Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: AAÜG § 1
Instanzenzug:
Gründe
I
Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr 3 zum AAÜG verpflichtet ist, für den Kläger Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen der Landwirtschaft (Anordnung vom ) festzustellen.
Der im Jahre 1939 geborene Kläger erwarb im April 1968 ein Diplom als Diplom-Betriebswirtschaftler an der Hochschule für Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften in M. ; seit April 1973 war er befugt, den Titel eines Fachingenieurs für sozialistische Betriebswirtschaft in der Landwirtschaft zu führen. Von Mai 1968 bis Februar 1990 war er Vorsitzender der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) "T." und der LPG "T. M.".
Mit Bescheid vom und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom lehnte die Beklagte die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem ua mit der Begründung ab: Für verdienstvolle LPG-Vorsitzende habe die Möglichkeit bestanden, auf Grund einer Ermessensentscheidung des Vorsitzenden des Rates des Bezirks in ein Zusatzversorgungssystem einbezogen zu werden. Ein solches Ermessen sei für den Kläger nicht ausgeübt worden. Soweit aber in den Texten der Versorgungssysteme Aufzählungen mit einer Einschränkung vorgenommen worden seien, die eine Ermessensentscheidung erforderten, würden diese Personengruppen nicht im Sinne der Rechtsprechung als "konkret" aufgelistet gelten.
Das SG Leipzig hat durch Urteil vom die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt: Zugehörigkeitszeiten iS des § 5 AAÜG würden nur dann vorliegen, wenn der Berechtigte konkret eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt habe, die ihrer Art nach von dem Zusatzversorgungssystem erfasst worden sei. Unerheblich sei dagegen, wie die DDR ihre Entscheidung im Einzelfall begründet habe. Auf derartige Erwägungen könne eine Einbeziehung nicht gestützt werden, ohne frühere Willkür fortzuführen. Der Kläger hätte nur dann in das zusätzliche Altersversorgungssystem einbezogen werden können, wenn er für sein tatsächliches Einkommen Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) bis zur jeweiligen Höchstgrenze entrichtet gehabt hätte. Da der Kläger seine Einkünfte jedoch nur bis 1.200,00 M monatlich versichert gehabt habe, obwohl es ihm seit 1977 möglich gewesen sei, sein gesamtes Einkommen zu versichern, habe er bereits die Voraussetzungen für eine Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem nicht erfüllt.
Der Kläger hat die vom zugelassene (Sprung-)Revision eingelegt. Er rügt, das SG habe § 1 AAÜG iVm der Anordnung für die zusätzliche Altersversorgung für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen der Landwirtschaft verletzt. Hierzu trägt er vor: Für eine Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem sei ausreichend gewesen, wenn eine Beschäftigung als Vorsitzender einer LPG oder einer kooperativen Einrichtung ausgeübt worden sei. Sofern jedoch Voraussetzung für die Zugehörigkeit zu dem oben genannten System auch die Zahlung von Beiträgen für seinen gesamten Verdienst gewesen sei, so sei zumindest die Zeit vom bis anzuerkennen, da bis zu diesem Zeitpunkt die Anordnung über die zusätzliche Altersversorgung noch nicht existent gewesen sei, sodass ein fehlender Beitritt zur "vollen" FZR auch nicht zum Verlust der Versorgungsanwartschaft habe führen können.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom und den Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Beschäftigungszeiten vom bis zum als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung für verdienstvolle Vorsitzende Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften und kooperativer Einrichtungen (Nr 3 der Anlage 1 zum AAÜG) festzustellen,
hilfsweise, ihm die Beschäftigungszeit vom bis als Zusatzversorgungszeit festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung und trägt ua ergänzend vor: Verdienstvolle Vorsitzende kooperativer Einrichtungen der Landwirtschaft hätten nur auf Grund einer Ermessensentscheidung des Vorsitzenden des Rates des Bezirks in das Zusatzversorgungssystem einbezogen werden können. Ein solches Ermessen sei für den Kläger nicht ausgeübt worden und könne aus bundesrechtlicher Sicht auch nicht nachgeholt werden.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
SG und Beklagte haben im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen mit den Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen (§ 54 Abs 1 SGG) durchsetzbaren Anspruch auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen der Landwirtschaft hat.
Die Vorschriften des AAÜG finden auf den Kläger keine Anwendung (§ 1 AAÜG).
Nach § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG gilt das Gesetz "für Ansprüche und Anwartschaften", die auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. "Erworben worden sind" in diesem Sinne aus der Perspektive des am in Kraft getretenen AAÜG (Art 3 RÜG) vom (BGBl I S 1606) Versorgungsanwartschaften auch, wenn Nichteinbezogene rückschauend nach den Regeln der Versorgungssysteme, soweit sie auf Grund des Einigungsvertrags vom (BGBl II S 889) Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr 9 am zu sekundärem Bundesrecht geworden waren, praktisch und rechtsgrundsätzlich im Regelfall am (vgl Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt II Nr 8, § 22 Rentenangleichungsgesetz vom 28. Juni 1990, GBl I S 495) hätten einbezogen werden müssen. Dies ist der Fall, wenn sie - ohne erfolgte Einzelfallregelung (Versorgungszusage, Einzelentscheidung, Einzelvertrag) - aus bundesrechtlicher Sicht einen Rechtsanspruch auf eine Versorgungszusage nach den Regelungen der Versorgungssysteme unter Beachtung des Gleichheitsgebots gehabt hätten. Schließlich wird nach § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG eine Versorgungsanwartschaft fingiert, wenn in der DDR zu irgendeinem Zeitpunkt einmal eine durch Einzelfallregelung konkretisierte Aussicht bestand, im Versorgungsfall Leistungen zu erhalten, diese Aussicht (Anwartschaft) aber auf Grund der Regelungen der Versorgungssysteme vor dem wieder entfallen war (vgl hierzu - mwN, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Da der Kläger zu keinem Zeitpunkt in der DDR eine Versorgungszusage (Art 19 Satz 1 EinigVtr) oder einen Einzelvertrag mit der konkreten Aussicht hatte, bei Eintritt des Versorgungsfalls Leistungen zu erhalten und auch insoweit keine Rehabilitierungsentscheidung vorliegt, können die Vorschriften des AAÜG mithin auf ihn nur Anwendung finden, wenn ihm aus bundesrechtlicher Sicht nach den Gegebenheiten der DDR, dh nach den insoweit vom EinigVtr noch partiell übernommenen Regelungen der Versorgungssysteme, wären diese unter Beachtung des Gleichheitsgebots umsetzt worden, eine Anwartschaft auf eine Versorgung am hätte eingeräumt werden müssen, er also, wäre der Versorgungsfall zu diesem Zeitpunkt eingetreten, zum 1. Juli 1990 im (jetzt) rechtsstaatlichen Umfeld ("kraft Gesetzes") Leistungen aus dem Versorgungssystem hätte beanspruchen können. Dies wäre der Fall gewesen, wenn er nach den Regelungen des Versorgungssystems "obligatorisch" im Sinne einer "gebundenen Verwaltung" - ohne Ermessensspielraum des Versorgungsträgers - in den Kreis der Versorgungsberechtigten hätte einbezogen werden müssen, weil die abstrakt-generellen Voraussetzungen hierfür insoweit am (und deswegen am ) erfüllt waren. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Aus bundesrechtlicher Sicht hatte der Kläger am keine Versorgungsanwartschaft im og Sinn "erworben". Er hätte nach § 3 der Anordnung über die zusätzliche Versorgung für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften lediglich durch eine Ermessensentscheidung (und nicht "kraft Gesetzes") in das Zusatzversorgungssystem einbezogen werden können. Eine derartige Ermessensentscheidung, die auch der Erzeugung politischen und gesellschaftlichen Wohlverhaltens diente, könnte jedoch allein aus der Sicht der DDR und nach deren Maßstäben getroffen werden. Sie darf infolgedessen mangels sachlich objektivierbarer, bundesrechtlich nachvollziehbarer Grundlage nicht rückschauend ersetzt werden. Sollte der Kläger der Auffassung sein, er würde gegenüber denjenigen ungleich behandelt, die bereits als Vorsitzende einer LPG in das Zusatzversorgungssystem einbezogen gewesen seien, so ist dem entgegenzuhalten, dass - eine mögliche Ungleichbehandlung unterstellt - der Einigungsvertragsgesetzgeber nicht gehalten war, solche bereits in den Versorgungsordnungen angelegten Ungleichbehandlungen nachträglich zu korrigieren. Denn er durfte an die insoweit vorgefundenen Versorgungsordnungen, wie sie am vorgelegen haben, im Rahmen der Rentenüberleitung anknüpfen (vgl BVerfGE 100, 138, 193 f).
Da der Kläger somit am 30. Juni 1990 (und auch zu keinem Zeitpunkt davor oder danach bis zum ) eine Versorgungsanwartschaft iS des § 1 AAÜG "erworben" hatte, fällt er nicht unter den Anwendungsbereich dieses Gesetzes. Bereits aus diesem Grunde steht ihm - unabhängig davon, dass er nach den Feststellungen des LSG am nicht Vorsitzender einer LPG war - kein Anspruch auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nach § 5 AAÜG zu. Seine Revision ist mithin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
UAAAC-13686