Leitsatz
Wirkt ein ehrenamtlicher Richter an einer mündlichen Verhandlung ohne die zu Beginn seiner Amtszeit gebotene Vereidigung mit, so ist das Gericht im Sinne des
§ 138 Nr. 1 VwGO nicht vorschriftsmäßig besetzt (stRspr). Dieser Mangel lässt sich durch nachgeholte Vereidigung nur beheben, wenn die mündliche Verhandlung in ihren wesentlichen Teilen wiederholt wird.
Gesetze: DRiG § 45 Abs. 2; VwGO § 138 Nr. 1
Instanzenzug: OVG NRW OVG 9a D 113/00.G vom
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Verfahrensrüge des Klägers greift durch, da der mit ihr geltend gemachte Mangel vorschriftswidriger Besetzung des Flurbereinigungsgerichts vorliegt und das angefochtene Urteil als auf ihm beruhend anzusehen ist (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 138 Nr. 1 VwGO). Dies führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Vorinstanz (§ 133 Abs. 6 VwGO).
Das Flurbereinigungsgericht war in der dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden mündlichen Verhandlung nicht vorschriftsmäßig besetzt, weil einer der drei mitwirkenden ehrenamtlichen Richter nicht vorher gemäß § 45 Abs. 2 DRiG vereidigt worden war. Wirkt an einer mündlichen Verhandlung oder einer Beratung des Gerichts ein ehrenamtlicher Richter ohne die zu Beginn seiner Amtszeit gebotene Vereidigung mit, so folgt daraus nach einhelliger Rechtsprechung ein Besetzungsmangel im Sinne des § 138 Nr. 1 VwGO (vgl. BVerwG 7 P 1.62 - BVerwGE 15, 96 <97>; Urteil vom - 2 WD 17.80 - BVerwGE 73, 78 <79>; - BGHSt 3, 175 <176>; - BGHSt 48, 290 <291>). Hieran ist festzuhalten. Zwar ist die Vereidigung kein Bestandteil der - durch den Wahlakt als solchen erfolgenden - Bestellung zum ehrenamtlichen Richter ( BVerwG 7 P 1.62 - a.a.O., S. 97; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 31 Rn. 2), so dass die Auffassung, im Falle fehlender Vereidigung habe ein Nichtrichter mitgewirkt (so 2 WD 17.80 - a.a.O., S. 79) als problematisch erscheint. Mit der Regelung, dass der ehrenamtliche Richter "vor seiner ersten Dienstleistung ... zu vereidigen" ist, bringt § 45 Abs. 2 DRiG aber unmissverständlich zum Ausdruck, dass die Vereidigung eine zwingende Voraussetzung für die Amtsausübung des ehrenamtlichen Richters darstellt. Dieses Verständnis wird bestätigt durch den Zweck der Eidesleistung. Sie soll den ehrenamtlichen Richter in einer feierlichen Form in die Pflicht nehmen. Es soll ihm auf diese Weise eindrücklich bewusst gemacht werden, welcher verantwortungsvollen Aufgabe er sich bei der Ausübung seines Richteramts zu unterziehen hat ( 2 WD 17.80 - a.a.O., S. 80). Damit wäre es unvereinbar, die Vereidigung als bloße Formalie anzusehen, deren Nichtbefolgung die vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts unberührt lässt (a.A. - soweit ersichtlich - allein Fürst/Mühl/ Arndt, Richtergesetz, § 45 Rn. 6).
Hiervon ausgehend war das Flurbereinigungsgericht in der mündlichen Verhandlung am vorschriftswidrig besetzt. Der ehrenamtliche Richter K., der an jenem Tag erstmals nach seiner Wahl sein Amt ausübte, wirkte an der Verhandlung mit, ohne vorher vereidigt worden zu sein. Dies steht fest aufgrund der dienstlichen Äußerung der Vorsitzenden Richterin, die die Vereidigung vorgenommen hat. Darin bestätigt sie die - auch vom Beklagten gestützte - Behauptung des Klägers, die fehlende Vereidigung sei erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung während der Urteilsberatung bemerkt und sodann in Gegenwart der auf die Urteilsverkündung wartenden Beteiligten nachgeholt worden, woraufhin die Beratung fortgesetzt worden sei.
Dass der Kläger diese Verfahrensweise widerspruchslos hinnahm, hat keinen Rügeverlust gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 295 ZPO zur Folge, denn auf die Beachtung der Vorschriften über die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts kann nicht verzichtet werden ( BVerwG 8 C 19.95 - BVerwGE 102, 7 <10> m.w.N.). Ohnehin hätte der Kläger prozessual wirksame Erklärungen erst nach Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung abgeben können.
Der Senat hat erwogen, ob der Verfahrensmangel durch die vor Abschluss der Urteilsberatung nachgeholte Vereidigung entfallen sein könnte. Das Gesetz bietet jedoch keinen Anhaltspunkt für die Annahme, ein einmal eingetretener Besetzungsmangel sei nachträglich ohne Wiederholung der betreffenden Amtshandlung behebbar; die nachgeholte Vereidigung deckte nur die künftige, nicht hingegen die vorangegangene Amtsführung des ehrenamtlichen Richters ab (vgl. - a.a.O., S. 291). Ein gewichtiges praktisches Bedürfnis, für eine solche Fallgestaltung eine Heilungsmöglichkeit zu bejahen, ist im Übrigen nicht ersichtlich, da das Gericht es in der Hand hat, den Mangel zu beheben, indem es die mündliche Verhandlung wiedereröffnet und sie in ihren wesentlichen Teilen wiederholt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 72 Nr. 1 GKG n.F. i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F.
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Fundstelle(n):
UAAAC-12114