BVerwG Urteil v. - 9 C 4.01

Leitsatz

Die Ermittlung der für die Bemessung der Abwasserabgabe maßgeblichen Schadeinheiten nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG 1991 setzt nicht voraus, dass im Veranlagungsjahr mindestens fünf verwertbare behördliche Messungen der maßgeblichen Schadstoffparameter durchgeführt worden sind. Auch ein einziges verwertbares Messergebnis kann das "höchste Messergebnis" im Sinne dieser Vorschrift sein.

Gesetze: AbwAG 1991 § 4 Abs. 1; AbwAG 1991 § 4 Abs. 4; AbwAG 1991 § 6 Abs. 1; ZPO § 418 Abs. 1; ZPO § 418 Abs. 2

Instanzenzug: VG Münster VG 7 K 1639/95 OVG Münster OVG 9 A 4863/98

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung einer Abwasserabgabe für das Veranlagungsjahr 1991.

Sie betreibt u.a. eine Kläranlage, für die ihr mit Bescheiden vom und befristet bis zum die wasserrechtliche Erlaubnis erteilt wurde, das gereinigte Abwasser in ein Gewässer einzuleiten. Für einen näher bezeichneten Messpunkt ist die in einem Zeitraum von zwei Stunden abfließende Abwassermenge auf 62,6 m³ begrenzt worden. Als Jahresschmutzwassermenge wurden 85 000 m³ zugelassen. Als Überwachungswert für die oxidierbaren Stoffe im chemischen Sauerstoffbedarf (CSB) ist ein Wert von 95 mg/l festgesetzt worden. Hierbei sollte eine im Labor geschüttelte und zwei Stunden abgesetzte Probe zugrunde gelegt werden. Mit Schreiben vom gab die Klägerin eine Erklärung über die von ihr im Jahre 1991 voraussichtlich eingehaltenen Überwachungswerte ab.

Das Staatliche Amt für Wasser- und Abfallwirtschaft Münster ermittelte bei der Überwachung des Abflusses der Kläranlage der Klägerin im Jahre 1991 Folgendes:

Datum|Abwassermenge|Chemischer Sauerstoffbedarf(CSB)|Phosphor (P)|Stickstoff (N)

|184 m³/2 h|800 mg/l| 21,69 mg/l| 12,4 mg/l

| 17 m³/2 h| 42 mg/l| 2,24 mg/l| 30,3 mg/l

| 38 m³/2 h| 18 mg/l| 1,90 mg/l| 32,4 mg/l

| 55 m³/2 h| 24 mg/l| 1,01 mg/l| 20,7 mg/l

Mit Bescheid vom setzte der Beklagte die Abwasserabgabe für das Veranlagungsjahr 1991 auf insgesamt 205 231,50 DM fest. Dabei entfiel auf den chemischen Sauerstoffbedarf ein Betrag von 133 932,50 DM, auf den Phosphor von 60 466,50 DM und auf den Stickstoff von 10 832,50 DM. Bei jedem der genannten Schadstoffe wurde das jeweils höchste Messergebnis im Jahre 1991 zugrunde gelegt. Die sich unter Berücksichtigung der in der wasserrechtlichen Erlaubnis festgesetzten Jahresschmutzwassermenge ergebenden Schadeinheiten wurden jeweils um 96,96 % erhöht. Dies ist die Hälfte des Vom-Hundert-Satzes, um den bei der Probenahme am die in der wasserrechtlichen Erlaubnis innerhalb von zwei Stunden zulässige Abwassermenge überschritten worden ist.

Die hiergegen von der Klägerin nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die angefochtenen Bescheide des Beklagten aufgehoben.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass die wasserrechtliche Erlaubnis vom / nicht die Anforderungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 AbwAG erfülle. Insbesondere der festgesetzte CSB-Wert solle nicht entsprechend dem Probenahme- und Analyseverfahren in der Anlage Teil B zum AbwAG überwacht werden. Da die Klägerin innerhalb der in § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwAG genannten Frist keine Erklärung abgegeben habe, sei die Abwasserabgabe an sich nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG zu bemessen. Die Vorschrift sei indes hier nicht anwendbar. Dies setze nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts nämlich voraus, dass im Veranlagungsjahr fünf verwertbare Messungen durchgeführt worden seien. Anderenfalls könne keine hinreichend verlässliche Aussage über das tatsächliche Einleitungsverhalten getroffen werden. Es sei unerheblich, dass § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG Sanktionscharakter habe. Vom Bundesverwaltungsgericht sei nicht maßgeblich darauf abgestellt worden, dass die frühere Fassung des § 6 AbwAG eine Simulation des Bescheidverfahrens vorgesehen habe. Die entscheidende Erwägung sei gewesen, dass ein tragfähiges Ergebnis der behördlichen Überwachung vorliegen müsse. Dieses fehle bei einer einzigen Messung. Schon aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG, wonach sich die Abwasserabgabe nach dem "höchsten" Messergebnis bestimme, sei erkennbar, dass mehrere Messungen durchzuführen seien. Hierdurch werde auch verhindert, dass ein zufällig ermittelter niedriger Wert der Abgabenfestsetzung zugrunde zu legen sei. Es bestünde dann kein hinreichender Anreiz, die Erklärung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwAG abzugeben. Es liege keine systematische Divergenz zu § 4 Abs. 4 AbwAG vor. Satz 3 der Vorschrift setze ebenfalls eine Mehrzahl von Messungen voraus. Es gehe hier nicht um die Anwendung der "4 aus 5-Regel", sondern um ein tragfähiges Ergebnis aus den Einzelmessungen. Der Beklagte sei daher verpflichtet gewesen, die Überwachungswerte gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 AbwAG zu schätzen. Es könne somit offen bleiben, ob die Messung vom verwertbar sei.

Mit seiner hiergegen gerichteten und vom Senat zugelassenen Revision macht der Beklagte geltend: Die Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG setze nicht fünf Messungen im Veranlagungsjahr voraus. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut der Bestimmung. Es sei hiernach für die Bemessung der Abwasserabgabe ein einziges Messergebnis entscheidend. Der Superlativ "höchste" sei nur verwandt worden um klarzustellen, welcher Wert bei mehreren Messergebnissen maßgeblich sei. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum AbwAG in seiner früheren Fassung könne auf die heutige Gesetzesfassung nicht übertragen werden. Nach den ursprünglichen Regelungen des § 4 AbwAG sei für die Abwasserabgabe ein sog. Regelwert zugrunde zu legen gewesen. Dementsprechend habe auch § 6 AbwAG ein tragfähiges Ergebnis aus der Überwachung erfordert. Nur auf diese Weise sei ein fiktiver Bescheidwert zu ermitteln gewesen. Inzwischen sei dieses System jedoch aufgegeben worden. Maßgeblich seien jetzt die Überwachungswerte, welche Grenzwerte darstellten. § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG in der hier maßgeblichen Fassung simuliere das Bescheidsystem zudem nicht. Dies erfolge nur im Falle einer Erklärung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwAG. Es müsse auch die Sanktionswirkung des § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG berücksichtigt werden. Eine Orientierung am tatsächlichen Einleitungsverhalten sei deshalb nicht geboten. Die der Festsetzung der Abwasserabgabe zugrunde zu legenden Messungen müssten deshalb keinen repräsentativen Charakter aufweisen. Eine Schätzung solle nach dem Willen des Gesetzgebers nur die allerletzte Möglichkeit sein. Sie solle nur dann erfolgen, wenn ausnahmsweise kein amtliches Messergebnis vorliege. Anderenfalls würde die Schätzung zum Regelfall, da innerhalb eines Veranlagungsjahrs häufiger weniger als fünf Messungen durchgeführt würden. Nach § 4 Abs. 4 AbwAG sei die Abwasserabgabe ebenfalls bereits bei einer Überschreitung zu erhöhen. Da die Klägerin die urkundlich gemäß §§ 98 VwGO, 418 Abs. 1 ZPO festgehaltenen Messergebnisse vom nicht substanziiert angegriffen habe, seien diese verwertbar.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Oberverwaltungsgerichts und trägt ergänzend vor: In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei geklärt, dass § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG ein tragfähiges Überwachungsergebnis und damit mindestens fünf Messungen im Veranlagungsjahr voraussetze. Der Gesetzgeber habe keine hiervon abweichende Regelung treffen wollen. Dass mehrere Messungen erforderlich seien, ergebe sich auch aus dem Wortlaut der Bestimmung. Danach sei das höchste Messergebnis "aus" der behördlichen Überwachung maßgeblich. Auch § 4 Abs. 4 Satz 3 AbwAG verlange mehrere Messungen.

Der Vertreter des Bundesinteresses unterstützt das Vorbringen der Revision und weist ergänzend auf Folgendes hin: Das höchste Messergebnis im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG dokumentiere genauso wie der höchste Einzelwert nach § 4 Abs. 4 Satz 3 des Gesetzes den Schadstoffgehalt nur einer einzigen Abwasserprobe. Dass schon eine Messung ausreichend sei, habe das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden. Eine Mindestzahl von Messungen sei auch nicht in der Lage, Zufälligkeiten von Einzelmessungen auszugleichen. Es sei ohnehin stets der höchste Wert maßgebend. Sofern der Behörde ein Messergebnis unrealistisch erscheine, könne sie weitere Kontrollen durchführen. Nach den Abwasserverwaltungsvorschriften seien fünf Überwachungsmessungen nur innerhalb von drei Jahren vorgeschrieben. Für die Parameter Phosphor und Stickstoff habe nach der jüngsten Rechtsprechung des Senats für das Veranlagungsjahr 1991 noch keine Erklärungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwAG bestanden. Dies sei jedoch nicht überzeugend. Die Berechnungsmethode nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG sei systematisch vorrangig. Eine Schätzung könne stets nur Ultima Ratio sein. Zwar spreche der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG für die Auffassung des Senats. Hierdurch werde aber lediglich der Regelfall des Anwendungsbereiches beschrieben. § 6 Abs. 1 Satz 3 AbwAG setze im Übrigen voraus, dass überhaupt noch kein Messergebnis vorliege.

II.

Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung, nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§§ 141 Satz 1, 125 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Revision des Beklagten ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, eine Bemessung von Abwasserabgaben nach § 6 Abs. 1 Satz 2 des Abwasserabgabengesetzes in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl I S. 2432) - AbwAG 1991 - setze voraus, dass im Veranlagungsjahr mindestens fünf verwertbare behördliche Messungen der maßgeblichen Schadstoffparameter durchgeführt worden sind, verletzt Bundesrecht (1.). Die Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom ist jedoch teilweise aus einem anderen Grunde richtig (2.). Im Übrigen ist der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (3.).

1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass rechtliche Grundlage des angefochtenen Bescheides § 1 Abs. 1 Satz 1 AbwAG 1991 ist. Danach ist für das Einleiten von Abwasser in ein Gewässer - im hier zu beurteilenden Veranlagungsjahr aufgrund der wasserrechtlichen Erlaubnis vom / - eine Abwasserabgabe zu entrichten. Die Klägerin ist als Einleiterin abgabepflichtig (§ 9 Abs. 1 AbwAG 1991).

Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AbwAG 1991 bestimmt sich die Höhe der Abwasserabgabe für verschiedene im Einzelnen aufgeführte Schadstoffparameter nach den aufgrund der Anlage zum AbwAG 1991 zu berechnenden Schadeinheiten. § 4 Abs. 1 Satz 1 AbwAG 1991 sieht vor, dass sich die Abwasserabgabe grundsätzlich nach den Festlegungen des die Abwassereinleitung zulassenden Bescheides errechnet (sog. Bescheidsystem). Dieser muss allerdings mindestens Überwachungswerte für die in der Anlage zum AbwAG 1991 genannten Schadstoffe und Schadstoffgruppen sowie die Jahresschmutzwassermenge festlegen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 AbwAG 1991). Wenn und soweit Bestimmungen in einem Bescheid fehlen, hat der Einleiter nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwAG 1991 spätestens einen Monat vor Beginn des Veranlagungszeitraums gegenüber der zuständigen Behörde eine Erklärung darüber abzugeben, welche für die Ermittlung der Schadeinheiten maßgebenden Überwachungswerte er einhalten wird (sog. simuliertes Bescheidsystem). Kommt der Einleiter dieser Erklärungspflicht nicht nach, wird nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG 1991 der Ermittlung der Schadeinheiten jeweils das höchste Messergebnis aus der behördlichen Überwachung zugrunde gelegt. Falls kein Ergebnis aus der behördlichen Überwachung vorliegt, hat die zuständige Behörde die Überwachungswerte zu schätzen (§ 6 Abs. 1 Satz 3 AbwAG 1991).

Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Rechtsfehler erkannt, dass die hier einschlägige wasserrechtliche Erlaubnis hinsichtlich der maßgeblichen Schadstoffparameter nicht den Anforderungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 AbwAG 1991 entspricht, so dass insoweit die Regelungen des § 6 AbwAG 1991 Anwendung finden. Insbesondere bestimmt sie keinen hinreichenden Überwachungswert für den Parameter "oxidierbare Stoffe im chemischen Sauerstoffbedarf" (CSB). Denn nach den wasserrechtlichen Bescheiden vom und soll bei der Überwachung die zwei Stunden abgesetzte Probe maßgeblich sein. Dagegen sieht Teil B Satz 1 der Anlage zum AbwAG 1991 vor, dass die Schadstoffgehalte aus der nicht abgesetzten homogenisierten Probe zu bestimmen sind. Nach § 4 Abs. 4 Sätze 2 bis 4 AbwAG 1991 sind für die Höhe der Abwasserabgabe die Ergebnisse der Gewässerüberwachung bedeutsam. Bei Überschreitungen der Überwachungswerte kann es - je nach Einzelfall - zu Erhöhungen der an sich geschuldeten Abwasserabgabe kommen. Ein verwertbarer Vergleich zwischen dem im wasserrechtlichen Bescheid festgelegten Grenzwert und dem Ergebnis der behördlichen Überwachung ist aber nur dann möglich, wenn sich die zugrunde gelegte Analysetechnik dies ermöglicht (vgl. auch - NVwZ-RR 1993, 324, 325).

Da die Klägerin eine Erklärung der Überwachungswerte unstreitig nicht innerhalb der in § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwAG 1991 genannten Ausschlussfrist eingereicht hat, kommt Satz 2 der Vorschrift zur Anwendung. Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dies setze voraus, dass in dem Veranlagungsjahr mindestens fünf Messungen der maßgeblichen Schadstoffparameter durchgeführt worden seien, ist mit Bundesrecht nicht vereinbar. Zwar hat der seinerzeit zuständige 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts mit Urteilen vom (BVerwG 8 C 47.86 - BVerwGE 80, 73, 76 ff. und BVerwG 8 C 48.86 - BVerwGE 80, 83, 89) zu § 6 Abs. 1 Satz 1 des Abwasserabgabengesetzes vom (BGBl I S. 2721) - AbwAG 1976 - entschieden, dass die Anwendung der Vorschrift ein tragfähiges Überwachungsergebnis verlange. Aus der in der damals maßgeblichen Abwasserverwaltungsvorschrift vorgesehenen Ausgleichsregelung, wonach der Überwachungswert auch dann als eingehalten galt, wenn das arithmetische Mittel der letzten fünf Untersuchungen diesen nicht überstieg (vgl. für das Veranlagungsjahr 1991 die "4 aus 5-Regel" in Ziff. 2.2.4 der Rahmen-AbwasserVwV vom - GMBl 1989, 518), wurde abgeleitet, dass dies erst bei der auch vom Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegten Zahl von Messungen der Fall sei.

Diese Rechtsprechung kann jedoch auf § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG 1991 nicht übertragen werden (ebenso Berendes, AbwAG, 3. Aufl. 1995, S. 112). Es bedarf für die Bemessung der Abwasserabgabe in den von dieser Vorschrift erfassten Fällen keines "tragfähigen Überwachungsergebnisses". Darauf deutet schon der Wortlaut der Bestimmung hin, wonach die Abgabe nicht mehr "auf Grund des Ergebnisses der behördlichen Überwachung" (§ 6 Abs. 1 Satz 1 AbwAG 1976) festzusetzen ist, sondern das "höchste Messergebnis aus der behördlichen Überwachung" maßgeblich sein soll. Es wird hiermit bereits hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass kein repräsentativer Wert, sondern eine einzelne Probenahme entscheidend sein soll. Ein deutlicheres Absetzen der Neufassung von der zuvor geltenden Regelung war nicht zu erwarten. Die hier maßgebliche Gesetzesfassung ist bereits durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Abwasserabgabengesetzes vom (BGBl I S. 2619) eingeführt worden und konnte deswegen die erwähnten Urteile des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 1988 nicht berücksichtigen.

Gegen eine Übertragung der bisherigen Rechtsprechung spricht auch die veränderte Systematik des Abwasserabgabengesetzes. Nach § 4 Abs. 1 Satz 3 AbwAG 1976 waren für die Ermittlung der Zahl der Schadeinheiten sog. Bezugswerte maßgeblich, die sich grundsätzlich aus den Regelwerten, d.h. den im Mittel einzuhaltenden Werten (§ 4 Abs. 1 Satz 2 AbwAG 1976), ergaben. § 4 Abs. 4 Satz 2 AbwAG 1976 sah vor, dass bei mehreren Überschreitungen des ebenfalls festzulegenden Höchstwertes der Bezugswert um deren arithmetisches Mittel zu erhöhen war. Für den Fall des Fehlens eines hinreichenden Bescheides sah § 6 Abs. 1 AbwAG 1976 keine Erklärungspflicht des Einleiters vor. Vielmehr sollte im Grundsatz das Ergebnis der behördlichen Überwachung maßgeblich sein. Ziel dieser Regelung war es, das Bescheidsystem zu simulieren. Dementsprechend sollten aufgrund von Messungen die Werte ermittelt werden, die im Bescheid festgesetzt worden wären (vgl. a.a.O., S. 77 und 89). Dies waren - wie ausgeführt - in erster Linie Mittelwerte. Diese wiederum zu bestimmen war nur möglich, wenn die Überwachungsergebnisse eine gewisse Repräsentativität aufwiesen. Demgegenüber ist mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Abwasserabgabengesetzes (a.a.O.) das System der Regel-, Höchst- und Bezugswerte aufgegeben worden. Maßgeblich sind seither die sog. Überwachungswerte. Hierbei handelt es sich um Grenzwerte (BTDrucks 10/5533, S. 9). Nach § 4 Abs. 4 Satz 3 AbwAG 1991 richten sich bei Nichteinhaltung der im Bescheid festgesetzten Überwachungswerte die Erhöhungen der der Abgabenberechnung zugrunde zu legenden Schadeinheiten dementsprechend grundsätzlich nach dem höchsten gemessenen Einzelwert. Dem entspricht es, beim Fehlen eines (simulierten) Bescheidwertes von dem jeweils höchsten Messergebnis auszugehen.

Von Gewicht ist zudem, dass § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG 1991 keinen Fall der Simulation des Bescheidsystems darstellt. Diese soll allein im Falle der rechtzeitigen Abgabe der in § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwAG 1991 vorgesehenen Erklärung des Einleiters erfolgen. Anderenfalls ist die Abwasserabgabe nach anderen Grundsätzen zu bemessen (vgl. BVerwG 11 C 3.00 - Buchholz 401.64 § 6 AbwAG Nr. 3, S. 3). Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht bereits im Urteil vom (BVerwG 8 C 7.97 - Buchholz 401.64 § 10 AbwAG Nr. 3, S. 10) ausgeführt, dass in den Fällen des § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG 1991 die Höhe der Abwasserabgabe stets von dem "zufällig" höchsten Messergebnis abhängig sei.

Soweit das Berufungsgericht die Auffassung vertreten hat, die systematische Einbindung des § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwAG 1976 in das Bescheidsystem sei für die (a.a.O.) bedeutungslos gewesen, beruht dies auf einem Missverständnis. Es ist dort (a.a.O., S. 77) lediglich ausgeführt worden, die genaue Zahl der erforderlichen Messungen sei aus § 4 AbwAG 1976 nicht herzuleiten, weil sich die Vorschrift dazu nicht verhalte. Dass nach § 6 Abs. 1 AbwAG 1976 ein tragfähiges Ergebnis der Überwachung vorliegen muss, wurde der Funktion der Vorschrift entnommen (a.a.O., S. 76). Diese hat jedoch gerade darin bestanden, die damalige Form des Bescheidsystems zu simulieren. Es sollte mithin - wie bereits dargelegt - in erster Linie der am Regelwert orientierte Bezugswert ermittelt werden (a.a.O., S. 77, 87 ff.). Also ergab sich aus der Funktion des § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwAG 1976 zumindest, dass Messungen in einem Umfang erforderlich waren, die eine Erfassung des üblichen Einleiterverhaltens erlaubten.

Der verhaltenssteuernde Charakter des § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG 1991 (vgl. dazu a.a.O.) vermag die Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu stützen, sondern steht ihr entgegen. Das Oberverwaltungsgericht hat insoweit Folgendes hervorgehoben: Bei wenigen Messungen sei die Möglichkeit größer, dass der gemessene Wert unter den Erklärungswerten liege. Es bestehe daher ein Anreiz, sich der in § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwAG 1991 geregelten Verpflichtung zu entziehen. Dieser Ansatz greift indes zu kurz. Abgesehen davon, dass der Gesetzgeber im Einzelfall eine Besserstellung des nicht Rechtstreuen in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise hinnehmen darf (vgl. a.a.O., S. 11), ist ein Anreiz, die Erklärung nicht abzugeben, bei der hier als richtig erkannten Auslegung des § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG 1991 nicht feststellbar. Bei nur wenigen Messungen muss der Einleiter befürchten, dass es - etwa wegen eines ihm zuzurechnenden Störfalles - zu einem "Ausreißer" kommt, der die Abwasserabgabe erheblich erhöht. Auch ist die Intensität der Überwachung für den Betroffenen im Vorhinein schwer einzuschätzen. Er muss in Rechnung stellen, dass die behördliche Überwachung gerade beim Fehlen von erklärten Werten besonders intensiv sein könnte. Hinzu kommt, dass in diesem Fall eine Reduzierung des Abgabesatzes nach § 9 Abs. 5 AbwAG 1991 ausscheidet (vgl. BVerwG, a.a.O., S. 9). Außerdem ist die Möglichkeit, durch eine sog. Heraberkärung nach § 4 Abs. 5 AbwAG 1991 die Zahl der maßgeblichen Schadeinheiten zu reduzieren, nicht gegeben (vgl. Dahme in: Sieder/Zeitler/Dahme, WHG und AbwAG, Stand: Juli 2000, Rn. 26 zu § 6 AbwAG).

Das Oberverwaltungsgericht vermag auch nicht zu erklären, welches rechtlich schützenswerte Interesse der zur Abwasserabgabe herangezogene Einleiter an einer bestimmten Anzahl von Messungen haben könnte. Da das höchste Messergebnis maßgeblich sein soll, können sich durch eine vermehrte Überwachung nämlich allenfalls höhere Messergebnisse ergeben, die zu einer zusätzlichen Abgabenbelastung führen. Eine inhaltliche Berechtigung für eine bestimmte Zahl an Messungen würde nur dann bestehen, wenn man etwa in entsprechender Anwendung des § 4 Abs. 4 Sätze 2 bis 4 AbwAG 1991 und der "4 aus 5-Regel" nach Ziff. 2.2.4 der hier maßgeblichen, auf § 7 a WHG beruhenden Rahmen-Abwasser-VwV das höchste Messergebnis, sofern es das zweithöchste nicht um mehr als 100 % übersteigt, unberücksichtigt ließe und anderenfalls nur 50 % des höchsten Messwertes zugrunde legte (vgl. Dahme a.a.O., Rn. 17 zu § 6; Köhler, AbwAG, 1999, Rn. 23 zu § 6). Eine solche Betrachtung lässt das Gesetz aber nicht zu. Zwar wird in § 6 Abs. 2 AbwAG 1991 eine entsprechende Anwendung des § 4 Absätze 2 bis 5 AbwAG 1991 angeordnet. Dies gilt jedoch nur insoweit, als die in Bezug genommenen Regelungen auf die verschiedenen Fälle des § 6 Abs. 1 AbwAG übertragen werden können. Dabei hat der Gesetzgeber in erster Linie an die Berücksichtigung bei den nach Satz 1 der Vorschrift erklärten Werten gedacht (vgl. BTDrucks 10/5533, S. 13). Denn - wie bereits ausgeführt - wird hierdurch das Bescheidsystem simuliert. Dagegen ist im Falle des § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG die in § 4 Abs. 4 AbwAG vorgesehene Gegenüberstellung von Überwachungswerten und Messergebnissen nicht möglich (so auch Dahme a.a.O., Rn. 26). Außerdem sprechen gegen die Möglichkeit, ein Messergebnis ganz oder teilweise unberücksichtigt zu lassen, der bereits hervorgehobene verhaltenssteuernde Charakter des § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG 1991 und seine Ausgrenzung aus dem (simulierten) Bescheidsystem. Würde man die "4 aus 5-Regel" in der oben dargestellten Weise anwenden, wäre der Anreiz, den gesetzlichen Erklärungspflichten nachzukommen, erheblich verringert.

Nach alledem ergibt sich, dass die durchgeführten drei oder vier verwertbaren Messungen im Jahre 1991 ausreichend sind, um § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG 1991 anzuwenden. Der Senat bemerkt angesichts der Ausführungen des Berufungsgerichts und der Erörterungen der Beteiligten, dass in Konsequenz des bisher Gesagten für die Festsetzung der Abwasserabgabe nach der genannten Vorschrift sogar ein einziges (verwertbares) Messergebnis im Veranlagungsjahr ausreichend wäre. Zwar ist darauf hinzuweisen, dass ein solches Überwachungsverhalten der zuständigen Wasserbehörde im Regelfall nicht ordnungsgemäß wäre (§ 120 LWG Nordrhein-Westfalen). Die Durchführung der Veranlagung auf Grund einer Schätzung nach § 6 Abs. 1 Satz 3 AbwAG 1991 soll aber nur Ultimo Ratio sein (vgl. a.a.O., S. 6). Der Gesetzgeber wollte, dass "ausnahmsweise" dann geschätzt wird, wenn überhaupt "kein amtliches Messergebnis" vorliegt (vgl. BTDrucks 10/5533, S. 13). Die Verwendung des Superlativs "höchste" in § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG, welcher auf die Notwendigkeit von mindestens drei Messungen hindeuten könnte, steht dem unter diesen Umständen nicht entgegen. Entsprechendes gilt auch für den Hinweis der Klägerin, dass die Vorschrift auf ein Messergebnis "aus" der behördlichen Überwachung abstelle.

Gegen die Auslegung des Senats bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits im Beschluss vom (BVerwG 8 B 170.97 - BVerwGE 105, 144, 150 ff.) ausgeführt, dass die Regelungen des § 4 Abs. 4 Sätze 2 bis 4 AbwAG nicht unverhältnismäßig sind, soweit im sog. Bescheidverfahren einzelne Überschreitungen (sog. Ausreißer) die Höhe der Abwasserabgabe bestimmen können. Es bestehe zum einen bei einer typisierten Betrachtung kein Widerspruch zum wahrscheinlichen Emissionsverlauf. Zum anderen habe der Gesetzgeber die harten finanziellen Folgen zur Effektivierung des wasserrechtlichen Vollzugs bewusst in Kauf genommenen. Dem Einleiter solle ein Anreiz geboten werden, auch Störfälle zu vermeiden. Im Übrigen werde durch die "4 aus 5-Regel" nach Ziff. 2.2.4 der Rahmen-Abwasser-VwV und das Bestehen landesrechtlicher Billigkeitsregelungen auf Störfälle in gewissem Umfang Rücksicht genommen. Diese Überlegungen können auch auf eine Festsetzung der Abwasserabgabe gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG nach dem "höchsten Messergebnis" übertragen werden (vgl. auch schon a.a.O., S. 11). Zur Minderung einer durch Ausreißer verursachten außergewöhnlichen Abgabenbelastung greifen allerdings in diesen Fällen zwei Regelungen nicht. Zum einen ist - wie ausgeführt - eine Anwendung der "4 aus 5-Regelung" nach § 4 Abs. 4 Satz 2 AbwAG 1991 i.V.m. Ziff. 2.2.4 der Rahmen-Abwasser-VwV ausgeschlossen. Zum anderen gilt § 4 Abs. 4 Satz 3 AbwAG 1991 nicht, welcher bestimmt, dass bei einer einmaligen Überschreitung nur die Hälfte des Vom-Hundert-Satzes der Abweichung anzusetzen ist. Diese strengere Behandlung ist jedoch aufgrund der Zielsetzung des § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG 1991, den Einleiter zur Einhaltung seiner Erklärungspflichten zu bewegen, gerechtfertigt. Der Anwendung landesrechtlicher Billigkeitsregelungen (hier § 80 Abs. 2 und 3 LWG Nordrhein-Westfalen) steht in diesen Fällen nichts Ersichtliches entgegen.

Dass § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG 1991 auch bei einer nicht hinreichenden behördlichen Überwachung Anwendung findet, ist ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich. Zum einen wird der Betroffene - wie ausgeführt - durch eine ungenügende Überprüfung lediglich begünstigt (vgl. a.a.O., S. 150). Zum anderen wird hierdurch allein das Problem der Gleichbehandlung der Abgabepflichtigen aufgeworfen. Dieses wird aber nicht durch die Norm als solche, sondern durch ein behördliches Vollzugsdefizit verursacht (vgl. a.a.O.).

Zutreffend hat der Beklagte - vorausgesetzt die Messung vom wäre zutreffend - die nach der maßgeblichen wasserrechtlichen Erlaubnis innerhalb von zwei Stunden zulässige Abwassermenge berücksichtigt. Nach § 4 Abs. 4 Satz 6 AbwAG 1991 werden die Schadeinheiten u.a. bei Überschreitungen solcher Festlegungen erhöht. Wird die festgelegte Abwassermenge nicht eingehalten, ist die Zahl der Schadeinheiten für alle Überwachungswerte zu erhöhen (§ 4 Abs. 4 Satz 7 AbwAG).

Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin findet die in den wasserrechtlichen Bescheiden vom und für die Überwachungswerte vorgesehene Ausgleichsregelung - maßgeblich ist danach entsprechend früheren Regelungen in den Abwasser-VwV das arithmetische Mittel der letzten fünf Messungen - keine Anwendung. Nach § 4 Abs. 4 Sätze 6 und 7 AbwAG 1991 ist - anders als nach Satz 2 der Bestimmung - nicht ausreichend, dass der im Erlaubnisbescheid festgelegte Wert fiktiv als eingehalten gilt. Maßgeblich ist insoweit vielmehr die tatsächliche Beachtung der Einleitungsvoraussetzungen. In dem wasserrechtlichen Bescheid vom ist bezüglich der Abwassermenge innerhalb von zwei Stunden lediglich bestimmt worden, dass an einem festgelegten Messpunkt der Wert nicht überschritten werden darf. Eine "gilt als eingehalten - Regelung" findet sich insoweit gerade nicht.

Die hier noch maßgeblichen Rahmen-Abwasser-VwV - wie auch die inzwischen zugrunde zu legende Abwasserverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl I S. 2440) - gelten ebenfalls nicht für die Beurteilung der Abwassermenge. Sie beziehen sich allein auf die im Abwasser enthaltenen Schadstoffe. Eine Anwendung der Ausgleichsregelung nach Ziff. 2.2.4. Abwasser-Rahmen-VwV bzw. § 6 der Abwasserverordnung würde hier im Übrigen deshalb ausscheiden, weil der nach dem Messprotokoll vom festgestellte Wert die zulässige Abwassermenge um mehr als 100 % überschreitet.

2. Im Ergebnis zutreffend ist das Urteil des Oberverwaltungsgerichts allerdings insoweit, als die Festsetzung der Abwasserabgabe (in Höhe von insgesamt 71 299 DM) für die Parameter Stickstoff und Phosphor aufgehoben worden ist, so dass die Revision in diesem Umfang zurückzuweisen ist (§ 144 Abs. 4 VwGO).

Für die genannten Schadstoffe bestanden nämlich für das Veranlagungsjahr 1991 keine Erklärungspflichten nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwAG 1991, so dass der Überwachungswert zwar nicht nach § 6 Abs. 1 Satz 3 AbwAG 1991, wohl aber nach allgemeinen abgabenrechtlichen Grundsätzen zu schätzen gewesen wäre. Der Senat hat hierzu im Urteil vom (a.a.O., S. 4 ff.) ausgeführt, dass bezüglich der Parameter, deren Abgabenerheblichkeit erst aufgrund von Art. 1 Nr. 1 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Abwasserabgabengesetzes vom (BGBl I S. 2425) zum begründet worden ist, nicht bereits eine Erklärungspflicht zum bestanden haben könne. Nach den Grundsätzen der Tatbestandsmäßigkeit der Abgabenerhebung sei angesichts des Wortlauts des § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG 1991 und der durch die Norm bezweckten Verhaltenssteuerung eine Abgabenbemessung nach dem höchsten Messergebnis nur dann gerechtfertigt, wenn eine Erklärungspflicht bestanden habe. Eine nachträgliche Erklärung sei mit dem Bonus-Malus-System nach § 6 Abs. 2, § 4 Abs. 4 und § 9 Abs. 5 AbwAG 1991 nicht zu vereinbaren.

Hieran hält der Senat fest. Die vom Oberbundesanwalt erhobenen Bedenken greifen nicht durch. Angesichts des unmissverständlichen Wortlauts des § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG 1991 ist davon auszugehen, dass seine Anwendung das Bestehen einer Erklärungspflicht voraussetzt. Die Vorschrift ist keine allgemeine Auffangregelung für alle Fälle, in denen - aus welchen Gründen auch immer - eine Erklärung nicht vorliegt. Dies ergibt sich aus ihrer bereits erörterten Zielsetzung. Die beabsichtigte Steuerung des Verhaltens würde ihr Ziel verfehlen, wenn eine rechtserhebliche Pflichtenstellung gar nicht bestanden hat. § 6 Abs. 1 Satz 3 AbwAG 1991 setzt zwar voraus, dass kein Messergebnis aus der behördlichen Überwachung vorliegt. Der Senat hat dem aber dadurch Rechnung getragen, dass die Schätzung nach allgemeinen abgabenrechtlichen Grundsätzen zu erfolgen hat (vgl. etwa § 162 AO). Diese Auslegung berührt auch das in § 6 Abs. 1 AbwAG 1991 enthaltene Stufensystem schon deshalb nicht in grundlegender Weise, weil es sich um eine auf das Veranlagungsjahr 1991 beschränkte Übergangsproblematik handelt.

Da der Beklagte den ihm bei einer Schätzung zustehenden Beurteilungsspielraum (vgl. a.a.O., S. 6; Urteil vom - a.a.O., S. 83) nicht erkannt hat, ist der Bescheid des Beklagten vom Berufungsgericht insoweit zu Recht aufgehoben worden (§ 114 Satz 1 VwGO).

3. Im Hinblick auf die Festsetzung der Abwasserabgabe für den chemischen Sauerstoffbedarf (133 932,50 DM) ist der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO). Es wird noch zu klären sein, ob die Messung vom , bei welcher hinsichtlich des genannten Schadstoffparameters und der nach § 4 Abs. 4 Sätze 6 und 7 AbwAG 1991 zu berücksichtigenden, im Zeitraum von zwei Stunden höchstens zulässigen Abwassermenge jeweils der deutlich höchste Wert ermittelt worden ist, ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Frage ausdrücklich offen gelassen.

Zur Vermeidung eines weiteren Revisionsverfahrens und angesichts des Vortrags der Beteiligten ist zur Beweislage noch auf Folgendes hinzuweisen: Die Annahme des Berufungsgerichts in einem Urteil vom (9 A 1400/89 - ZfW 1999, 182, 183), dass das (Ergebnis-)Protokoll einer Probenahme eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 98 VwGO, § 415 Abs. 1, § 418 Abs. 1 ZPO ist, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Hiervon erfasst werden nämlich auch Berichte, die von Mitarbeitern einer Behörde über Kontrollen erstellt werden (vgl. BVerwG 3 C 24.83 - Buchholz 451.90 EWG-Recht Nr. 51, S. 82). Die hierin enthaltenen Angaben über die Menge des Abwassers und die Schadstoffkonzentrationen sind "Tatsachen" im Sinne der §§ 98 VwGO, 418 Abs. 1 ZPO (vgl. BVerwG, a.a.O., S. 83). Es ist - etwa aufgrund des verwandten Vordrucks, der eingetragenen Aktenzeichen und des ersichtlichen Namens des Probenehmers - auch hinreichend erkennbar, dass die Urkunde von einem Mitarbeiter einer Behörde angefertigt worden ist. Sie soll auch nicht bloßen innerdienstlichen Zwecken dienen. Dies zeigt sich etwa daran, dass die Überwachungsergebnisse der Klägerin mitgeteilt worden sind. Das Messprotokoll dokumentiert die Überwachung der wasserrechtlichen Einleitungserlaubnis (§ 21 WHG). Diese kann für den Einleiter ordnungs-, abgaben- und strafrechtliche Folgen haben. Die Verletzung von Formvorschriften ist nicht ersichtlich. Das Messprotokoll enthält bei richtiger Würdigung auch die Aussage, dass die Messung fehlerfrei erfolgt ist. Denn es ist ausreichend, wenn sich ein bestimmter Urkundeninhalt durch Auslegung ermitteln lässt (vgl. BVerwG 3 C 7.98 - BVerwGE 109, 115, 120 f.). Die Protokollierung von Messungen und Messergebnissen hat nur dann einen nachvollziehbaren Sinn, wenn zugleich die Ordnungsgemäßheit der Probenahme bescheinigt wird. In dem Protokoll, welches am erstellt worden ist, sind aus diesem Grunde etwa Angaben über die Zeit der Messung und den Zustand des Wassers enthalten. Auch ist dem Protokoll eine besondere Bemerkung über die Witterungsverhältnisse und den Belebungsschlamm beigefügt worden.

Dies hat zur Folge, dass der Inhalt der Urkunde den vollen Beweis für die darin bezeugten Tatsachen begründet (§§ 98 VwGO, 418 Abs. 1 ZPO). Gemäß §§ 98 VwGO, 418 Abs. 2 ZPO ist allerdings der Gegenbeweis zulässig. Dieser wäre aber nur dann erbracht, wenn das Gericht vom Gegenteil des Urkundsinhalts überzeugt ist. Die bloße Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs genügt nicht (vgl. BVerwG 4 B 166.93 - Buchholz 340 § 5 VwZG Nr. 14, S. 3 f.; BVerwG 4 B 32.92 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 42).

Beschluss

Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 205 231,50 DM (entspricht 104 933,20 €) festgesetzt (§§ 13 Abs. 2, 14, § 73 Abs. 1 GKG).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
PAAAC-13572