Leitsatz
Die Ausschreibung des religiösen Oberhaupts eines inländischen religiösen Vereins zur Einreiseverweigerung im Schengener Informationssystem kann die Religionsfreiheit des Vereins nur verletzen, wenn dem dadurch vereitelten Besuch des Oberhaupts nach der jeweiligen Glaubenslehre eine wesentliche, spezifisch religiöse Bedeutung zukommt (im Anschluss an das BVerwG 1 C 35.00 - BVerwGE 114, 356).
Gesetze: AuslG § 60 Abs. 3; GG Art. 4 Abs. 1; GG Art. 4 Abs. 2
Instanzenzug: VG Koblenz VG 3 K 938/98 .KO vom OVG Koblenz OVG 12 A 10349/99 vom
Gründe
Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und auf eine Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Sie legt die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe nicht in einer Weise dar, die den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.
Die Beschwerde macht geltend, die Rechtssache werfe die Frage auf, "unter welchen Voraussetzungen Art. 4 Abs. 1 und 2 GG einer Religionsgemeinschaft grundsätzlich ein subjektives Recht vermittelt, dass ihre Interessen bei der Entscheidung über die besuchsweise Einreise des ausländischen Oberhaupts ihrer Glaubenslehre berücksichtigt werden". Sie hält es insbesondere für klärungsbedürftig, ob ein solcher Anspruch voraussetzt, dass in der konkreten Religionsgemeinschaft die Begegnung zwischen dem religiösen Oberhaupt und den Mitgliedern eine Bedeutung hat, die "die Schwelle des üblichen Charakters einer gemeinsamen Begegnung von Mitgliedern einer Religionsgemeinschaft mit ihrem kirchlichen Oberhaupt überschreitet". Eine solche darüber hinausgehende spezifisch religiöse Bedeutung der Begegnung habe das Berufungsgericht für die Annahme eines subjektiven Rechts des Klägers für erforderlich gehalten und im Falle des Besuchs der Eheleute M. verneint, weil es in tatsächlicher Hinsicht die Bedeutung bestimmter Segnungs- und Widmungshandlungen für nicht erwiesen angesehen habe. Die aufgeworfene Rechtsfrage sei grundsätzlich bedeutsam, weil sie eine Grundsatzfrage des Grundrechtsschutzes im Bereich der Religionsfreiheit und darüber hinaus der allgemeinen Grundrechtsdogmatik betreffe.
Mit diesem Vorbringen ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht dargetan. Die Beschwerde zeigt nämlich nicht - wie erforderlich - auf, dass sich die von ihr aufgeworfenen Rechtsfragen, soweit sie nicht bereits durch das Urteil des Senats vom - BVerwG 1 C 35.00 - BVerwGE 114, 356 geklärt sind, in dem angestrebten Revisionsverfahren stellen würden. Sie legt nicht dar, dass der vom Ehepaar M. geplante konkrete Besuch in der Bundesrepublik Deutschland im November 1995 - nur hierauf bezieht sich die Klage - Anlass geben könnte, die vom Bundesverwaltungsgericht in dem genannten Urteil aufgestellten abstrakten Maßstäbe für das Vorliegen eines subjektiven Rechts einer inländischen Religionsgemeinschaft in Bezug auf die Einreiseverweigerung gegenüber ihrem ausländischen Oberhaupt weiterzuentwickeln oder zu präzisieren. Gegenstand des Rechtsstreits ist das Feststellungsbegehren des Klägers - der Vereinigungskirche e.V., in der sich die deutschen Mitglieder der weltweit tätigen, von Herrn M. gegründeten Vereinigung zusammengeschlossen haben -, dass die im November 1995 erstmals veranlasste Ausschreibung des Ehepaars M. zur Einreiseverweigerung durch die Beklagte rechtswidrig ist. Der Sache nach geht es dem Kläger dabei, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom (a.a.O.) ausgeführt hat, um die Feststellung, dass die Beklagte bei der Entscheidung über die Ausschreibung der Eheleute M. zur Einreiseverweigerung eigene Rechte des Klägers zu berücksichtigen hat. Wie sich aus dieser Begründung dieser Entscheidung weiter ergibt, ist eine solche Berücksichtigungspflicht zugunsten einer religiösen Vereinigung, wenn es um die (besuchsweise) Einreise seines geistlichen Oberhaupts geht, im Hinblick auf das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG nicht von vornherein und nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen, so dass der Kläger - was damals nur zu entscheiden war - klagebefugt ist. Weiter hat der Senat seinerzeit ausgeführt: Angesichts der Weite des grundrechtlichen Schutzbereichs der Religionsausübungsfreiheit und im Hinblick darauf, dass dieses Grundrecht der Religionsgemeinschaft in dem durch das Ausländerrecht bestimmten Rechtsverhältnis zwischen dem Staat und ihrem ausländischen Oberhaupt grundsätzlich keine selbstständig durchsetzbare Rechtsposition verschafft, besteht die Pflicht des Staates zur Berücksichtigung der schützenswerten Interessen dieser Religionsgemeinschaft nur, sofern die Verweigerung der Einreise religiöse Belange der Gemeinschaft nach ihrem eigenen Glaubensverständnis nicht unerheblich beeinträchtigt. Nur dann kann der Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG in rechtlich bedeutsamer Weise berührt werden mit der Folge, dass das Grundrecht den maßgeblichen Bestimmungen des Ausländerrechts zugunsten der Religionsgemeinschaft subjektiv-rechtlichen Charakter verleiht. Das kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Besuch des Oberhaupts in Deutschland nach der jeweiligen Glaubenslehre eine wesentliche Bedeutung für die gemeinschaftliche Ausübung der Religion hat, die über den üblichen Charakter einer gemeinsamen Begegnung hinausgeht. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, insbesondere ob dem Besuch des Oberhaupts in Deutschland eine wesentliche Bedeutung in dem genannten Sinne zukommt, kann naturgemäß nur im jeweiligen Einzelfall, insbesondere etwa anhand des Charakters des jeweils geplanten konkreten Besuchs, der zu der Einreiseverweigerung geführt hat, beurteilt werden.
Nach den gerichtlichen Feststellungen im bisherigen Verfahren beabsichtigte Herr M., im Rahmen einer Vortragsreise durch Europa am bei einer Veranstaltung in einem Hotel in F. vor eingeladenen Mitgliedern der Vereinigungskirche und weiteren Gästen eine Ansprache zum Thema "Die wahre Familie und Ich" zu halten (vgl. Urteil vom a.a.O.). Die Vertreter des Klägers haben darüber hinaus ausweislich des Sitzungsprotokolls der erneuten Berufungsverhandlung am vorgetragen, dass anschließend ein Treffen mit Mitgliedern der Vereinigungskirche zur geistlichen Erbauung geplant gewesen sei. Der Besuch sollte danach weder den im Berufungsurteil erörterten Segnungen sog. Heiliger Gründe noch den dort ebenfalls angesprochenen Widmungen von Gebäuden oder Einrichtungen zum Gottesdienst oder sog. "Ehesegnungen" dienen. Auf die Frage, ob der vom Berufungsgericht den diesbezüglichen Ausführungen zugrunde gelegte Maßstab von den Grundsätzen in dem genannten Urteil des Senats vom abweicht oder zumindest Anlass zu einer weiteren rechtsgrundsätzlichen Präzisierung geben würde, kommt es daher nicht an.
Zur Vermeidung von Missverständnissen bemerkt der Senat allerdings, dass das Berufungsgericht insoweit - wie die Beschwerde zutreffend beanstandet - im Rahmen der Subsumtion einen vom Urteil des Senats vom abweichenden, zu strengen Maßstab angewendet hat. Ihm lässt sich das im angegriffenen Berufungsurteil herangezogene Erfordernis einer wesentlichen Bedeutung für die gemeinschaftliche Ausübung der Religion, "die über den bei Besuchen religiöser Oberhäupter regelmäßig vorhandenen besonderen Charakter der Begegnung hinausgeht", nicht entnehmen. So waren die Ausführungen des Senats zu einer über den üblichen Charakter einer gemeinsamen Begegnung hinausgehenden Bedeutung nicht gemeint; sie bezogen sich vielmehr auf eine spezifisch religiöse Bedeutung, und zwar auch und gerade für den Kläger als eine Gemeinschaft von Glaubenden. Es spricht daher auch viel dafür, dass die Beklagte bei einer Entscheidung über einen Besuch des Ehepaars M. zum Zwecke der Vornahme von rituellen Handlungen, wie sie vom Berufungsgericht erörtert, aber mit dieserZwecksetzung für den Besuch im November 1995 nicht festgestellt worden sind, die religiösen Belange des Klägers nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG bei einer Ermessensentscheidung einstellen müsste, weil und soweit diesen nach der Glaubenslehre der Vereinigungskirche eine wesentliche Bedeutung zukommt, die auch den Kläger unmittelbar betrifft.
Dass und aus welchen Gründen dagegen dem im Jahre 1995 beabsichtigten Besuch zum Zwecke einer abendlichen Vortragsveranstaltung mit anschließendem Beisammensein nach der Glaubenslehre der Vereinigungskirche eine derartige Bedeutung zukommen sollte, lässt sich weder dem Berufungsurteil noch den Ausführungen der Beschwerde entnehmen. Das ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen des Berufungsgerichts zu den Angaben der Vertreter des Klägers in der Berufungsverhandlung, dass dem persönlichen Zusammentreffen mit dem Ehepaar M. (als Religionsgründer und Leitbild) ein besonders hoher Stellenwert beigemessen werde und der (im Rahmen des Vortragsbesuchs stattfindende) persönliche Kontakt inspirierend wirke und Begeisterung und Optimismus verbreite, wie es durch die Medien nicht vermittelbar sei. Der vom Berufungsgericht gezogene Vergleich mit dem "für eine Begegnung mit einem geistigen Oberhaupt typischen Charakter" verfehlt allerdings auch in diesem Zusammenhang den aufgezeigten Maßstab im Urteil des Senats vom (a.a.O.) , ebenso wie das vom Berufungsgericht beispielhaft genannte Erfordernis der einer göttlichen Offenbarung gleichkommenden Bedeutung der persönlichen Anwesenheit der Eheleute M. Die fehlerhaften Ausführungen des Berufungsgerichts rechtfertigen indes keine abweichende Beurteilung im Subsumtionsergebnis; sie geben auch keinen Anlass für eine erneute oder weiterführende Klärung durch das Revisionsgericht. Sie ändern nämlich nichts daran, dass allein eine inspirierende Wirkung, wie sie ganz allgemein mit einer persönlichen Begegnung zwischen herausragenden Persönlichkeiten und deren Anhängern - auch außerhalb religiöser Bezüge - regelmäßig verbunden sein dürfte, den Anforderungen im Urteil des Senats vom (a.a.O.) nicht genügt. Hiermit befasst sich die Beschwerde nicht; sie geht auch nicht darauf ein, ob und inwieweit derartige höchstpersönliche Empfindungen der einzelnen Glaubensangehörigen überhaupt vom Kläger als Religionsgemeinschaft unter Berufung auf Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geltend gemacht werden könnten.
Auch die vom Kläger gerügte Abweichung des Berufungsurteils von dem genannten Urteil des Senats vom (a.a.O.) rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Die Beschwerde meint, das Berufungsgericht sei von den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssätzen abgewichen, weil es seiner Entscheidung einen anderen, erhöhten Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt habe. Während es bei richtigem Verständnis der Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts genüge, dass der Besuch des Oberhaupts von einer nicht nur bagatellhaften Relevanz für das religiöse Leben der Mitglieder sein müsse, habe das Berufungsgericht eine herausgehobene Bedeutung des Besuchs im Vergleich zur üblichen Bedeutung eines derartigen Besuchs bei anderen Religionsgemeinschaften verlangt und dieses Erfordernis exemplarisch mit einer übersinnlichen Dimension oder einer göttlichen Offenbarung umschrieben. Im Ergebnis habe es damit zu Unrecht nur einen Kernbereichsschutz der Religionsfreiheit anerkannt, der in Fällen wie dem vorliegenden zum praktischen Leerlaufen des Grundrechts führe.
Wie sich bereits aus den Ausführungen zur grundsätzlichen Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ergibt, macht die Beschwerde zwar zu Recht geltend, dass das Berufungsgericht in einzelnen Passagen seiner Entscheidung einen zu strengen Prüfungsmaßstab zugrunde legt und damit den in der genannten Senatsentscheidung entwickelten Grundsätzen nicht in vollem Umfang gerecht wird. Gleichwohl fehlt es auch insofern an der erforderlichen Darlegung, dass das Berufungsurteil im Ergebnis auf diesen Abweichungen beruht. Der Beschwerde lässt sich, wie bereits dargestellt, nicht entnehmen, dass bei richtiger Handhabung der Maßstäbe im Urteil des Senats vom (a.a.O.) dem seinerzeit vereitelten Besuch der Eheleute M. nach der Glaubenslehre der Vereinigungskirche eine wesentliche, spezifisch religiöse Bedeutung im Sinne dieser Rechtsprechung zugekommen wäre.
Ergänzend bemerkt der Senat auch insoweit zur Vermeidung von Missverständnissen: Ob bei einem künftig geplanten Besuch und dessen möglicherweise anders gearteter Ausgestaltung eine wesentliche, spezifisch religiöse Bedeutung - und damit auch ein Recht des Klägers auf Berücksichtigung seiner Interessen bei einer Ermessensentscheidung über die Erneuerung oder Aufrechterhaltung der Ausschreibung des Ehepaars M. zur Einreiseverweigerung - zu bejahen wäre, war und ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 13, 14 GKG.
Fundstelle(n):
QAAAC-12017