BVerwG Urteil v. - 8 C 9.04

Leitsatz

Buchgrundstücke, die selbst nicht überschuldet waren, können von einer Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG erfasst sein, wenn sie mit einem überschuldeten Nachbargrundstück dergestalt in einem Funktionszusammenhang standen, dass sie für die bestimmungsgemäße Nutzung des überschuldeten Grundstücks notwendig waren (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung, vgl. BVerwG 8 B 266.00 -).

Gesetze: VermG § 1 Abs. 2

Instanzenzug: VG Magdeburg VG 5 A 210/03 MD vom

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt die Rückübertragung einer erbrechtlichen Mitberechtigung an dem Flurstück Nr. 2782/96 der Flur 11 in T., eingetragen im Grundbuch von T. Blatt 2045.

Das (Gesamt-)Grundstück E...straße 5 a in T. ist mit einem Wohnhaus und Nebengebäuden (ursprüngliches Backhaus, überwiegend umgebaut zu Wohnungen) bebaut. Es besteht aus zwei Flurstücken, Nr. 96/1 der Flur 11 mit einer Größe von 426 m2 und Nr. 2782/96 der Flur 11 mit 190 m2, die auf unterschiedlichen Grundbuchblättern als selbständige Grundstücke eingetragen sind. Das Wohnhaus steht auf dem Flurstück 96/1. Die Flurstücksgrenze verläuft nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts vermutlich mitten durch das Nebengebäude. Das Flurstück Nr. 96/1 war in der Zeit von 1975 bis 1983 mit Grundpfandrechten in Höhe von insgesamt 69 200 M belastet worden. Nach einem Wertgutachten von 1971 hatten beide Flurstücke zusammen einen Zeitwert von damals 39 800 M; der Einheitswert betrug 25 700 M.

Für das Flurstück 2782/96 war bis Anfang 1997 als Eigentümer Heinrich St. eingetragen, der 1946 verstorben und von Anna St. beerbt worden ist. Für das Flurstück 96/1 der Flur 11 wurden 1974 als Erben der 1971 verstorbenen Anna St. Gertrud G., Margarethe R. (die Rechtsvorgängerin der Klägerin) sowie Ch. Sch., R. St. und H.-J. St. in ungeteilter Erbengemeinschaft als Eigentümer eingetragen. Gertrud G. verstarb am . Nachdem ihre gesetzlichen Erben erster Ordnung die Erbschaft ausgeschlagen hatten, schlugen auch die Rechtsvorgängerin der Klägerin sowie die weiteren Erben zweiter und dritter Ordnung die Erbschaft aus. Daraufhin wurde mit Erbschein vom die DDR als Erbe festgestellt und am Flurstück 96/1 für den Erbteil der Gertrud G. Eigentum des Volkes, Rechtsträger VEB Gebäudewirtschaft T., in Erbengemeinschaft mit Margarethe R., Ch. Sch., R. St. und H.-J. St. im Grundbuch eingetragen.

Mit Vermögenszuordnungsbescheiden des Oberfinanzpräsidenten der Oberfinanzdirektion Magdeburg vom 22. Mai und wurde für beide Grundstücke festgestellt, dass die Beigeladene treuhänderischer Eigentümer des volkseigenen Erbanteils ist.

Unter dem meldete Margarethe R. vermögensrechtliche Ansprüche als Miterbin zu einem Drittel nach Anna St. an. Der Vermögenswert wurde bezeichnet mit "E...straße 5 a, DDR, 4308 T., Grundbuch/Liegenschaftsbuch von T. Blatt 1380, Flurstück/Kataster von T. Flur 11 Flurstück 96/1".

Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom ab.

Auf den Widerspruch hob das Regierungspräsidium Halle - Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen - mit Widerspruchsbescheid vom den Bescheid des Beklagten insoweit auf, als darin die Rückübertragung des ehemaligen Anteils der Gertrud G. am streitbefangenen Grundstück E...straße 5 a in T., Gebäude- und Freifläche, Flur 11, Flurstück 96/1 (426 m2) abgelehnt wurde, und stellte die Berechtigung der Klägerin im Sinne des Vermögensgesetzes für diesen Anteil fest. Zur Begründung hieß es, der ehemalige Miteigentumsanteil in ungeteilter Erbengemeinschaft der Gertrud G. am Grundstück habe einer schädigenden Maßnahme gemäß § 1 Abs. 2 VermG unterlegen. Er sei in Volkseigentum überführt worden, nachdem die Erben die Erbschaft form- und fristgerecht ausgeschlagen hätten. Die eingetretene Überschuldung nach § 1 Abs. 2 VermG sei im Hinblick auf den Einheitswert, den für das Jahr 1971 ermittelten Zeitwert sowie die Belastungen zu vermuten. Eine im Einzelfall verhältnismäßig gute Ertragslage sei nicht vorhanden gewesen, da zum Zeitpunkt der Erbausschlagung lediglich ca. 2 160 M Miete jährlich erzielt worden sei. Hinsichtlich des Flurstücks 2782/96 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Insoweit sei der Restitutionsantrag nicht fristgemäß gestellt worden. Der Antrag vom habe den beantragten Vermögenswert mit der Angabe des Flurstücks 96/1 konkret bezeichnet, so dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass auch das Grundstück 2782/96 mit erfasst werden sollte.

Gegen die Ablehnung des Antrages hinsichtlich des Flurstücks 2782/96 hat die Klägerin fristgemäß Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass von der Anmeldung vom beide Flurstücke umfasst gewesen seien, weil das Objekt zutreffend mit "E...straße 5 a" bezeichnet worden sei. Irrtümlich sei lediglich die Angabe der Flurstücke nicht erschöpfend gewesen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom insoweit aufzuheben, als die Rückübertragung des ehemaligen Anteils der Gertrud G. am Grundstück E...straße 5 a in T., Flurstück 2782/96 der Flur 11, abgelehnt worden ist, und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin den ehemaligen Anteil der Gertrud G. an diesem Flurstück zurückzuübertragen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zwar sei die Anmeldefrist nach § 30 a VermG für den Erbanteil der Gertrud G. an dem streitbefangenen Flurstück eingehalten. Die Anmeldung habe sich eindeutig auf den Miterbenanteil an dem Grundstück E...straße 5 a in T. bezogen, wobei die Hausnummer "5 a" vormals unstreitig beide Flurstücke umfasst habe. Es handele sich bei der Angabe des Flurstücks 96/1 nicht um eine Einschränkung des Antrages, sondern nur um eine unvollständige Katasterbezeichnung. Für das Flurstück 2782/96 der Flur 11 fehle es aber an den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 VermG. Denn dieses Grundstück sei dinglich überhaupt nicht belastet gewesen. Das Erfordernis der Überschuldung müsse aber in jedem Fall vorliegen, um ein Grundstück zu restituieren.

Die Klägerin hat dagegen die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Abweichung des Urteils des Verwaltungsgerichts von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, das im Grundbuch von T., Blatt 2045, Gemarkung T., Flur 11, Flurstück 2782/96 unter Nummer 3 Buchstabe e des Verzeichnisses der Eigentümer eingetragene Recht an die Klägerin zurückzuübertragen; ferner den Bescheid des Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.

Beklagter und Beigeladene haben sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.

II.

Die Revision ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

Allerdings ist das Verwaltungsgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche durch die Rechtsvorgängerin der Klägerin vom auch das hier streitgegenständliche Flurstück 2782/96 der Flur 11 in T. umfasste. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss der Antrag, um fristwahrend zu wirken, das Grundstück oder die Grundstücke, auf die sich das Restitutionsbegehren bezieht, so genau bezeichnen, dass zumindest im Wege der Auslegung ermittelt werden kann, was der Antragsteller begehrt (vgl. BVerwG 7 C 8.00 - Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 21 und BVerwG 8 B 81.99 - Buchholz 428 § 30 a VermG Nr. 8 jeweils m.w.N.). Der Restitutionsantrag muss also sowohl hinsichtlich der Person als auch in Bezug auf den oder die begehrten Vermögensgegenstände individualisierbar sein.

Das war hier mit der Angabe "Grundstück E...straße 5 a in T." geschehen. Unstreitig war dies die Bezeichnung für das auf beide Flurstücke verteilte Anwesen. Die Angabe der Flurnummer erleichtert zwar die Bearbeitung des Antrags, sie wäre aber zur Individualisierung des Grundstücks nicht zwingend erforderlich gewesen. Die unterbliebene Angabe der zweiten Flurnummer im Antrag war offenkundig darauf zurückzuführen, dass die Tatsache des zweiten Flurstückes und dessen Bezeichnung in Vergessenheit geraten war, was sich auch daraus ergibt, dass hinsichtlich der Flurnummer 2782/96 das Grundbuch nicht mehr fortgeschrieben worden war. Dafür, dass die Klägerin trotz der Überbauung der Flurstücksgrenze, der einheitlichen Nutzung und postalischen Bezeichnung des Gesamtgrundstücks ihren Restitutionsantrag auf das Flurstück 96/1 beschränken wollte und deshalb diese Flurnummer angegeben hat, gibt es keinerlei Anhaltspunkte.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt aber Bundesrecht mit der Annahme, das Flurstück 2782/96 habe keiner Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG unterlegen, weil es nicht überschuldet war. Dabei verkennt das Verwaltungsgericht die Reichweite von § 1 Abs. 2 VermG. Zwar stellt die Vorschrift nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. u.a. BVerwG 7 C 2.96 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 101 S. 306; vom - BVerwG 8 C 23.00 - Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 21 S. 86) auf das mit einem Mietwohnhaus bebaute Buchgrundstück - hier: das Flurstück 96/1 - ab. Denn ein solches Verständnis der Vorschrift entspricht dem Zweck des Schädigungstatbestandes. § 1 Abs. 2 VermG ermöglicht die Rückübertragung eines Mietwohngrundstücks, das deswegen in Volkseigentum übergegangen ist, weil aufgrund der durch die Niedrigmietenpolitik der DDR bedingten Überschuldung das weitere Festhalten am Eigentum wirtschaftlich sinnlos war. Eine derartige ökonomische Zwangslage des Eigentümers setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unter anderem voraus, dass die dem Grundstück zuzuordnenden Verbindlichkeiten den um die eingetragenen Grundpfandrechte verminderten Zeitwert der Immobilie überschritten haben. Da es in der DDR einen freien Grundstücksverkehr, in dem sich marktgerechte Verkehrswerte hätten herausbilden können, nicht gab und Mietshäuser mangels Rendite praktisch unverkäuflich waren, ist als Zeitwert der Wert zugrundezulegen, zu dem das Grundstück seinerzeit im Wege der Beleihung für eine Verschuldung hätte eingesetzt werden können. Mit Grundpfandrechten beleihbar war indessen allein das Buchgrundstück. Auch Gründe der Rechtssicherheit sprechen dafür, auf das Buchgrundstück abzustellen (vgl. BVerwG 7 C 74.94 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 85 S. 259 f. und vom - BVerwG 8 C 23.00 - a.a.O.).

Ausnahmsweise zählen zu den bebauten Grundstücken im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG aber auch unbebaute Buchgrundstücke, die mit einem bebauten Nachbargrundstück eine Funktionseinheit in dem Sinne bilden, dass für die bestimmungsgemäße Nutzung eines der beiden Grundstücke das andere Grundstück notwendig ist (vgl. BVerwG 7 C 13.97 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 141 S. 428 und vom - BVerwG 8 C 23.00 - a.a.O. m.w.N.). Denn in solchen Fällen führt eine isolierte Rückgabe des bebauten Grundstücks - soweit sie überhaupt rechtlich zulässig ist - zu Nutzungskonflikten, die nur mit den Notbehelfen des zivilen Nachbarrechts (§§ 912 ff. BGB) zu bewältigen sind (vgl. BVerwG 7 C 13.97 - a.a.O. S. 429 f. und vom - BVerwG 8 C 23.00 - a.a.O.). Eine solche Notwendigkeit benachbarter Grundstücke für die bestimmungsgemäße Nutzung ist dann gegeben, wenn eine Überbauung vorliegt ( BVerwG 8 C 23.00 - a.a.O. S. 87; s.a. BVerwG 7 C 13.97 - a.a.O. S. 431).

Das ist hier der Fall. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist das Hauptgebäude auf dem Flurstück 96/1 errichtet. Das Nebengebäude, das ursprünglich als Bäckereigebäude genutzt und später zumindest teilweise zu Wohnungen umgebaut wurde, erstreckt sich über beide Flurstücke. Nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts ist die Flurstücksgrenze zwar nicht genau feststellbar; es spreche aber alles dafür, dass sie mitten durch das Nebengebäude führt. Im Nebengebäude befanden sich mindestens zwei kleine Wohnungen, die vermietet waren.

Müssen deshalb hier beide Grundstücke als für die bestimmungsgemäße Nutzung des jeweils anderen notwendig angesehen werden, ist es entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht erforderlich, dass für beide Grundstücke jeweils eine Überschuldung vorliegt. Buchgrundstücke, die nicht überschuldet waren, können auch von dem Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 2 VermG erfasst werden, wenn sie für die bestimmungsgemäße Nutzung des überschuldeten Nachbargrundstücks notwendig waren. Dann erstreckt sich der Rückgewähranspruch auch auf sie ( BVerwG 8 B 266.00 - VIZ 2002 S. 90).

Die Voraussetzungen der Rückübertragung des streitgegenständlichen Grundstücks mit der Flurstücks-Nr. 2782/96 der Flur 11 in T. liegen hier vor. Wie im Widerspruchsbescheid bereits für das Grundstück 96/1 der Flur 11 festgestellt, ist die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Margarethe R. Berechtigte im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine eingetretene Überschuldung nach § 1 Abs. 2 VermG regelmäßig zu vermuten, wenn die im Grundbuch eingetragenen Belastungen den Beleihungswert der Immobilie überschritten hatten (vgl. BVerwG 7 C 39.93 - BVerwGE 98, 87 <99>). Das Verwaltungsgericht hat dazu zwar keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen. Im Widerspruchsbescheid wird aber dargelegt, dass der Einheitswert des Grundstücks 25 700 M betrug, der Hauszinssteuerabgeltungsbetrag mit 2 700 M festgesetzt war und ausweislich einer Wertermittlung des Grundstücks aus dem Jahr 1971 der Zeitwert 39 800 M betrug. Dem standen zum Zeitpunkt der Erbausschlagung Belastungen in Höhe von 61 600 M gegenüber. Nach dem Zeitwertgutachten vom bezogen sich der Einheitswert und der Hauszinssteuerabgeltungsbetrag ebenso wie der von dem Gutachter ermittelte Zeitwert auf das gesamte Grundstück E...straße 5 a. Obwohl in diesem Gutachten nur das Flurstück 96/1 mit einer Größe von 426 m2 angegeben ist, setzt sich der Gutachter mit der Bebauung durch die Nebengebäude, der Einfriedung und dem gärtnerischen Bewuchs, der sich nur auf dem Gartenteil des Grundstücks mit der Flurstücks-Nr. 2782/96 befinden konnte, auseinander. Auch der Gutachter ist insoweit offenbar nur von einer Flurstücksnummer für das gesamte Grundstück ausgegangen. Nach den Feststellungen im Widerspruchsbescheid wird die Vermutung der Überschuldung auch nicht durch eine verhältnismäßig gute Ertragslage im Einzelfall widerlegt, da lediglich Mieten in Höhe von ca. 2 160 M jährlich ermittelt werden konnten. Ist somit eine dauerhafte Überschuldung des Grundstücks festgestellt, ist im Regelfall davon auszugehen, dass diese auf nicht kostendeckenden Mieten aus dem Zeitraum vor dem Erbverzicht beruhte ( BVerwG 7 C 39.93 - a.a.O.).

Diese sich aus den Akten ergebenden und von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogenen Tatsachen kann der Senat seiner Entscheidung zugrundelegen. Bildeten - wie hier - zwei Buchgrundstücke eine Funktionseinheit, ist hiervon grundsätzlich auch bei der Prüfung einer Überschuldung auszugehen. Maßgebend ist danach, ob bezogen auf beide Grundstücke Belastungen vorhanden waren, die den Beleihungswert beider Grundstücke überstiegen. Dies war hier der Fall. Dem Zeitwert beider Grundstücke in Höhe von 39 800 M standen, wie dargelegt, dingliche Belastungen in Höhe von 61 600 M gegenüber. Angesichts der ohne weiteres zu bejahenden Überschuldung kann dahinstehen, ob es bei einem bestandskräftigen Bescheid über die Restitution des mit einem Mietwohnhaus bebauten Grundstücks für die Restitution des mit diesem Grundstück in Funktionseinheit verbundenen weiteren Grundstücks einer erneuten Prüfung des § 1 Abs. 2 VermG bedarf oder ob auch ohne eine solche Prüfung die Restitution bereits wegen des notwendigen Funktionszusammenhangs vorzunehmen ist, um ein Auseinanderfallen des Eigentums an beiden Grundstücken zu verhindern.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Eine Anwendung des § 1 Abs. 2 VermG scheidet nicht deshalb aus, weil die Klägerin nicht die Rückübertragung eines Grundstücks, sondern nur die Rückübertragung einer erbrechtlichen Mitberechtigung an einem Mietwohngrundstück begehrt. Nach der Rechtsprechung des BVerwG 7 C 90.99 - Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 10) ist in den Fällen der überschuldungsbedingten Erbausschlagung im Sinne von § 1 Abs. 2 VermG die Annahme einer vermögensrechtlichen Schädigung nicht von vornherein deswegen ausgeschlossen, weil das überschuldete Grundstück, auf das sich der Schädigungstatbestand bezieht, nicht insgesamt, sondern nur mit einem Erbanteil in Volkseigentum übernommen wurde. Als Objekt der Schädigung kommt dann - abweichend von den Regeln des allgemeinen Rechtsverkehrs, aber dem Wiedergutmachungszweck des Vermögensgesetzes entsprechend - auch ein Erbanteil an dem überschuldeten Grundstück oder Gebäude in Betracht, und zwar vornehmlich dann, wenn von mehreren Miterben nur einer oder einzelne die Erbschaft ausschlugen, während die übrigen an dem ihnen durch die Erbschaft zugefallenen Eigentum festhielten. Denn auch der einzelne Miterbe, der sich wegen der Über-schuldung des Grundstücks oder Gebäudes zur Ausschlagung der Erbschaft entschloss, hat infolge dieser Erklärung einen Vermögensverlust im Sinne von § 1 Abs. 2 VermG erlitten, sofern die Erbausschlagung zur Begründung von Volkseigentum führte und zugleich auch die übrigen Voraussetzungen des Schädigungstatbestandes erfüllt waren. Entsprechendes gilt, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Erbausschlagung zwar den gesamten Nachlass erfasste, zu diesem aber kein Grundstück oder Gebäude, sondern nur der Erbanteil an einem Grundstück oder Gebäude gehörte, so dass die (Selbst-)Schädigung des ausschlagenden Erben schon aus diesem Grunde auf eine bloße Mitberechtigung am Eigentum beschränkt war. In Anbetracht der speziellen Zielsetzung des Vermögensgesetzes kommt es auf die rechtliche Einbindung des Erbanteils am Grundstück oder Gebäude in den Nachlass und den sich daraus ergebenden Ausschluss dieses Anteils vom allgemeinen Rechtsverkehr nicht an.

Das Restitutionsbegehren der Klägerin scheitert auch nicht daran, dass sich dieses nur auf die Mitberechtigung an dem Grundstück bezieht, während die Erbausschlagungserklärung ihrer Rechtsvorgängerin den gesamten Nachlass nach Gertrud G. betraf. Denn eine solche nur teilweise Rückgängigmachung des eingetretenen Vermögensverlustes ist in den Fällen der Erbausschlagung für den Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 2 VermG geradezu kennzeichnend (vgl. BVerwG 7 C 90.00 - a.a.O. S. 32).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
TAAAC-13494