Leitsatz
Eine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft kann unter den Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 GG verboten werden.
Gesetze: GG Art. 4 Abs. 1; GG Art. 4 Abs. 2; GG Art. 9 Abs. 2; GG Art. 140; WRV Art. 137 Abs. 2; WRV Art. 137 Abs. 3; VereinsG § 3 Abs. 1 Satz 1 3. Alternative; VereinsG § 3 Abs. 1 Satz 2; VereinsG § 14 Abs. 1 Satz 1; VereinsG § 15 Abs. 1 Satz 1; VereinsG § 18 Satz 2
Gründe
I.
Das Bundesministerium des Innern stellte mit Verfügung vom fest, dass sich die Tätigkeit des Klägers gegen den Gedanken der Völkerverständigung richte, dass sie Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer Belange befürworte und dass sie eine derartige Gewaltanwendung hervorrufen solle. Die Betätigung des Klägers im räumlichen Geltungsbereich des Vereinsgesetzes wurde verboten. Das Vermögen des Klägers wurde beschlagnahmt und zugunsten des Bundes eingezogen. Darüber hinaus wurden nach näherer Anordnung Sachen und Forderungen Dritter beschlagnahmt und eingezogen.
Mit Gerichtsbescheid vom hat der Senat die gegen die Verfügung vom gerichtete Klage abgewiesen und auf den Antrag des Klägers am mündlich verhandelt.
Der Kläger beantragt,
die Verfügung der Beklagten vom aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Senat sieht gemäß § 84 Abs. 4 VwGO von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes ab.
II.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Die angefochtene Verfügung erweist sich als rechtmäßig und verletzt deshalb den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) - VereinsG - vom (BGBl I S. 593), zuletzt geändert durch Gesetz vom (BGBl S. 3390), kann ein ausländischer Verein in entsprechender Anwendung von § 14 VereinsG verboten werden. Hat der Verein - wie der Kläger - im räumlichen Geltungsbereich des Vereinsgesetzes keine Organisation, richtet sich das Verbot gegen seine Tätigkeit in diesem Bereich (§ 18 Satz 2 VereinsG). Das Betätigungsverbot ist ein Vereinsverbot im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 2 VereinsG. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 VereinsG kann ein Verein u.a. aus den Gründen des Art. 9 Abs. 2 GG verboten werden. Art. 9 Abs. 2 3. Alternative GG bestimmt, dass Vereinigungen, die sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, verboten sind. Ein ausländischer Verein darf nach § 15 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 und § 3 Abs. 1 Satz 1 3. Alternative VereinsG als verboten behandelt werden, wenn durch Verfügung festgestellt ist, dass er sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Das Verbot ist in der Regel nach Maßgabe von § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG mit Nebenentscheidungen zu versehen. Daran gemessen ist die angefochtene Verfügung nicht zu beanstanden. Soweit der Senat der Begründung des Gerichtsbescheids folgt, sieht er im Sinne von § 84 Abs. 4 VwGO von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
a) Der Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen den Gedanken der Völkerverständigung ist hier nicht deshalb unanwendbar, weil sich der Kläger auf den verfassungsrechtlichen Schutz von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften berufen könnte.
Zur Religionsfreiheit gehört auch die religiöse Vereinigungsfreiheit, für deren Gewährleistung sich Art. 4 Abs. 1 und 2 GG auf Art. 140 GG/137 Abs. 2 WRV bezieht (vgl. - BVerfGE 83, 341 <354 f.>). Der Gewährleistungsinhalt der religiösen Vereinigungsfreiheit umfasst die Freiheit, aus gemeinsamem Glauben sich zu einer Religionsgemeinschaft zusammenzuschließen und zu organisieren. Mithin greift ein gegen eine Religionsgemeinschaft gerichtetes Betätigungsverbot in den Schutzbereich der religiösen Vereinigungsfreiheit ein. Wegen der in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 7 WRV vorgenommenen Gleichstellung der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften gilt Entsprechendes für die zuletzt genannten Vereinigungen.
Der Senat hat in dem Gerichtsbescheid aufgezeigt, dass der Kläger nicht die Voraussetzungen einer Religionsgemeinschaft erfüllt, weil dem "Organisationsgesetz von H." nicht entnommen werden kann, dass er sich der allseitigen Erfüllung der durch das gemeinsame Bekenntnis gestellten Aufgaben widmet, wie es für eine Religionsgemeinschaft im verfassungsrechtlichen Sinn erforderlich ist. Die dagegen von dem Kläger erhobenen Einwände überzeugen den Senat nicht. Es spricht auch bei Würdigung der von dem Kläger vorgebrachten Umstände ganz Überwiegendes dafür, dass es sich bei ihm nach äußerem Erscheinungsbild und geistigem Gehalt um eine Organisation handelt, die zwar am Islam ausgerichtet, jedoch nicht von der allseitigen Erfüllung religiöser Aufgaben geprägt ist. Die Zielsetzungen des Klägers sind in erster Linie politischer Natur, auch wenn sie aus seiner Sicht religiöse Grundlagen haben. Dies wird durch die von dem Kläger nach dem Erlass des Gerichtsbescheids in das Verfahren eingeführte Aussage von O. B., einer nach eigenem Bekunden führenden Person des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland, in einem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren vom bestätigt. Herr B. bezeichnet den Kläger ausdrücklich als "politische Partei". Wenn sich der Kläger - wie er in seinem Schriftsatz vom im Einzelnen dargelegt hat - neben seinem hauptsächlichen Ziel der Wiedererrichtung eines Kalifats zugleich in mehrfacher Hinsicht der Pflege des religiösen Lebens seiner Mitglieder widmet, wie z.B. durch Unterricht, Gebete und Koranlesungen, Ermahnungen und Auskünfte zu religiösen Fragen, so ändert dies nichts an dem Fehlen der für eine Religionsgemeinschaft unerlässlichen Ausrichtung auf eine universelle Religionspflege. Namentlich lässt das Gesamtvorbringen des Klägers nicht erkennen, dass er sich in seinem gesamten räumlichen Wirkungsbereich die Organisation und Durchführung des rituellen Freitagsgebets der Gläubigen zur eigenen Aufgabe gemacht hat, obwohl dieses Gebet einen wesentlichen Bestandteil islamischer Religionsausübung bildet. In dieser Hinsicht können, auch wenn der Islam im Gegensatz zum Christentum nicht in mehrere jeweils einheitlich verfasste Konfessionen untergliedert ist, sondern die als solche nicht organisierte Gesamtheit aller Muslime auf der Welt ("umma") umfasst, bei der Prüfung der verfassungsrechtlichen Merkmale einer Religionsgemeinschaft keine Abstriche gemacht werden (vgl. BVerwG 6 C 2.04 - NJW 2005, 2101 <2104, 2105>). Wie gleichfalls bereits im Gerichtsbescheid festgestellt, erfüllt der Kläger schon wegen des Gottesbezugs des Islams auch nicht die Voraussetzungen einer Weltanschauungsgemeinschaft.
Selbst wenn der Kläger als eine Religionsgemeinschaft (oder Weltanschauungsgemeinschaft) anzusehen wäre, würde dies die Anwendung der Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG nicht ausschließen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts finden die Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG auch auf die verfassungsrechtlich geschützten Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften Anwendung (vgl. BVerwG 1 C 54.66 - BVerwGE 37, 344 <363 ff.>; BVerwG 7 C 11.96 - BVerwGE 105, 117 <121>; vgl. auch BVerwG 6 A 4.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 35 S. 37 f.). Auch das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass korporierte Religionsgemeinschaften unter den in Art. 9 Abs. 2 GG bestimmten besonderen Voraussetzungen verboten werden können (vgl. - BVerfGE 102, 370 <391>). Dass Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften aus den Gründen des Art. 9 Abs. 2 GG verboten sind, entspricht zudem - ungeachtet bestehender Unterschiede in der verfassungsrechtlichen Ableitung - der überwiegenden Meinung im Schrifttum (vgl. Mager in: v. Münch/ Kunig, GG, 5. Auflage, GG, Art. 4 Rn. 65 Stichwort "Vereinsverbot"; Löwer in: v. Münch/Kunig, a.a.O., Art. 9 Rn. 34 Stichwort "Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften"; Jarass in: derselbe/Pieroth, GG, 7. Auflage, Art. 4 Rn. 43; Ehlers in: Sachs <Hrsg.>, GG, 3. Auflage, Art. 140/Art. 137 WRV Rn. 16; Scholz in: Maunz/ Dürig/Herzog/ Scholz, GG, Art. 9 Rn. 113; Starck in: v. Mangold/Klein/Stark, GG, 5. Auflage, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 93; Planker, DÖV 1997, 101 <102 ff.>; Herzog in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, a.a.O., Art. 4 Rn. 97; v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Auflage, S. 131; derselbe in: Isensee/Kirchhof <Hrsg.>, Handbuch des Staatsrechts, Band VI, 2. Auflage, § 136 Rn. 83 und Rn. 89; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot - Dogmatik und Praxis des Art. 9 Abs. 2 GG, 2005, S. 233 ff.; Schmieder, VBlBW 2002, 146 <149 f.>; Poscher, KritV 85, 2002, 298 <303 ff.>; a.A.: Morlok in: Dreier <Hrsg.>, GG, Art. 140/Art. 137 WRV Rn. 33; Michael, JZ 2002, 482 <484>; Pieroth/Kingreen, NVwZ 2001, 841 <843 f.>; Groh, KritV 85, 2002, 39 <49 ff.>; Albertz, ZRP 1996, 60 <61 f.>; offen Kokott in: Sachs <Hrsg.>, a.a.O., Art. 4 Rn. 70). Die Anwendbarkeit des Art. 9 Abs. 2 GG folgt entweder daraus, dass nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV die Betätigung der Religionsgemeinschaften und der ihnen gleichgestellten Weltanschauungsgemeinschaften unter dem Vorbehalt der für alle geltenden Gesetze steht und dass Art. 9 Abs. 2 GG diesen Gesetzen zuzurechnen ist, oder daraus, dass es sich bei Art. 9 Abs. 2 GG um einen selbstständigen Verbotstatbestand für Vereinigungen aller Art handelt, deren Verbot nicht speziell geregelt ist. Zwar ist weder Art. 4 GG noch die als Bestandteil dieser Grundrechtsnorm anzusehende Bestimmung des Art. 137 Abs. 2 WRV über die religiöse Vereinigungsfreiheit mit einem Gesetzesvorbehalt versehen. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass eine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft im Gegensatz zu anderen Vereinigungen auch bei schweren Verfassungsverstößen keinesfalls verboten werden könnte. Um ein solches Verbot zu rechtfertigen, bedarf es nicht des Rückgriffs auf die ungeschriebenen verfassungsimmanenten Schranken der Religionsfreiheit. Denn das Grundgesetz hält in Gestalt des Art. 9 Abs. 2 GG eine spezielle Verbotsregelung bereit, die der Wahrung zentraler, für den Bestand des Staates und seine Einordnung in die Völkergemeinschaft unverzichtbarer Verfassungsgüter dient und die dem Wirken von Vereinigungen ohne Rücksicht auf Art und Inhalt ihrer Tätigkeit äußerste, nicht ohne Gefahr für ihre Existenz überschreitbare Grenzen setzt. Namentlich aus diesem Grunde ist die in dem Urteil des erkennenden Senats vom - BVerwG 6 A 4.02 - (a.a.O.) angesprochene, aber offen gebliebene Frage nach der Anwendbarkeit des Art. 9 Abs. 2 GG auf Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften im Anschluss an die Rechtsprechung des 1. und des 7. Senats zu bejahen. Das schließt nicht aus, dass bei der Prüfung der Verbotsvoraussetzungen der besondere Rang der Religionsfreiheit und deren enger Bezug zur Menschenwürde gebührend berücksichtigt werden. Vielmehr ist das Verbot einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft in Anbetracht seiner überaus schwerwiegenden Folgen für die Gemeinschaft und ihre Mitglieder nur dann hinreichend gerechtfertigt, wenn es sich auch nach Abwägung mit dem verfassungsrechtlichen Schutz dieser Vereinigungen zur Wahrung der angegriffenen Verfassungsgüter als unerlässlich erweist (vgl. - NJW 2004, 47).
b) Sollte der Kläger - was wegen der religiösen Grundlage seiner politischen Ziele und seinen weiter vorgetragenen religiösen Aktivitäten nicht fern liegt - zwar nicht als eine Religionsgemeinschaft, wohl aber - immerhin - als ein religiöser Verein im Sinne von § 138 Abs. 2 WRV anzusehen sein (vgl. dazu BVerwG 6 C 2.04 - a.a.O. S. 2102), würde er ebenfalls dem verfassungsrechtlichen Verbotsvorbehalt nach Art. 9 Abs. 2 GG unterliegen (vgl. Herzog a.a.O.; Löwer a.a.O. Stichwort "Religiöse Vereine und Gesellschaften"; Pieroth/Kingreen a.a.O. S. 843).
c) Die Tätigkeit des Klägers richtete sich aus den Gründen des Gerichtsbescheids sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Die dagegen von dem Kläger vorgebrachten Einwände rechtfertigen keine andere Beurteilung.
Der Senat hält daran fest, dass sich eine Vereinigung dann objektiv gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, wenn ihre Tätigkeit oder ihr Zweck geeignet ist, den Gedanken der Völkerverständigung zu beeinträchtigen, und dass eine solche Beeinträchtigung auch dann vorliegt, wenn das Existenzrecht eines Staates vor dem Hintergrund eines Konfliktes zwischen zwei Völkern in der Weise verneint wird, dass zur gewaltsamen Beseitigung des Staates oder zur Tötung von Menschen aufgefordert wird. In einem solchen Fall erweist sich die Beeinträchtigung des Gedankens der Völkerverständigung als so gewichtig, dass auch mit Blick auf den besonderen Rang der religiösen und weltanschaulichen Vereinigungsfreiheit die jeweilige Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft verboten werden kann.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Verbotsgrund deshalb erfüllt ist, weil im Rahmen einer Vielzahl dem Kläger zuzurechnender öffentlicher Äußerungen vor dem Hintergrund des israelisch-palästinensischen Konfliktes zur gewaltsamen Beseitigung des Staates Israel und zur Tötung von Menschen aufgefordert wurde. Die Einwände des Klägers überzeugen nicht.
Der Kläger wendet sich gegen die Erwägung in dem Gerichtsbescheid, aus einer Reihe von Indizien ergebe sich, dass die Zeitschrift "Explizit" und damit die in ihr publizierten Artikel, in denen das Existenzrecht des Staates Israel verneint, zu dessen gewaltsamer Beseitigung und zur Tötung von Menschen aufgerufen werde, dem Kläger zuzurechnen seien. Damit bestreitet er nicht die Richtigkeit der vom Senat für die Annahme der Zurechenbarkeit angeführten Indizien, sondern den daraus gezogenen Schluss. Soweit der Kläger der in dem Gerichtsbescheid als Indiz herangezogenen Aussage des F. H. A. entgegenhält, dass O. B. in seiner Aussage bekundet hat, dass "Explizit" kein "Parteiblatt" von H. sei, weil auch andere Parteien und Personen in der Zeitschrift Artikel veröffentlichen könnten, ändert dies nichts an der Aussage von Herrn A., "Explizit" werde von dem Kläger herausgegeben. Die Aussage von Herrn B. hindert nicht, die Aussage von Herrn A. im Zusammenhang mit den anderen im Gerichtsbescheid aufgeführten Hinweistatsachen als Indiz für die Zurechenbarkeit anzusehen, zumal Herr B. auch bekundet hat, dass in "Explizit" in der Mehrheit Artikel veröffentlicht würden, die mit der Meinung des Klägers übereinstimmten.
Soweit der Senat es als Indiz für die Zurechenbarkeit angesehen hat, dass der Repräsentant des Klägers in der Bundesrepublik, S. H. A., im Impressum genannt und als Mitherausgeber der Zeitschrift bezeichnet wurde, legt der Kläger dar, dass Herr A. die redaktionelle Verantwortung erst seit November 2002 getragen habe, so dass diesem Umstand für den davor liegenden Zeitraum keine indizielle Bedeutung zukomme. Dies ändert nichts daran, dass Herr A. im Impressum und als Mitherausgeber genannt wurde und er sich selber als Verantwortlicher der Redaktion bezeichnet. Dass diesem Umstand Bedeutung mit Blick auf die Zurechenbarkeit beizumessen ist, kann nicht zweifelhaft sein. Die in dem Gerichtsbescheid dargestellten Indizien rechtfertigen nach wie vor in ihrer Gesamtheit die Annahme, dass die zitierten Artikel dem Kläger zuzurechnen sind. Davon abgesehen sind - wie in dem Gerichtsbescheid aufgezeigt - die Aufforderungen des Klägers zur gewaltsamen Beseitigung des Staates Israel und zur Tötung von Menschen nicht auf Artikel in der Zeitschrift "Explizit" beschränkt. Gegen die entsprechenden Erwägungen in dem Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger nicht.
Der Verbotsgrund des Art. 9 Abs. 2 3. Alternative GG ist nicht etwa deshalb zu verneinen, weil die verbotsbegründenden Äußerungen im Wesentlichen von S. H. A. stammten und es deshalb ausgereicht hätte, dessen Betätigung zu unterbinden. Die den Verbotsgrund erfüllenden Äußerungen sind, wie in dem Gerichtsbescheid ausführlich dargestellt, nicht nur solche von Herrn A. Mithin kann von dem Verbot nicht deshalb abgesehen werden, weil Maßnahmen gegen Herrn A. ausgereicht hätten, um der Beeinträchtigung des Gedankens der Völkerverständigung zu begegnen. Das besondere Gewicht, das der religiösen und weltanschaulichen Vereinigungsfreiheit zukommt, würde keine andere Beurteilung gebieten.
Entgegen der Auffassung des Klägers scheitert das Verbot auch nicht daran, dass es ausgereicht hätte, ihm zu untersagen, sich zum Nahostkonflikt zu äußern. Der Kläger versteht die Bekämpfung und gewaltsame Beseitigung des Staates Israel als eine sein Selbstverständnis prägende Pflicht. Die Verneinung des Existenzrechts Israels stellt nicht nur einen zu vernachlässigenden Nebenaspekt seiner Programmatik und Ziele dar. Dies ergibt sich bereits aus der Vielzahl der in dem Gerichtsbescheid wiedergegebenen Äußerungen, in denen der Kläger die gewaltsame Beseitigung des Staates Israel und die damit einhergehende Vernichtung von Menschenleben befürwortet. Der Kläger sieht es - wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt hat - als eine wesentliche Aufgabe des von ihm angestrebten Kalifats an, den Staat Israel zu vernichten. Die Beseitigung Israels ist für ihn eine "religiöse Pflicht", wie er in seinem Schriftsatz vom hervorgehoben hat. Erweist sich die Verneinung des Existenzrechts Israels als für den Kläger identitätsstiftend, so kann das Propagieren der entsprechenden politischen Ziele nicht ohne ein vollständiges Betätigungsverbot wirksam verhindert werden. Vielmehr wäre im Falle des fortdauernden Wirkens des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland damit zu rechnen, dass er sich zur Wahrung seiner Identität über ein etwaiges Verbot von Äußerungen zum Nahostkonflikt zumindest im internen Kreis seiner Mitglieder hinwegsetzen würde. Aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der religiösen und weltanschaulichen Vereinigungsfreiheit ergäbe sich nichts Anderes.
Ebenso wenig scheidet der Verbotsgrund deshalb aus, weil nicht ersichtlich ist, dass der Kläger seine Äußerungen zur Bekämpfung und Beseitigung Israels sowie zur Vernichtung von Menschenleben in entsprechende Handlungen umgesetzt hat. Diesen Äußerungen kommt ein solches Gewicht zu, dass es auch der religiösen und weltanschaulichen Vereinigungen grundsätzlich zustehende verfassungsrechtliche Schutz nicht gebieten würde, von einem Verbot deshalb abzusehen, weil den Äußerungen bisher keine entsprechenden Taten gefolgt sind. Denn die Aufforderungen zur Bekämpfung und Vernichtung Israels sind - wie erwähnt - aus Sicht des Klägers Ausdruck einer religiösen Pflicht, und solche Pflichten sind sowohl wegen ihres existenzergreifenden Anspruchs als auch nach den vorliegenden historischen Erfahrungen in besonderem Maß darauf angelegt, eingelöst zu werden.
Da nach alledem auch mit Blick auf das Grundrecht aus Art. 4 GG ein hinreichend gewichtiger Verbotsgrund vorliegt, erweist sich die angefochtene Verfügung zugleich als nicht unverhältnismäßig. Einer gesonderten Prüfung am Maßstab des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bedarf es nicht (vgl. BVerwG 1 A 3.80 - BVerwGE 61, 218 <222>; BVerwG 1 A 4.98 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 31 S. 24). Selbst wenn eine solche Prüfung geboten wäre, würden sich nach dem Gesagten gegen die Rechtmäßigkeit der Verfügung keine durchgreifenden Bedenken ergeben. Insbesondere wäre es aus den aufgezeigten Gründen auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden, dass sich die Behörde nicht darauf beschränkt hat, die Betätigung von S. H. A. oder Äußerungen zum Nahostkonflikt zu untersagen, und dass sie von dem Verbot nicht deshalb abgesehen hat, weil der Kläger die das Verbot begründenden Äußerungen nicht in Handlungen umgesetzt hat.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 25 000 € festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F. i.V.m. § 72 Nr. 1 GKG n.F.).
Fundstelle(n):
NJW 2006 S. 1990 Nr. 27
GAAAC-12953