Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: AAÜ § 1 Abs. 1
Instanzenzug: SG Dresden vom
Gründe
I
Streitig ist im Revisionsverfahren nur noch, ob der beklagte Zusatzversorgungsträger für den Zeitraum bis für den Kläger Zeiten der Zugehörigkeit zur AVIwiss nach Nr 4 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) und die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen hat.
Der Kläger durfte ab 1956 in der DDR die Berufsbezeichnung "Diplom-Geologe" führen. Er war vom bis zunächst als Diplom-Geologe/Objektgeologe/wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Staatlichen Geologischen Kommission/Geologischer Dienst F. beschäftigt, danach bis mit demselben Aufgabenbereich beim VEB Geologische Erkundung Süd, F. , und anschließend bis als Objektgeologe/Geologe für Forschung und Entwicklung beim VEB Hydrogeologie N. , Außenstelle D. . Er war in der DDR in kein Zusatz- oder Sonderversorgungssystem einbezogen worden.
Seinen Antrag auf "Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften" aus der ehemaligen DDR lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ): Es seien weder die Voraussetzungen für die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem nach Nr 1 der Anlage 1 zum AAÜG noch nach Nr 4 der Anlage 1 zum AAÜG erfüllt.
Die Klagen, mit denen begehrt wurde, die ablehnende Entscheidung der Beklagten aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz (AVItech) festzustellen, hat das abgewiesen. Der Kläger unterliege nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des § 1 Abs 1 AAÜG. Er sei am nicht Inhaber einer bestehenden Versorgungsanwartschaft gewesen. Es hätte ihm auch nicht nach der am gegebenen Sachlage aus bundesrechtlicher Sicht obligatorisch eine Versorgung geleistet werden müssen. Denn er habe am keine Beschäftigung ausgeübt, auf Grund derer ihm eine Versorgungszusage zu erteilen gewesen wäre. Er habe nicht sämtliche Voraussetzungen für die Einbeziehung in die AVItech erfüllt, denn ihm sei nicht das Diplom eines Ingenieurs verliehen worden. Diplom-Geologen zählten nicht zu den Ingenieuren. Ein Anspruch auf Zusatzversorgung ergebe sich auch nicht im Hinblick auf das Zusatzversorgungssystem der wissenschaftlichen Intelligenz. Er gehöre nach der am ausgeübten Tätigkeit beim VEB Hydrogeologie N. , Außenstelle D. , nicht zu dem Kreis der obligatorisch in diese Versorgungsordnung Einzubeziehenden. Ein VEB zähle nicht zu den wissenschaftlichen Einrichtungen der DDR (Hinweis auf ).
Das LSG hat die Berufung, mit der unter Aufhebung der entgegenstehenden Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen begehrt wurde, Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech bzw zur AVIwiss und entsprechende Entgelte festzustellen, unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung zurückgewiesen (Urteil vom ). Ergänzend hat es ausgeführt, der "Betriebsteil Hydrogeologische Erkundung N. " sei laut Anweisung über die Bildung des VEB Hydrogeologische Erkundung vom aus dem VE Spezialbaukombinat M. herausgelöst und als selbstständiger Betrieb geführt worden. Gemäß Verfügung über die Gründung des VEB Kombinat Geologische Forschung und Erkundung vom sei der VEB Hydrogeologie N. diesem Kombinat als ökonomisch und juristisch eigenverantwortlicher Betrieb unterstellt worden. Dass dieser VEB damit frei in seiner Auswahl der Forschungsziele iS einer wissenschaftlichen Einrichtung mit Hochschulcharakter geworden sei, sei der Verfügung vom nicht zu entnehmen. Das LSG hat die Revision zugelassen, weil es die Frage, ob VEB, die der staatlichen Forschung dienten, von der Versorgungsordnung der AVIwiss erfasst würden, für grundsätzlich bedeutend hält.
Mit seiner Revision, mit der der Kläger nur noch die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur AVIwiss begehrt, rügt er sinngemäß eine Verletzung des § 1 Abs 1 AAÜG. Der VEB Hydrogeologie N. , Außenstelle D. , bei der er am beschäftigt gewesen sei, sei ein Betrieb des VEB Kombinat Geologische Forschung und Erkundung gewesen, der wiederum unmittelbar dem Ministerium für Geologie unterstellt gewesen sei. Dieser VEB habe wie eine selbstständige staatliche Forschungseinrichtung Forschungsaufgaben auf dem Gebiet der Geologie wahrgenommen. Diese seien zu keinem Zeitpunkt betriebsbezogen gewesen. Der VEB Hydrogeologie sei in der Auswahl seiner Forschungsziele ebenso frei gewesen wie ein selbstständiges staatliches Forschungsinstitut.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom sowie die Ablehnungsentscheidung im Bescheid der Beklagten vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, seine Beschäftigungszeiten vom bis als Zeiten der Zugehörigkeit zu dem Zusatzversorgungssystem der Intelligenz an wissenschaftlichen, pädagogischen, künstlerischen und medizinischen Einrichtungen der DDR und die entsprechenden Entgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend. VEB zählten nach der Rechtsprechung des - und vom - B 4 RA 62/01 R) nicht zu den wissenschaftlichen Einrichtungen iS der AVIwiss.
II
Die Revision hat in dem Sinne Erfolg, dass das Urteil des LSG neu zu fassen ist. Im Übrigen ist sie unbegründet.
Zu entscheiden ist über das Begehren (§ 123 SGG) des Klägers, die Beklagte unter Aufhebung entgegenstehender Entscheidungen auch der Vorinstanzen zu verpflichten, für ihn Tatbestände von Zugehörigkeitszeiten zum Zusatzversorgungssystem der AVIwiss sowie entsprechende Entgelte festzustellen.
1. Die Revision ist statthaft, denn das LSG hat über die Feststellung von Tatbeständen von Zugehörigkeitszeiten zur AVIwiss sowie entsprechender Entgelte (negativ) entschieden und jedenfalls insoweit die Revision zugelassen. An diese Zulassung ist der Senat gebunden (§ 160 Abs 3 SGG). Die Revision ist auch im Übrigen zulässig (§ 164 SGG).
2. Die Revision ist auch teilweise begründet, denn das LSG hat insoweit Bundesrecht verletzt (§ 162 SGG), als dieses der zulässigen und begründeten Berufung des Klägers gegen die ablehnende Entscheidung des SG betreffend die Datenfeststellungen zur AVIwiss nicht stattgegeben hat, obwohl das SG mangels Klage hierüber nicht hätte entscheiden dürfen. Ferner hätte das LSG die vor ihm erstmals erhobenen Klagen auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung solcher Zeiten und entsprechender Entgelte abweisen müssen. Das Urteil des LSG war deshalb neu zu fassen.
a) In dem ursprünglich angefochtenen Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom hatte die Beklagte sowohl die Feststellung von Tatbeständen von Zugehörigkeitszeiten zur AVItech nach Nr 1 der Anlage 1 zum AAÜG als auch die Feststellung von Tatbeständen von Zugehörigkeitszeiten zur AVIwiss nach Nr 4 der Anlage 1 zum AAÜG abgelehnt. Mit seiner kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage hatte der Kläger - ausweislich des Klageantrags und seines sonstigen Vorbringens (§ 123 SGG) - aber nur die Aufhebung der ablehnenden Entscheidung und die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Tatbeständen von Zugehörigkeitszeiten zur AVItech begehrt, sich jedoch nicht gegen die ablehnende Entscheidung betreffend die Datenfeststellungen zur AVIwiss gewandt. Das prozessuale Begehren des Klägers und damit der Streitgegenstand des Klageverfahrens (dazu: BSG SozR 3-2200 § 1303 Nr 4 S 7; BSG SozR 3-1500 § 96 Nr 9 S 18 f) beschränkte sich demnach auf die die Datenfeststellungen zur AVItech ablehnende Entscheidung der Beklagten. Gleichwohl hat das über beide Ablehnungen der Beklagten entschieden - über die Datenfeststellungen zur AVIwiss demnach ohne Klage.
Das LSG hätte deshalb auf die zulässige Berufung des Klägers hin die diesen beschwerende, klageabweisende Entscheidung des SG über die Datenfeststellungen zur AVIwiss im Gerichtsbescheid vom schon deshalb aufheben müssen, weil dieses rechtsprechende Gewalt ausgeübt hat, ohne vom Kläger angerufen worden zu sein. Denn ohne die Geltendmachung eines entsprechenden prozessualen Anspruchs war das SG schlechthin nicht der gesetzliche Richter, darüber zu entscheiden (vgl Urteil des Senats vom - B 4 RA 46/02 R).
b) Soweit der Kläger, veranlasst durch die unbeantragt ergangene Entscheidung des SG, vor dem LSG erstmals Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Tatbeständen von Zugehörigkeitszeiten zur AVIwiss und zur Feststellung entsprechender Entgelte erhoben hat, hätte das LSG diese Klagen (als unzulässig) abweisen müssen. Mit diesen Klagen hat der Kläger seine bisherigen Klagen sowohl im Klageantrag als auch im Klagegrund und damit um einen weiteren prozessualen Anspruch (Streitgegenstand) erweitert. Diese geänderten Klagen (§ 99 SGG) sind unzulässig, denn die Klagefrist war bereits einen Monat nach Bekanntgabe der ablehnenden Entscheidung über die Datenfeststellungen zur AVIwiss im Widerspruchsbescheid vom abgelaufen (§ 87 Abs 1 und 2 SGG) und damit die Ablehnung unanfechtbar geworden (§ 77 SGG).
c) Das unter Verletzung von Bundesrecht ergangene Urteil des LSG ist deshalb auf die Revision des Klägers hin neu zu fassen: Der Gerichtsbescheid des SG ist insoweit aufzuheben, als dieses über Datenfeststellungen zur AVIwiss entschieden hat. Im Übrigen ist die Berufung zurückzuweisen. Die vor dem LSG erhobenen Klagen gegen die Ablehnung der Beklagten, Daten zur AVIwiss festzustellen, sind abzuweisen.
3. Im Übrigen ist die Revision im Hinblick auf die Unanfechtbarkeit der ablehnenden Entscheidung der Beklagten über die Datenfeststellungen zur AVIwiss unbegründet und deshalb zurückzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Auch wenn der Kläger in geringem Umfang obsiegt hat, hält der Senat eine Kostenerstattung durch die Beklagte für nicht angemessen, weil letztlich das prozessuale Begehren des Klägers in der Sache keinen Erfolg hatte und die Beklagte auch keinen Anlass für die fehlerhaften Entscheidungen des SG und des LSG gegeben hat.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
CAAAC-13627