BGH Beschluss v. - 1 StR 192/04

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StGB § 64; StPO § 354 Abs. 1; StPO § 473 Abs. 4

Instanzenzug: LG Augsburg vom

Gründe

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision beanstandet der Angeklagte die ausgesprochene Strafe als unangemessen hoch und die Anordnung der Unterbringung nach § 64 StGB. Die Revision des Angeklagten führt zum Wegfall der Unterbringungsanordnung (§ 349 Abs. 4 StPO), bleibt aber im übrigen aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten Gründen erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).

II.

1. Die Maßregel nach § 64 StGB erfordert, daß die Gefahr besteht, der Verurteilte werde infolge seines Hanges in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Das Landgericht hat dies bejaht. Eine solche Annahme entbehrt jedoch hinreichender Feststellungen in den Urteilsgründen. Das Landgericht stützt die Gefahrprognose auf die zwischenzeitlich eingetretene psycho-soziale Desintegration und dissoziale Entwicklung des drogenabhängigen, anhaltend arbeitslosen Angeklagten im Zusammenhang mit seinen erheblichen Vorstrafen (UA S. 43, 44).

2. Der Angeklagte wurde in den Jahren 1995 bis 1997 mehrfach wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln und auch wegen Diebstahlshandlungen, aufgrund Betäubungsmittelabhängigkeit begangen, verurteilt. Zum Diebesgut finden sich keine Ausführungen. 1998 führte der Angeklagte eine neunmonatige Drogenentzugstherapie durch. Im Jahre 2000 wurde er wegen gefährlicher Körperverletzung, begangen in einer Justizvollzugsanstalt, und wegen Diebstahls in drei Fällen, wobei es sich um Zigaretten in Mengen von 16, 9 und 2 Packungen handelte, zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Ende 2002 wurde der Angeklagte hinsichtlich seines Drogenkonsums wieder rückfällig. Er nahm von März bis Juli 2003 - bis zur Festnahme in vorliegendem Verfahren - an einem Methadon-Programm teil und konsumierte zusätzlich illegale Drogen. Bei seiner Festnahme befand er sich im Besitz eines Briefchens mit 0,5 g Heroingemisch zum Eigenkonsum, das er zuvor erworben hatte.

3. a) Ein symptomatischer Zusammenhang zwischen dem Hang des Angeklagten, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und den Straftaten, die der Verurteilung aus dem Jahre 2000 zugrunde liegen, ist aus den geschilderten Sachverhalten (UA S. 17, 18) nicht ersichtlich. Diese Straftaten können entgegen der Auffassung des Landgerichts zur Begründung der Gefahr im Sinne von § 64 StGB deshalb nicht herangezogen werden.

b) Die Drogenabhängigkeit des Angeklagten, seine psychosoziale Desintegration und die dissoziale Entwicklung lassen zwar weitere Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz in Form des Erwerbs von kleinen Rauschgiftmengen zum Eigenkonsum erwarten. Dies allein kann aber eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht rechtfertigen (vgl. BGH NStZ 1994, 280 m.w.N. = Senatsurteil vom - 1 StR 572/93). Die bisher abgeurteilten Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz und auch die vorliegende Tat können die Annahme künftiger erheblicher Straftaten gegen das Betäubungsmittelgesetz nicht nahe legen.

c) Für die Gefahrprognose einer Beschaffungskriminalität enthält das Urteil keine ausreichende Tatsachengrundlage. Die letzte Verurteilung wegen Eigentumsdelikts, die im Zusammenhang mit der Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten steht, erfolgte 1997. Für die Zeit danach sind keine Straftaten zur Finanzierung des Eigenkonsums festgestellt. Da die Verhältnisse im Zeitpunkt der Urteilsfindung maßgebend sind (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Gefährlichkeit 4, 6), können die Urteilsfeststellungen die Prognose des Landgerichts nicht belegen, der Angeklagte werde zur Finanzierung des Eigenkonsums erhebliche weitere Straftaten begehen.

4. Bei den hier vorliegenden Umständen kann der Senat ausschließen, daß eine neue Verhandlung Feststellungen ergeben könnte, die eine Unterbringungsanordnung rechtfertigen würden. Er erkennt daher entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf deren Wegfall (vgl. - und Beschl. vom - 1 StR 7/03 -; Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl. § 354 Rdn. 32 m.w.N.).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO. Der Beschwerdeführer, der sich mit der Revision gegen den Strafausspruch und die Unterbringungsanordnung gewendet hat, ist aus Billigkeitsgründen nur mit der Hälfte der Rechtsmittelkosten und seiner notwendigen Auslagen zu belasten, weil er einen entsprechenden Teilerfolg erreicht hat.

Fundstelle(n):
ZAAAC-11577

1Nachschlagewerk: nein