BVerwG Urteil v. - 9 A 16.01

Leitsatz

1. Im Bereich der Steuerauftragsverwaltung der Länder kann nach § 91 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BHO eine Landesfinanzbehörde Erhebungsobjekt des Bundesrechnungshofs sein; Zweck der Erhebungen bleibt dabei eine Prüfung der Finanzverantwortung des Bundesministers der Finanzen.

2. Die grundsätzliche Verpflichtung zur gemeinsamen Prüfung durch Bundesrechnungshof und Landesrechnungshof besteht nach § 93 Abs. 1 Satz 1 BHO dann, wenn beide Rechnungshöfe sich im Rahmen ihres Ermessens zu einer Prüfung entschlossen haben.

Gesetze: GG Art. 20 Abs. 1; GG Art. 30; GG Art. 85 Abs. 3; GG Art. 85 Abs. 4; GG Art. 106 Abs. 3; GG Art. 108 Abs. 3; GG Art. 114; BHO § 88 Abs. 1; BHO § 89 Abs. 2; BHO § 91 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2; BHO § 93 Abs. 1; BHO § 94; BHO § 95; HGrG § 43 Abs. 1 Satz 1; HGrG § 45 Satz 1; BRHG 1950 § 4 Abs. 5; BRHG 1985 § 1 Satz 1; VwGO § 40 Abs. 1 Satz 1; VwGO § 50 Abs. 1 Nr. 1

Gründe

I.

Zwischen dem Bundesrechnungshof und den Ländern bestehen Meinungsverschiedenheiten über die Frage, ob und inwieweit Landesfinanzbehörden vor Ort durchzuführende Prüfungen des Bundesrechnungshofs zu dulden haben, wenn es um Steuern geht, die von den Ländern im Auftrag des Bundes verwaltet werden (sog. Gemeinschaftsteuern nach Art. 106 Abs. 3 Satz 1 GG). Namentlich der beklagte Freistaat Bayern hat die Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofs insoweit in Zweifel gezogen. Er meint, das Grundgesetz sehe bei der Steuerauftragsverwaltung neben dem Weisungs- und Aufsichtsrecht des Bundesministers der Finanzen (vgl. Art. 85 Abs. 4 und Art. 108 Abs. 3 GG) kein Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs gegenüber den Ländern vor. Die Kompetenz des Bundesrechnungshofs (vgl. Art. 114 Abs. 2 GG) umfasse derartige Erhebungen schon deswegen nicht, weil diese einen unzulässigen Eingriff in die Eigenstaatlichkeit der Länder (vgl. Art. 20 Abs. 1, Art. 30 GG) und eine Verletzung des Prinzips der getrennten Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern (vgl. Art. 109 Abs. 1 GG) sowie des Grundsatzes bundesfreundlichen Verhaltens darstellten. Falls überhaupt örtliche Erhebungen des Bundesrechnungshofs bei Landesfinanzbehörden in Betracht kämen - was angesichts des Wortlauts von § 91 BHO zweifelhaft erscheine -, seien diese allenfalls im Rahmen gemeinsamer Prüfungen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 BHO im Zusammenwirken mit dem jeweils zuständigen Landesrechnungshof zulässig.

Der Bundesrechnungshof beruft sich demgegenüber darauf, dass es von Verfassungs wegen auch bei der Steuerauftragsverwaltung keine "prüfungsfreien Räume" geben dürfe. Anderenfalls könnten Vollzugsungleichheiten in der Steuerauftragsverwaltung nicht aufgedeckt und durch Weisungen des Bundesministers der Finanzen (vgl. Art. 85 Abs. 3 GG) abgestellt werden. Die Folge davon sei nicht nur, dass die Belastungsgleichheit der Steuerbürger (vgl. Art. 3 Abs. 1 GG) nicht gewährleistet sei und dass Verzerrungen des Finanzaufkommens der Länder nicht verhindert werden könnten, die sich auf den Finanzausgleich (vgl. Art. 107 GG) auswirkten, sondern ferner, dass der Bundesminister der Finanzen seiner parlamentarischen Finanzverantwortung (vgl. Art. 114 Abs. 1 GG) nicht in vollem Umfange genügen könne. Das Recht des Bundesrechnungshofs zur Durchführung von Prüfungen bei den Landesfinanzbehörden sei im Übrigen in § 91 BHO ausdrücklich geregelt. § 93 BHO stehe der Prüfung durch den Bundesrechnungshof nicht entgegen, wenn der zuständige Landesrechnungshof auf seine Mitwirkung verzichte, was auch konkludent geschehen könne.

Durch Rundschreiben vom an die Rechnungshöfe der Länder teilte der Bundesrechnungshof seine Arbeitsplanung für 1999 mit. Dabei wurde als Prüfungsgegenstand der Erwerb neuer Fahrzeuge unter Berücksichtigung des NATO-Truppenstatuts, des Ottawa-Abkommens und der Konsularabkommen genannt. Mit Schreiben vom kündigte der Bundesrechnungshof dem Bayerischen Staatsministerium der Finanzen örtliche Erhebungen bei der Oberfinanzdirektion München und im Anschluss daran bei noch zu benennenden Münchener Finanzämtern an, die sich auf das Prüfthema der umsatzsteuerlichen Behandlung des Erwerbs neuer Fahrzeuge nach dem Ottawa-Abkommen beziehen sollten. Das Bayerische Staatsministerium der Finanzen lehnte diese Erhebungen in einem Schreiben vom unter Hinweis auf einen Beschluss der Finanzministerkonferenz vom ab, der es nicht zulasse, die ohnehin rechtlich zweifelhafte Praxis, örtliche Erhebungen des Bundesrechnungshofs bei Finanzämtern zu dulden, auf die Oberfinanzdirektionen zu erstrecken.

Die Klägerin hat daraufhin die vorliegende Klage erhoben. Unter Darlegung des Rechtsstandpunkts des Bundesrechnungshofs beantragt sie,

den Beklagten zu verurteilen,

Erhebungen von Beauftragten des Bundesrechnungshofs bei der Oberfinanzdirektion München sowie bei vom Bundesrechnungshof noch zu bestimmenden Finanzämtern des Beklagten zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Fahrzeugen des unter das Ottawa-Abkommen fallenden Personenkreises zu dulden,

den Beauftragten des Bundesrechnungshofes bei der Oberfinanzdirektion München sowie bei vom Bundesrechnungshof noch zu bestimmenden Finanzämtern des Beklagten Einsicht in die Unterlagen über die umsatzsteuerliche Behandlung von Fahrzeugen des unter das Ottawa-Abkommen fallenden Personenkreises zu gewähren,

den Beauftragten des Bundesrechnungshofes durch die Oberfinanzdirektion München sowie durch vom Bundesrechnungshof noch zu bestimmende Finanzämter des Beklagten die erbetenen Auskünfte über die umsatzsteuerliche Behandlung von Fahrzeugen des unter das Ottawa-Abkommen fallenden Personenkreises zu erteilen.

Der Beklagte hält den Rechtsweg zum Bundesverwaltungsgericht für nicht eröffnet, weil ein Verfassungsrechtsstreit vorliege, und beantragt unter Hinweis auf seine Einwände gegen die Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofs,

die Klage abzuweisen.

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt den Rechtsstandpunkt des Bundesrechnungshofs.

II.

Die Klage ist zulässig und begründet.

1. Für den Rechtsstreit ist das Bundesverwaltungsgericht in erster und letzter Instanz zuständig. Er betrifft eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art, die von den föderalen Beziehungen zwischen dem Bund und den Ländern geprägt ist (vgl. § 50 Abs. 1 Nr. 1, § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beklagte führt für seine Aufassung, dass ein Verfassungsrechtsstreit vorliege, lediglich die Überlegung an, das Klagebegehren stütze sich in erster Linie auf Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG. Wie noch zu zeigen sein wird (unten 2.), ergibt sich der Klageanspruch jedoch schon aus der einfach-rechtlichen Norm des § 91 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BHO. Das streitige Rechtsverhältnis ist damit nicht entscheidend vom Verfassungsrecht geprägt (vgl. stRspr seit BVerwG 5 C 79.65 - BVerwGE 24, 272 <279>). Der Annahme eines Verwaltungsrechtsstreits steht es in diesem Fall nicht entgegen, dass der Ausgang des Rechtsstreits zugleich von der Klärung verfassungsrechtlicher Fragen abhängt (vgl. BVerwG 2 VR 1.99 - BVerwGE 109, 258 <260> m.w.N.).

2. Die Klägerin stützt ihr Klagebegehren zu Recht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Bundeshaushaltsordnung vom - BGBl I S. 1284 - (BHO). Nach dieser Vorschrift ist der Bundesrechnungshof berechtigt, bei Stellen außerhalb der Bundesverwaltung zu prüfen, wenn sie Bundesmittel verwalten. Dies bedeutet, dass örtliche Erhebungen durch Beauftragte des Bundesrechnungshofs (vgl. § 94 Abs. 1 BHO) zu dulden sind. Dazu gehört im Sinne der weiteren Klageanträge, dass seinen Beauftragten auf Verlangen Unterlagen zur Einsicht vorzulegen und die erbetenen Auskünfte zu erteilen sind (vgl. § 95 BHO).

a) Entgegen der Auffassung des Beklagten spricht der Wortlaut des § 91 Abs. 1 Satz 1 BHO - ebenso wie der des § 43 Abs. 1 Satz 1 des Haushaltsgrundsätzegesetzes vom - BGBl I S. 1273 - (HGrG) - für die Auslegung, dass Landesbehörden unter den dort genannten Voraussetzungen Adressaten einer Prüfungsanordnung des Bundesrechnungshofs sein können. Wie etwa § 1 Abs. 4 VwVfG und § 1 Abs. 2 SGB X zeigen, verwendet der Gesetzgeber gerade den Oberbegriff der "Stelle", um auch Behörden zu erfassen. Mit Stellen "außerhalb der Bundesverwaltung" sind folglich - neben juristischen Personen des Privatrechts (vgl. § 91 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 4 BHO) - speziell Landesbehörden gemeint.

Ein gewichtiges systematisches und historisches Argument für diese Auslegung ist die Existenz des § 93 Abs. 1 Satz 1 BHO. Eine gemeinsame Prüfung nach dieser Vorschrift setzt eine mit der Prüfungsbefugnis des Landesrechnungshofs konkurrierende Prüfungskompetenz des Bundesrechnungshofs voraus, was regelmäßig nur denkbar ist, wenn auch eine Landesbehörde Erhebungsadressat des Bundesrechnungshofs sein kann. Zudem normierte die Vorläufervorschrift des § 4 Abs. 5 des Gesetzes über Errichtung und Aufgaben des Bundesrechnungshofes vom - BGBl I S. 765 - (BRHG 1950) noch ausdrücklich die Fälle, in denen Landesbehörden vom Bundesrechnungshof und vom jeweiligen Landesrechnungshof gemeinsam zu prüfen waren. Mit der Neuregelung durch § 93 Abs. 1 Satz 1 BHO und § 45 Satz 1 HGrG sollte ersichtlich nicht eine Einschränkung dieser Prüfungskompetenz des Bundesrechnungshofs einhergehen. Die Gesetzesmaterialien enthalten nämlich lediglich die Bemerkung, das "in der Praxis bewährte Institut der gemeinsamen Prüfung" werde in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht beibehalten (vgl. BTDrucks V/3040, S. 57, 66).

Aus Sinn und Zweck des § 91 BHO ergibt sich Gegenteiliges nicht. Die Vorschrift dient der Verwirklichung des haushaltsrechtlichen Prinzips, dass es keine "prüfungsfreien Räume" geben soll (vgl. BVerwG 1 C 34.92 - BVerwGE 98, 163 <170>; BVerwG 3 C 68.85 - BVerwGE 82, 56 <60 f.>). In der Praxis der Rechungshofkontrolle treten zwar erhebliche "prüfungsfreie Räume" schon deswegen auf, weil sich die Rechnungshöfe aus Kapazitätsgründen mit Stichprobenkontrollen begnügen. Rechtsgrundlage dafür ist das dem Bundesrechnungshof nach § 89 Abs. 2 BHO und den Landesrechungshöfen nach entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften eingeräumte Ermessen, die Prüfung zu beschränken. Das ändert aber nichts daran, dass es keine der Prüfung unzugänglichen Räume geben darf. Als Rechtssatz hat der Grundsatz der vollständigen Prüfbarkeit für den Bundesbereich in § 88 Abs. 1 BHO Ausdruck gefunden, wo es heißt, die "gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes ... wird ... geprüft". In § 91 Abs. 1 Satz 1 BHO hat der Bundesgesetzgeber seinen Willen bekundet, diese Finanzkontrolle nicht an den Verbandsgrenzen enden zu lassen.

b) Die amtliche Überschrift des § 91 BHO ("Prüfung bei den Stellen außerhalb der Bundesverwaltung") und die im Normtext wiederholte Präposition "bei" machen hinreichend deutlich, dass die Landesbehörden nicht Prüfungsadressat, sondern nur Erhebungsobjekt sind. Der Beklagte versucht vergeblich darzulegen, dass diese Differenzierung der Sachlage nicht gerecht werde. Es mag zutreffen, dass die Prüfungsmitteilungen des Bundesrechnungshofs (vgl. § 97 BHO), wenn sie unter Hinweis auf Vollzugsmängel im Bereich der Steuerauftragsverwaltung das Weisungsverhalten des Bundesministers der Finanzen rügen, auch als Beanstandung des Verhaltens der Landesverwaltung zu verstehen sind. Dieser Nebeneffekt der den Ländern im Bereich der Steuerauftragsverwaltung kraft Verfassung (vgl. Art. 108 Abs. 3 GG) zufallenden Mitverantwortung lässt sich aber nicht als Argument dafür verwerten, dass die Länder Erhebungen des Bundesrechnungshofs, die diesbezügliche Vollzugsmängel aufdecken sollen, nicht zu dulden brauchen. Denn Zweck der Erhebungen ist und bleibt die Prüfung der Finanzverantwortung des Bundesministers der Finanzen. Die Länder sind auch im Fall des § 91 BHO nicht einer Rechnungskontrolle des Bundes unterworfen.

c) Ohne Erfolg wendet sich der Beklagte dagegen, die Gemeinschaftsteuern nach Art. 106 Abs. 3 Satz 1 GG, soweit sie der Abführung an den Bund unterliegen, im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BHO als "Bundesmittel" zu verstehen, die von den Ländern zu "verwalten" sind. Art. 108 Abs. 3 Satz 1 GG spricht ausdrücklich davon, dass die Landesfinanzbehörden Steuern verwalten, die ganz oder zum Teil dem Bund zufließen. Ebenso wie die Vorläufervorschrift des § 4 Abs. 2 Nr. 3 BRHG 1950 knüpft § 91 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BHO an die Terminologie an, die das Grundgesetz für die Verteilung der Steuerverwaltungshoheit gewählt hat. Schon die amtliche Begründung zu § 4 Abs. 2 BRHG 1950 (BTDrucks I/1141, S. 11 f.) setzt dementsprechend voraus, dass die Steuerauftragsverwaltung als ein Fall der Verwaltung von Haushaltsmitteln des Bundes anzusehen ist. Die Kritik des Beklagten, im Normtext werde nicht hinreichend deutlich, dass Erhebungen des Bundesrechnungshofs in Bezug auf die Steuerauftragsverwaltung zulässig sein sollten, ist vor diesem Hintergrund nicht berechtigt.

Als Kontrollüberlegung kommt hinzu, dass § 91 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BHO nach seinem Sinn und Zweck eine weite Auslegung verlangt. Es wäre verfehlt, gerade im Fall der Steuerauftragsverwaltung die Erhebungsbefugnis des Bundesrechnungshofs an den Verbandsgrenzen enden zu lassen. Dies würde einen - vom Gesetzgeber nicht gewollten - "prüfungsfreien Raum" schaffen (oben a)), obwohl die Notwendigkeit, die Landesfinanzbehörden in die Erhebungen des Bundesrechnungshofs einzubeziehen, auf der Hand liegt. Würde man dem Bundesrechnungshof eine Erhebungskompetenz gegenüber den Landesfinanzbehörden absprechen, könnte er mit dem ihm verbleibenden Instrumentarium eine effektive Finanzkontrolle im Bereich der Steuerauftragsverwaltung nicht sicherstellen. Zwar blieben unstreitig die Landesrechnungshöfe befugt, in diesem Sektor Prüfungen durchzuführen. Diese können aber eine Finanzkontrolle durch den Bundesrechnungshof nicht ersetzen. Nur eine Erhebungskompetenz, die nicht an den Grenzen der Landesverwaltung halt macht, kann nämlich finanzwirksame Vollzugsungleichheiten erfassen, die sich unvermeidlich einstellen, wenn die Steuerverwaltungshoheit auf 16 Bundesländer aufgeteilt ist.

d) Die Einwände, die der Beklagte in diesem Zusammenhang speziell gegen Erhebungen bei der Oberfinanzdirektion München erhebt, greifen nicht durch. Nach § 94 Abs. 1 BHO bestimmt der Bundesrechnungshof Zeit und Art der Prüfung. Dazu gehört auch die Entscheidung, auf welcher Verwaltungsebene ihm Erhebungen zweckmäßig erscheinen. Als oberste Bundesbehörde (vgl. § 1 Satz 1 des Bundesrechnungshofgesetzes vom - BGBl I S. 1445 -) hat der Bundesrechnungshof bei Wahrnehmung seiner Kompetenzen gegenüber Landesbehörden die nötige Rücksicht zu nehmen; insbesondere darf er von seinen Rechten keinen missbräuchlichen Gebrauch machen (vgl. - BVerfGE 81, 310 <337>). Die Gründe, die vom Bundesrechnungshof für seine Entscheidung angeführt worden sind, seine Ermittlungen bei der Oberfinanzdirektion München zu beginnen, sind nachvollziehbar und lassen daher Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch nicht erkennen. Wegen der Besonderheiten der zu prüfenden Materie erscheint es einleuchtend, wenn der Bundesrechnungshof von einer zunächst auf der Ebene der Oberfinanzdirektion München ansetzenden Erhebung einen erleichterten Zugang zu den Sachverhalten erwartet, die für sein Prüfungsthema relevant sind.

3. Einer antragsgemäßen Verurteilung des Beklagten steht § 93 Abs. 1 Satz 1 BHO nicht entgegen, wonach dann, wenn für die Prüfung sowohl der Bundesrechnungshof als auch ein Landesrechnungshof zuständig ist, gemeinsam geprüft werden soll. Auf der Grundlage der genannten Vorschrift bleibt es dem Bayerischen Obersten Rechnungshof weiterhin unbenommen, vom Bundesrechnungshof im vorliegenden Fall eine gemeinsame Prüfung zu verlangen. Ein solches Verlangen würde der Bundesrechnungshof nicht ermessensfehlerfrei ablehnen können, weil § 93 Abs. 1 Satz 1 VwGO als Sollvorschrift im Regelfall rechtlich zwingend und für einen Sonderfall, der eine Abweichung rechtfertigen könnte, nichts ersichtlich ist (vgl. z.B. BVerwG 1 C 31.89 - BVerwGE 90, 88 <93>).

§ 93 Abs. 1 Satz 1 BHO und auch § 45 Satz 1 HGrG fordern allerdings nicht schon in jedem Fall der doppelten Prüfungszuständigkeit eine gemeinsame Prüfung. Insofern ist der Wortlaut der Vorschriften von ihrem Sinn und Zweck her restriktiv zu interpretieren. Beide Vorschriften verfolgen das Ziel, im Bereich der doppelten Prüfungszuständigkeit von Bundesrechnungshof und Landesrechnungshof eine gegenseitige Unterrichtung über die jeweilige Arbeitsplanung sicherzustellen, um sowohl "prüfungsfreie Räume" als auch Doppelprüfungen zu vermeiden (vgl. BTDrucks I/1141, S. 12 und 13/8293, S. 13). Ihnen ist dagegen keine Einschränkung des den Rechnungshöfen zustehenden Ermessens zu entnehmen, ihre Prüfungen zu beschränken (oben 2.a)). Dies kam in der Vorläufervorschrift des § 4 Abs. 5 BRHG klarer zum Ausdruck, weil den Rechnungshöfen dort ausdrücklich ein Ermessen eröffnet war, auf ihre Beteiligung zu verzichten (Satz 2). Auch unter Geltung der neuen Gesetzesfassung ist aber ein solcher Verzicht weiterhin zulässig geblieben.

Für das von den Rechnungshöfen im vorliegenden Fall zu beachtende Verfahren hat dies zur Folge, dass der Bundesrechnungshof nicht gehindert war, zunächst unabhängig vom Bayerischen Obersten Rechnungshof mit seiner Prüfungsanordnung an den Beklagten heranzutreten. Es reichte aus, wenn er den Bayerischen Obersten Rechnungshof mit Schreiben vom diesbezüglich vorab über seine Arbeitsplanung unterrichtet hatte und ihm sodann einen Abdruck seiner Prüfungsanordnung vom zukommen ließ. Dem Bayerischen Obersten Rechnungshof bot sich damit entsprechend der Staatspraxis, die in der Vereinbarung über die Zusammenarbeit des Bundesrechnungshofs mit den Rechnungshöfen der Länder im Bereich der Rechnungsprüfung der Steuern (sog. Trierer Empfehlungen <in der Neufassung durch Beschluss der Präsidentenkonferenz vom 6. bis in Dresden>) Niederschlag gefunden hat, hinreichend Gelegenheit, vom Bundesrechnungshof eine gemeinsame Prüfung zu verlangen, wenn er diese für zweckmäßig erachtete.

4. Entgegen der Ansicht des Beklagten begegnet die vorstehende Auslegung der einfach-rechtlichen Vorschriften keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

a) Der Bundesrechnungshof überschreitet nicht die Reichweite seiner Kompetenzen aus Art. 114 Abs. 2 GG, wenn er von seinem Erhebungsrecht nach § 91 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BHO Gebrauch macht. Die zuletzt genannte Vorschrift ist von dem in Satz 3 des Art. 114 Abs. 2 GG enthaltenen Gesetzesvorbehalt gedeckt.

Gegenstand der Finanzkontrolle nach Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG ist neben der Rechnungsprüfung die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes. Seine Haushalts- und Wirtschaftsführung kann nur dann als ordnungsmäßig gelten, wenn dem Bund die ihm nach geltendem Steuerrecht zustehenden Einnahmen zufließen, wozu auch das anteilige Steueraufkommen aus den Gemeinschaftsteuern (vgl. Art. 106 Abs. 3 Satz 1 GG) zählt. Insofern ist Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG ein "Generalauftrag" für eine effektive Finanzkontrolle zu entnehmen. Dieser kann vom Bundesrechnungshof nur dann erfüllt werden, wenn ihm auch gegenüber Landesfinanzbehörden, sofern diese Bundesmittel verwalten, Ermittlungsbefugnisse eingeräumt werden. Dementsprechend ermächtigt Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG den einfachen Gesetzgeber, zu dem genannten Zweck eine Finanzkontrolle jenseits der Verbandsgrenzen zu ermöglichen.

Zutreffend hebt der Beklagte hervor, dass die Finanzkontrolle des Bundesrechnungshofs im Bereich der Steuerauftragsverwaltung Rücksicht auf die Eigenstaatlichkeit der Länder (vgl. Art. 20 Abs. 1, Art. 30 GG) und ihre eigenverantwortliche Haushaltswirtschaft (vgl. Art. 109 Abs. 1 GG) zu nehmen hat. Die genannten Verfassungsprinzipien treten hier in ein Spannungsverhältnis zu dem Grundsatz der vollständigen Finanzkontrolle, der - wie gesagt - ebenfalls im Verfassungsrecht wurzelt. Dem Ausgleich dieses Gegensatzes dient der Grundsatz der gemeinsamen Prüfung (oben 3.). Es ist einzuräumen, dass dieser Kompromiss in der Zwischenzeit - infolge einer geänderten Praxis der Rechnungshöfe - an Bedeutung verloren hat, weil gemeinsame Prüfungen nur noch selten zustande kommen. Dies hat aber nicht der Bundesrechnungshof zu verantworten. Denn es ist allein Sache der Landesrechnungshöfe, ob sie von der ihnen weiterhin zustehenden Befugnis, vom Bundesrechnungshof eine gemeinsame Prüfung zu verlangen, Gebrauch machen wollen.

b) Ohne Erfolg versucht der Beklagte, aus der Verfassung weitere bundesstaatliche Grenzen des Art. 114 Abs. 2 GG herzuleiten.

Zwar räumt er dabei ein, dass die Länder in der Unabhängigkeit ihrer Haushaltswirtschaft (vgl. Art. 109 Abs. 1 GG) im Bereich der Steuerauftragsverwaltung nach Maßgabe von Art. 108 Abs. 3 GG durch Eingriffsrechte des Bundesministers der Finanzen eingeschränkt sind (vgl. Art. 85 Abs. 3 und 4 GG); derartige Ausnahmen sind nach seiner Auffassung aber nur dann anzuerkennen, wenn sie sich ausdrücklich aus der Verfassung ergeben. Von diesem "numerus clausus" der Eingriffsbefugnisse ausgehend entwickelt der Beklagte die These, dass eine Erhebungsbefugnis des Bundesrechnungshofs gegenüber Landesfinanzbehörden als "Fremdkörper" im verfassungsrechtlichen Regelungsgefüge erscheinen müsse.

Diese Argumentation vermag der erkennende Senat sich nicht zu Eigen zu machen. Sie hätte die untragbare Folge, dass der dem Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG zu entnehmende Grundsatz der vollständigen Finanzkontrolle (oben a)) in einem wesentlichen Bereich ohne sachliche Rechtfertigung durchbrochen wäre. Die der These des Beklagten zugrunde liegende Prämisse, Art. 114 Abs. 2 GG sei tatbestandlich zu unbestimmt, um im Bund-Länder-Verhältnis Eingriffe zugunsten des Bundes zu rechtfertigen, ist außerdem unzutreffend. Sie vernachlässigt den engen systematischen Zusammenhang des in Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG normierten "Generalauftrages" mit der bundesstaatlichen Finanzverfassung. Art. 85 Abs. 3 und 4 sowie Art. 108 Abs. 3 GG begründen eine Finanzverantwortung des Bundesministers der Finanzen für das Aufkommen an Gemeinschaftsteuern. Die Vorschrift des Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG schließt es aber ihrem Sinn und Zweck nach aus, eine Finanzverantwortung ohne begleitende Finanzkontrolle zuzulassen.

Schon wegen § 93 Abs. 1 Satz 1 BHO ist auch das vom Beklagten bemängelte Nebeneinander verschiedener Kontrollmöglichkeiten - der Beklagte spricht von einem "dreifachen Zugriff", nämlich des Bundesministers der Finanzen, des Bundesrechnungs- und des Landesrechnungshofs - nicht geeignet, einen Verfassungsverstoß aufzuzeigen. Im Übrigen bestreitet der Beklagte in diesem Zusammenhang den Unterschied zwischen Bundesaufsicht und Finanzkontrolle (vgl. BVerwG 1 C 34.92 - a.a.O., S. 173 f.) selbst nicht.

5. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 51 129,19 € (entspricht 100 000 DM) festgesetzt (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1, § 73 Abs. 1 GKG).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
YAAAC-13504