BVerwG Urteil v. - 2 C 7.04

Leitsatz

Wegen eines Unfalls in einer privaten Garage ist der Beamte unfallfürsorgerechtlich auch dann nicht geschützt, wenn der Unfall auf dem Weg von und zur Dienststelle geschieht.

Gesetze: BeamtVG § 31 Abs. 1; BeamtVG § 31 Abs. 2

Instanzenzug: VG Aachen VG 1 K 2186/98 vom OVG Münster OVG 1 A 228/01 vom

Gründe

I.

Der 1956 geborene Kläger ist Posthauptsekretär im Dienst der Beklagten und bei der Deutschen Post AG beschäftigt. Unter dem meldete er der zuständigen Unfallkasse, er habe am auf dem Heimweg von seiner Dienststelle einen Unfall erlitten. Er habe seinen Pkw in einer 60 m von seinem Wohnhaus entfernten privaten Garage geparkt und sich beim Aussteigen aus dem Wagen den linken Fuß vertreten. Er habe ein plötzliches Brennen im ganzen Fußbereich einschließlich der Ferse verspürt und anschließend beim Gehen Schmerzen gehabt, so dass er sich am nächsten Tag in ärztliche Behandlung begeben habe.

Die Beklagte lehnte die Anerkennung eines Dienstunfalls ab, weil der Aufenthalt in einer privaten Garage dienstunfallrechtlich nicht geschützt sei. Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben.

Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, der Unfall hänge nicht mit dem Dienst zusammen. Ein Beamter sei unfallfürsorgerechtlich nur geschützt, solange er sich auf dem unmittelbaren Weg zwischen seiner Dienststelle und seinem regelmäßigen häuslichen Wirkungskreis befinde und der zurückgelegte Weg in einem inneren Zusammenhang mit dem Dienst stehe. Befinde sich der Beamte jedoch innerhalb seines privaten häuslichen Wirkungskreises, bestehe kein Dienstunfallschutz. Bei einer privaten Garage müsse unabhängig von ihrer räumlichen Lage zum eigentlichen Wohnbereich des Beamten und auch unabhängig davon, ob sie in seinem Eigentum stehe oder nur von ihm gemietet sei, von einem privaten Bereich ausgegangen werden, so dass der dortige Aufenthalt den Weg zwischen Dienststelle und Wohnung unterbreche.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts und beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom und des Verwaltungsgerichts Aachen vom sowie die Bescheide der Beklagten vom 19. Januar und aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Unfall vom als Dienstunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Unfallfürsorge, weil er am keinen Dienstunfall erlitten hat.

Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Gemäß Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 dieser Vorschrift in der hier maßgeblichen, bis gültigen Fassung vom (BGBl I 1942) gilt als Dienst auch das Zurücklegen des mit dem Dienst zusammenhängenden Weges nach und von der Dienststelle. Von der Unfallfürsorge umfasst ist dieser Weg allerdings nur, wenn er mit dem Dienst in einem funktionalen Zusammenhang steht und die mit dem Dienst nicht zusammenhängenden Ursachen in den Hintergrund treten, der Weg also wesentlich durch den Dienst geprägt ist (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG 2 C 29.03 - ZBR 2004, 433 m.w.N. <zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts vorgesehen>). Erfasst werden die typischen und atypischen Gefahren des allgemeinen Verkehrs.

Obgleich § 31 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BeamtVG als Ziel und Ausgangspunkt des Weges nur die Dienststelle nennt, ist das korrespondierende Ende des Weges die Familienwohnung des Beamten (vgl. BVerwG 2 C 29.03 - a.a.O. <m.w.N.>). Diese reicht nach der bisherigen Rechtsprechung grundsätzlich bis zur Außentür des Wohnhauses, in dem die Wohnung des Beamten gelegen ist (vgl. BVerwG 6 C 29.65 - BVerwGE 28, 105 <107 ff.>; zur gesetzlichen Unfallversicherung vgl. 2/9b RU 6/87 - BSGE 63, 212 <213>). Da der Kläger auf dem Heimweg von seiner Dienststelle noch keine Außentür seines Wohnhauses durchschritten hatte, befand er sich grundsätzlich im unfallfürsorgerechtlich geschützten Bereich. Allerdings hat er diesen Bereich verlassen und seinen Heimweg unterbrochen, solange er sich in seiner Garage aufhielt.

Der Gesetzgeber hat den Wegeunfall dem Dienstunfall lediglich gleichgestellt und damit zu erkennen gegeben, dass der Weg zwischen Dienststelle und Familienwohnung - wie vor der Einführung des Wegeunfallschutzes - im beamtenrechtlichen Sinne kein Dienst ist. Die Gleichstellung ist eine sozialpolitisch motivierte zusätzliche Leistung des Dienstherrn (so auch - NJW 2001, 2039 zur gesetzlichen Unfallversicherung). Da der Wortlaut der Vorschrift sich zu den Kriterien dieses - erweiterten - Unfallschutzes nicht verhält, muss § 31 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BeamtVG nach Sinn und Zweck ausgelegt werden. Danach dient die Gleichstellung des Wegeunfalls mit dem Dienstunfall der Erweiterung der Unfallfürsorge des Dienstherrn auf die außerhalb der eigenen Wohnung herrschenden Gefahren des allgemeinen Verkehrs. Denn die dortigen Gefahren können weder der Beamte noch der Dienstherr im Wesentlichen beherrschen oder beeinflussen. Die gesetzestechnische Konstruktion der Gleichstellung durch eine gesetzliche Fiktion in § 31 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BeamtVG, ferner Sinn und Zweck sowie die Konzeption dieser Vorschrift als Ausnahmeregelung lassen jedoch erkennen, dass es zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Ausdehnung der Unfallfürsorge auf die im Wesentlichen vom Beamten beherrschten privaten Lebensbereiche kommen soll. Das zwingt zur restriktiven Auslegung der Vorschrift mit der Folge, dass grundsätzlich sämtliche Bereiche nicht vom Dienstunfallschutz erfasst sind, in denen der Beamte die dort gegebene Unfallgefahr im Wesentlichen selbst beherrschen und beeinflussen kann.

Zur Abgrenzung des von der Unfallfürsorge erfassten öffentlichen von dem nicht erfassten privaten Lebensbereich des Beamten hat sich in der Rechtsprechung mit der Außentür des Wohngebäudes des Beamten eine räumliche Grenzziehung herausgebildet, die an objektive Merkmale knüpft und im Allgemeinen leicht feststellbar ist (vgl. BVerwG 6 C 29.65 - a.a.O. und - NJW 2002, 84 m.w.N.). Diese Grenzziehung nimmt Ungereimtheiten in Kauf. Dazu gehören einerseits etwa die Einbeziehung von Hof oder Vorgarten in den von der Unfallfürsorge erfassten Bereich und andererseits deren Ausschluss in den Gemeinschaftsflächen eines Mehrfamilienhauses, obgleich der Grad der Beherrschbarkeit des Unfallrisikos in beiden Bereichen prinzipiell gleich ist. Diese Ungereimtheiten scheinen zum Teil unvermeidbar und sind hinnehmbar, solange es zu keiner vom Gesetzgeber nicht gewollten und deshalb nicht mehr akzeptablen Ausdehnung der Unfallfürsorge auf die Bereiche kommt, deren Gefahrenlage der Beamte im Wesentlichen selbst beherrschen und beeinflussen kann. Andernfalls trüge der Dienstherr das Risiko des Wegeunfalls entgegen seiner sozialpolitisch motivierten Absicht nicht nur in dem Bereich, in dem weder er noch der Beamte in der Lage sind, das Unfallrisiko zu beherrschen, sondern auch in den privaten Lebensbereichen des Beamten.

Zu diesem privaten Lebensbereich gehört die Wohnung des Beamten. Nichts anderes kann für den Innenraum einer dem Beamten zur Nutzung überlassenen Garage gelten. In beiden Bereichen beherrscht der Beamte die jeweils gegebene Unfallgefahr gleichermaßen im Wesentlichen selbst. Zur vereinfachten Abgrenzung zwischen dem privaten und dem öffentlichen Bereich einer Garage dient parallel zur Außentür des Wohnhauses das Garagentor. Denn vor dem Garagentor kann unter Inkaufnahme der geschilderten dogmatischen Ungereimtheiten eine dem Bereich vor der Außentür des Wohnhauses vergleichbare Gefahrensituation pauschal unterstellt werden.

Die Beherrschbarkeit des Risikos ist ein unschwer zu konkretisierender unbestimmter Rechtsbegriff, der bei fallspezifischem Abgrenzungsbedarf durch eindeutige und sinngerechte Grenzziehungen, wie etwa durch das Abstellen auf Außentüren, ergänzt werden kann und geeignet ist, trotz sehr unterschiedlicher Wohnverhältnisse die unvermeidbare Kasuistik in Grenzen zu halten. Im Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, das die Grenze der privaten und der öffentlichen Risikosphäre stets in der Außentür des Wohnhauses sieht, so dass auch der Innenraum einer Garage, unabhängig von deren Lage zum Wohnhaus des Arbeitnehmers, zum unfallversicherten Bereich zählt (vgl. - BSGE 42, 293 und vom - B 2 U 39/99 R - a.a.O.), sieht der erkennende Senat auch unter Berücksichtigung der Vorteile einer einheitlichen Rechtsprechung zum Unfallschutz der Beamten und Arbeitnehmer keine Notwendigkeit, das der gesetzlichen Regelung in § 31 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BeamtVG nach Sinn und Zweck der Vorschrift zugrunde liegende Kriterium der Beherrschbarkeit des Risikos zu Lasten der öffentlichen Kassen auch dort zugunsten einer starren Grenzziehung aufzugeben, wo es für eine einfache Grenzziehung nicht erforderlich ist.

Zwar führt diese Rechtsauffassung zu einer Schlechterstellung des Beamten im Vergleich zum Arbeitnehmer in der gesetzlichen Unfallversicherung. Es gibt jedoch keinen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums des Inhalts, dass Beamte dienstunfallrechtlich in jeder Beziehung den Arbeitnehmern gleichgestellt werden müssen. Es ist vielmehr dem Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit überlassen, inwieweit er Verbesserungen des sozialversicherungsrechtlichen Unfallschutzes in das Beamtenrecht einführt (vgl. BVerwG 6 B 57.77 - Buchholz 232 § 135 BBG Nr. 59 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 4 000 € festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F., § 71 Abs. 1 GKG).

Fundstelle(n):
VAAAC-12345