht umso weiter), je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen und Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachhaltig auswirken kann (Urteil des Senats vom - B 4 RA 49/96 R, BSGE 82, 83, 90 = SozR 3-2600 § 93 Nr 7 S 53).

Sowohl die Nichteinbeziehung von Personen in den persönlichen Geltungsbereich einer Norm, von der sie nach dem Gesetzgebungskonzept an sich betroffen sein müssten, wie auch die unterschiedslose Gleichbehandlung von verschiedenen Personengruppen bedarf damit jeweils eines sachbereichsbezogen verhältnismäßigen und einleuchtenden Grundes (vgl BVerfGE 42, 374, 388 und Vorlagebeschluss des Senats vom - B 4 RA 49/99 R, S 85 des Umdrucks).

3.2 An einem in diesem Sinne einleuchtenden Grund fehlt es vorliegend in mehrfacher Hinsicht:

Vor dem Hintergrund der oben dargestellten gesetzlichen Stufung der subjektiven öffentlichen Rechte in der Altersrentenversicherung ("Anrecht", "Anwartschaft", "Anwartschaftsrecht", "Vollrecht") sind nach dem Maß der vom WFG intendierten Betroffenheit durch das den vorgelegten Bestimmungen zu Grunde liegende Normkonzept die nachfolgend dargestellten Gruppen zu unterscheiden:

Die zu vergleichenden drei Gruppen von Versicherten

1. Versicherte mit gleichgestellten Beitrags- und Beschäftigungszeiten nach dem FRG

1.1

Bislang nicht versicherte Neuzugänge

1.2

Versicherte mit dem Anrecht auf den Erwerb einer Anwartschaft auf eine (Regel-)Altersrente bis zur Erfüllung der Wartezeit

1.3

Versicherte mit einer Anwartschaft auf eine (Regel-)Altersrente nach Erfüllung der Wartezeit bis zum 55. Lebensjahr

1.4

Versicherte mit einem Anwartschaftsrecht auf eine (Regel-)Altersrente nach Erfüllung der Wartezeit und Vollendung des 55. Lebensjahres

1.5

Vollrechtsinhaber

1.4.1

Versicherte von 1.4 mit einem zusätzlichen Anwartschaftsrecht auf ein Gestaltungsrecht zur vorgezogenen Herbeiführung des Versicherungsfalls (§§ 36, 37 und 40 SGB VI)

1.4.2

Versicherte von 1.4 mit einem Gestaltungsrecht auf vorgezogene Herbeiführung des Versicherungsfalls (§§ 36, 37 und 40 SGB VI)

1.4.3

"Rentennahe" Versicherte von 1.4 bis 1.4.2 mit Zuzug vor und Rentenbeginn vor

2. Versicherte mit Rechten ("Anrecht", "Anwartschaft", "Anwartschaftsrecht" und "Vollrecht") im Kernsystem der gesetzlichen RV (sog beitragsrelevante Versicherte):

2.1

entgeltlich beschäftigte (zwangsversicherte) Arbeitnehmer

2.2

auf Antrag Pflichtversicherte

2.3

zwangsversicherte Selbstständige

2.4

freiwillig Versicherte

3. Versicherte mit Rechten ("Anrecht", "Anwartschaft", "Anwartschaftsrecht" und "Vollrecht") auf Grund von Beitragszeiten (bzw Ersatzzeiten), die den im Kernsystem der gesetzlichen RV (oben 2) erworbenen Beitragszeiten aus verschiedenen Sach- und Rechtsgründen durch Bewertungsakt des Bundesgesetzgebers gleichgestellt wurden ("gleichgestellte Systeme", hier ohne FRG), zB:

3.1

Versicherte mit reichsgesetzlichen Zeiten außerhalb des jeweiligen Bundesgebietes

3.2

Versicherte auf Grund gleichgestellter Beitragszeiten aus Erwerbsgründen im Beitrittsgebiet

3.3

Versicherte mit nach dem WGSVG gleichgestellten Zeiten

3.4

Ersatzzeitenberechtigte

3.5

Versicherte mit Zeiten der nicht erwerbsmäßigen Pflege eines Pflege- bedürftigen

3.6

Kindererziehungszeitenberechtigte

3.7

Versicherte mit nach überstaatlichem Recht oder zwischenstaatlichen Abkommen (beitragsfrei) gleichgestellten Beitragszeiten

3.8

Nachversicherte

3.9

Versorgungsausgleichsberechtigte

3.2.1 Die Klägerin war Inhaberin eines Anwartschaftsrechts auf Altersrente mit Beitragszeiten - auch - nach dem FRG sowie Inhaberin eines zusätzlichen Anwartschaftsrechts auf ein Gestaltungsrecht zur vorgezogenen Herbeiführung eines Versicherungsfalles (nach § 39 SGB VI idF bis ). Sie gehört damit der Gruppe 1.4.1 der Tabelle an. Als solche wird sie gegenüber den unter 2. der Tabelle erfassten Inhabern von Anwartschaftsrechten auf Grund einer Beitragszahlung oder -tragung im Kernsystem der GRV (Angehörige der Gruppe 2. der Tabelle) und gegenüber den Anwartschaftsrechtsinhabern in den anderen dem Kernsystem - außerhalb des FRG - gleichgestellten Systemen (Angehörige der Gruppe 3. der Tabelle) verfassungswidrig ungleich behandelt.

Dies gilt gleichermaßen hinsichtlich der Tatsache, dass nur Inhabern von Anwartschaftsrechten mit nach dem FRG gleichgestellten Beitragszeiten eine Wertminderung ihrer Position zugemutet wird, wie auch bezüglich der Art und Weise des gesetzgeberischen Vorgehens.

Die neue Inhaltsbestimmung enthält einen Wertungswiderspruch und ist schon deshalb mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht vereinbar.

Eine angebliche, im gegebenen System, in dem es keine beitragsbezogenen Leistungen und keine leistungsbezogenen Beiträge gibt, nicht mögliche Kürzung "nicht beitragsgedeckter Leistungen" (so aber § 213 Abs 3 Satz 1 SGB VI) des Rentenversicherungsträgers mag bei oberflächlicher Betrachtung zunächst als taugliches Mittel erscheinen, um das erforderliche Beitragsaufkommen zu begrenzen und den davon abhängigen Bundeszuschuss zu senken, also die Ziele des WFG zu fördern. Jedoch trägt der Bund aus Steuermitteln auch heute noch nicht alle Kosten, die er den Rentenversicherungsträgern durch die gleichgestellten Systeme (und die Zusatzsysteme) auferlegt hat; daher sind im Kernsystem ohnehin alle durch dieses verursachten Kosten beitragsfinanziert. Zum Teil aber erfolgt auch heute noch eine Subventionierung des Bundeshaushalts durch die Träger der Rentenversicherung, also letztlich durch die Arbeitgeber, Selbstzahler und - indirekt - durch die Gruppe der beitragstragenden Versicherten. Versteht man aber, entgegen den Regelungen in den §§ 1 bis 212 SGB VI unter "beitragsgedeckten Leistungen" alle nicht auf einer im Bundesgebiet erbrachten Vorleistung iS des SGB VI beruhenden Rechte, so wären davon alle gleichgestellten Systeme in gleicher Weise und mit gleichem Inhalt betroffen. Ein Grund, nur bei einer einzigen Teilgruppe hieraus eine Rangstellenkürzung um 40 vH vornehmen zu dürfen, ist weder dargetan noch ersichtlich.

Allerdings waren bei Erlass des WFG sogar solche "nicht beitragsgedeckten Leistungen" an die Vertriebenen nicht feststellbar; nicht einmal die für deren genaue Feststellung erforderlichen Daten (zB Fallanzahl der Rentner mit "FRG-Zeiten", jeweilige Höhe des "FRG"-bedingten Leistungsanteils) lagen bei der BfA und beim VDR vor, wie dem Senat in den zu den Vorlagebeschlüssen vom (B 4 RA 49/98 R, S 86 des Umdrucks; B 4 RA 18/99 R, S 64 des Umdrucks) führenden Verfahren auf Anfrage mitgeteilt worden ist. Außerdem verkennt eine derartige Betrachtungsweise, dass der eigentumsgewährende und -gestaltende Gesetzgeber des einschlägigen einfachen (Renten-)Rechts ihr bereits vorweg die Grundlage durch sein ursprünglich gewähltes Konzept schon im Ansatz entzogen hat; er verhält sich durch die neue Inhaltsbestimmung den eigenen Vorgaben gegenüber offen selbstwidersprüchlich. Er hat nämlich durch die Gesamtheit der bis zum Inkrafttreten des WFG geltenden einschlägigen inländischen Rechtsnormen

* zunächst eine nicht im räumlichen Geltungsbereich des SGB VI ausgeübte und auch nicht auf Grund besonderer Bestimmungen (zB Ausstrahlung <§ 4 SGB IV>) zur Versicherung im Inland führende Erwerbstätigkeit einer hier ausgeübten und versicherten gleichgestellt,

* dieser Erwerbstätigkeit anschließend fiktiv ein tatsächlich weder dem Betrag noch der Höhe nach je erzieltes Entgelt/Einkommen in DM zugeordnet und es trotz fehlender Beitragsleistung ebenfalls fiktiv als versichert behandelt, um es schließlich

* im Rahmen des SGB VI nach einheitlichen Regeln als Grundlage zur Wertbestimmung der für alle (originär oder nach Gleichstellung) Versicherten gleichen subjektiven Rechte zu Grunde zu legen.

Er hat auf diese Weise die Herkunft und Andersartigkeit ursprünglicher "Fremdelemente" zu Gunsten einer vollständigen Integration in den neuen Zusammenhang ersatzlos entfallen lassen. Der Mindestwert der in Anwartschaftsrechten verkörperten Teilhabeposition, die zu seiner Bemessung verwaltungstechnisch eingeführten EP und der während des Arbeitslebens versicherte Arbeitsverdienst als das "vor allem" (also nicht allein) wertbestimmende Element gesetzlicher Renten (§ 63 Abs 1 SGB VI) sind durch das SGB VI zu einer einheitlichen Gesamtposition ausgestaltet worden. Sie werden zwar sukzessive und hinsichtlich ihrer Einzelelemente auf unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen aufgebaut, werden dann aber gesetzlich jeweils nur noch als einheitliche und ungespaltene Gesamtrechtsposition behandelt. Jeder nach vollzogener Integration vorgenommene Eingriff in rechtlich gefestigte Individualpositionen nach dem SGB VI kann sich demgemäß nur noch nach den für alle derartigen Positionen einheitlich geltenden Regeln vollziehen. Demgegenüber stehen weder gesonderte "FRG-Rechte" als Eingriffsobjekt zur Verfügung noch können die nach Art, Inhalt und Voraussetzungen für alle hiernach Begünstigten einheitlichen subjektiven Rechte nach dem SGB VI nachträglich noch sachgerecht danach differenziert werden, welche Teilelemente ihnen im Einzelfall zu Grunde gelegen haben.

Zwar sind auch die nach dem FRG zuerkannten "beitragslosen" Beitragszeiten (wie alle ohne eigene inländische Vorleistung der Begünstigten gleichgestellten Zeiten) dadurch geprägt, dass sie den nach diesem Gesetz Berechtigten ohne Beitragszahlung an die bundesdeutschen Rentenversicherungsträger und ohne beitragsrelevante Erwerbsarbeit im Bundesgebiet zugute kommen. Dies ist eine Folge des - jedenfalls für die Klägerin und für den von ihr repräsentierten Personenkreis vor Inkrafttreten des WFG noch ohne weiteres maßgeblichen - Eingliederungsprinzips des FRG, nach dem alle davon betroffenen, in die Bundesrepublik Deutschland - insbesondere wegen des Vertreibungsgeschehens oder infolge anderer Kriegsauswirkungen - zugewanderten Personen, die ihren im Herkunftsgebiet erworbenen Versicherungsschutz verloren hatten, rentenrechtlich grundsätzlich so gestellt werden sollten, als hätten sie ihn in der Bundesrepublik Deutschland erworben. Obgleich sie entsprechende Beiträge zur oder Vorleistungen für die GRV nicht erbracht hatten, sollten sie so behandelt werden, als ob sie ihre bisherigen Tätigkeiten als Vorleistungen im Bundesgebiet verrichtet hätten (vgl BVerfG SozR 5050 § 22 Nr 16 S 48; BSG - GrS - BSGE 60, 100, 107 = SozR 5050 § 15 Nr 32 S 103 und BSGE 62, 255, 261 = SozR 5050 § 15 Nr 35 S 120).

Der Gesetzgeber war zwar bei der ursprünglichen Wahl seines Vorgehens frei gewesen zu bestimmen, ob er den Trägern der GRV überhaupt die Verwaltung von derartigen Kriegsfolgelasten auferlegen will (vgl entsprechend zur gesetzlichen Unfallversicherung BVerfGE 14, 221, 237 = SozR Nr 1 zu Art 120 GG); ebenso stand ihm zunächst frei festzulegen, nach welchen - ihrerseits insbesondere Art 3 Abs 1 GG genügenden - Grundsätzen und in welchem Ausmaß er die Betroffenen den beitragsrelevant versicherten Mitgliedern im Kernsystem der GRV gleichstellen wollte; ein Verfassungsgebot, dies zu tun, gab es nicht. Insofern war er im Blick darauf, dass auf der Grundlage des FRG für den berechtigten Personenkreis erstmals durch bundesdeutsche Normen Eigentum begründet und ausgestaltet wurde - und nicht etwa in fremden Rechtsordnungen entstandene Rentenberechtigungen "nur" ins Bundesrecht übernommen wurden -, auch weder durch Art 14 GG gehindert noch durch Art 116 GG dazu verpflichtet gewesen. Nach Art 116 Abs 1 GG ist - vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung - Deutscher iS des GG, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in das Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stand vom Aufnahme gefunden hat. Abgesehen von dem darin enthaltenen ausdrücklichen Regelungsvorbehalt begründet diese Verfassungsnorm lediglich einen Status als Deutscher; aus ihr lässt sich mithin keine wie auch immer geartete Pflicht der bundesdeutschen Rentenversicherungsträger zu Leistungen mit Beitragsrelevanz oder etwa eine verfassungsrechtliche Pflicht des Bundesgesetzgebers herleiten, Rechte gegen diese Träger zu schaffen.

Gegenteiliges folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des BVerfG. Das BVerfG hat zum Eingliederungsprinzip ausgeführt, dass seine Einführung im "Fremdrentenrecht" mit dem Ziel einer Gleichstellung von Versicherten, die ihr Arbeitsleben unter den verschiedensten Bedingungen in Herkunftsländern sehr verschiedener Wirtschafts- und Sozialstruktur verbracht hätten, zwar in hohem Maße das Sozialstaatsprinzip verwirklicht habe, verfassungsrechtlich aber nicht unbedingt geboten gewesen sei und dieses Ziel ohnehin nur durch Typisierungen und durch - auf dem Gebiet der Sozialversicherung grundsätzlich zulässige - verhältnismäßig grobe Pauschalierungen hätte erreicht werden können (so BVerfGE 43, 213, 227 = SozR 5050 § 22 Nr 5 S 11). Die Frage, ob den "Fremdrentenempfängern" bei ihrer sozialen Eingliederung von Verfassungs wegen die gleiche Rechtsstellung zu gewähren sei wie den in der Bundesrepublik Deutschland Rentenversicherten, hat das BVerfG verneint, und zwar mit dem Hinweis, dass diese keine "Beiträge" an bundesdeutsche Rentenversicherungsträger erbracht hätten (vgl BVerfGE 29, 22, 33 = SozR Nr 83 zu Art 3 GG Ab 80).

Ohne weiteres hätte demgemäß die ursprüngliche gesetzgeberische Leitentscheidung unter Berücksichtigung des Sozialstaatsprinzips (Art 20 GG) und des Art 3 Abs 3 GG auch in einer Alterssicherung außerhalb der GRV oder einer Zuweisung von niedrigerer als versichert geltender Arbeitsverdienste bestehen können. Ebenso hätte im Rahmen einer späteren Änderung des Gesetzgebungskonzepts auch noch - beschränkt auf Neuzugänge nach Inkrafttreten des WFG (Angehörige der Gruppe 1.1 der Tabelle) bzw auf solche Versicherte mit nach dem FRG gleichgestellten Beitragszeiten, die innerhalb der GRV noch keine rechtlich gesicherte Position auf den Erwerb eines Rechts auf Altersrente (dh lediglich ein "Anrecht" auf den Erwerb einer Anwartschaft hierauf) erlangt hatten (Angehörige der Gruppe 1.2 der Tabelle) - ein niedrigerer Arbeitsverdienst zugewiesen werden können. Bis zu diesem Zeitpunkt steht nämlich die Unterschiedlichkeit von originärer und auf Grund der angestrebten Integration spezialgesetzlich fiktiv zugewiesener "Beitragsbemessungsgrundlage" noch im Vordergrund. Es ergibt sich bis dahin aus Art 3 Abs 1 GG auch noch keine Verpflichtung, das als vergleichbare Größe erst durch Gesetz Auszugestaltende bereits vorweg der Höhe nach in eine bestimmte Relation zu ursprünglich innerhalb des Systems erworbenen Rangstellen zu setzen.

Hat aber das FRG bereits zur rechtsbeständigen Individualzuweisung einer durch das SGB VI für alle hiernach Versicherten in gleicher Weise ausgestalteten leistungsrechtlichen Berechtigung geführt und insbesondere deren nach allgemeinen Grundsätzen bestimmten relativen Mindestwert (mit-)gestaltet, ist der Vertriebene integriert worden und der Integrationszweck des FRG vollständig erreicht. Jedenfalls ab diesem Zeitpunkt verliert damit der (ohnehin von vornherein allein im Blick auf das Leistungsrecht des Kernsystems der Rentenversicherung) "fiktiv" zugewiesene Arbeitsverdienst seinen besonderen Herkunftsbezug und geht vollständig in seiner Funktion als wertbildendes Element subjektiver Rentenrechte auf. Gegenstand gesetzgeberischen Eingreifens können von da an solche Rechte nur noch in ihrer Gesamtheit sein, soweit der spezifische Eingriffszweck ihre Beeinträchtigung rechtfertigt. Denn die frühere rechtliche Unterschiedlichkeit ihrer Elemente wurde durch ausdrückliche gesetzliche Anordnung gerade "eingeebnet". Gesetzgeberische Handlungsalternativen bestehen gegenüber Vollrechts- und Anwartschaftsrechtsinhabern wegen des Grundrechtsschutzes grundsätzlich nur noch auf der Grundlage des durch die früheren Inhaltsbestimmungen festgelegten Konzepts und in Bezug auf die hieraus erwachsenen subjektiven Rechte und nur unter Beachtung der gesetzlich zuvor verfügten Gleichartigkeit mit allen anderen Rechten auf Altersrente nach dem SGB VI (Vorlagebeschlüsse vom - B 4 RA 49/99 R, S 90-91 des Umdrucks; B 4 RA 18/99 R, S 68-69 des Umdrucks).

Geht es demgemäß im Zusammenhang mit politisch gewollten Aufhebungen von durch Bundesgesetz zuvor garantierten Leistungsversprechen in der Altersrentenversicherung um Belange, die das Gesamtsystem betreffen (hier: Mehrung der Anteile der Arbeitgeber an den Roherträgen der Unternehmen und Entlastung des Bundeshaushalts), gebietet dies grundsätzlich die gleichmäßige Heranziehung aller Inhaber subjektiver Leistungsrechte unter Beachtung ihrer unterschiedlichen Vorleistungen. Der Gleichheitssatz erfordert dann im Sinne eines gerechten Ausgleichs innerhalb der Betroffenen, die Elemente der inhaltsbestimmenden Regelung nach einem proportional gleichen Maßstab so zu ordnen, dass eine ihren individuell erlangten Rangstellen innerhalb der Versichertengemeinschaft entsprechende unterschiedliche Inanspruchnahme der Eigentümer erfolgt. Nur so kann dem unterschiedlichen Gewicht ihrer Belange gegenüber den vom WFG verfolgten Belangen der Allgemeinheit hinreichend differenzierend Rechnung getragen und eine einseitige Belastung vermieden werden (vgl BVerfGE 58, 137, 150 f). Dies kann bei Umgestaltungen der Leistungsregelungen, die den Wert des Rechts auf Rente - und damit die Höhe der erforderlichen Einnahmen der Rentenversicherung - bestimmen, nur dadurch erreicht werden, dass systembezogene Eingriffe auf für alle Berechtigten gleiche Elemente begrenzt werden, deren Veränderbarkeit - wie etwa bei den das Alterslohnprinzip konkretisierenden Komponenten des aktuellen Rentenwerts (§ 68 SGB VI) und seiner Anpassung, aber auch beim Vor- und Nachteilsausgleich aus Rentenlaufzeiten (Zugangsfaktor) und beim Sicherungsziel (Rentenartfaktor) - gerade aus diesem Grunde einfachgesetzlich vorgesehen und individuell bis zum Rentenbeginn offen gehalten ist (vgl hierzu oben unter IV. 2.2).

Indessen durchbricht die neue - durch § 22 Abs 4 FRG iVm Art 6 § 4c FANG geschaffene - Inhaltsbestimmung dieses gemeinsame System der Wertermittlung für alle rentenrechtlichen Positionen. Sie entwertet gerade die Rangstellenwerte allein der Vertriebenen nachträglich und in Anknüpfung an den Entstehensgrund insoweit um 40 vH des zuvor zuerkannten Teilhabewertes. Demgegenüber lässt sie die Werte aller anderen Anwartschaftsrechte unangetastet, die (soweit sie) auf Beitragszeiten beruhen, welche gleichfalls Bundesgebiets-Beitragszeiten gleichgestellt wurden, obwohl die Begünstigten (Anwartschaftsrechtsinhaber der Gruppe 3. der Tabelle) für diese Zeiten gleichfalls Beiträge zur bundesgesetzlichen Rentenversicherung weder gezahlt noch getragen noch anderweitige Vorleistungen zu Gunsten der damaligen Rentner erbracht hatten (zB Kindererziehungszeiten, Zeiten der Beschäftigung in der DDR). Vor dem genannten Hintergrund ist ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung der Anwartschaftsrechtsinhaber der Gruppe 1.4 bis 1.4.2, der Tabelle mit den (ebenfalls "gleichgestellten") Anwartschaftsrechtsinhabern der Gruppe 3. der Tabelle nicht erkennbar (und im Deutschen Bundestag auch nicht erwogen worden).

3.2.2 Die Klägerin wird ferner als Inhaberin eines Anwartschaftsrechts auf Altersrente mit Beitragszeiten nach dem FRG und Angehörige der Gruppe 1.4.1 der Tabelle gegenüber denjenigen Anwartschaftsrechtsinhabern mit Beitragszeiten nach dem FRG, die - wie sie - vor dem zugezogen sind, deren Renten aber (anders als in ihrem Fall) bereits vor dem begonnen haben (Angehörige der Gruppe 1.4.3 der Tabelle) und auch gegenüber all denjenigen, die bei Inkrafttreten der hier maßgeblichen Bestimmungen des WFG bereits Vollrechtsinhaber gewesen waren (Angehörige der Gruppe 1.5 der Tabelle), verfassungswidrig ungleich behandelt.

Bei den besonders "rentennahen" Anwartschaftsrechtsinhabern (Angehörige der Gruppe 1.4.3 der Tabelle, soweit vor dem zugezogen) und den Vollrechtsinhabern (Angehörige der Gruppe 1.5 der Tabelle) hat das Gesetz von einer Eigentumsbeschränkung zu Gunsten der mit dem WFG verfolgten Ziele abgesehen, weil sich die Betroffenen in ihrer Lebensführung bereits konkret auf Ansprüche und Leistungen der GRV eingestellt hatten oder zumindest unmittelbar vor diesem Lebensabschnitt standen (vgl Begründung des Gesetzentwurfs zum WFG zu Art 6 § 4c FANG, BT-Drucks 13/4610, S 28). Es hat jedoch den Kreis derjenigen, die damit durch Art 6 § 4c FANG von der Anwendung des § 22 Abs 4 FRG ausgenommen wurden, im hier maßgeblichen Blickwinkel zu eng gezogen.

Offenkundig ist, dass die seit 1988 im Bundesgebiet lebende und bis Ende Januar 1998 hier pflichtversichert beschäftigte Klägerin auch dadurch gegenüber denjenigen ohne Sachgrund schlechter gestellt wird, die seit 1991, aber vor dem als Aussiedler in das Bundesgebiet gezogen sind und im Wesentlichen oder ausschließlich auf der Gleichstellung durch das FRG beruhende Renten(voll)rechte vor dem erlangt haben. Sie unterliegen nur der "0,7-Kürzung" (§ 22 Abs 4 FRG iVm Art 6 § 4 Abs 5 FANG idF des RÜG).

Ferner unterschied sich derjenige, der bei Inkrafttreten des WFG (als wenigstens 55-jähriger) Inhaber eines Anwartschaftsrechts war, in seinem schutzwürdigen Vertrauen auf und in seinem Bedürfnis nach Sicherung im bereits konkret und individuell erreichten Grad seiner Rangstelle (auch) nicht nachhaltig von Vollrechtsinhabern. Die unterschiedliche Behandlung ist durch keine im Gesetzgebungsverfahren benannten oder sonst erkennbaren Sachgründe gerechtfertigt. Vielmehr steht der Anwartschaftsrechtsinhaber auf Grund der vom Gesetzgeber selbst vorgenommenen Ausgestaltung dem Vollrechtsinhaber hinsichtlich der Beständigkeit des ihm zuerkannten Mindestwertes seiner Rangstelle grundsätzlich gleich (vgl BVerfGE 72, 9, 21 f). Infolgedessen hätte es besonderer - indessen im Gesetzgebungsverfahren weder erwogener noch benannter oder sonst erkennbarer - Gründe bedurft, gerade den Personenkreis der Anwartschaftsrechtsinhaber anders als Vollrechtsinhaber (und als den - aus der zeitlichen Sicht des WFG - besonders "rentennahen" Personenkreis) in die Minderung der jeweils individuell erlangten Rangstelle um 40 vH einzubeziehen. Zur Rechtfertigung genügt auch nicht, den Anwendungsbereich der vorgelegten Bestimmungen nach einem anhand ihres Inkrafttretens festgelegten Stichtag zu bestimmen. Zwar ist es dem Gesetzgeber trotz hiermit unvermeidlich verbundener Härten durch Art 3 Abs 1 GG grundsätzlich nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtagsregelungen einzuführen. Allerdings muss ein derartiges Vorgehen überhaupt und die Wahl des konkreten Zeitpunkts im Besonderen stets am gegebenen Sachverhalt orientiert und damit sachlich vertretbar sein (stRspr des BVerfG: zB BVerfGE 3, 58, 148; 3, 288, 337; 13, 31, 38; 44, 1, 20; 71, 364, 397; 75, 78, 106; 80, 297, 311).

In diesem Sinne sind Stichtagsregelungen insbesondere dann sachlich vertretbar, wenn bei einer grundlegenden systemimmanenten Reform des gesamten Wertermittlungsverfahrens für Rentenrechte hiermit verbundene konkret-individuelle oder gruppenspezifische Vor- oder Nachteile noch nicht von vornherein erkennbar waren (vgl zur Bewertung beitragsfreier Zeiten im Rahmen der sog Gesamtleistungsbewertung: Urteil vom - 4 RA 36/94, BSGE 78, 138 = SozR 3-2600 § 71 Nr 1; zur unterschiedlichen Behandlung in der Sozialpflichtversicherung bzw der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung der DDR versicherter Bestands- gegenüber Zugangsrentnern: Urteil vom - B 4 RA 86/95 R, BSGE 82, 64, 75 f = SozR 3-2600 § 307a Nr 11 S 71 f). Handelt es sich demgegenüber um eine Teiländerung des Leistungsrechts für einzelne, besonders ausgewählte Gruppen von Versicherten, bedarf es auch speziell an den unterschiedlichen Rechtsstellungen orientierter und ggf - wie hier - die Grundrechtspositionen der Betroffenen beachtender Übergangsregelungen (Vorlagebeschlüsse des Senats vom - B 4 RA 49/98 R, S 93 des Umdrucks; B 4 RA 49/99 R, S 94 des Umdrucks).

3.2.3 Die Klägerin wird als Inhaberin eines Anwartschaftsrechts auf Altersrente mit Beitragszeiten nach dem FRG und Angehörige der Gruppe 1.4.1 der Tabelle auch gegenüber denjenigen Versicherten, die noch keine Anwartschaft auf eine (Regel-)Altersrente erworben haben (Angehörige der Gruppe 1.2 der Tabelle), sowie gegenüber allen Neuzugängen (Angehörige der Gruppe 1.1 der Tabelle) verfassungswidrig gleich behandelt.

Bei einer auch den notwendigen Schutz von Anwartschaftsrechtsinhabern ausreichend in Rechnung stellenden Betrachtungsweise durfte die Klägerin nicht mit denjenigen Personengruppen gleich behandelt werden, die bei Inkrafttreten der beanstandeten Bestimmungen innerhalb der Rentenversicherung noch nicht Inhaber einer bereits (eigentumsgrund-)rechtlich gesicherten Position waren (Angehörige der Gruppe 1.2 der Tabelle) oder sogar erst nach diesem Zeitpunkt neu zugezogen und durch das dann erst anwendbare FRG Mitglied der Versichertengemeinschaft geworden sind (Angehörige der Gruppe 1.1 der Tabelle). Diese Gruppen repräsentieren vielmehr gerade idealtypisch den Kreis, bei dem mangels bereits verfestigter subjektiver Rechte aus der GRV "Kürzungen" iS neuer (zukunftsgerichteter) Inhaltsbestimmungen im FRG auch bezüglich des Erwerbs und der Bewertung der erst noch zu begründenden Rangstelle innerhalb der Versichertengemeinschaft vor Art 14 GG grundsätzlich zulässig sind (Vorlagebeschluss des Senats vom - B 4 RA 49/99 R, S 71, 82 und 94 des Umdrucks). Sie müssen insbesondere noch nicht schlechthin mit originär im Bundesgebiet beitragsrelevant Versicherten gleich behandelt werden. Unterlässt der Gesetzgeber eine abgrenzende Unterscheidung der Grundrechtsträger gerade gegenüber diesen Gruppen, liegt in der verabsäumten Differenzierung gleichzeitig die Verkennung des Schutzbereichs von Art 14 Abs 1 GG.

3.2.4 Die Klägerin wird als Inhaberin eines Anwartschaftsrechts auf Altersrente mit Beitragszeiten nach dem FRG und Angehörige der Gruppe 1.4 der Tabelle gleichfalls gegenüber denjenigen Versicherten, die gerade erst die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, aber das 55. Lebensjahr noch (längst) nicht vollendet und damit ein Anwartschaftsrecht auf eine (Regel-)Altersrente noch nicht erlangt haben (Inhaber einer Anwartschaft auf Altersrente = Angehörige der Gruppe 1.3 der Tabelle), verfassungswidrig gleich behandelt.

Der Anwartschaftsrechtsinhaber, der die "erwirtschafteten EP" für eine verlässliche Lebensplanung benötigt und insoweit eine von der Rechtsordnung anerkannte verfestigte Rechtsposition innehat, wird Anwartschaftsinhabern gleichgestellt, die (jedenfalls vor Vollendung des 50. Lebensjahres) durch ihre Anwartschaft auf Altersrente - wie oben ausgeführt - noch keinen konkreten "Vermögenswert" haben, der Grundlage für Vermögensdispositionen im Hinblick auf eine Alterssicherung sein kann. Denn die darauf beruhende Teilhabeposition ist nicht so verfestigt, dass sie Grundlage einer verlässlichen Schätzung des (späteren) Geldwertes des vielleicht einmal entstehenden Rechts auf Rente wegen Alters sein kann. Ein rechtfertigender Grund für diese Gleichbehandlung der Anwartschaftsrechtsinhaber mit Anwartschaftsinhabern ist nicht ersichtlich, zumal vom Gesetzgeber auch ein entsprechender rentenversicherungsrechtlicher Ausgleich für die Versicherten mit einem Rentenanwartschaftsrecht nicht vorgesehen ist.

3.2.5 Schließlich besteht auch innerhalb der von der Klägerin repräsentierten Gruppe der Anwartschaftsrechtsinhaber mit nach dem FRG gleichgestellten Beitragszeiten eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung.

Der von der Kürzung der EP betroffenen Gruppe von Anwartschaftsrechtsinhabern wird zwar regelmäßig eine im Vergleich zu anderen Versicherten mit einem Anwartschaftsrecht auf eine (Regel-)Altersrente niedrigere Rangstelle zugewiesen, die sie auf Grund in der Vergangenheit kalenderjährlich vollständig verwirklichter und gesetzlich abschließend bewerteter Sachverhalte bereits erworben hatten. Das konkrete Ausmaß der individuellen Betroffenheit, die in dem Verlust der erlangten EP besteht, hängt jedoch in dieser Versichertengruppe vom "reinen Zufallsprinzip", dh von den Besonderheiten der jeweiligen Lebensläufe der Versicherten, ab (vgl Vorlagebeschluss des Senats vom - B 4 RA 49/99 R, S 82 des Umdrucks).

V. Die Neuregelung ist auch deshalb verfassungswidrig, weil es für die Neufassung (Verschärfung) der bisherigen Übergangsvorschrift, die der Gesetzgeber aus Vertrauensschutzgründen erlassen hatte, keinen Rechtfertigungsgrund gibt. Die Neufassung war dem Gesetzgeber damit von Verfassungs wegen verwehrt.

Nach der Rechtslage bis zum erfolgte keine Kürzung der EP aus Arbeitsverdiensten, die nach dem FRG als versichert galten, um (damals noch) 30 %, wenn die Versicherten ihren gewöhnlichen Aufenthalt vor dem in der Bundesrepublik Deutschland genommen haben (Art 6 § 4 Abs 5 Buchst a FANG idF des RÜG). Nach der Rechtslage ab dem gilt dies jedoch nur noch dann, wenn eine zweite, neue Voraussetzung erfüllt ist: Der Rentenbeginn muss überdies vor dem liegen (Art 6 § 4c FANG idF des WFG iVm Art 4 Abs 5 FANG aF; vgl bereits oben Teil A II. 4.1.3.2, ferner BT-Drucks 13/4610, S 28).

Im Überblick hat sich das Übergangsrecht wie folgt entwickelt:

Rechtslage|Norm|Kürzung (der als versichert geltenden Arbeitsverdienste)|Übergangsvorschrift (hinsichtlich des gewöhnlichen Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland)

bis |§ 22 FRG, zuletzt idF des RRG 1992 vom |nein|entfällt

- |§ 22 Abs 3 (ab : Abs 4) FRG idF des RÜG vom |um 30 %|Art 6 § 4 Abs 5 Buchst a FANG: keine Kürzung, wenn gewöhnlicher Aufenthalt vor

ab |§ 22 Abs 4 FRG idF des WFG vom |um 40 %|Art 6 § 4c FANG (iVm § 4 Abs 5 FANG aF): keine Kürzung, wenn gewöhnlicher Aufenthalt vor * und Rentenbeginn vor Art 6 § 4c FANG (iVm § 22 Abs 3 bzw 4 FRG aF): Kürzung (weiterhin) um 30 %, wenn gewöhnlicher Aufenthalt zwischen und und Rentenbeginn vor

* Dieser Stichtag ergibt sich aus dem Verweis in Art 6 § 4c FANG auf § 4 Abs 5 FANG idF vom (und den dort genannten Stichtag ). Dies ist ein Rechtsgrundverweis, weil andernfalls die weiteren Verweise in Art 6 § 4c FANG (nämlich auf § 22 Abs 3 bzw 4 FRG aF) überflüssig wären.

Die Neuregelung stellt eine Verschärfung des bisherigen Übergangsrechts dar, wie sich exemplarisch gerade bei der Klägerin zeigt: Die Klägerin ist zwar vor dem zugezogen, nämlich 1988. Ihre Rente beginnt aber am und damit nach dem . Von der Kürzung der EP aus FRG-Zeiten um 30 % hatte der Gesetzgeber sie also bislang ausdrücklich ausgenommen, um diese EP dann aber - fast fünf Jahre später - um 40 % zu kürzen.

Das BVerfG hat offen gelassen, ob ein Eingriff dieser Art den verfassungsrechtlichen Anforderungen einer echten Rückwirkung genügen muss (BVerfGE 102, 68, 97). Es hat jedoch weiter ausgeführt:

"Enttäuscht der Gesetzgeber das Vertrauen in den Fortbestand einer befristeten Übergangsvorschrift, die er aus Vertrauensschutzgründen erlassen hat, indem er sie vor Ablauf der ursprünglich vorgesehenen Frist zu Lasten der Berechtigten beseitigt, so ist dies jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes nur unter besonderen Anforderungen möglich. In einem solchen Fall geht es nicht allgemein um den Schutz des Vertrauens des Bürgers in den Fortbestand geltenden Rechts. Hier vertraut der Bürger vielmehr auf die Kontinuität einer Regelung, auf Grund deren altes Recht noch für eine bestimmte Zeit in Bezug auf einen eingegrenzten Personenkreis nach Prüfung der Vereinbarkeit der Fortgeltung mit dem öffentlichen Interesse aufrechterhalten wird. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen. Um eine solche vorzeitig aufzuheben, genügt es nicht, dass sich die für den Erlass der Übergangsregelung ursprünglich maßgeblichen Umstände geändert haben. Es müssen darüber hinaus - vorausgesetzt, das Interesse der Betroffenen auf einen Fortbestand der Regelung ist schutzwürdig und hat hinreichendes Gewicht - schwere Nachteile für wichtige Gemeinschaftsgüter zu erwarten sein, falls die geltende Übergangsregelung bestehen bleibt" (BVerfGE 102, 68, 97 f).

Entsprechend liegt der Fall hier: Die Klägerin hatte - wie zuvor ausgeführt (vgl oben IV. 3.3.3) - als Inhaberin eines Anwartschaftsrechts ein schutzwürdiges Interesse an dem Fortbestand der bisherigen Übergangsvorschrift des Art 6 § 4 Abs 5 Buchst a FANG idF des RÜG, die ihrerseits aus Vertrauensschutzgründen erlassen worden ist. Denn im Hinblick auf die bis zum bestehende Gesetzeslage, die den von der Klägerin repräsentierten Personenkreis von der durch das RÜG zum angeordneten Kürzung der "FRG"-EP auf 70 % ihres Vollwertes ausgenommen hatte (Art 6 § 4 Abs 5 Buchst a FANG idF des RÜG), konnte die Klägerin darauf vertrauen, dass Personen, die - wie sie - vor dem ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet genommen hatten, von Kürzungen ihrer erworbenen Rangstelle jedenfalls dann weiterhin ausgenommen würden, wenn sie ein Anwartschaftsrecht erlangten. Dem bisherigen Recht war dabei offenkundig die Dauer des gewöhnlichen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland ein wesentliches Merkmal, um eine schonende Übergangsregelung zu schaffen, die das über Jahrzehnte begründete Vertrauen noch einmal ausdrücklich bestätigt hat (zutreffend Dominok, rv 1997, S 121, 125).

Es ist nicht zu erkennen und insbesondere den Gesetzgebungsmaterialien nicht zu entnehmen (dazu oben IV. 2.3.1), dass ohne den Erlass der Neuregelung schwere Nachteile für gewichtige Gemeinschaftsgüter zu erwarten gewesen wären. Der Gesetzgeber war daher nicht berechtigt, eine außerordentliche Kündigung seines früheren Versprechens (vgl Jaeger, NZS 2003, S 225, 230) auszusprechen. Steiner (FAZ vom ) nennt dies "rechtsstaatliche Grausamkeiten".

Der Umstand, dass die bisherige Übergangsregelung hier - anders als in dem der Entscheidung des BVerfG zu Grunde liegenden Fall - nicht befristet war, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn dieser Unterschied resultiert allein und notwendigerweise aus den unterschiedlichen Regelungstechniken der jeweiligen Normen: Im Verfahren vor dem BVerfG ging es um die Fortgeltung einer rechtsbegünstigenden, mittlerweile aufgehobenen Regelung, hier hingegen um die Ausnahme von einer rechtsnachteiligen Regelung. Diese Ausnahme bedarf - anders als die Anordnung der ausnahmsweisen Fortgeltung alten Rechts - nicht der Befristung.

VI. Eine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung ist nicht möglich. Ein die zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens des WFG (hier: nach § 12 Abs 2 WFG am ) bereits entstandenen eigentumsgeschützten Anwartschaftsrechte unberührt lassendes Verständnis der vorgelegten Normen ist schon mit deren Wortlaut unvereinbar. Auch Entstehungsgeschichte, Gesamtzusammenhang sowie Sinn und Zweck der einschlägigen Regelungen lassen eine andere als die aufgezeigte Deutung nicht zu; es ist also keine Auslegung ersichtlich, die zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt und der demgemäß der Vorzug zu geben wäre. Soweit erkennbar ist auch in Literatur und Rechtsprechung bisher nicht andeutungsweise der Versuch einer verfassungskonformen Auslegung unternommen worden. Nur bei einer verfassungskonformen Auslegungsalternative wäre jedoch für eine Vorlage mangels Entscheidungserheblichkeit kein Raum geblieben.

VII. Die Stellungnahmen des VDR, der BfA sowie des BMA, die in den § 22 Abs 4 FRG mittel- oder unmittelbar betreffenden Verfahren vor dem BVerfG abgegeben und dem BSG zugesandt worden sind, enthalten keinen Sachgrund, der eine andere Beurteilung der Rechtslage erlauben würde.

1. Die Stellungnahme des VDR verkennt, dass der Gesetzgeber mit Erlass des FRG grundgesetzlich geschütztes Eigentum geschaffen hat, sodass er bei der Rückführung entsprechender Rechtspositionen nicht frei ist, sondern verfassungsrechtlichen Bindungen unterliegt.

1.1 Der VDR vertritt die Rechtsauffassung, die durch das FRG geschaffenen Rechtspositionen seien vom Schutzbereich des Art 14 Abs 1 GG nicht erfasst. Denn sie beruhten allein auf staatlicher Gewährung, nicht also auf (nicht unerheblichen) Eigenleistungen der Versicherten. Eine solche Eigenleistung setze das Entrichten von Beiträgen an Rentenversicherungsträger in Deutschland voraus.

Diese Auffassung des VDR ist mit dem Gesetz nicht vereinbar, und zwar in zweifacher Hinsicht:

1.1.1 Zum einen wird die Struktur des Eigentumsgrundrechts aus Art 14 Abs 1 GG als normgeprägtes Grundrecht verkannt. Was grundgesetzlich geschütztes Eigentum ist bzw was dies wird, bestimmt der einfache Gesetzgeber. Nach der dargestellten Rechtsprechung des BVerfG sind Gegenstand des Eigentumsschutzes "Ansprüche auf Versichertenrenten" und "Rentenanwartschaften" aus der GRV, wie sie sich insgesamt aus der jeweiligen Gesetzeslage ergeben. Entscheidet sich der Gesetzgeber, Eigentum in diesem Sinne zu schaffen, ist diese Entscheidung - widerspricht sie nicht sonstigem Verfassungsrecht - verbindlich und kann nicht - insbesondere nicht Jahrzehnte später - dadurch konterkariert werden, dass darauf abgestellt wird, er habe Eigentum von Verfassungs wegen nicht schaffen müssen. Es kommt nur darauf an, ob er dies - wie dargelegt - getan hat. Denn das GG ermächtigt den Gesetzgeber, "Inhalt und Schranken" des Eigentums festzulegen (Art 14 Abs 1 Satz 2 GG). Er darf dies auch dann, wenn - wie in aller Regel - keine besondere verfassungsrechtliche Verpflichtung hierzu besteht. Zugleich hält Art 14 GG ihn an dieser seiner "freien" Entscheidung fest. Dies gilt gerade auch für das verfassungsrechtlich "rechtsgrundlose" Schaffen von Eigentum. Solches kann der Gesetzgeber daher nicht - insbesondere nicht Jahrzehnte später - nachträglich "kondizieren" (vgl für das Zivilrecht § 814 Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>).

1.1.2 Zum anderen wird verkannt, dass - wie bereits ausführlich erörtert (A IV. 1.1) - sogar im Kernsystem der GRV seit 1957 der Erwerb eines subjektiv-öffentlichen Rechts auf Rente durch einen pflichtversicherten Beschäftigten weder eine Beitragszahlung noch eine Beitragstragung durch diesen voraussetzt. Seit dem grundlegenden Umbau der GRV durch die Rentenreform 1957 gibt es in der GRV weder beitragsbezogene Leistungen noch leistungsbezogene Beiträge mehr. Das Leistungsrechtsverhältnis des Versicherten mit dem Träger ist völlig vom Finanzierungsrecht getrennt worden. Die Annahme des VDR basiert auf unzutreffenden Prämissen:

In der GRV besteht zwischen den Beiträgen des "Versicherten", wenn er nicht als Angehöriger der kleinen Gruppe der Selbstzahler solche zahlen muss oder darf (dazu näher aaO), und "seiner Rente" überhaupt kein rechtlicher, wirtschaftlicher, rechnerischer oder zeitlicher Zusammenhang (Schewe in: Sozialenquéte und Sozialreform, Festschrift für Walter Bogs, 1967, S 147, 149). Pflichtversicherte Beschäftigte dürfen grundsätzlich keine Beiträge zahlen und auch nicht auf die Beitragszahlung durch den Arbeitgeber klagen, weil für sie nichts davon abhängt. Einen sog Beitragsabzug (§ 28g SGB IV) von Arbeitsentgelt muss er nur dulden, wenn dieser nicht durch Arbeits- oder Tarifvertrag abbedungen ist und bei den nächsten vier Entgeltzahlungen erfolgt. Ob der sog Beitragsabzug stattfindet, ist für seine Rechte gegen den Träger ohne Bedeutung. Der Versicherte spart erst recht kein im Versicherungsfall (womöglich noch verzinst) auszuzahlendes Guthaben an, das einen wirtschaftlichen Zusammenhang begründen könnte. Ein von dem einzelnen Versicherten angespartes Kapital, das der Unterscheidung zwischen eigen- und fremdfinanzierten Leistungen dienen könnte, ist überhaupt nicht vorhanden, weil die GRV im - seit 1969 uneingeschränkt geltenden - Umlageverfahren finanziert wird (BSG SozR 3-2600 § 158 Nr 1; zur Entwicklung der Finanzierung der GRV: BSGE 86, 262, 294-296). Zwischen den Beiträgen der Arbeitgeber und der Rente des Versicherten besteht ferner kein rechtlicher Zusammenhang (sodass auch deshalb die These, Art 3 Abs 1 GG fordere eine individuelle Äquivalenz zwischen Beiträgen und Leistungen <so Becker, Transfergerechtigkeit und Verfassung, 2001, bes S 152-163>, schon im Ansatz das geltende Recht nicht berücksichtigt). Die Rentenversicherungspflicht knüpft an die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung des Versicherten an und gewährt diesem nach Maßgabe seiner relativen Produktivität im Vergleich mit derjenigen eines durchschnittlichen Versicherten eine Teilhabeposition für die später bei Eintritt eines Versicherungsfalles vorzunehmende Verteilung. Diese Teilhabeposition ist notwendigerweise relativ. Ihr Bezugspunkt ist das Durchschnittseinkommen der zeitgleich versichert Gewesenen (ausführlich hierzu oben I. 2.1). Es entscheidet daher nicht die absolute Höhe des Einkommens des jeweiligen Versicherten (erst recht nicht die absolute Höhe der Beiträge), sondern die Relation des versicherten Arbeitsverdienstes des Versicherten zu dem Durchschnittseinkommen der zeitgleich versichert Gewesenen. Dies ist eine der 1957 durchgesetzten entscheidenden Neuerungen. Da die Finanzierung durch direkten Zugriff der Träger der GRV allein auf den Rohertrag der Unternehmen erfolgen sollte, um eine wesentlich über der bisherigen Fürsorgerente liegende Produktivitätsrente als "Rentnerlohn" (Alterslohn) einzuführen, wurde jeder Beitragsbezug der Rente beseitigt, ebenso jeder Leistungsbezug der Beiträge.

Auch auf die absolute Höhe des versicherten Arbeitsverdienstes kommt es nicht an. Das zeigt sich daran, dass Versicherte, die in unterschiedlichen Jahren nominal gleich hohen Arbeitsverdienst aus versicherter Beschäftigung erzielt haben, dennoch unterschiedliche Rangstellen und damit unterschiedlich hohe Rentenzahlungen erhalten werden. In der GRV ist dies aber - widerspruchsfrei - möglich, weil allein das Verhältnis des versicherten Arbeitsverdienstes zum Durchschnittseinkommen der Versicherungspflichtigen im jeweiligen Jahr über den Wert der Vorleistung entscheidet und nur dieses Verhältnis die Teilhabeposition des Versicherten vorgibt. So schlägt sich auch eine Veränderung des Beitragssatzes nicht in Veränderungen der Rangstellenwerte und der Leistungsansprüche nieder. Denn die Höhe des Beitragssatzes hängt kalenderjährlich von den Belastungen durch die Gesamtheit der jeweiligen Gegenwartsaufgaben der Versicherung ab; sie wird im Wesentlichen durch die in einer Abrechnungsperiode voraussichtlich anfallenden Aufwendungen für die Rentner bestimmt. Höhere Belastungen führen auch deshalb nicht zu Ansprüchen auf höhere Leistungen (vgl insoweit zutreffend Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, 2000, S 113); dies wäre mit dem System der dynamischen Produktivitätsrente, das technisch im Umlageverfahren durchzusetzen ist, unvereinbar. Eine "Beitragsäquivalenz" ist als rechtliches Ordnungsprinzip im deutschen Rentenversicherungsrecht nie maßgeblich gewesen (zum schon früher fehlenden rechtlichen Zusammenhang zwischen Beiträgen und Leistungen im ersten Stadium der Sozialversicherung in Deutschland siehe bereits Arndt von List, Das geltende deutsche Arbeiterversicherungsrecht und das Problem seiner künftigen Vereinheitlichung, 1906, 18 ff; näher aaO).

Die These des VDR, relevante Vorleistung der Versicherten in der GRV sei eigentlich nur eine Beitragszahlung oder -tragung durch den einzelnen Versicherten ("Eigenleistung"), beruht ferner auf einem unzutreffenden Verständnis von Sozialversicherung. Denn den Rechtsausdruck "Sozialversicherung" hat das GG zwar kompetenzrechtlich (Art 74 Abs 1 Nr 12, Art 87 Abs 2 GG) und fiskalisch (Art 120 Abs 1 Satz 4 GG) erfasst, inhaltlich aber nicht determiniert (BSG SozR 3-2600 § 158 Nr 1). Die Entscheidung darüber überließ und überlässt das GG vielmehr dem einfachen Gesetzgeber. Entscheidend ist folglich, wie der einfache Gesetzgeber Sozialversicherung im Bereich der GRV ausgestaltet hat. Ihm hat die Verfassung das Vorrecht eingeräumt, die Rechtsordnung zu gestalten (Badura in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl 1994, § 10 RdNr 57). Maßgeblich ist daher dessen rechtsdogmatische Systementscheidung, nicht dagegen das eigene rechts- oder sozialpolitische, rechtstheoretische oder ökonomische (Vor-)Verständnis der Normanwender oder -adressaten. Denn Normanwender oder -adressaten haben nicht die Kompetenz, Struktur, Umfang und Grenzen einer gesetzlich verfassten Sozialversicherung zu definieren. Nur der Normgeber hat - innerhalb des verfassungsrechtlichen Rahmens - eine solche Definitionskompetenz. Was als solche Vorleistung innerhalb der GRV gilt, bestimmt nicht - materiell - ein allgemeiner Gerechtigkeits- oder Billigkeitsmaßstab, auch nicht ein (vermeintlicher) Konsens der Versichertengemeinschaft, sondern ausschließlich und allein der Gesetzgeber (innerhalb des durch Art 14 Abs 1 GG eröffneten sowie durch Art 3 Abs 1 GG und - hinsichtlich der kompetenziellen Zuständigkeit für Beitragserhebungen <BVerfGE 75, 108, 146; 91, 186, 200> - durch Art 2 Abs 1 GG begrenzten verfassungsrechtlichen Rahmens); insofern ist die Sozialversicherung iS des Art 74 Abs 1 Nr 12 GG rein formal bestimmt (BSG SozR 3-2600 § 158 Nr 1). Der Gesetzgeber hat entschieden, dass die Verwirklichung des Tatbestandes von Beitrags- und Beschäftigungszeiten nach dem FRG eine Vorleistung innerhalb der GRV ist. Dies - und nur dies - ist maßgeblich. Entgegen der Rechtsauffassung des VDR widerspricht dieses Ergebnis nicht der Struktur des deutschen Rentenversicherungssystems, sondern entspricht ihr gerade. Denn nach der seit 1957 unverändert gültigen Gesetzeslage hängen im Kernsystem der GRV, dem Recht der pflichtversicherten Beschäftigten, die Entstehung und die Höhe der Renten überhaupt nicht mehr von Beitragszahlung oder -tragung durch Versicherte oder Arbeitgeber ab. Die GRV wird seither im Grundsatz überhaupt nicht mehr aus dem Vermögen der einzelnen Beschäftigten finanziert; deren Arbeitgeber haben nur ein mehrfach begrenztes und abdingbares Refinanzierungsrecht. Auch hiervon hängen die Rechte der Beschäftigten gegen den Träger nach Grund und Höhe nicht ab. Ihre "Eigenleistung" als Vorleistung für die GRV besteht grundsätzlich in produktiver versicherter Arbeit, durch die der Rohertrag der Unternehmen mitgeschaffen wird. Zur Bewertung dieser Vorleistung wurde ein eigenständiges Bewertungssystem geschaffen (Werteinheiten; EP), weil die Beiträge hierfür irrelevant und die absolute Höhe der Arbeitsentgelte hierfür nicht ausreichend war.

1.2 Der VDR vertritt des Weiteren die Rechtsauffassung, "FRG-Zeiten" unterlägen "immer besonderen Regelungen". Diese Aussage ist irreführend ungenau und trifft im Wesentlichen nicht zu.

Soweit der VDR auf die §§ 110 ff SGB VI hinweist, werden die von dem VDR sog "FRG-Zeiten" dort an keiner Stelle genannt. Soweit § 113 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 2 und Satz 2 SGB VI "Bundesgebiets-Beitragszeiten" erwähnen, werden Tatbestände von Zeiten nach §§ 15, 16 FRG hiervon nicht erfasst (Polster in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Loseblatt, Stand: Mai 2003, § 113 SGB VI RdNr 5). Die Schlussfolgerung, Tatbestände von Zeiten nach §§ 15, 16 FRG seien allgemein nur unter Vorbehalt anerkannt, ist nicht nachvollziehbar. Das Gegenteil trifft zu: Regelt das Gesetz, dass bestimmte rentenrechtliche Tatbestände für die Höhe der Einzelansprüche aus einem Stammrecht auf Rente ausnahmsweise nicht maßgeblich sind, wenn die Berechtigten sich dauerhaft im Ausland aufhalten, wird damit das Stammrecht und dessen Geldwert nicht berührt; zugleich wird bestätigt, dass grundsätzlich, nämlich beim Aufenthalt im Inland, das Umgekehrte gilt, solche Tatbestände also "die Rente", dh den Wert des Stammrechts, erhöhen. §§ 110 bis 114 SGB VI enthalten nämlich nur einen materiell-rechtlichen einzelanspruchshindernden Einwand, nämlich den des Auslandsaufenthaltes (, in SozR 3-5070 § 18 Nr 2; Urteil vom - B 4 RA 6/03 R, nicht veröffentlicht und vom - B 4 RA 43/02 R, BSG SozR 4-6961 Nr 8 Nr 1). Dieser Einwand betrifft ausschließlich die Monat für Monat entstehenden Zahlungsansprüche (als Rechtsfrüchte nach § 99 Abs 2 BGB) aus dem Stammrecht auf Rente, nicht also dieses Stammrecht selbst. Mit Entstehung, Bestand und Geldwert eines Stammrechts auf Altersrente haben die §§ 110 bis 114 SGB VI damit schlechthin nichts zu tun. Zieht der Rechtsinhaber in das Bundesgebiet, stehen ihm sofort kraft Gesetzes auch die monatlichen Einzelansprüche wieder in voller Höhe zu.

Die vom VDR postulierte "besondere Behandlung der FRG-Zeiten" findet im Gesetz keine Stütze. Ein normativer Anknüpfungspunkt wird von dem VDR nicht benannt. Er ist auch nicht vorhanden. Denn weder das FRG noch das SGB VI sehen - wie bereits ausgeführt - an irgendeiner Stelle einen Vorbehalt dergestalt vor, dass die Rechtsfolgen aus der Verwirklichung der abgeschlossenen Tatbestände von Beschäftigungs- und Beitragszeiten nach dem FRG jederzeit - rückwirkend - geändert werden dürften.

FRG-Zeiten werden im Übrigen auch in den jährlich erscheinenden Statistiken des VDR nicht besonders behandelt. So wird in dem VDR-Statistikband "Rentenzugang des Jahres 2002" unter dem Stichwort "Fremdrentenrecht" ausschließlich auf zwei Statistiken verwiesen. Diese dokumentieren allein "Anzahl der Renten mit Anwendung des Fremdrentenrechts bzw mit gleichgestellten Zeiten" sowie den durchschnittlichen Rentenzahlbetrag (Band 145, S 97 und 163). Sie nehmen aber keine (statistische) Trennung von FRG-Zeiten und Bundesgebiets-Beitragszeiten bezogen auf das Gesamtsystem vor. In den weiteren Bänden "Versicherte 2000/2001" (Band 143) und "Rentenbestand " (Band 144) ist im Stichwortverzeichnis überhaupt kein Eintrag zum Fremdrentenrecht enthalten.

1.3 Ein Totalvorbehalt im vorgenannten Sinne gilt auch nicht für das gesamte bundesdeutsche Rentenversicherungsrecht. Soweit der VDR mehrfach vorträgt, dass "die Möglichkeit von Änderungen ... im Rentenversicherungsrecht von vornherein in gewissen Grenzen angelegt" sei, ist diese Aussage in diesem Zusammenhang irreführend. Im bundesdeutschen Rentenversicherungsrecht findet sich kein Rechtssatz des Inhaltes, dass sämtliche Anwartschaften (und Ansprüche?) nur unter dem Vorbehalt jederzeitiger Abänderbarkeit erworben werden oder stehen; bei einem derartigen Befund dürfte im Übrigen die Zwangsmitgliedschaft in der GRV kaum noch zu legitimieren sein. Für die Rechtsprechung des BVerfG zum Eigentumsschutz der Rechte aus der GRV gäbe es keine Grundlage. Richtig ist vielmehr:

Bei Altersrenten ist - wie bereits dargelegt - gesetzlich versprochen (§ 64 SGB VI), dass sich der Geldwert des Vollrechts auf Rente erst bei Eintritt des Versicherungsfalls und Rentenbeginn, und zwar dadurch ergibt, dass die die Vorleistung des Versicherten repräsentierende Rangstelle (vervielfältigt mit dem Zugangsfaktor <§ 77 SGB VI> und Rentenartfaktor <§ 67 SGB VI>) zu einem entsprechenden, jetzt aber auf den Durchschnittsbruttoverdienst der aktuell beschäftigten Arbeitnehmer (§ 69 Abs 2, § 68 SGB VI) bezogenen Alterslohn führt. Dies geschieht technisch, indem das erworbene Teilhaberecht an das aktuelle Durchschnittsentgelt der Versicherten, verwaltungstechnisch konkretisiert im aktuellen Rentenwert (§ 68 SGB VI), angelegt wird (insoweit Produkt von EP und aktuellem Rentenwert). Dieses aktuelle Durchschnittsentgelt und damit auch der bezifferbare Wert des Rechts auf Rente stehen erst bei "Rentenbeginn" fest; bis dahin kann - je nach Lohnentwicklung oder verfassungsgemäßer Rechtsänderung - der aktuelle Rentenwert und damit der Geldwert der Rente steigen oder fallen. Der Geldwert eines Anwartschaftsrechts kann demnach nicht vorab mit einem bestimmten Betrag rechtsverbindlich festgesetzt werden. Vor Rentenbeginn steht nicht fest, "was die Rente konkret in Euro bringen wird".

Fest steht aber, "dass sie Alterslohn nach Maßgabe der erlangten Rangstelle bringen wird". Zu unterscheiden ist daher zwischen dem hypothetischen Geldwert des Anwartschaftsrechts einerseits und dem erworbenen Teilhaberecht andererseits: Der hypothetische Geldwert ("die Rente") ist das wirtschaftliche Produkt aus Teilhaberecht (ausgedrückt in EP) und dem aktuellen Durchschnittsentgelt der Versicherten (aktueller Rentenwert). Der hypothetische Geldwert ist bis "Rentenbeginn" variabel. Er ist aber nur deshalb variabel, weil der aktuelle Rentenwert (uU auch Zugangsfaktor und der Rentenartfaktor) veränderlich ist. Grundsätzlich nicht variabel ist das Teilhaberecht. Denn dies repräsentiert - wie erörtert - die in der Vergangenheit erbrachte und gesetzesunmittelbar bewertete Vorleistung des Versicherten im jeweiligen, abgeschlossenen Kalenderjahr. Die Tatsache, dass der Geldwert variabel ist, bedeutet also nicht, dass auch seine sämtlichen Faktoren variabel sein müssten. Dies ist hinsichtlich des Teilhaberechts, um das es hier geht, grundsätzlich nicht der Fall.

Im Übrigen ist die Behauptung, es fehle "im SGB VI an einer gesetzgeberischen Entscheidung für die "Veränderungsfestigkeit" des Rechts, falsch und widerspricht ua dem rechtsstaatlichen Gesetzesbegriff sowie der Garantiefunktion des parlamentarischen Gesetzes. Sie ist auch nicht kompatibel mit der gleichzeitig getroffenen Aussage, dass "das deutsche Rentenversicherungssystem in besonderem Maße vom Vertrauen der Generationen in seinen Bestand, seine Gewährleistungen und seine Anpassungsfähigkeit abhängig" sei. Denn träfe die erste Behauptung zu, wäre für Vertrauen im Rentenversicherungsrecht überhaupt kein Raum mehr. Ihm würde schlechthin jeder Bezugs- oder Anknüpfungspunkt fehlen. Die Rentenversicherung ist aber "auf Vertrauen und Verlässlichkeit angewiesen. Sie gehört zur Lebensplanung von Menschen" (Walter Riester, DRV 2000, S 1; insoweit auch veröffentlicht unter www.vdr.de). Würde man dagegen die Auffassung des VDR zu Grunde legen, könnte kein Versicherter mehr auf ein rentenversicherungsrechtliches Gesetz vertrauen.

1.4 Soweit der VDR darauf hinweist, dass (auch) die Vorschrift des § 22 Abs 4 FRG der Stärkung eines (vermeintlichen) Prinzips der Lohn- und Beitragsbezogenheit der Leistungen im System der GRV diene, das es - wie ausgeführt - so nicht gibt, mag dies für die Zukunft im Ergebnis zutreffen, falls die entscheidenden Neuerungen der Rentenreform 1957 und wichtige Teile der Reformgesetzgebung Bismarcks rückgängig gemacht würden. Sofern der Gesetzgeber die Rechtslage (nur) für die Zukunft neu gestaltet, die Neuregelung also nur nach ihrem Inkrafttreten eintretende und zu bewertende Sachverhalte erfasst, kommt ihm nämlich eine weite Gestaltungsbefugnis zu. Solche allein zukunftsgerichteten neuen "Versicherungssysteme" greifen dann nicht in bestehende subjektive vermögenswerte Rechte ein und sind dann in dieser Hinsicht grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich (Vorlagebeschluss vom - B 4 RA 11/99 R, S 39 und 43 des Umdrucks). Zukunftsgerichtet kann der Gesetzgeber das jeweilige Sozialversicherungssystem also deutlich anders austarieren oder sogar abschaffen.

Mit Regelungen für die Zukunft hat sich der Gesetzgeber im vorliegenden Kontext aber nicht begnügt, sondern auch in bereits entstandene, individuell erworbene vermögenswerte Rechtspositionen rückwirkend eingegriffen und diese nachhaltig entwertet. Diese rückwirkenden Eingriffe sind von zukunftsgerichteten Neugestaltungen zu unterscheiden. Eingriffe in bestehende Rechtspositionen lösen Abwehransprüche der betroffenen Rechtsinhaber aus. Insoweit stellt Art 14 Abs 1 GG im Ergebnis ein Abwehrrecht bereit, das dem Gesetzgeber ungerechtfertigte Eingriffe in das bereits Erworbene untersagt. Hinsichtlich der Regelungen über den zukünftigen Erwerb vermittelt dagegen Art 14 Abs 1 GG den grundrechtlichen Schutz für ein (bloßes) Teilhaberecht. Diese Differenzierung trägt dem Umstand Rechnung, dass mit der Zeit, nämlich dem sukzessiven Erwerb einer einfach-rechtlichen Rechtsposition, das normgeprägte Eigentumsgrundrecht eine duale Struktur erhält. Zu seinem teilhaberechtlichen Gehalt tritt ein abwehrrechtlicher Gehalt hinzu. Dieses Abwehrrecht verbietet inhaltlich nicht von vornherein jegliche, sondern gleichheitswidrige, unverhältnismäßige, insbesondere dem (ggf besonderen) Vertrauensschutz nicht genügende oder bisherige Erwerbs- und Leistungsregeln missachtende Eingriffe in das bereits Erworbene. Dies zeigt, dass das Abwehrrecht seine ursprünglich teilhaberechtlichen Elemente noch in sich trägt. Je mehr dieses Abwehrrecht mit dem sukzessiven (weiteren) Erwerb - wie beim Anwartschaftsrecht - heranwächst, desto größer wird die Rechtfertigungslast etwaiger Eingriffe.

Diese duale Struktur des Eigentumsgrundrechts als Teilhaberecht einerseits und Abwehrrecht andererseits ist nicht widersprüchlich und birgt auch nicht die Gefahr in sich, das Eigentumsgrundrecht zu überfordern (vgl Grimm in: Verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz sozialer Rechtspositionen, 1982, Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes, Band XXIII, S 233 f). Denn anders als in den der numerus-clausus-Entscheidung des BVerfG zu Grunde liegenden Fällen (vgl insbesondere BVerfGE 33, 303, 330-333) und auch anders als in weiteren Fällen rechtlich erst zu gestaltender, realer bzw dienender Freiheit (stellvertretend hierzu Erichsen in: Isensee/Kirchhof (Hrsg), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band VI, 2. Aufl 2001, § 152 RdNr 6 und 78) geht es bei dem Eigentumsgrundrecht nicht allein um die zukunftsgerichtete Verteilung realer Freiheitschancen, insbesondere die gleiche Teilhabe an staatlichen Leistungen/Leistungssystemen, sondern auch um die Frage, in welchem Maß das mit der Zeit vom Versicherten in der Vergangenheit durch kalenderjährliche Vorleistungen bereits Erworbene zu schützen ist. Grundrechtseingriff und -ausgestaltung, Freiheitsbeschränkung und -verwirklichung fallen hier also zeitlich zusammen (vgl Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, 2000, S 55). Dieses bedarf - wie dargelegt - gesetzlicher Maßstäbe. Diese hat der VDR nicht benannt. Er beurteilt Eingriffe in Anwartschaftsrechte (und Vollrechte?) nur nach den (weiten) Regeln, die für ausschließlich zukunftsgerichtete Neugestaltungen gelten. Dies wird den Anforderungen der grundrechtlichen Eigentumsgarantie nicht gerecht. Der VDR behandelt die Stellung der Versicherten vor Entstehung des Vollrechts so, als hätten sie noch keine subjektiven (öffentlichen) vermögenswerten Rechte. Dies ist mit dem einfachgesetzlichen Recht der GRV schlechthin unvereinbar und macht die - über die Position des BSG hinausgehende - Rechtsprechung des BVerfG gegenstandslos.

2. Die Stellungnahme der BfA lässt ebenfalls keinen sachlichen Grund erkennen, der eine andere Einschätzung der Rechtslage erlaubte:

2.1 Die BfA vertritt die Rechtsauffassung, dass die Frage nach dem Grundrechtsschutz "fremdrechtlicher Positionen" zu verneinen sei, weil es insoweit nach ihrer Auffassung an einer "an den deutschen Rentenversicherungsträger gerichteten Eigenleistung" mangele. Diese These beruht auf einem unzutreffenden Verständnis von Sozialversicherung (ausführlich hierzu oben VI. 1.1.2): Was als Vorleistung der Versicherten innerhalb der GRV gilt, bemisst sich allein nach dem Gesetz. Nur der Gesetzgeber hat - innerhalb seines verfassungsrechtlichen Gestaltungsrahmens - die Kompetenz festzulegen, was eine rentenversicherungsrelevante "Eigenleistung" (Vorleistung) des Versicherten ist. Er hat die versicherte Arbeit im Vertreibungsgebiet durch §§ 15, 16 FRG als rentenrelevante Vorleistung qualifiziert und sie der versicherten Arbeit im Bundesgebiet gleichgestellt. Die Berechtigten hatte er vollständig und mit gleichen Rechten in das bundesdeutsche Rentenversicherungsrecht integriert. Er hat insoweit weder einen (geheimen) Vorbehalt vorgesehen noch fremdrechtliches "Sonderrentenrecht" oder bloßes Lastenausgleichsrecht unter der (offenkundigen) Falschbezeichnung "Rentenversicherungsrecht" geschaffen.

2.2 Soweit die BfA vorträgt, der "Gesichtspunkt des auf die Zukunft gerichteten Anspruchs" verbiete "die Anerkennung eines Anwartschaftsrechts in dem vom Senat befürworteten Sinn", verkennt sie Struktur und Gewährleistungsgehalt sowohl des SGB VI als auch der grundgesetzlichen, normgeprägten Eigentumsgarantie. Das BVerfG hat in einigen Entscheidungen grundrechtlichen Eigentumsschutz sogar für alle Anrechte und Rentenanwartschaften angenommen, also nicht nur für die Fälle, in denen das BSG Eigentumsschutz für das Anwartschaftsrecht erkennt. Die BfA übersieht: Von (nur) zukunftsgerichteten Neugestaltungen sind rückwirkende Eingriffe in individuell erworbene Rechtspositionen zu unterscheiden (dazu oben VI. 1.4). Aus dem gleichen Grund verfängt auch der Hinweis der BfA nicht, der Gesetzgeber habe nur "schwer verständliche Vergünstigungen" rückführen wollen. Die nach der Wiedervereinigung kurzfristig gegebene Besserstellung der gleichgestellten Vertriebenen ohne Vollrecht gegenüber den gleichgestellten Versicherten des Beitrittsgebiets wurde durch die neue "Ost-Integration" beseitigt. Die 40-%ige Kürzung der Rangstellen allein der Vertriebenen hat damit nichts zu tun.

2.3 Die BfA ist der Auffassung, ein Anwartschaftsrecht existiere im Rentenversicherungsrecht deshalb nicht (bzw könne nicht entstehen), weil es an der "Sicherung des Rechts durch die Rechtsordnung" fehle. Das BVerfG hat gleichwohl (weiter gehenden) Grundrechtsschutz für (alle) Vorstufen des Vollrechts bejaht. Die BfA beachtet nicht, dass das SGB VI die Regeln für den (sukzessiven) Erwerb rentenrechtlicher Rechtspositionen ausführlich und vor allem differenziert normiert hat (dazu oben VI. 1.3). Wieso der Versicherte dem förmlichen parlamentarischen Gesetz nicht vertrauen und nicht annehmen darf, dass nach dessen Regeln auch verfahren wird, und dem GG nicht vertrauen darf, dass es auch bei Eingriffen in subjektive Rechte aus der GRV Geltung beansprucht, ist nicht nachvollziehbar. Träfe die Behauptung der BfA zu, wäre das bundesdeutsche Rentenversicherungssystem lediglich öffentliche Fürsorge. Der Gesetzgeber hat sich indes bei Erlass des SGB VI auf den Kompetenztitel des Art 74 Abs 1 Nr 12 (nicht: Nr 7) GG gestützt. Auch die Ansicht der BfA entzieht der Rechtsprechung des BVerfG die Grundlage.

Der Hinweis der BfA darauf, dass die Rentenauskunft nach § 109 SGB VI hinsichtlich der Höhe der erworbenen Anwartschaften nicht bindend ist, führt in die Irre: Eine derartige Bindungswirkung behauptet niemand. Dies ändert aber nichts daran, dass das Teilhaberecht - als ein Faktor des Rentenwertes und damit der (zukünftigen) Rentenhöhe - abgeschlossene Erwerbsvorgänge verkörpert, sich im Laufe der Zeit zusehends verfestigt und jedenfalls nach Vollendung des 55. Lebensjahres des Versicherten grundsätzlich änderungsfest ist. Nur um dieses Teilhaberecht geht es im vorliegenden Streit (nicht um den wie beim Vollrecht variablen hypothetischen Mindest-Geldwert des Anwartschaftsrechts). Denn nur an dieses hat der Gesetzgeber (mit seinen Kürzungen) angeknüpft, nicht dagegen an den hypothetischen Geldwert (vgl hierzu bereits oben VI. 1.3). Soweit die BfA den "Charakter der GRV als einer von zahlreichen wirtschaftlichen Einflüssen abhängigen und daher notwendig stärker Veränderungen ausgesetzten Rechtsmaterie" nicht hinreichend beachtet sieht, berücksichtigt auch sie nicht den rechtsstaatlichen Gewährleistungsgehalt des parlamentarischen Gesetzes. Die GRV ist ein rechtlich determiniertes System, das nicht - diffus - von "zahlreichen wirtschaftlichen Einflüssen" abhängt. Ein Systemwechsel zurück zur "Fürsorgerente" ist jedenfalls dem Text des WFG nicht zu entnehmen.

3. Die Stellungnahme des BMA trägt inhaltlich nicht zur Klärung der Sachfragen bei:

3.1 Das BMA ist der Auffassung, "Rechtspositionen nach dem FRG" unterstünden deshalb nicht dem Schutz der grundgesetzlichen Eigentumsgarantie, weil es an einem dem Einigungsvertrag entsprechenden "Transformationsakt" fehle. Es übersieht ua einen grundlegenden Unterschied: Während in der DDR erworbene Anwartschaften durch das Einigungsvertragsgesetz (Art 59 GG) für eine Zwischenzeit bis Ende 1991 in partielles Bundesrecht transformiert und dann ab durch originäre bundesrechtliche Anwartschaften aus dem SGB VI ersetzt wurden, begründete das FRG für Vertriebene und Aussiedler originäre bundesrechtliche Ansprüche und Anwartschaften. Dabei kam es auf Rechtspositionen im Vertreibungsgebiet nicht an. Das FRG entschied nämlich, Arbeit im Vertreibungsgebiet, die bei einem nichtdeutschen Träger einer GRV versichert war, nach Bundesrecht erworbenen Beitragszeiten gleichzustellen. Im Vertreibungsgebiet durch versicherte Arbeit erlangte Beschäftigungszeiten - nicht die dort uU erlangten subjektiven Rechte auf Rente - stehen diesen gleich (so ausdrücklich § 15 Abs 1 Satz 1 FRG). Es handelt sich daher um originär bundesrechtliche Pflichtbeitragszeiten iS des § 55 Abs 1 Satz 2 SGB VI. Durch diese Gleichstellung hat der Gesetzgeber - wie bereits dargelegt - "normale" Rechtspositionen nach bundesdeutschem Rentenversicherungsrecht und damit grundgesetzliches Eigentum erstmals geschaffen, nicht aber in fremden Rechtsordnungen entstandene Rechtspositionen in das Bundesrecht übernommen, überführt oder ersetzt.

3.2 Es trifft nicht zu, dass der Gesetzgeber den Personenkreis der nach dem FRG Berechtigten "ausschließlich unter Fürsorgegesichtspunkten bedacht hat". Er hat sie aus damals wohlerwogenen Gründen auch des Lastenausgleichs und der Finanzierung der GRV zugeordnet, sodass nur die Regeln des Rentenversicherungsrechts galten (hierzu bereits oben VI. 2.1). Ausschlaggebend für die positiv-rechtliche Qualität gesetzlicher Regelungen ist im Übrigen die tatsächlich getroffene Entscheidung des Inhalt und Schranken des Eigentums definierenden Normgebers, nicht seine (vermeintliche) Motivation. Er hat sich im Übrigen nicht versehentlich, sondern nach sorgfältiger Prüfung für die völlige und gleichwertige Integration der Vertriebenen in die GRV entschieden.

VIII. Der Senat ist nach alledem der Überzeugung, dass die umstrittene nachkonstitutionelle, parlamentsgesetzliche Kürzungsregel verfassungswidrig, nicht verfassungskonform auslegbar und entscheidungserheblich ist. Deshalb war das Revisionsverfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen.

Fundstelle(n):
XAAAC-13698