Leitsatz
1. Die verfassungsrechtlich gewährleistete Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) enthält kein Gebot, den Rundfunkbegriff in § 2 Abs. 1 Satz 1 des Rundfunkstaatsvertrages ebenso auszulegen wie denjenigen in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
2. Es verstößt nicht gegen Bundesverfassungsrecht, dass für das Bereithalten eines Gerätes zum Empfang von "Ladenfunk" keine Gebühr erhoben wird.
Gesetze: GG Art. 5 Abs. 1 Satz 2; RStV § 2 Abs. 1 Satz 1; RGebStV § 1 Abs. 1 Satz 1; RGebStV § 2 Abs. 2 Satz 1; VwGO § 137 Abs. 1
Instanzenzug: VG Minden VG 9 K 3726/96 vom OVG Münster OVG 4 A 772/98 vom
Gründe
I.
Die Klägerin betreibt Lebensmittelgeschäfte. In ihren Filialen empfängt sie so genannten Ladenfunk, dessen Programm aus Musik und Werbebeiträgen besteht, die auf das Warenangebot in den Filialen abgestimmt sind. Das Programm umfasste bis etwa August 1996 auch Wetterberichte und Horoskope. Es wird im Auftrag der Klägerin von einer Firma zusammengestellt und über einen Satelliten auf in den Filialen vorhandene spezielle Empfangsgeräte gesendet. In den Filialen wird das Programm hörbar gemacht.
Mit Bescheid vom zog der Beklagte die Klägerin für ein in einer ihrer Filialen vorhandenes Gerät zum Empfang des Ladenfunks zu Rundfunkgebühren für die Zeit von Januar bis Juni 1996 heran. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom zurück. Das Verwaltungsgericht hat die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage mit der Begründung abgewiesen, die Rundfunkgebührenpflicht bestehe, weil das in der Filiale vorhandene Gerät zum Empfang von Ladenfunk ein Rundfunkempfangsgerät sei, für dessen Bereithalten Rundfunkgebühren zu entrichten seien. Auf die dagegen gerichtete Berufung hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die angefochtenen Bescheide aufgehoben (DÖV 2005, 298). Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt: Die Bescheide seien rechtswidrig, weil die Voraussetzungen der Rundfunkgebührenpflicht nicht gegeben seien. Das in der Filiale der Klägerin vorhandene Gerät zum Empfang von Rundfunk sei kein Rundfunkempfangsgerät, da es sich bei dem mit ihm allein zu empfangenden Programm nicht um eine Rundfunkdarbietung handele. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Rundfunkstaatsvertrages (RStV) setze der Rundfunkbegriff u.a. voraus, dass eine rundfunktechnisch verbreitete Darbietung für die Allgemeinheit bestimmt sei. Dies sei hier nicht der Fall. Der Begriff "Allgemeinheit" im Sinne des Rundfunkstaatsvertrages beziehe sich nicht auf den Hörerkreis, sondern auf die Gruppe der potenziellen Besitzer von Rundfunkgeräten im Verbreitungsgebiet eines Rundfunksenders. Dies werde bestätigt durch den systematischen Bezug der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Rundfunkfreiheit zu der in Satz 1 der Vorschrift u.a. geschützten Informationsfreiheit. Der Ladenfunk richte sich deshalb nicht an die "Allgemeinheit" im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 RStV, weil er nur von den jeweiligen Vertragspartnern der das Programm ausstrahlenden Firma mittels eines "punktgenau" angesteuerten Empfangsgerätes empfangen werden könne und weil weder die einzelnen Vertragspartner noch die Gruppe der Vertragspartner eine "Allgemeinheit" im vorbezeichneten Sinn bildeten. Die Hörbarmachung des Programms in den Filialen durch den Einsatz von Lautsprechern erfolge nicht durch eine von dem Rundfunkbegriff vorausgesetzte Technik. Der Ladenfunk erfülle auch deshalb nicht die Voraussetzungen des Rundfunkbegriffs von § 2 Abs. 1 Satz 1 RStV, weil er nicht im Sinne dieser Bestimmung "verbreitet" werde.
Der Beklagte trägt zur Begründung seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision im Wesentlichen vor: Das Urteil sei mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht vereinbar und verstoße gegen § 2 Abs. 1 RStV, der nach § 48 RStV revisibel sei. Das Gerät zum Empfang von Ladenfunk sei ein Rundfunkempfangsgerät im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 RStV. Das Programm des Ladenfunks sei für die "Allgemeinheit" bestimmt, wobei auf die potenziellen Besucher der Filialen der Klägerin abzustellen sei. Es finde auch eine "Verbreitung" statt, weil das ausgestrahlte Programm einer Vielzahl von Empfangsgeräten zur Verfügung stehe.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
Die zulässige (1.) Revision ist unbegründet (2.).
1. Die Revision begegnet keinen Zulässigkeitsbedenken.
Dies gilt auch mit Blick auf den Gesichtspunkt der Revisibilität. Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob die mit der Revision geltend gemachten Rügen die Auslegung revisiblen Rechts durch das Oberverwaltungsgericht betreffen, so dass eine revisionsgerichtliche Kontrolle eröffnet ist. Auch wenn dies nicht der Fall sein sollte, ist der Senat an die Zulässigkeit der Revision nach § 132 Abs. 3 VwGO gebunden. Die mangelnde Revisibilität der mit der Revision als verletzt gerügten Rechtsnormen bewirkt nicht die Unzulässigkeit der Revision (vgl. BVerwG 6 C 11.94 - BVerwGE 102, 95 <98 f.>; BVerwG 6 C 13.97 - BVerwGE 108, 108 <110>).
2. Die Revision hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Nach § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO kann die Revision nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruht. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Auf die von dem Beklagten gerügte unrichtige Auslegung des Rechts durch das Oberverwaltungsgericht kann die Revision nicht mit Erfolg gestützt werden, weil die behaupteten Rechtsfehler nicht als der revisionsgerichtlichen Kontrolle zugängliche Verletzung von Bundesrecht anzusehen wären. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts verstößt auch sonst nicht gegen Bundesrecht.
a) Der Beklagte beanstandet die Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts, nach denen das Bereithalten eines Gerätes zum Empfang von Ladenfunk keine Pflicht zur Entrichtung von Rundfunkgebühren auslöst. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, Ermächtigungsgrundlage für den streitigen Gebührenbescheid sei § 2 Abs. 2 Satz 1 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages - RGebStV - (Art. 4 des Staatsvertrages über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom - GV.NRW S. 408 -, der hier in der Fassung des Zweiten Staatsvertrages zur Änderung des Rundfunkstaatsvertrages <Zweiter Rundfunkänderungsstaatsvertrag> vom <GV.NRW S. 1197> anzuwenden sei). Danach hat jeder Rundfunkteilnehmer vorbehaltlich der Regelung des § 5 RGebStV für jedes von ihm zum Empfang bereitgehaltene Rundfunkempfangsgerät eine Grundgebühr zu entrichten. Zur Ausfüllung des Begriffs "Rundfunkgerät" hat das Oberverwaltungsgericht § 1 Abs. 1 Satz 1 RGebStV herangezogen. Nach dieser Bestimmung sind Rundfunkgeräte im Sinne dieses Staatsvertrages technische Einrichtungen, die zur drahtlosen oder drahtgebundenen, nicht zeitversetzten Hör- oder Sichtbarmachung oder Aufzeichnung von Rundfunkdarbietungen (Hörfunk oder Fernsehen) geeignet sind. Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Ladenfunk keine Rundfunkdarbietung sei. Es hat dabei angeknüpft an die Definition des Begriffs "Rundfunk" in § 2 Abs. 1 Satz 1 des Rundfunkstaatsvertrages - RStV - (Art. 1 des Staatsvertrages über den Rundfunk im vereinten Deutschland) in der Fassung des Zweiten Rundfunkänderungsstaatsvertrages. Danach ist Rundfunk die für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, in Ton und in Bild unter Benutzung elektrischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels eines Leiters. In Auslegung und in Anwendung von § 2 Abs. 1 Satz 1 RStV ist das Oberverwaltungsgericht zu der Erkenntnis gelangt, dass der Ladenfunk deshalb nicht als Rundfunk anzusehen sei, weil er nicht die Merkmale "Allgemeinheit" und "Verbreitung" erfülle, so dass mangels einer Rundfunkdarbietung eine Gebührenpflicht ausscheide. Die gegen diese Erwägungen gerichteten Beanstandungen des Beklagten beziehen sich auf die Auslegung und Anwendung von der revisionsgerichtlichen Kontrolle nicht zugänglichem Recht und können deshalb der Revision nicht zum Erfolg verhelfen.
aa) Die von dem Oberverwaltungsgericht ausgelegten und angewandten Bestimmungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrages und des Rundfunkstaatsvertrages sind irrevisibles Landesrecht.
Bei Abschluss des Staatsvertrages über den Rundfunk im vereinten Deutschland, dessen Bestandteile der Rundfunkgebühren- und der Rundfunkgebührenstaatsvertrag sind, haben die beteiligten Bundesländer in Wahrnehmung ihrer ausschließlichen Landeskompetenz für das Rundfunkwesen gehandelt (vgl. BVerwG 6 C 8.95 - BVerwGE 104, 170 <175>; BVerwG 6 B 32.97 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 29 S. 14). Revisibilität erlangten die Bestimmungen nicht auf Grund ihrer Geltung in allen Bundesländern durch entsprechende Landeszustimmungsgesetze (vgl. BVerwG 6 C 10.98 - NJW 1998, 1578). Von der durch Art. 99 GG gegebenen Möglichkeit, Landesrecht für revisibel zu erklären, haben die Länder erst durch § 48 RStV in der Fassung des am in Kraft getretenen Dritten Staatsvertrages zur Änderung des Rundfunkstaatsvertrages (Dritter Rundfunkänderungsstaatsvertrag) vom 26. August/ (GV.NRW S. 484) Gebrauch gemacht. Danach kann in einem gerichtlichen Verfahren die Revision zum Bundesverwaltungsgericht auch darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung der Bestimmungen dieses Staatsvertrages beruht. Die Regelung erstreckt sich nicht auf den Rundfunkgebührenstaatsvertrag (vgl. BVerwG 6 C 13.97 - BVerwGE 108, 108 <110>; a.a.O., S. 1578). Unter "Bestimmungen dieses Staatsvertrages" im Sinne von § 48 RStV sind die Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages in der Fassung des Dritten Rundfunkänderungsstaatsvertrages zu verstehen (vgl. BVerwG 6 C 12.97 - BVerwGE 106, 216 <218>; a.a.O., S. 14 f.). Für die Revisibilität kommt es hier auf die Bestimmungen an, die das Oberverwaltungsgericht in für den Senat bindender Anwendung des nichtrevisiblen Landesrechts (§ 137 Abs. 1 VwGO, § 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO) als für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides maßgeblich angesehen hat. Dies ist der bei Entstehung der Gebührenpflicht geltende Rundfunkgebührenstaatsvertrag sowie der denselben Zeitraum erfassende Rundfunkstaatsvertrag in der Fassung des Zweiten Rundfunkänderungsstaatsvertrages. Mithin unterliegt auch § 2 Abs. 1 Satz 1 RStV in der hier maßgeblichen Fassung nicht der Revisibilität. Der in der Begründung der Revisionszulassung zum Ausdruck kommenden gegenteiligen Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist nicht zu folgen.
bb) Die Voraussetzungen, unter denen die Auslegung und Anwendung nichtrevisiblen Landesrechts durch das Berufungsgericht ausnahmsweise einer revisionsgerichtlichen Überprüfung zugänglich ist, liegen hier nicht vor.
(1) Eine revisionsgerichtliche Kontrolle findet statt, soweit das Berufungsgericht zur Auslegung eines in einer landesrechtlichen Norm verwandten Begriffs das Verständnis eines gleich lautenden Begriffs des Bundesrechts in der Annahme der Identität beider Begriffsinhalte herangezogen hat, wenn eine solche Identität durch Gesetzesbefehl des Bundes vorgegeben ist (vgl. BVerwG 6 C 5.99 - BVerwGE 110, 326 <328 f.>). Dies ist hier nicht der Fall. Es kann dahinstehen, ob das Oberverwaltungsgericht angenommen hat, der von ihm ausgelegte Rundfunkbegriff des § 2 Abs. 1 Satz 1 RStV sei mit dem verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG deckungsgleich. Jedenfalls wäre eine solche Identität nicht durch Bundesrecht vorgegeben. Die verfassungsrechtlich gewährleistete Rundfunkfreiheit enthält kein Gebot, bei der Auslegung des Begriffs "Rundfunk" in § 2 Abs. 1 Satz 1 RStV von einer Kongruenz mit dem bundesverfassungsrechtlichen Begriff des Rundfunks auszugehen. Es liegt insoweit nicht anders als bei der Normierung des Rundfunkbegriffs durch den Landesgesetzgeber. Dieser ist nicht verpflichtet, den Begriff des Rundfunks im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in vollem Umfang landesgesetzlich abzubilden. Die verfassungsrechtliche Verbürgung der Rundfunkfreiheit verlangt materielle, organisatorische und prozedurale Regelungen, die an der Aufgabe des Rundfunks orientiert sind und erreichen können, was Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in seiner Gesamtheit bewirken will ( - BVerfGE 57, 295 <320>; - BVerfGE 90, 60 <88> m.w.N.). Bei der Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit im Einzelnen genießt der Gesetzgeber weitgehende Freiheit. Bestimmte Modelle der Rundfunkorganisation oder bestimmte Mittel der Zielerreichung schreibt ihm das Grundgesetz nicht vor (vgl. - BVerfGE 97, 228 <267> m.w.N.). Angesichts seiner weiten Gestaltungsfreiheit ist der Gesetzgeber grundsätzlich nicht gehindert, bestimmte Veranstaltungen, die verfassungsrechtlich als Rundfunk anzusehen sind, von dem einfachgesetzlichen Rundfunkbegriff auszunehmen und nicht dem für den "klassischen" Rundfunk vorgesehenen Ordnungsrahmen zu unterstellen (vgl. Degenhart in: Dolzer/ Vogel/Graßhof, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 694 und 701/702; Starck in: von Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz, 4. Aufl., Art. 5 Rn. 98; Bethge in: Sachs <Hrsg.>, GG, 3. Aufl., Art. 5 Rn. 90 a; Hartstein in: derselbe/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, Rundfunkstaatsvertrag, § 2 RStV Rn. 4; Bernard, Rundfunk als Rechtsbegriff, 2001, S. 163 f.; Brand, Rundfunk im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, 2002, S. 212; Pappi, Teledienste, Mediendienste und Rundfunk, 2000, S. 55 ff.; Janik, AfP 2000, 7 <9>; Jarass, AfP 1998, 133 <133 f.>; Lent, Rundfunk-, Medien-, Teledienste, 2001, S. 126 f.). Diese Vorstellung liegt auch dem Staatsvertrag über Mediendienste (Mediendienste-Staatsvertrag) vom 20. Januar/ (GV.NRW S. 158) zugrunde, der bestimmte Informations- und Kommunikationsdienste aus dem Geltungsbereich des Rundfunkstaatsvertrags herausnimmt und einem gesonderten Ordnungsrahmen unterstellt.
(2) Eine revisionsgerichtliche Kontrolle kommt hier auch nicht deshalb in Betracht, weil sich das Oberverwaltungsgericht durch Bundesrecht zu einer bestimmten Auslegung des § 2 Abs. 1 Satz 1 RStV zu Unrecht verpflichtet gefühlt hätte (vgl. BVerwG 4 C 5.87 - BVerwGE 89, 69 <74>; BVerwG 4 C 7.97 - Buchholz 11 Art. 14 GG Nr. 316 S. 31 m.w.N.). Den Gründen des angefochtenen Urteils ist nicht zu entnehmen, dass das Oberverwaltungsgericht bei der Auslegung des landesrechtlichen Rundfunkbegriffs von einer Bindung insbesondere an Bundesverfassungsrecht ausgegangen ist. Die Annahme einer solchen Bindung ergibt sich nicht daraus, dass in der Begründung des angefochtenen Urteils im Zusammenhang mit der Auslegung des Merkmals "Allgemeinheit" in § 2 Abs. 1 Satz 1 RStV auch Literatur zum Rundfunkbegriff des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zitiert wird. Dies gilt gleichermaßen für die Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ( - BVerfGE 74, 297 <351>) im Zusammenhang mit der Erwägung, Rundfunk sei maßgeblich dadurch gekennzeichnet, dass sich die "Allgemeinheit" die Programminhalte durch "Ein- und Ausschalten" verfügbar machen könne. Dem Hinweis des Oberverwaltungsgerichts auf Schrifttum und bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung zu Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG kann allenfalls entnommen werden, dass das Gericht das in Rechtsprechung und Literatur entwickelte Verständnis des bundesverfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs als Interpretationshilfe für die Auslegung des entsprechenden Begriffs im Landesrecht herangezogen hat. Dies allein rechtfertigt nicht die revisionsgerichtliche Überprüfung (vgl. a.a.O., S. 329). Eine andere Beurteilung ist nicht mit Blick darauf gerechtfertigt, dass sich das Berufungsgericht in seiner Auslegung des Merkmals "Allgemeinheit" "bestätigt" sieht "durch den systematischen Bezug der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Rundfunkfreiheit zu der in Satz 1 der Vorschrift u.a. geschützten Informationsfreiheit". Eine aus Bundesrecht abgeleitete Bestätigung eines Auslegungsergebnisses lässt nicht den Schluss zu, dass der Auslegungsvorgang in dem Bewusstsein vorgenommen wurde, durch Bundesrecht gebunden zu sein.
Dafür, dass sich das Oberverwaltungsgericht nicht durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gebunden gefühlt hat, spricht zudem die Begründung der Revisionszulassung. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht eine Frage von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als grundsätzlich klärungsbedürftig angesehen und deshalb die Revision zugelassen. Es hat vielmehr die Durchführung eines Revisionsverfahrens in (unzutreffender) Anwendung von § 48 RStV zur Klärung des Rundfunkbegriffs von § 2 Abs. 1 Satz 1 RStV für notwendig erachtet.
b) Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ist auch nicht deswegen revisionsgerichtlich zu beanstanden, weil das Bundesrecht ein anderes als das vom Oberverwaltungsgericht gefundene Ergebnis gebieten würde (vgl. BVerwG 1 C 18.91 - BVerwGE 96, 293 <294 f.>).
In diesem Zusammenhang ist mit Blick auf den Streitgegenstand des Verfahrens allein entscheidend, ob die Verneinung der Rundfunkgebührenpflicht für das Bereithalten eines Gerätes zum Empfang von Ladenfunk Bundesrecht zuwiderläuft. Der Senat kann im Sinne des Beklagten unterstellen, dass der Ladenfunk die Voraussetzungen des Rundfunkbegriffs in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erfüllt und dass es nicht (mehr) mit der Gestaltungsfreiheit des Landesgesetzgebers bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung im Einklang steht, wenn der Ladenfunk dieser Ordnung entzogen wird. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, bewirkt die Verneinung der Rundfunkgebührenpflicht im Ergebnis keine Verletzung von Bundesrecht. Sie läuft insbesondere nicht der verfassungsrechtlichen Rundfunkfreiheit zuwider.
Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verlangt nicht, dass für jede Veranstaltung, die als Rundfunk im verfassungsrechtlichen Sinn anzusehen ist, eine Rundfunkgebühr erhoben wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts findet die Rundfunkgebührenpflicht ihre verfassungsrechtliche Grundlage in dem in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltenen Gebot der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (vgl. und 487/92 - BVerfGE 87, 181 <198 ff.>; a.a.O., S. 90 f.). Entscheidet sich der Gesetzgeber für das duale System eines Nebeneinanders von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk, wie es sich in der Bundesrepublik Deutschland durchgesetzt hat, ist es verfassungsrechtlich geboten, dass dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die zur Erfüllung der ihm in diesem System obliegenden Aufgaben erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gemäße Art der Finanzierung ist die Gebührenfinanzierung. Sie erlaubt es ihm, unabhängig von Einschaltquoten und Werbeaufträgen ein Programm anzubieten, das den verfassungsrechtlichen Anforderungen gegenständlicher und meinungsmäßiger Vielfalt entspricht. In der ungeschmälerten Erfüllung dieser Funktion und in der Sicherstellung der Grundversorgung der Bevölkerung mit Rundfunkprogrammen im dualen System findet die Gebührenfinanzierung ihre Rechtfertigung. Auch hinsichtlich des Umfangs der Finanzierung ist ausschlaggebend, dass die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des dualen Systems von der Funktionstüchtigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks abhängt. Für die Dauer der medienpolitischen Grundentscheidung des Gesetzgebers zu Gunsten einer dualen Rundfunkordnung folgt aus der Verfassung eine Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Diese umfasst auch die zur Erfüllung des Rundfunkauftrags benötigten finanziellen Mittel. Der daraus abzuleitenden Finanzierungsgarantie entspricht ein ebenfalls aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgendes Recht der Anstalten, die zur Erfüllung ihrer Funktion nötigen Mittel zu erhalten. Verfassungsrechtlich entscheidend ist allein, dass die Finanzierung der Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten überhaupt gesichert ist. Nur darauf haben sie einen verfassungsrechtlichen Anspruch. Aus diesen Grundsätzen folgt kein Gebot, dass für Rundfunk im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG stets eine Gebühr erhoben wird.
Eine Gebührenfreiheit könnte dann verfassungsrechtlich bedenklich sein, wenn dadurch eine hinreichende finanzielle Sicherung der Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Frage gestellt ist. Davon kann bei der Herausnahme des hier in Rede stehenden Ladenfunks aus der Gebührenpflicht keine Rede sein. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Ausklammerung des Ladenfunks aus der Gebührenpflicht eine hinreichende Sicherung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beeinträchtigen könnte. Hinzukommt, dass sich nach den den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts das Bereithalten eines Gerätes zum Empfang von Ladenfunk in mehrfacher Hinsicht wesentlich von dem gebührenpflichtigen Bereithalten eines Gerätes zum Empfang von "klassischem" Rundfunk unterscheidet. Bei dem Ladenfunk ist der Kreis derjenigen, denen das hörbar gemachte Programm letztlich zugedacht ist, vergleichsweise klein, mit dem Empfangsgerät kann ausschließlich das Programm des Ladenfunks empfangen werden und die Meinungsbildungsrelevanz des Programminhalts (Musik, Werbeangebote, Horoskope, Wetterbericht) ist als gering einzuschätzen. Selbst wenn der Ladenfunk als Rundfunk im verfassungsrechtlichen Sinne anzusehen sein sollte, handelte es sich im Vergleich zum "klassischen" Rundfunk um eine Randerscheinung im Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, deren Ausklammerung aus der Gebührenpflicht Bundesverfassungsrecht nicht verletzt. Das gilt auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG. Ob eine Gebührenpflicht mit den genannten Verfassungsbestimmungen vereinbar wäre, ist aus Anlass des vorliegenden Rechtsstreits nicht zu entscheiden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 25,31 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG).
Fundstelle(n):
NJW 2006 S. 632 Nr. 9
RAAAC-13019