Leitsatz
Eine personalvertretungsrechtliche Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Klärung nur eine geringe Anzahl von Dienststellen vorübergehend betrifft.
Gesetze: BraPersVG § 91; BraPersVG § 95; ArbGG § 72; ArbGG § 92; ArbGG § 92 a
Instanzenzug: VG Potsdam VG 21 K 3733/03 .PVL vom OVG Frankfurt (Oder) OVG 6 A 474/04 .PVL vom
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 95 Abs. 2 BraPersVG i.V.m. § 92 a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg.
1. Die Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch.
In der Beschwerdebegründung wirft der Antragsteller die Frage auf, "ob ein Lehrerrat im Sinne des § 91 Abs. 3 PersVG des Landes Brandenburg eine Personalvertretung im Sinne des § 104 BPersVG ist und für den Fall, dass diese Frage verneint wird, dennoch im Sinne des § 104 BPersVG mitwirkt und mitbestimmt."
a) Soweit der Antragsteller mit dem ersten Teil seiner Fragestellung geklärt wissen will, ob die Lehrerräte trotz eingeschränkter Rechtsstellung ihrer Mitglieder gleichwohl Personalvertretungen im Sinne der rahmenrechtlichen Bestimmungen sind, ist die Grundsatzrüge unbegründet. Diese Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, weil sie offensichtlich zu verneinen ist und daher nicht der Klärung in einem Rechtsbeschwerdeverfahren bedarf. Geht man - wie der Antragsteller - mit dem Oberverwaltungsgericht davon aus, dass die Mitglieder der Lehrerräte keinen Freistellungsanspruch nach § 45 BraPersVG, keinen Anspruch auf Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen nach § 46 BraPersVG und keinen Schutz vor Versetzungen und Abordnungen nach § 47 Abs. 2 BraPersVG haben (vgl. Beschlussabdruck S. 22; ferner Beschluss vom - 6 A 40/96.PVL - PersR 1998, 169), so sind die Lehrerräte mit Blick auf die Regelungen in § 99 Abs. 2 und § 100 Abs. 2 BPersVG zweifelsfrei keine Personalvertretungen im rahmenrechtlichen Sinne. Dies hat auch das Oberverwaltungsgericht ausdrücklich so gesehen. Es hat freilich die Verdrängung von Beteiligungsrechten des Antragstellers durch solche des Beteiligten zu 3 als Sonderregelung für den Bildungsbereich gemäß § 95 Abs. 1 Halbsatz 2 BPersVG für einen Übergangszeitraum gebilligt und insofern auch einen Gleichheitsverstoß verneint. Dies ist nicht gleichbedeutend mit der Aussage, die Lehrerräte seien Personalvertretungen im Sinne des Bundesrahmenrechts.
b) Mit dem zweiten Teil seiner Fragestellung will der Antragsteller sinngemäß geklärt wissen, ob die Lehrerräte trotz fehlender Eigenschaft als Personalvertretungen im Falle ihrer Beteiligung nach § 91 Abs. 4 Satz 2 BraPersVG die Beteiligung des Personalrats beim Schulamt ohne Verstoß gegen Bundesrahmenrecht verdrängen. Diese Rechtsfrage hat ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsfrage, wenn ihre Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt (vgl. - juris Rn. 17 m.w.N.). Dass die Klärung der von ihm aufgeworfenen Frage von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist, behauptet der Antragsteller nicht. Entgegen dessen Auffassung hat die Klärung der Frage aber auch keine tatsächlichen Auswirkungen, welche die Interessen von größeren Teilen der Allgemeinheit berühren. Diese Voraussetzungen sind nämlich im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren nicht gegeben, wenn die zu klärende Rechtsfrage nur eine geringe Anzahl von Dienststellen vorübergehend betrifft. In einem derartigen Fall gebieten Zwecke der Rechtsfortbildung oder Rechtsvereinheitlichung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht. So liegt es hier.
Der Antragsteller meint, die Beteiligung des Lehrerrats anstelle des Personalrats beim Schulamt in den gemäß § 71 Abs. 3, § 146 BraSchulG i.V.m. Nr. 8 DAÜVV vom (ABl MBJS S. 267) auf die Schulleiter zur Entscheidung übertragenen Angelegenheiten werfe bundesrahmenrechtliche Bedenken auf, die die Interessen der Schulöffentlichkeit in Brandenburg und damit eines wesentlichen Teils der Allgemeinheit berührten. Dem ist nicht zu folgen.
Die Aufgabenübertragung nach Nr. 8 DAÜVV und damit auch die entsprechende Beteiligung des Lehrerrats findet nur statt an Schulen, die am Modellvorhaben "Stärkung der Selbstständigkeit von Schulen" teilnehmen. Es handelt sich dabei nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts für das Schuljahr 2005/2006 um 18 von insgesamt 1 100 Schulen in Brandenburg. Das Modellvorhaben ist befristet auf das Ende des Schuljahres 2006/2007 (Nr. 3.4 der Ausschreibung vom , ABl MBJS S. 766). Auch die DAÜVV treten am außer Kraft. Die Klärung der vom Antragsteller aufgeworfenen Rechtsfrage durch den Senat hätte daher Bedeutung nur für einen Bruchteil der Brandenburger Schulen, und dies auch nur für einen Übergangszeitraum, der sich im voraussichtlichen Zeitpunkt der Senatsentscheidung über die Rechtsbeschwerde auf nur wenig mehr als ein Schuljahr beliefe. Dass die Senatsentscheidung ungeachtet dieser Umstände generelle Auswirkungen auf die Gestaltung des Personalvertretungsrechts in den Brandenburger Schulen haben würde, ist nicht anzunehmen, weil auch ohne eine solche Entscheidung nach gegenwärtigem Erkenntnisstand davon ausgegangen werden kann, dass eine Transformation des Modellvorhabens in den Regelbetrieb der Brandenburger Schulen nicht ohne Veränderung des gegenwärtigen personalvertretungsrechtlichen Rechtszustandes vonstatten gehen wird.
Wie bereits aus der Begründung für den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Brandenburgischen Schulgesetzes hervorgeht, ist sich die Landesregierung dessen bewusst, dass mit der Übertragung von Aufgaben der Schulaufsichtsbehörden auf die Schulen die entsprechenden Beteiligungsrechte der Personalräte auf die Lehrerräte übergehen (vgl. LTDrucks 3/2371 S. 62 zu § 71; ferner Ministerium für Bildung, Jugend und Sport, Mitteilung 30/02 vom ; Mitteilung 38/03 vom ). Die Annahme ist daher nicht fern liegend, dass Gesetzgebung und Regierung des Landes Brandenburg, wenn sie sich für die Übertragung des Modellvorhabens auf den Regelbereich der Schulen ab dem Schuljahr 2007/2008 entscheiden, der wachsenden Bedeutung der Lehrerräte dadurch Rechnung tragen, dass sie die Rechtsstellung ihrer Mitglieder an diejenige der Personalratsmitglieder ausdrücklich angleichen. Sollte dies unterbleiben, so ist mit einer Änderung der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts zu rechnen, wie aus dem angefochtenen Beschluss deutlich hervorgeht. Dieses sieht die Beteiligung des Lehrerrats anstelle des Personalrats beim Schulamt angesichts der schwächeren Rechtsstellung der Lehrerratsmitglieder unter dem Gesichtspunkt des Rahmenrechts, insbesondere des § 95 Abs. 1 Halbsatz 2 und des § 104 BPersVG, sowie des Gleichbehandlungsgrundsatzes nur noch für die Übergangszeit bis zum Ende des Schuljahres 2006/2007 als gerechtfertigt an. Schon jetzt hat es angekündigt, seine bisherige Rechtsprechung, wonach die Mitglieder des Lehrerrats nicht in den Genuss der Schutzvorschriften in § 47 BraPersVG kommen, bei sich ihm bietender Gelegenheit zu überprüfen (vgl. Beschlussabdruck S. 30). Es ist daher anzunehmen, dass das Oberverwaltungsgericht nach Ablauf des Übergangszeitraums und Übertragung des Modellprojekts in den Regelbereich erwägen wird, ob eine rahmenrechts- und grundgesetzkonforme Auslegung des § 91 Abs. 3 BraPersVG die Angleichung der Rechtsstellung der Lehrerratsmitglieder an diejenige der Personalratsmitglieder erlaubt und gebietet.
Die möglichen Auswirkungen einer Senatsentscheidung auf die vom Antragsteller aufgeworfene Frage werden dadurch weiter relativiert, dass die Mitglieder des Lehrerrats im Hinblick auf die Wahrnehmung materiell personalvertretungsrechtlicher Befugnisse schon nach der jetzigen Rechtspraxis nicht schutzlos sind. Nach Auffassung der Landesregierung und des Oberverwaltungsgerichts genießen sie den allgemeinen Benachteiligungsschutz nach § 8 BraPersVG, sodass sie vor sie belastenden personellen Maßnahmen geschützt sind, die wegen ihrer Lehrerratstätigkeit ausgesprochen werden. Dies ist zwar nicht gleichzusetzen mit der Regelung in § 47 Abs. 2 BraPersVG, die Personalratsmitglieder unabhängig davon schützt, ob ein Zusammenhang mit der Personalratstätigkeit nachgewiesen ist. Doch verlangt das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport immerhin, dass Zweifel am ausschließlich dienstlichen Charakter personeller Einzelmaßnahmen gegenüber Mitgliedern des Lehrerrats ausgeräumt werden. Ebenso hat das Ministerium zugesagt, dafür Sorge zu tragen, dass den Mitgliedern der Lehrerräte - ungeachtet eines fehlenden Rechtsanspruchs nach § 46 BraPersVG - geeignete Schulungen zu den sie betreffenden Teilen des Personalvertretungsrechts angeboten werden (vgl. Nr. 3 der Mitteilung 30/02 vom ).
2. Die Abweichungsrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Der angefochtene Beschluss weicht nicht von den in der Beschwerdebegründung zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ab.
Nach dem - (BVerfGE 28, 314, 322) hat der Personalrat nach dem Personalvertretungsgesetz als Repräsentant der Bediensteten die Aufgabe, die Beteiligung der Bediensteten an der Regelung des Dienstes und der Dienst- und Arbeitsverhältnisse zu verwirklichen und die Interessen der Bediensteten zu vertreten, soweit diese von der Tätigkeit in der Dienststelle berührt werden. Nach dem - (NVwZ 2001, 1394, 1395) werden die Landesgesetzgeber allein durch die Rahmenvorschriften der §§ 94 ff. BPersVG gebunden. Davon abweichende Rechtssätze hat das Oberverwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss nicht aufgestellt. Seine Auffassung, dass die Beteiligung des Lehrerrats trotz der schwächeren Rechtsstellung seiner Mitglieder an die Stelle der Beteiligung des Personalrats beim Schulamt tritt, hat es unter Hinweis auf den - (BVerfGE 51, 43, 54 ff.) begründet, wonach § 104 Satz 1 BPersVG weniger als einen allgemeinen Programmsatz beinhaltet und in diesen weiten Grenzen der Landesgesetzgeber frei ist zu regeln, für welche Gruppen von Beschäftigten besondere Bestimmungen gelten. Seine Auffassung, wonach auch der Gleichheitssatz nicht verletzt ist, hat das Oberverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begründet, wonach dem Gesetzgeber bei komplexen, in der Entwicklung begriffenen Sachverhalten eine angemessene Frist zur Sammlung von Erfahrungen gebührt und wonach die Mängel einer Regelung erst dann Anlass zum verfassungsgerichtlichen Eingreifen geben, wenn der Gesetzgeber eine spätere Überprüfung und Verbesserung trotz ausreichender Erfahrungen für eine sachgerechtere Lösung unterlässt (vgl. Urteil vom - 1 BvF 1/76 u.a. - BVerfGE 43, 291, 321 m.w.N.; ferner - BVerfGE 104, 242, 267). Dass das Oberverwaltungsgericht mit der Zugrundelegung dieser Rechtssätze aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht den vom Antragsteller zitierten Rechtssätzen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts widerspricht, liegt auf der Hand.
Fundstelle(n):
TAAAC-13173