Leitsatz
Die Wirksamkeit einer Grundstücksverkehrsgenehmigung hing nach der GVVO nicht von einer bestimmten Form ab.
Gesetze: VermG § 3 Abs. 4 Satz 3; GVO § 1 Abs. 2; GVO § 2 Abs. 1 Nr. 1; GVO § 4 Abs. 1; GVVO §§ 1 ff.
Instanzenzug: VG Halle VG 1 A 177/00 HAL vom
Gründe
I.
Die Kläger wenden sich gegen die vermögensrechtliche Rückübertragung eines Grundstücks an die Beigeladene durch Bescheid des Beklagten.
Das ursprünglich den Rechtsvorgängern der Beigeladenen gehörende, 410 m² große Grundstück wurde im Jahre 1975 von dem staatlichen Treuhänder in das Eigentum des Volkes verkauft. Im Jahre 1979 pachteten die Kläger das Grundstück vom Rat der Gemeinde und errichteten mit dessen Genehmigung zunächst ein Stallgebäude und 1988 eine Garage. Ein dingliches Nutzungsrecht wurde ihnen nicht verliehen. Auf ihren Antrag vom erwarben sie mit notariellem Kaufvertrag vom das Grundstück vom Rat der Gemeinde. Ihre Eintragung als Eigentümer im Grundbuch erfolgte am .
Auf Antrag vom übertrug der Beklagte der Beigeladenen mit Bescheid vom u.a. das streitbefangene Grundstück zurück. Zur Begründung führte er aus, die Beigeladene sei Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes. Die Rückübertragung des Grundstücks sei auch nicht ausgeschlossen, weil die Kläger zwischen dem und dem weder Eigentum begründet noch ein dingliches Nutzungsrecht erworben hätten.
Dagegen erhoben die Kläger Widerspruch mit dem Hinweis, dass sie das Grundstück mit entsprechender staatlicher Genehmigung bebaut hätten. Das Regierungspräsidium Halle - Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Sachsen-Anhalt - wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom im Wesentlichen mit der Begründung zurück, dass ein redlicher Erwerb schon deshalb ausgeschlossen sei, weil die Kläger das Grundstück erst nach In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes erworben hätten. Zudem fehle es an der grundsätzlich erforderlichen Grundstücksverkehrsgenehmigung.
In ihrer Klage haben die Kläger darauf hingewiesen, dass die erforderliche Grundstücksverkehrsgenehmigung am erteilt worden sei, so dass der Restitution die wirksame Verfügung über den Vermögenswert entgegenstehe.
Die Kläger haben beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Halle - Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Sachsen-Anhalt - vom insoweit aufzuheben, als damit das Grundstück der Gemarkung E., Flur 6, Flurstück 277/3 (gemeint ist: 227/3), eingetragen im Grundbuch von E., Blatt 532, an die Beigeladene zurückübertragen wird.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
und angeführt, dass eine Grundstücksverkehrsgenehmigung nicht erteilt worden sei.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom als unbegründet abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Auf redlichen Erwerb könnten sich die Kläger schon deswegen nicht berufen, weil sie das Grundstück erst am durch Eintragung im Grundbuch erworben hätten. Auf die Frage, ob den Klägern eine Grundstücksverkehrsgenehmigung erteilt worden sei, komme es nicht an. Denn das Grundstück müsste auch dann an die Beigeladene restituiert werden, wenn den Klägern eine entsprechende Genehmigung erteilt worden sei. Lediglich in den Fällen, in denen ein Grundstück vom Verfügungsberechtigten an einen Dritten weiterveräußert worden sei, könne eine erteilte Grundstücksverkehrsgenehmigung eine Rolle spielen. So liege der Fall hier aber nicht.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Bundesverwaltungsgericht zugelassene Revision der Kläger, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügen.
Sie beantragen:
1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom wird abgeändert.
2. Der Bescheid des Beklagten vom und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Halle - Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Sachsen-Anhalt - vom werden insoweit aufgehoben, als darin das Grundstück der Gemarkung E., Flur 6, Flurstück 227/3 rückübertragen wird.
Der Beklagte tritt der Revision entgegen.
Die Beigeladene verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
II.
Die Revision ist mit der Maßgabe der Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht begründet. Das Verwaltungsgericht verstößt mit seiner Ansicht gegen Bundesrecht, dass es für die Existenz des Restitutionsanspruchs der Beigeladenen nicht auf die Frage ankomme, ob den Klägern eine Grundstücksverkehrsgenehmigung erteilt worden sei (1.). Ob eine Grundstücksverkehrsgenehmigung vorliegt, steht jedoch zur Gewissheit des Senats nicht fest (2.). Deshalb war die Sache an das Verwaltungsgericht zur weiteren Verhandlung und Entscheidung gemäß § 144 Abs. 3 Nr. 3 VwGO zurückzuverweisen (3.).
1. Der Restitutionsanspruch erlischt nach § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG, wenn nach In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes über das restitutionsbelastete Grundstück verfügt worden ist (vgl. BVerwG 7 C 63.96 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 20). Nichts anderes gilt, wenn die Verfügung zwar vor In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes () getroffen, aber erst danach wirksam wurde. Mit In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes hatte auch in diesen Fällen der Berechtigte - soweit kein anderer Ausschlussgrund vorlag - zunächst einen Rückübertragungsanspruch erlangt. Dieser richtete sich gegen denjenigen, der im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Vermögensgesetzes Verfügungsberechtigter (§ 2 Abs. 3 VermG) war. Dies ist der Veräußerer des Vermögenswertes gewesen, da er noch Eigentümer war. Verlor der Verfügungsberechtigte dann das Eigentum an dem Vermögenswert dadurch, dass die Verfügung über den Vermögenswert wirksam und der Eigentumsübergang im Grundbuch eingetragen wurde, tritt auch hier an die Stelle des Rückübertragungsanspruchs der Anspruch auf Auskehr des Erlöses gemäß § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG ( BVerwG 7 B 47.04 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 52).
Die Kläger haben aufgrund des notariellen Kaufvertrages vom das Eigentum an dem Grundstück erworben. Der Kaufvertrag war zunächst schwebend unwirksam, da er der Grundstücksverkehrsgenehmigung bedurfte (§ 2 Abs. 1 Buchstabe a der Grundstücksverkehrsverordnung vom - GBl 1978 I S. 73 - GVVO). Ob eine Grundstücksverkehrsgenehmigung vorliegt, steht jedoch für den Senat mangels entsprechender Tatsachenfeststellung seitens der Vorinstanz und auch nach der Aktenlage nicht mit jedem vernünftigen Zweifel ausschließender Gewissheit fest.
2. Die mittels Maschinenschrift erstellte Erklärung vom auf der notariell beglaubigten Abschrift des Kaufvertrages ("zusätzliches Flurstück wird nachträglich genehmigt") trägt zwar die Unterschrift der damaligen Leiterin der Finanzverwaltung des Kreises Qu. Dies ergibt ein Vergleich mit den im Revisionsverfahren vorgelegten Mustern von Grundstücksverkehrsgenehmigungen (Bd. I a 142, 143). Es spricht auch einiges dafür, dass sich der Text auf das streitbefangene Grundstück bezieht. Es wurde erst nachträglich in den Kaufantrag für zwei andere Flurstücke (Nr. 227/1, 228/1) einbezogen (vgl. Bd. II 82, 81). Diese Grundstücke bedurften keiner Grundstücksverkehrsgenehmigung; denn für sie waren Nutzungsrechte verliehen und preisrechtliche Unbedenklichkeitserklärungen erteilt gewesen (vgl. § 5 Abs. 4 der Durchführungsverordnung zum Gesetz über den Verkauf volkseigener Gebäude vom - GBl I S. 158). Auch die an die Kläger gerichtete Aufforderung des Grundbuchamts Qu. vom , Gebühren einzuzahlen, enthält den Zusatz: "Bodenkaufvertrag wurde nachträglich genehmigt". Aber der Beklagte bestreitet, dass die Erklärung vom die Zustimmung zu dem hier fraglichen Vertrag über den Grundstückserwerb beinhaltet. Es sei fraglich, was der Text aussagen sollte. Angesichts dieser unsicheren Tatsachenlage kann der Senat nicht von einem feststehenden Sachverhalt ausgehen.
3. Das Verwaltungsgericht wird sich - etwa durch Vernehmung der ehemaligen Leiterin der Finanzverwaltung oder Beiziehung der einschlägigen Grundbuchakten - Klarheit über das Gewollte und darüber verschaffen müssen, wie das Erklärte verstanden werden konnte.
Der Einwand des Beklagten, die Grundstücksverkehrsgenehmigung sei schon deshalb unwirksam, weil sie nicht auf einem entsprechenden Vordruck erteilt worden sei (Bd. I a 141), überzeugt jedoch nicht. Die Grundstücksverkehrsverordnung in der Fassung vom (BGBl I S. 999) hatte für den Erlass der Grundstücksverkehrsgenehmigung keine bestimmte Form vorgeschrieben. Eine bestimmte Genehmigungspraxis vermochte daran nichts zu ändern. Die Verkörperung eines Gedankeninhalts durch Schriftzeichen auf einem Schriftstück mit anderweitigem Inhalt würde auch im Einklang mit § 37 Abs. 2 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes (VwVfG) stehen, welches nach dem Einigungsvertrag zu der Zeit im Land Sachsen-Anhalt galt (vgl. Anlage 1 zum Einigungsvertrag Kapitel II Sachgebiet B Abschnitt III Nr. 1). Voraussetzung war lediglich, dass die Schrift die erlassende Behörde zu erkennen gab und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters enthielt (§ 37 Abs. 3 VwVfG). So könnte der Fall hier liegen. Mit der Bekanntgabe an das Grundbuchamt, für das die Grundstücksverkehrsgenehmigung bestimmt war (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GVVO), wäre der Bescheid erlassen gewesen (§§ 9, 41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) und wirksam geworden (§ 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG). Einer zusätzlichen Bekanntgabe gegenüber den Vertragsparteien oder Dritten hätte es zu seinem Wirksamwerden nicht bedurft. Zu prüfen bliebe allerdings, ob bei Vorliegen einer Genehmigung diese auch gegenüber der Beigeladenen bestandskräftig ist.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 4 230 € festgesetzt.
Fundstelle(n):
MAAAC-13385