Leitsatz
Die Leistung von Blindenhilfe auf der Grundlage des Bundesversorgungsgesetzes führt nicht zu einem Erstattungsanspruch des Bundes gegenüber einem Bundesland, das für seine Bürger die Gewährung eines ergänzenden Blindengeldes vorsieht.
Die Länder sind nicht verpflichtet, freiwillige Sozialleistungen unter Anrechnung auf Leistungen der Kriegsopferfürsorge zu erbringen, die der Bund zu tragen hat, und diesen so von Kriegsfolgelasten freizustellen.
Gesetze: GG Art. 72 (F. ); GG Art. 74 (F. ); BVG § 25 Abs. 1; BVG § 25 Abs. 2; BVG § 25a Abs. 1; BVG § 25b Abs. 1; BVG § 27d Abs. 1 Nr. 8 (F. 1982 bzw. Nr. 7 F. 1990); BVG § 27d Abs. 3 Satz 1; Hess. Landesblindengeldgesetz § 1 Abs. 1 Satz 1; Hess. Landesblindengeldgesetz § 4 Abs. 1
Instanzenzug: VG Kassel VG 5 E 4297/96 vom
Gründe
I.
Die Klägerin fordert von dem Beklagten die Erstattung von ihr getragener Kosten von Leistungen, die der Beklagte im Rahmen der Kriegsopferfürsorge zu Lasten der Klägerin erbracht hat.
Der Beklagte gewährte der Kriegerwitwe A. M. im streitbefangenen Zeitraum (September 1989 bis Dezember 1996) Blindenhilfe nach § 27d Abs. 1 Nr. 7 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und ergänzend Leistungen nach dem Hessischen Landesblindengeldgesetz. Zunächst betrugen die monatlichen Leistungen der Kriegsopferfürsorge 856,- DM und die Aufstockung nach dem Hessischen Landesblindengeldgesetz 84,- DM, zuletzt beliefen die Leistungen sich auf 1 046,- DM zuzüglich 92,- DM. Die Leistungen der Kriegsopferfürsorge hatte aufgrund der Regelung in § 1 Abs. 1 Nr. 8 des Ersten Gesetzes zur Überleitung von Lasten und Deckungsmitteln auf den Bund die Klägerin zu 80 % zu tragen. Nachdem der Bundesrechnungshof die geübte Praxis bemängelt hatte, vertrat die Klägerin gegenüber dem Beklagten und dem Land Hessen die Auffassung, die Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz seien zu Unrecht erbracht worden. Diese seien nämlich nachrangig gegenüber Leistungen nach dem Hessischen Landesblindengeldgesetz, so dass allein Leistungen nach dem letztgenannten Gesetz hätten erbracht werden dürfen. Die Kostentragung durch die Klägerin sei daher zu Unrecht erfolgt.
Mit der am erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Erstattung des Betrages von 67 836,80 DM nebst 5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Voraussetzungen des geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanpruchs in entsprechender Anwendung der Regelungen der §§ 812 ff. BGB über die Herausgabe einer ohne rechtlichen Grund erlangten Leistung lägen nicht vor. Die der Klägerin in Rechnung gestellte Leistung von Blindenhilfe sei zu Recht im Rahmen der Kriegsopferfürsorge erfolgt, und die nur ergänzenden Leistungen nach dem Hessischen Landesblindengeldgesetz seien nicht zu beanstanden. Das Bundesversorgungsgesetz enthalte gegenüber Leistungen nach den Blindengeldgesetzen der Länder keinen Nachranggrundsatz. Zwar verweise § 27d Abs. 3 Satz 1 BVG auf die Regelungen des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) und damit auch auf den Nachranggrundsatz des § 67 Abs. 1 Satz 1 BSHG, der nur als Wiederholung des allgemeinen Selbsthilfe- und Nachranggrundsatzes des § 2 Abs. 1 BSHG zu sehen sei, doch sei im Recht der Kriegsopferfürsorge ein so weitgehender allgemeiner Nachranggrundsatz wie in § 2 BSHG nicht enthalten; gemäß § 25a Abs. 1 Satz 1 BVG sei die Kriegsopferfürsorge vielmehr nachrangig allein gegenüber dem eigenen Einkommen und Vermögen des Hilfebedürftigen und den Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz selbst. Gegen einen weiten, insbesondere auch gegenüber anderen Sozialleistungen geltenden Nachranggrundsatz wie in § 2 Abs. 1 BSHG spreche auch die allgemeine Zielrichtung der Kriegsopferfürsorge, deren bestimmendes Merkmal das erbrachte und ausgleichspflichtige Sonderopfer der Kriegsbeschädigten und Hinterbliebenen und ihre dauerhafte Schutzfunktion, nicht das an dem Existenzminimum orientierte Denken der allgemeinen Fürsorge sei. Demgemäß seien die Leistungen nach dem Hessischen Landesblindengesetz zwar vorrangig gegenüber Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz, jedoch nachrangig gegenüber Leistungen der Kriegsopferfürsorge.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin mit Zustimmung des Beklagten die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision eingelegt, mit der sie eine Verletzung des § 27d Abs. 3 Satz 1 BVG i.V.m. § 67 Abs. 1 BSHG rügt.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Das beigeladene Land schließt sich dem Vorbringen des Beklagten an.
II.
Die Sprungrevision der Klägerin ist unbegründet, so dass sie zurückzuweisen ist (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung des Bundesanteils an der im Rahmen der Kriegsopferfürsorge gewährten Blindenhilfe an die Kriegerwitwe A. M. hat.
Ein solcher Erstattungsanspruch würde voraussetzen, dass die von der Klägerin erbrachten Ausgleichszahlungen ohne Rechtsgrund erfolgt wären. Dies könnte nur dann der Fall sein, wenn bei richtiger rechtlicher Sachbehandlung durch den Beklagten die Blindenhilfe an Frau A. M. nicht in Form von Leistungen der Kriegsopferfürsorge nach §§ 25 bis 27e (hier: Blindenhilfe nach § 27d Abs. 1 Nr. 8) BVG in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl I S. 21) (entspricht Abs. 1 Nr. 7 F. 1990) zu leisten gewesen wäre, welche die Klägerin anteilsmäßig zu 80 % zu tragen hat (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 8 des Ersten Gesetzes zur Überleitung von Lasten und Deckungsmitteln auf den Bund vom <BGBl 1955 I., S. 193> in der Fassung des Art. V § 1 Nr. 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts <Zweites Neuordnungsgesetz - 2. NOG> vom <BGBl I, S. 85>), sondern ausschließlich als Blindengeld auf landesrechtlicher Grundlage nach dem Hessischen Landesblindengeldgesetz (Gesetz über das Landesblindengeld für Zivilblinde <Landesblindengeldgesetz - LBliGG -> vom <GVBl für das Land Hessen, Teil I, S. 414>).
Nach dem unstreitigen Sachverhalt ist davon auszugehen, dass die Empfängerin der Leistungen dem Grunde nach sowohl die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Blindenhilfe nach dem Bundesversorgungsgesetz als auch für die Gewährung von Blindengeld nach dem Hessischen Landesblindengeldgesetz erfüllte. Allerdings enthalten sowohl das bundesrechtlich geregelte Kriegsopferfürsorgerecht wie das Landesblindengeldgesetz Nachrang- bzw. Anrechnungsregelungen, deren Verhältnis zwischen den Beteiligten streitig ist.
Für die Hilfen in besonderen Lebenslagen im Rahmen der Kriegsopferfürsorge (§§ 25 ff. BVG), zu denen gemäß § 27d Abs. 1 Nr. 7 BVG (F. 1990) die Blindenhilfe zählt, bestimmt § 27d Abs. 3 BVG, dass "Abschnitt 3 des Bundessozialhilfegesetzes unter besonderer Berücksichtigung der Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen entsprechend (gilt)." In Abschnitt 3 des Bundessozialhilfegesetzes betreffend Hilfe in besonderen Lebenslagen bestimmt § 67 Abs. 1 BSHG, dass Blinden zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen Blindenhilfe (nur) zu gewähren ist, "soweit sie keine gleichartigen Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten." Nach § 1 Abs. 1 des Hessischen Landesblindengeldgesetzes erhalten Blinde, die ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Land Hessen haben, "zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen" nach vollendetem ersten Lebensjahr Landesblindengeld; nach § 4 Abs. 1 des Gesetzes werden - ähnlich der Regelung in § 67 Abs. 1 BSHG - auf das Blindengeld "die Leistungen angerechnet, die dem Berechtigten ... zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen nach anderen Rechtsvorschriften zustehen". Damit stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der beiden Regelungen: Träte die Blindenhilfe nach dem Bundesversorgungsgesetz hinter den landesrechtlichen Leistungsanspruch zurück und wäre Frau A. M. statt der Blindenhilfe nach dem Bundesversorgungsgesetz Landesblindengeld zu gewähren gewesen, käme ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der dann ohne Rechtsgrund übernommenen Kosten in Betracht.
Sucht man die Frage des Vor- und Nachrangs der Blindenhilfe nach dem Bundesversorgungsgesetz und des Blindengeldes nach dem Hessischen Landesblindengeldgesetz zunächst vom Wortlaut der Bestimmungen her zu ermitteln, so ist zu berücksichtigen, dass nach § 67 Abs. 1 BSHG Blindenhilfe zu gewähren ist, soweit die Blinden keine gleichartigen Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften "erhalten", während eine Anrechnung der Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften gemäß § 4 Abs. 1 Hess. LBliGG schon dann stattfindet, wenn dem Berechtigten die Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften "zustehen". Danach wäre die Blindenhilfe nach dem Bundesversorgungsgesetz nur nachrangig, wenn der Berechtigte tatsächlich Leistungen nach dem Landesblindengeldgesetz "erhalten" hätte - was vorliegend in Höhe der Leistungen der Kriegsopferfürsorge gerade nicht der Fall war -, während umgekehrt auf das Landesblindengeld auch solche Leistungen anzurechnen sind, die dem Berechtigten lediglich "zustehen", was in Bezug auf die hier erbrachten Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz zutraf.
Die formale Wortlautinterpretation lässt jedoch weiter gehende Gesichtspunkte wie die föderale Lastenverteilung, die Bedeutung und Grenzen der für die jeweiligen Leistungen in Betracht kommenden Gesetzgebungskompetenzen des Bundes und der Länder sowie die unterschiedlichen Regelungsziele unberücksichtigt, welche ebenfalls für die Auslegung bedeutsam sind.
Vom Gesichtspunkt föderaler Lastenverteilung her, welche auf der oben angeführten gesetzlichen Grundlage dem Bund 80 % der Aufwendungen für die Kriegsopferfürsorge nach den §§ 25 bis 27e BVG zuweist, besteht für das Land Hessen weder eine Rechtspflicht noch ein Anlass, dem Bund durch das Landesblindengeld einen Teil der Kriegsfolgelasten abzunehmen. Das Land kann ohne Rechtspflicht gegenüber dem Bund erbrachte soziale Leistungen an Einwohner des Landes grundsätzlich so regeln, dass rechtlich bestehende Leistungspflichten und Finanzierungslasten des Bundes unberührt bleiben und nicht durch die freiwilligen Leistungen des Landes abgelöst werden. Umgekehrt ist nicht ersichtlich, dass der Bundesgesetzgeber mit der Anordnung der (entsprechenden) Anwendung des sozialhilferechtlichen Nachrangprinzips das Ziel verfolgt haben könnte, die finanziellen Lasten der Kriegsopferfürsorge von sich auf die Länder abzuwälzen, und zwar selbst dann, wenn ein Land durch eine Anrechnungsregelung klargestellt hat, dass mit den freiwílligen Sozialleistungen des Landes ein befreiendes Eintreten für den Bund nicht beabsichtigt ist.
Auch eine Betrachtung unter dem Gesichtspunkt der für die Materie der Kriegsopferversorgung geltenden konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes führt entgegen der Annahme der Revision nicht zu dem Ergebnis, die landesrechtliche Nachrangregelung sei verfassungskonform einschränkend so auszulegen, dass sie im Streitfall nicht eingreife; diese Annahme verkennt das Verhältnis der bundes- und landesrechtlichen Regelungen, das hier durch eine Verantwortungsübernahme des Bundes im Wege der Inanspruchnahme seiner konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit für das Gebiet der Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 10 GG) gekennzeichnet ist.
Gemäß Art. 72 Abs. 1 GG in der bis zum geltenden Fassung, nach der die Kompetenzgemäßheit bis zu diesem Zeitpunkt erlassener Bundesgesetze zu beurteilen ist (vgl. von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, 3. Aufl. 1996, Art. 72 Rn. 18), haben die Länder im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch macht. Gemäß Art. 72 Abs. 2 GG hat der Bund in diesem Bereich das Gesetzgebungsrecht, soweit unter den in dieser Bestimmung näher qualifizierten Voraussetzungen ein Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung besteht. Die bundesgesetzliche Regelung hat für die Gesetzgebung der Länder eine Sperrwirkung zur Folge, wenn und soweit sie die betreffende Materie erschöpfend regelt. Ob dies der Fall ist, muss einer Gesamtwürdigung des betreffenden Normenkomplexes entnommen werden (BVerfGE 7, 342 <347>; 49, 343 <358>; 67, 299 <324>). Von einer erschöpfenden und abschließenden Regelung ist z.B. auch dann auszugehen, wenn der Sache nach ergänzende Regelungen zwar möglich, nach dem erkennbaren Regelungswillen aber ausgeschlossen sein sollen (BVerfGE 32, 319 <327>). Kraft dieser Sperrwirkung wäre es den Ländern versagt, eine der bundesgesetzlichen Regelung widersprechende Blinden-Fürsorge für Kriegsbeschädigte und Hinterbliebene zu schaffen und an die Stelle der bundesrechtlichen Regelung zu setzen.
Dass das Landesblindengeldgesetz nicht in die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes eingreifen will, ergibt sich bereits daraus, dass es keine in Art. 74 GG genannte Materie regelt. Es regelt weder die öffentliche Fürsorge (Art. 74 Nr. 7 GG) noch die Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen (Art. 74 Nr. 10 GG), sondern gewährt jedem Berechtigten mit Wohnsitz oder ständigem Aufenthalt in Hessen ein Blindengeld, und zwar - im Gegensatz zur Sozialhilfe und zur Kriegsopferfürsorge - unabhängig von Einkommen und Vermögen. Es will für seinen Geltungsbereich nicht Leistungssysteme des Bundes durchbrechen oder verdrängen, sondern trifft Regelungen - wie die Anrechnungsbestimmung des § 4 Abs. 1 LBliGG zum Ausdruck bringt - auf der als bestehend vorausgesetzten Grundlage dieser Leistungssysteme. Für den Bereich der Kriegsopferfürsorge werden damit nicht dessen besondere Voraussetzungen außer Kraft gesetzt, was mit der Sperrwirkung der bundesgesetzlichen Regelung nicht vereinbar wäre, sondern in Ergänzung der bestehenden bundesrechtlichen Fürsorgeleistungen landesrechtliche Leistungen angeboten. Keine Rolle spielt dabei, ob der Landesgesetzgeber entsprechend seiner Intention, bundesrechtliche Leistungssysteme unangetastet zu lassen, das Nichtbestehen bundesrechtlicher Leistungsansprüche als (negative) Anspruchsvoraussetzung definiert, oder ob er insoweit den Weg einer Anrechnung wählt.
Soweit die Klägerin in dem durch den Verzicht des Landesrechts auf eine umfassende Einkommensüberprüfung erleichterten Bezug von Landesblindengeld eine Schlechterstellung von Kriegsopferfürsorgeberechtigten, die nicht selbst Kriegsblinde sind, gegenüber anderen Zivilblinden sieht, ist dies als Folge der vom Landesgesetzgeber nicht angetasteten bundesrechtlichen Leistungsregelung hinzunehmen.
Von diesen Erwägungen abgesehen, spricht auch die Besonderheit der Materie der Blindenfürsorge als Teil der Kriegsopferfürsorge gegen eine Heranziehung der entsprechend geltenden Nachrangklausel des § 67 BSHG zur Begründung einer Vorrangigkeit freiwilliger landesrechtlicher Leistungen. Nach § 25 Abs. 2 BVG ist es Aufgabe der Kriegsopferfürsorge, sich der Beschädigten und ihrer Familienmitglieder sowie der Hinterbliebenen in allen Lebenslagen anzunehmen, um die Folgen der Schädigung oder des Verlustes des Angehörigen angemessen auszugleichen oder zu mildern. Die Leistungen werden nach § 25a Abs. 1 BVG gewährt, wenn die Betroffenen nicht in der Lage sind, den für sie anerkannten Bedarf "aus den übrigen Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz und dem sonstigen Einkommen und Vermögen zu decken". Dieser Regelung ist zu entnehmen, dass die Kriegsopferfürsorge neben dem eigenen Einkommen und Vermögen allein gegenüber den Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz selbst nachrangig ist. Ziel des Bundesversorgungsgesetzes im Allgemeinen und der Kriegsopferfürsorge im Besonderen ist es dabei, die für die staatliche Gemeinschaft erbrachten Sonderopfer der Kriegsbeschädigten und Hinterbliebenen auszugleichen (vgl. BVerwG 5 C 42.75 - <BVerwGE 52, 201, 208: "Schadensausgleich"; Wilke/Förster, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl. 1992, § 25 BVG Rn. 2). In der Anknüpfung an das erbrachte und ausgleichspflichtige Sonderopfer der Betroffenen unterscheidet sich die Kriegsopferfürsorge nach dem Bundesversorgungsgesetz von dem an der Sicherung eines Existenzminimums orientierten Denken der allgemeinen Fürsorge bzw. Sozialhilfe (Schieckel u.a., Bundesversorgungsgesetz, Kommentar, 5. Aufl., Stand Januar 1989, § 25 Vorbemerkung). Gegenüber dieser ist die Kriegsopferfürsorge daher als ein eigenständiges System zu sehen, das einer speziellen Aufgabe zu dienen bestimmt ist.
Vor diesem Hintergrund ist für die Hilfe in besonderen Lebenslagen nach § 25b Abs. 1 Nr. 6 BVG (F. 1982), unter welche nach § 27d Abs. 1 Nr. 7 BVG (F. 1990) auch die Blindenhilfe fällt, die Verweisung in § 27d Abs. 3 Satz 1 BVG auf Abschnitt 3 des Bundessozialhilfegesetzes zu sehen, welcher "unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen entsprechend (gilt)". Für die Frage, inwieweit der in § 67 Abs. 1 Satz 1 BSHG angeordnete Nachrang der Blindenhilfe gegenüber Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften hier entsprechend gilt, ergibt sich daraus die einschränkende Maßgabe, dass das System von Fürsorgeleistungen für Beschädigte und ihre Hinterbliebenen unberührt bleiben soll.
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang auf die Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung für das 17. Anpassungsgesetz-KOV 1988 hingewiesen, durch welche der Änderungsvorschlag hinsichtlich der Nachrangigkeit von Leistungen der Kriegsopferfürsorge für Behinderte begründet wurde (BTDrucks 11/2042, S. 7):
"Die Leistungen der Kriegsopferfürsorge haben ihren Rechtsgrund im Sonderopfer für die staatliche Gemeinschaft. Sie unterscheiden sich daher in ihrer sozialen Schadensausgleichsfunktion und in ihrem besonderen kausalen Bezug zur Schädigung i.S. des sozialen Entschädigungsrechts von den finalen Leistungen der Sozialhilfe. Die bisherige Verweisung von Familienangehörigen eines Beschädigten auf den vorrangigen eigenen Sozialhilfeanspruch wegen Behinderung widerspricht dem entschädigungsrechtlich bestimmten Auftrag der Kriegsopferfürsorge. Nach § 25 Abs. 2 BVG ist Auftrag der Kriegsopferfürsorge, sich allen Familienmitgliedern in allen Lebenslagen anzunehmen, um die Folgen der Schädigung angemessen auszugleichen oder zu mildern."
Der danach gebotene Vorrang der Kriegsopferfürsorge gegenüber den Leistungen der Sozialhilfe wird auch in dem Bericht des Abgeordneten Louven betont, der sich ebenfalls mit der genannten Gesetzesänderung befasst (BTDrucks 11/2315, S. 10 <12> zu Artikel 1 a Nr. 2):
"... Hinsichtlich der wegen ihrer Behinderung erforderlichen Leistungen (z.B. Eingliederungshilfe, Hilfe zur Pflege) werden die Familienmitglieder derzeit auf Ansprüche nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften und damit praktisch auf die Sozialhilfe verwiesen. Diese Verweisung widerspricht dem entschädigungsrechtlich begründeten Vorrang der Kriegsopferfürsorge und führt dazu, dass bei Leistungen für behinderte Familienmitglieder - je nach der Art der Hilfe - unterschiedliche Behörden zuständig sind ..."
Danach kann auch gegenüber freiwilligen Leistungen der Länder, die eine Kostenentlastung des Bundes auf dem Gebiet der Kriegsopferfürsorge nicht bezwecken und eine Anrechnung dieser Leistungen vorsehen, ein Nachrang der Kriegsopferfürsorge nicht aus § 27d Abs. 3 BVG i.V.m. § 67 Abs. 1 BSHG hergeleitet werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf § 188 Satz 2 VwGO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
YAAAC-12853