Leitsatz
Der Dienstherr darf bei der Erstattung der Kosten für die Anschaffung einer Bildschirmarbeitsbrille eine dem Beamten gewährte Versicherungsleistung nicht anrechnen.
Gesetze: ArbSchG § 18; ArbSchG § 19; ArbSchG § 2 Abs. 2 Nr. 4; BildScharbV § 6; EGRL 90/270/EWG Art. 9
Instanzenzug: VG Freiburg VG 3 K 1430/00 vom
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Erstattung eines Teils der Anschaffungskosten einer Bildschirmarbeitsbrille. Er ist Beamter im Dienst der Beklagten. Deren Arbeitsmedizinischer Dienst empfahl ihm, sich eine spezielle Sehhilfe für die Arbeit am Bildschirmarbeitsplatz zu beschaffen. Der Kläger erwarb daraufhin eine vom Augenarzt verordnete, nur für die Arbeit am Bildschirm geeignete Bifokal-Brille. Die Brille ist mit Kunststoffgläsern ausgestattet. Sie kostete 800 DM. Auf das Brillengestell entfielen 319 DM. Die private Krankenversicherung des Klägers erstattete 368,40 DM. Die Übernahme der restlichen Kosten in Höhe von 431,60 DM lehnte die Beklagte ab. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, dem Kläger 400 DM zu erstatten und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Dienstherr verpflichtet sei, dem Beamten die für die Arbeit am Bildschirm erforderlichen Sehhilfen zur Verfügung zu stellen. Werde dem Beamten stattdessen der Erwerb einer Sehhilfe freigestellt, seien alle erforderlichen Aufwendungen zu ersetzen, ohne dass von dem Beamten eine Kostenbeteiligung verlangt werden könne. Die Festsetzung von Erstattungsobergrenzen nach den Bestimmungen des Beihilferechts sei ebenso unzulässig wie die Anrechnung privater Krankenversicherungsleistungen. Daher könne der Kläger die Erstattung des Betrages verlangen, der nach Aussage eines Sachverständigen für die Beschaffung einer geeigneten Brille notwendig sei, ohne dass vom Kläger vor dem Kauf bei verschiedenen Optikern umfangreiche Preisvergleiche gefordert werden dürften.
Mit der Sprungrevision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit der Kläger mehr als 36,60 DM fordert.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision der Beklagten ist begründet, soweit das Verwaltungsgericht dem Kläger mehr als 320 DM (entspricht 163,61 €) zugesprochen hat. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger für den Erwerb der Bildschirmarbeitsbrille 320 DM zu erstatten. Im Übrigen ist die Revision unbegründet.
Im Revisionsverfahren geht es nur noch um eine Forderung in Höhe von 363,40 DM. Bereits rechtskräftig entschieden ist, dass dem Kläger die Kosten der Kunststoffgläser in Höhe von 31,60 DM nicht erstattet werden. Einen Anspruch auf einen Betrag von 36,60 DM hat die Beklagte im Revisionsverfahren anerkannt.
Nach § 6 Abs. 2 der Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit an Bildschirmgeräten (Bildschirmarbeitsverordnung - BildscharbV) vom (BGBl I S. 1841 <1843>) sind den Beschäftigten im erforderlichen Umfang spezielle Sehhilfen für ihre Arbeit an Bildschirmgeräten zur Verfügung zu stellen, wenn eine Untersuchung nach Abs. 1 dieser Vorschrift ergeben hat, dass diese Sehhilfen notwendig und normale Sehhilfen nicht geeignet sind. § 6 BildscharbV dient der Umsetzung von Art. 9 der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom - 90/270/EWG - (ABlEG Nr. L 156 S. 14). Gesetzliche Ermächtigungsgrundlage ist § 19 in Verbindung mit § 18 ArbSchG. § 6 BildscharbV gilt auch für Beamte (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 4 Arbeitsschutzgesetz - ArbSchG - vom , BGBl I S. 1246).
Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit darüber, dass der Kläger dem Grunde nach einen Anspruch auf die Bildschirmarbeitsbrille hat. Zwar haben die Beschäftigten nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 2 BildscharbV nur einen Anspruch darauf, dass ihnen der Arbeitgeber bzw., soweit es um Beamte geht, der Dienstherr eine spezielle Sehhilfe zur Verfügung stellt. Danach ist die Bildschirmarbeitsbrille ein Arbeitsmittel, das der Dienstherr bereitzuhalten hat. Überlässt es der Dienstherr dem Beamten mit dessen Einverständnis, die Bildschirmarbeitsbrille selbst zu beschaffen, entsteht ein Kostenerstattungsanspruch, der an die Stelle des vorrangigen Anspruchs auf Sachausstattung tritt. In diesem Falle ist der Betrag zu erstatten, den der Arbeitgeber für die Anschaffung des erforderlichen Arbeitsmittels hätte aufwenden müssen und der der Höhe nach weiterhin durch die tatsächlich entstandenen Kosten begrenzt wird.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, an die der Senat mangels entsprechender Verfahrensrügen gebunden ist (§ 137 Abs. 2 VwGO), kann der Kläger eine der ärztlichen Verordnung entsprechende Brille für 320 DM auf dem freien Markt erhalten. Dabei sind für das Brillengestell 40 DM und für beide Gläser zusammen 280 DM zu veranschlagen. Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht dem Kläger für die Gläser 360 DM zugesprochen. Zwar entspricht auch dieser Betrag noch den durchschnittlichen Erwerbskosten. Dies ergibt sich aus der vom Gutachter vorgelegten Preisübersicht. Bei der Vergleichsberechnung ist der Grundsatz der Sparsamkeit zu beachten. Danach sind der Dienstherr und deshalb ebenso der Kläger gehalten, eine geeignete Sehhilfe zu dem im Durchschnitt niedrigsten Marktpreis zu erwerben. Will sich der Kläger nicht der Mühe eines gegebenenfalls erforderlichen Kostenvergleichs unterziehen, hat er die Möglichkeit, auf seinem Recht gegenüber seinem Dienstherrn zu bestehen, ihm eine Bildschirmarbeitsbrille zur Verfügung zu stellen.
Die vom Kläger begehrte Kostenerstattung ist das Surrogat für den normativ vorgesehenen Anspruch auf Sachausstattung. Dies schließt es aus, dass nur ein Zuschuss zu den tatsächlich entstandenen oder notwendigen Aufwendungen gezahlt wird oder dass anderweitige zweckidentische Zahlungen angerechnet werden. Nach Art. 9 Satz 2 Nr. 3 der Richtlinie 90/270/EWG darf die Ausstattung der Arbeitnehmer mit der speziellen Sehhilfe in keinem Fall zu einer finanziellen Mehrbelastung der Arbeitnehmer führen. Mit dieser Vorgabe ist es nicht zu vereinbaren, wenn der Arbeitnehmer einen Teil der erforderlichen Aufwendungen im Ergebnis selbst tragen muss.
Der Kostenersatz erfolgt nicht auf der Grundlage der allgemeinen Fürsorgepflicht (§ 79 BBG), die die Gewährung von Beihilfen des Dienstherrn in Krankheitsfällen zusätzlich zu der zumutbaren Eigenbelastung des Beamten vorsieht. Hiervon unterscheidet sich die Pflicht des Dienstherrn, die erforderlichen Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen und für den Schutz des Beamten vor Unfällen und sonstigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz zu sorgen. Diese Schutzpflicht verbietet es auch, die Kosten für die Anschaffung der Bildschirmarbeitsbrille nach beihilferechtlichen Grundsätzen zu erstatten.
Für eine Anrechnung der Zahlungen, die die private Krankenversicherung des Klägers zu der Anschaffung der Brille geleistet hat, bedürfte es einer Rechtsgrundlage. Die Anrechnung würde die Höhe des Anspruchs, wie sie sich aus § 6 Abs. 2 BildscharbV ergibt, mindern. Vermögensleistungen, die Dritte aus Anlass des den gesetzlichen Anspruch begründenden Umstands erbringen, werden angerechnet, wenn dies ausdrücklich vorgeschrieben ist. Eine Anrechnung kommt ferner in Betracht, wenn der Schuldner eine Vermögenslage auszugleichen hat, für die - wie z.B. für einen Schaden i.S. des § 249 BGB - anerkannt ist, dass sie in ihrem Umfang dadurch bestimmt sein kann, dass das schadenstiftende Ereignis gleichzeitig zu einem Vermögensvorteil für den Geschädigten geführt hat (stRspr, vgl. - NJW-RR 2001, 1450). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.
Auch nach dem Rechtscharakter der Leistung, die nach § 6 Abs. 2 BildscharbV zu erbringen ist, verbietet sich eine Anrechnung des von der Versicherung gezahlten Betrages. § 6 Abs. 2 BildscharbV statuiert die Pflicht des Dienstherrn, dem Beamten ein Arbeitsmittel zu verschaffen. Ebenso wenig wie die Pflicht des Dienstherrn zur gegenständlichen Überlassung einer Bildschirmarbeitsbrille dadurch beeinflusst wird, dass der Beamte sich bereits eine derartige, z.B. für den häuslichen Gebrauch bestimmte Brille auf eigene Kosten angeschafft hat, ist es für die Pflicht zur Erbringung der Surrogatleistung, der Erstattung des Marktpreises der Brille, von Belang, dass der Beamte von Dritten aufgrund seiner speziellen Rechtsbeziehungen zu ihnen ebenfalls eine - partielle - Kostenerstattung erhält.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 185,80 € (entspricht 363,40 DM) festgesetzt (vgl. § 13 Abs. 2, § 73 Abs. 1 Satz 1 GKG).
Fundstelle(n):
HAAAC-12208