Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StGB § 211; StGB § 212; StPO § 338 Nr. 2; StPO § 55; StPO § 22 Nr. 5; StPO § 244 Abs. 3 Satz 1; StPO § 261; StPO § 250
Instanzenzug: LG Trier vom
Gründe
I. Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Anstiftung zum versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Die Angeklagte rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechtes. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit der Sachrüge, daß eine Verurteilung wegen versuchten Mordes (in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung) mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt worden sei.
Das Rechtsmittel der Angeklagten hat keinen Erfolg. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft, die sich nicht gegen die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen wendet, greift in vollem Umfang durch.
II. Das Landgericht hat u.a. folgende Feststellungen getroffen:
Die Angeklagte und der Nebenkläger heirateten 1983 in Polen. 1987 siedelten sie in die Bundesrepublik Deutschland über, wo in demselben Jahr ihr Sohn M. zur Welt kam. Im Laufe der Jahre verschlechterte sich das eheliche Klima. Das Zusammenleben nahm immer mehr den Charakter eines Ehekrieges an. Die Angeklagte, die selbst berufstätig war, gönnte sich einen bürgerlichen Lebensstil, der Nebenkläger dagegen lebte äußerst sparsam. Im Jahre 1996 erwarben sie gemeinsam eine Doppelhaushälfte. Bereits 1997 wurde über eine Ehescheidung gesprochen. 1999 trat die Angeklagte dem Gedanken einer Scheidung erneut näher. Ihr war allerdings bewußt, daß der Nebenkläger erbittert um das Eigentum am Haus kämpfen und sich einen Verzicht auf das gemeinsame Sorgerecht für den Sohn teuer bezahlen lassen würde. Ihr war klar, daß bei einer Scheidung ihr aufwendiger Lebensstil in Gefahr geraten würde. Die Angeklagte lernte im Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeiten den Zeugen O. kennen, von dem sie auch vom Zeugen L. erfuhr, der mehrmals im Jahr nach Kiew fuhr. Ihr kam der Gedanke, die Fahrten des L. nach Kiew für ihre Interessen auszunutzen. Sie beschloß, ihren Ehemann in Kiew beseitigen zu lassen, da sie die Mühen eines Scheidungsverfahrens und die zu erwartenden erheblichen finanziellen Einbußen nicht in Kauf nehmen wollte. L. erklärte sich etwa Mitte 2000 bereit, bei seiner nächsten Reise nach Kiew, die er Anfang Oktober 2000 plante, den Auftrag der Angeklagten auszuführen. Dazu, ob die Angeklagte ihre Vorstellung nur mit O. erörterte oder ob sie durch Vermittlung des O. unmittelbar Kontakt mit L. aufnahm, hat die Kammer keine Feststellungen getroffen. Die Angeklagte mußte nun dafür Sorge tragen, daß der Nebenkläger sich zum selben Zeitpunkt in Kiew aufhalten würde wie L. Die Angeklagte versprach dem Nebenkläger Erstattung von Unkosten, eine Geldprämie und Übereignung ihres Hausanteils, wenn er - was frei erfunden war - eine äußerst wichtige geschäftliche Angelegenheit in Kiew für sie erledige. Sie besorgte für den Nebenkläger, der sich letztlich dazu bereitfand, ein Visum und Flugtickets. Am brachte sie den Nebenkläger zum Flughafen und teilte ihm mit, daß er ihren Geschäftspartner am Flughafen an einem Schild mit der Aufschrift "Kargo" erkennen würde. L. war bereits am in Kiew eingetroffen und hatte sich am Morgen eine Pistole Kaliber 7,65 mit fünf scharfen Patronen besorgt und diese in einem Gebüsch an einem einsamen Ort versteckt. Mit einem Papier mit der Aufschrift "Kargo" machte er am Flughafen den Nebenkläger auf sich aufmerksam. Als L. vom Nebenkläger die Aushändigung von Reisepaß und Ticket erbat, begann dieser mißtrauisch zu werden. L. nahm den Nebenkläger in seinem Auto mit, um ihn angeblich ins Hotel zu bringen. Als L. in eine dunkle Seitenstraße abbog und dort anhielt unter dem Vorwand, er müsse "austreten", stieg auch der erneut mißtrauisch gewordene Nebenkläger aus. L., der seine Pistole aus dem Gebüsch geholt und in seiner Jackentasche versteckt hatte, kam zurück und lief hinten um das Auto herum auf die Beifahrerseite zu. Das Mißtrauen des Nebenklägers war jetzt "vollends geweckt". L. zog die Pistole heraus und schoß zweimal in den Kopf des Nebenklägers. Der Nebenkläger konnte trotz seiner schweren Kopfverletzungen fliehen und sich in Sicherheit bringen. L. war zunächst hinter dem fliehenden Nebenkläger hergelaufen. Als ihm aber bewußt wurde, daß sein Opfer entkommen war, versteckte er die Pistole. Er konnte aber kurze Zeit später festgenommen werden.
L. wurde durch Urteil des Berufungsgerichts der Stadt Kiew rechtskräftig wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt.
III. Revision der Staatsanwaltschaft:
Das Rechtsmittel hat Erfolg. Die Verurteilung nur wegen Anstiftung zum versuchten Totschlag (in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Schon bei der Verneinung der Mordmerkmale "Heimtücke" und "Habgier" weisen die Urteilsgründe durchgreifende Rechtsfehler auf.
Der Tatrichter hat zu seiner Ansicht, die Angeklagte habe den L. nur zu einem versuchten Totschlag angestiftet, folgende Ausführungen gemacht:
"Das Mordmerkmal der Heimtücke, von dem die Anklage ausgeht, ist nicht verwirklicht, da der Nebenkläger zur Zeit des Angriffs nicht arglos war. Wie aufgrund der Angaben des Nebenklägers festzustellen war, hatte bereits das Verhalten des L. am Flughafen dessen Argwohn geweckt; die Fahrt zu der alten Tankstelle und erst recht das Anhalten in der dunklen P. straße zum Zwecke des 'Austretens' hatten ihn wachsam und abwehrbereit gemacht. A. P. hat insoweit angegeben, daß er in beiden Fällen deshalb aus dem Pkw ausgestiegen sei, weil er das Gefühl gehabt habe, außerhalb des Fahrzeugs besser auf etwaige Gefahren reagieren zu können. Die Tatsache, daß L., als er aus dem Gebüsch zurückkam, nicht zur Fahrer- sondern zur Beifahrerseite gekommen sei, habe ihn alarmiert. A. P. rechnete also mit einem Angriff und war reaktionsbereit, so daß nicht von Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers ausgegangen werden kann. Da es sich bei dem Mordmerkmal der Heimtücke um ein tatbezogenes Merkmal handelt, ist das Fehlen dieses Merkmals auch der Angeklagten zugute zu halten. Die Mordmerkmale der Habgier oder 'sonstige niedrige Beweggründe' können ebenfalls nicht als verwirklicht angesehen werden. Zwar handelte die Angeklagte in der Absicht, eine Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse durch die Folgen der Scheidung zu verhindern, jedoch kann dieses Motiv nicht einem über die Gewinnsucht hinaus gesteigerten Gewinnstreben um jeden Preis gleichgesetzt werden. Entscheidend war für sie der Wunsch, für sich und ihren Sohn eine angenehme Existenzgrundlage zu erhalten. Der Umstand, daß auch die Sorge um das Wohl des Kindes Bestandteil ihrer Motivation war, verhindert auch die Annahme des Mordmerkmals der 'sonstigen niedrigen Beweggründe'."
1. Die Verneinung des Mordmerkmals "Heimtücke" begegnet rechtlichen Bedenken.
Es kann dahinstehen, ob objektiv keine Heimtücke vorlag oder ob - wie die Staatsanwaltschaft meint -, ein heimtückisches Handeln des L. gegeben ist, weil der Nebenkläger in einen Hinterhalt gelockt wurde (vgl. hierzu u.a. Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 211 Rdn. 11 m.w.N.). Denn für die rechtliche Qualifizierung als versuchter Mord würde es genügen, daß der Haupttäter L. glaubte, heimtückisch zu handeln (vgl. u.a. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 19).
Die Strafkammer hat aber die aufgrund des festgestellten Geschehensablaufs gebotene Würdigung des Umstandes unterlassen, daß L. - was durch Verbergen der Waffe in der Jacke belegt ist - ersichtlich nach wie vor davon ausging, der Geschädigte rechne nicht mit einem Angriff gegen sich, und daß er dies zur Begehung seiner Tat ausnützen wollte.
Der Senat kann nicht ausschließen, daß die Strafkammer unter Beachtung dieser Grundsätze bei L. zur Annahme eines versuchten Heimtückemordes gelangt wäre. Es kann weiter nicht ausgeschlossen werden, daß die Angeklagte den entsprechenden Anstiftervorsatz hatte. Dieser muß die fremde Haupttat nicht in allen Einzelheiten, sondern nur in ihren Hauptmerkmalen erfassen. Ob entsprechende Merkmale der Tat dem Anstiftervorsatz zuzurechnen sind, hängt davon ab, ob die Rahmenvorstellung des Anstifters vom nachfolgenden Tatgeschehen dies umfaßt (vgl. u.a. BGH NStZ 1996, 434, 435). Da die Angeklagte den Nebenkläger unter Verschleierungsmaßnahmen zum Tatort Kiew gelockt hatte, liegt nicht fern, daß sie den L. vorsätzlich zu einer heimtückischen Tötung des Nebenklägers bestimmt hat.
2. Auch die Ablehnung des Mordmerkmals "Habgier" läßt Rechtsfehler erkennen.
Der Tatrichter stellt zur Verneinung einer "Habgier" ausschließlich auf die Angeklagte ab, die aber nicht als Täterin, sondern als Anstifterin verurteilt wurde. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Verhältnis des § 211 StGB zu § 212 StGB (vgl. u.a. BGHSt 22, 375; vgl. dazu auch Tröndle/Fischer StGB § 211 Rdn. 4 und 40 jeweils m.w.N.) kommt es für die Bejahung des täterbezogenen Mordmerkmals der Habgier auf die Person des Haupttäters und nicht auf den Teilnehmer an. Für letzteren sind seine Vorstellungen und Kenntnisse von der Motivation des Haupttäters maßgebend. Das Landgericht hätte deshalb prüfen müssen, ob der Haupttäter L. habgierig handelte und die Angeklagte dies wußte. Das lag hier nahe. Denn die Tat eines für Geld gedungenen "Mörders" stellt sich regelmäßig als eine typische Erscheinungsform der Tötung aus Habgier dar (vgl. dazu BGHR StGB § 211 Abs. 2 - Habgier 1 m.w.N.). Die Angeklagte, die zum Nebenkläger einmal gesagt hat, sie kenne einen Mann, der für Geld Leute beseitige (UA S. 101), hat nach eigenen Angaben (UA S. 40) "eine finanzielle Belohnung nach Erledigung des Auftrags zugesagt". Die Einlassung der Angeklagten, L. habe die Tat nur aus Freundschaft zu O. begehen wollen (UA S. 44), hat sie anschließend dahin korrigiert, "der Mann, der nach Kiew gefahren sei, habe etwas dafür haben wollen, daß er den Auftrag übernommen habe" (UA S. 45).
3. Im übrigen drängten schon die bisherigen Feststellungen zur Erörterung einer Mittäterschaft der Angeklagten. Die Abgrenzung von (Mit-)Täterschaft zur Anstiftung hat der Tatrichter in wertender Betrachtung der Gesamtumstände vorzunehmen (vgl. hierzu u.a. BGHSt 37, 289, 291; ). Da der Tatrichter nach den Urteilsgründen die Abgrenzungsfrage nicht bedacht hat, fehlen bereits Feststellungen zu bedeutsamen Umständen. Der Tatrichter hat zum Beispiel offen gelassen, ob die Angeklagte den geplanten Tatablauf in Kiew kannte und ob sie jemals selbst Kontakt mit L. hatte. Entsprechende Feststellungen wird der neue Tatrichter zu treffen und dann die gebotene Wertung vorzunehmen haben. Er wird hierbei zu beachten haben, daß Mittäterschaft auch bei Tatbeiträgen nur im Vorfeld der Tatausführung in Betracht kommen kann.
4. Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils. Dies gilt auch hinsichtlich der - für sich rechtsfehlerfrei festgestellten - gefährlichen Körperverletzung, die mit dem versuchten Tötungsdelikt in Tateinheit steht (vgl. ; auch BGHR StPO § 353 Aufhebung 1).
Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind von den Rechtsfehlern jedoch nicht berührt und können daher bestehen bleiben. Ergänzende, nicht in Widerspruch stehende Feststellungen sind möglich.
5. Im Hinblick auf die Nähe zur Tatvollendung ist im übrigen auch rechtlich bedenklich, daß der Tatrichter ohne jede Begründung von der Möglichkeit, wegen Versuch zu mildern (§§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB), Gebrauch gemacht hat (UA S. 118).
6. In Anbetracht des bisherigen Verfahrensganges hat der Senat die Sache - im Umfang der Aufhebung - an eine Schwurgerichtskammer eines anderen Landgerichts zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
IV. Revision der Angeklagten:
Die Revision der Angeklagten bleibt ohne Erfolg. Die Sachrüge und die Verfahrensrügen A II bis A VI der Revisionsbegründungsschrift vom sind unbegründet. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom Bezug genommen.
Einer Erörterung bedarf aber die Verfahrensrüge A I, mit der beanstandet wird, § 338 Nr. 2 StPO sei verletzt, weil an der Entscheidung Richter mitgewirkt hätten, die von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen gewesen seien.
1. Dieser Rüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
Gegen den Zeugen O. lief parallel zur hiesigen Sache ein eigenes Verfahren zum nämlichen Sachverhalt. Die Vorsitzende Richterin (Fi.) im Verfahren gegen O. und der Beisitzer W. im dortigen Verfahren waren als Beisitzer im hiesigen Verfahren tätig. Da O. in der hiesigen Hauptverhandlung die Aussage unter Berufung auf § 55 StPO verweigerte, sollte Beweis erhoben werden darüber, wie sich O. im eigenen Verfahren als Angeklagter eingelassen hatte. Hierzu wurde am 30. Verhandlungstag der zweite berufsrichterliche Beisitzer (Fa.) des Verfahrens gegen O. als Zeuge vernommen. Am 31. Verhandlungstag beantragte die Verteidigung die Vernehmung der beiden beisitzenden Berufsrichter (Fi. und W.), des Rechtsanwalts D. sowie des Staatsanwalts Fr. als Zeugen bezüglich der Einlassung des O. In dem Beweisantrag wurde u.a. als Behauptung unter Beweis gestellt, O. habe sich in seinem Verfahren dahin eingelassen, daß "er Frau P. angeboten habe, als diese sich über ihren Ehemann beklagte, sich ihrem Ehemann als neuen russischen Freund vorzustellen und Frau P. es abgelehnt habe." Zur Begründung wurde auch angeführt, daß der Zeuge Fa. sich daran nicht mehr erinnern konnte und daß die beiden beisitzenden Richter (Fi. und W.) in der Lage seien, "die Aussage des gesondert verfolgten O. vollständig zu erinnern und die unter Beweis gestellte Tatsache zu bestätigen." Rechtsanwalt D. berief sich auf seine anwaltliche Schweigepflicht; Staatsanwalt Fr. konnte sich erinnern und die Beweisbehauptung insoweit bestätigen, als O. bekundet habe, er habe zu Frau P. gesagt, daß er zu ihr nach Hause kommen und ihren Mann erschrecken könne.
Auf Befragen erklärte die Verteidigerin, daß ihr Beweisantrag damit nicht erledigt sei, und sie auf der Vernehmung der benannten beisitzenden Richter bestehe. Beide Richter äußerten sich dahingehend dienstlich, daß sie die im Beweisantrag aufgestellte Behauptung nicht bestätigen können. Diese dienstlichen Erklärungen wurden verlesen.
Nachdem hierzu keine Erklärungen abgegeben wurden, wies das Gericht durch Beschluß den Antrag auf Vernehmung der Zeugen Fi. und W. ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antrag sei insoweit unzulässig, "da die Zeugen dienstlich erklärt haben, die aufgestellte Behauptung nicht bestätigen zu können. Soweit auf dem Antrag beharrt wird, offenbart dies, daß der Antrag nur den Zweck verfolgt, die als Zeugen benannten Richter auszuschalten und das Gericht an der Ausübung seines Amtes zu hindern."
Die Verteidigung beantragte daraufhin zum Beweisthema die Vernehmung der Dolmetscherin des Verfahrens gegen O. Diese wurde vernommen. Am 32. Verhandlungstag beantragte die Verteidigung zum Beweisthema die Vernehmung der ehrenamtlichen Richter und des Protokollführers des Verfahrens gegen O. Diese wurden am 33. Verhandlungstag vernommen. Am 34. Verhandlungstag beantragte die Verteidigung festzustellen, daß die beiden Beisitzer Fi. und W. von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen seien (§ 22 Nr. 5 StPO). Die Richter hätten in ihren dienstlichen Erklärungen nicht lediglich erklärt, nichts sagen zu können, sondern bekundet, die Beweisbehauptung nicht bestätigen zu können. Dies komme einer Zeugenvernehmung gleich.
Dieser Antrag wurde durch Gerichtsbeschluß zurückgewiesen, da die Richter nicht zur Sache vernommen worden seien. Zur Begründung wurde weiter ausgeführt:
"Dienstliche Erklärungen der genannten Art, die sich zu der Frage verhalten, ob der als Zeuge benannte Richter die in sein Wissen gestellten Beweisbehauptungen über Vorgänge aus einer früheren Hauptverhandlung bestätigen kann, erfüllen nicht ohne weiteres die Voraussetzungen einer Zeugenaussage im Sinne des § 22 Nr. 5 StPO. Soweit sie allein dem Bedürfnis nach Zurückweisung rechtsmißbräuchlicher Zeugenbenennung erkennender Richter Rechnung tragen, sind sie nicht dazu bestimmt, Gegenstand der Beweiswürdigung zu sein, sondern sie sollen lediglich der Vorbereitung einer gerichtlichen Entscheidung darüber dienen, ob über Vorgänge, die für die Schuld- und Straffrage von Bedeutung sein können, Beweis zu erheben ist. Der Richter, der eine solche Erklärung abgibt, gerät damit noch nicht in die Zwangslage, seine eigenen Angaben im Vergleich mit anderen Zeugenaussagen einer Bewertung unterziehen zu müssen, so daß seine vom Gesetzgeber mit der Regelung des § 22 Nr. 5 StPO angestrebte kritische Distanz erhalten bleibt (BGH StV 2002, 294, 296). Es ist selbstverständlich, daß die Kammer ihrem Urteil nur Kenntnisse zugrundelegen darf, die im vorliegenden Verfahren ordnungsgemäß erhoben wurden."
2. Die Verfahrensweise des Landgerichts ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 2 StPO liegt deshalb nicht vor.
Bei dem angefochtenen Urteil hat kein ausgeschlossener Richter mitgewirkt. Die beiden berufsrichterlichen Beisitzer wurden in der Sache nicht als Zeugen vernommen. Die dienstlichen Erklärungen (vgl. hierzu auch BGHSt 44, 4 ff.) sind keine Zeugenaussagen im Sinne des § 22 Nr. 5 StPO.
Es kann dahinstehen, ob dem Generalbundesanwalt darin zu folgen ist, die Berufsrichter wollten mit ihren dienstlichen Erklärungen lediglich zum Ausdruck bringen, daß sie sich an die Beweisbehauptung nicht erinnern und sie deshalb nicht bestätigen können. Denn selbst wenn man die dienstlichen Erklärungen dahin versteht, daß die beiden Richter sich daran erinnern, aber gerade deshalb das Beweisthema nicht bestätigen konnten, führt dies hier nicht dazu, daß deswegen von einer Zeugenvernehmung im Sinne des § 22 Nr. 5 StPO auszugehen ist.
Der Richterausschluß kraft Gesetzes ist an abschließend aufgezählte Tatbestände geknüpft, denen objektivierbare Tatsachen und Vorgänge zugrundeliegen, die jederzeit zuverlässig und eindeutig nachprüfbar sind (vgl. BVerfGE 46, 34, 37). Diese auch als Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes des gesetzlichen Richters zu verstehenden Vorschriften sind eng auszulegen (vgl. u.a. BGHSt 44, 4, 7). § 22 Nr. 5 StPO setzt voraus, daß der Richter in der Sache als Zeuge vernommen ist. Eine Zeugenvernehmung im Sinne des § 22 Nr. 5 StPO erfordert allerdings nicht stets eine persönliche Anhörung durch ein Organ der Rechtspflege; es kommen auch schriftliche Erklärungen in Betracht. Dienstliche Erklärungen sind jedoch nicht ohne weiteres solchen schriftlichen Zeugenerklärungen gleichzusetzen. Diejenigen dienstlichen Erklärungen eines Richters, die nicht dazu bestimmt sind, Gegenstand der Beweiswürdigung zu sein, sondern sich lediglich zu prozessual erheblichen Vorgängen und Zuständen verhalten, etwa wenn sie der freibeweislichen Aufklärung der Frage dienen, ob ein Richter überhaupt als Zeuge zu den in sein Wissen gestellten Tatsachen in Betracht kommt, führen nicht zum Richterausschluß nach § 22 Nr. 5 StPO (BGH a.a.O.).
Der Verfahrensgang belegt hier, daß die dienstlichen Erklärungen nur der Vorbereitung der Entscheidung der Frage dienten, ob die beiden berufsrichterlichen Beisitzer als Zeugen vernommen werden sollten oder ob mit dem Beweisantrag prozeßfremde Zwecke verfolgt wurden.
Beweisanträge, mit denen prozeßfremde Ziele verfolgt werden, sind gemäß § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO als unzulässig zu verwerfen. Ein prozeßfremdes Ziel wird auch dann verfolgt, wenn ein erkennender Richter durch Benennung als Zeuge ausgeschaltet werden soll, obwohl in Wirklichkeit keine Sachaufklärung erstrebt wird (vgl. hierzu u.a. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 1 Unzulässigkeit 4, 9; BGHSt 7, 330, 331; 44, 4 ff.; 45, 354, 362; BGH StV 2002, 294, 296; zur Problematik insgesamt auch Rissing-van Saan MDR 1993, 310).
Ein deutliches Indiz für diesen sachfremden Zweck ist das Beharren auf einer Zeugenvernehmung, wenn der als Zeuge benannte Richter bereits dienstlich erklärt hat, daß er die Behauptung, für die er als Zeuge benannt wurde, nicht bestätigen könne (vgl. u.a. BGHSt 7, 330, 331; BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 1 Unzulässigkeit 4). Es ist unerheblich, ob er die Behauptung nicht bestätigen kann, weil er sich nicht mehr erinnert oder weil er das Gegenteil der Behauptung in Erinnerung hat (vgl. hierzu auch BGH StV 2002, 294, 296 und 2003, 315).
Ein Beweisantrag ist darauf gerichtet, daß ein Zeuge eine bestimmte Tatsache bekundet. Wenn nun der als Zeuge benannte Richter dienstlich erklärt, daß er die Beweisbehauptung nicht bestätigen könne, und gleichwohl der Antragsteller mit der Behauptung, der Zeuge werde das Beweisthema bestätigen, auf der Zeugenvernehmung des erkennenden Richters beharrt, legt ein solches Vorgehen nahe, daß prozeßfremde Zwecke verfolgt werden.
Bei der gegebenen Sachlage konnte das Landgericht davon ausgehen, daß der Verteidigung bewußt war, daß die beantragte weitere Beweiserhebung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine anderen Erkenntnisse erbringen würde und daß der aufrechterhaltene Beweisantrag nur noch der Verfahrensverzögerung diente (vgl. BGH StV 2003, 315). Allein noch nicht geklärt war nämlich die behauptete Bekundung des O., er habe angeboten, sich als neuer russischer Freund der Angeklagten vorzustellen. Die Zurückweisung des Antrags als unzulässig durch das Landgericht war daher rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Vorgehensweise der Kammer belegt zugleich, daß sie sich von vornherein der Problematik bewußt war, und daß deshalb die dienstlichen Erklärungen nicht als Zeugenaussagen über Tatsachen und Vorgänge zur Schuld- und Straffrage dienen, sondern nur im Freibeweisverfahren die Entscheidung vorbereiten sollten, ob mit dem Beweisantrag Sachaufklärung erstrebt wird oder lediglich prozeßfremde Zwecke verfolgt werden. Eine Bestätigung findet dies im Gerichtsbeschluß vom 34. Verhandlungstag, mit dem der Antrag auf Feststellung, daß die beiden Berufsrichter ausgeschlossen seien, zurückgewiesen wurde. Das bringt das Gericht unter Bezugnahme auf BGH StV 2002, 294 ff. eindeutig zum Ausdruck.
3. Eine Verletzung des § 261 StPO in Verbindung mit § 250 StPO liegt ebenfalls nicht vor.
Äußert sich ein erkennender Richter in einer dienstlichen Erklärung über Wahrnehmungen, die er in einer früheren Hauptverhandlung gemacht hat, darf der Inhalt der dienstlichen Erklärung nicht für die Beurteilung der Schuld- und Straffrage im Rahmen der Beweiswürdigung verwertet werden (vgl. BGH StV 2002, 294). Das ist hier aber nicht der Fall. Das Landgericht hat sich darauf beschränkt, in den dienstlichen Erklärungen einen Anknüpfungspunkt für die Verfolgung prozeßfremder Zwecke durch die Verteidigung zu sehen. Ausweislich der schriftlichen Urteilsgründe wurde der Inhalt der dienstlichen Erklärungen nicht verwertet, wie im Kammerbeschluß vom 34. Verhandlungstag bereits angekündigt worden war.
Fundstelle(n):
MAAAC-10232
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