BGH Urteil v. - 2 StR 441/04

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StPO § 261

Instanzenzug: LG Frankfurt am Main vom

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Vom Vorwurf der Vergewaltigung hat es ihn freigesprochen. Die Revision der Staatsanwaltschaft wendet sich allein gegen den Teilfreispruch. Die vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Revision hat insoweit mit der Sachrüge Erfolg, so daß es auf die Verfahrensrüge nicht ankommt.

1. Das Urteil war, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist, aufzuheben, weil es, wie die Revision zutreffend rügt, im Hinblick auf die Würdigung der Aussage des Zeugen P. Rechtsfehler aufweist.

a) Das Landgericht hat ausgeführt, es sei im Ergebnis der Beweisaufnahme nicht mit einer zur Verurteilung des Angeklagten erforderlichen Gewißheit auszuschließen, daß bei der Nebenklägerin K., die sich zur Tatzeit im Zustand massiver Drogenabhängigkeit, in einer psychisch und sozial krisenhaften Situation und unter dem akuten Einfluß von Crack befand, Wahrnehmungsstörungen vorgelegen hätten, so daß sie sich zwar durchaus mißbraucht gefühlt haben und von der Wahrheit ihrer in der Hauptverhandlung wiedergegebenen Wahrnehmungen überzeugt sein könne, daß aber Widersprüchlichkeiten und Auffälligkeiten in ihrer Aussage in ihrer Gesamtheit "so gehäuft und auffällig (erschienen), daß insgesamt so große Zweifel an dem von der Zeugin geschilderten Geschehensablauf verbleiben, daß eine Verurteilung allein auf die Angaben der Zeugin nicht gestützt werden konnte" (UA S. 32/33).

Daher kam der Aussage des Zeugen P., der nach den Angaben der Nebenklägerin jedenfalls zu Beginn der Tat anwesend war, besonders große Bedeutung zu. Die Aussage dieses Zeugen, der den Schilderungen der Nebenklägerin widersprochen hat, hat das Landgericht als glaubhaft angesehen. Es hat dies unter anderem auf die Erwägung gestützt, es gebe keine Anzeichen dafür, daß der Zeuge bewußt zu Gunsten des Angeklagten gelogen und daß er sich vor der Hauptverhandlung mit dem Angeklagten abgesprochen habe. Die Anklage sei dem Angeklagten erst im Dezember 2003 in der Haft zugestellt worden; der Zeuge sei aber schon seit März 2003 obdachlos gewesen, habe in verschiedenen Städten gelebt und keinen Kontakt mit dem Angeklagten gehabt. Der zunächst unbekannte Aufenthalt des Zeugen habe erst während des Laufs der Hauptverhandlung aufwendig ermittelt werden müssen. Weiter hat das Landgericht ausgeführt: "Dem Zeugen, der im Ermittlungsverfahren nicht vernommen worden war, war der Anklagevorwurf zu Beginn seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung unbekannt. Dabei war die Vernehmung durch die Kammer bewußt so gehalten, daß ihm auch bis weit in seine Befragung nicht bekannt war, was konkret dem Angeklagten vorgeworfen wurde. Auch konnte dem Zeugen etwa bei der Frage nach dem Standort des Wohnwagens oder seiner Kleidung nicht bewußt sein, ob seine Antwort hierauf dem Angeklagten günstig oder ungünstig war" (UA S. 25).

b) Diese Ausführungen begegnen durchgreifenden Bedenken, weil sie einen Zirkelschluß enthalten, worauf auch der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift hingewiesen hat.

Ein Zirkelschluß ist gegeben, wenn aus einer Aussage selbst auf ihre Glaubhaftigkeit geschlossen wird (vgl. etwa [in BGHSt 39, 159 insoweit nicht abgedruckt]; BGHSt 44, 256, 257; BGH StV 1996, 336, 337; BGH StV 2003, 542, 543; [in NStZ 1999, 506 insoweit nicht angedruckt]; vgl. auch Schoreit in KK-StPO 5. Aufl., § 261 Rdn. 47; Niemöller StV 1984, 431, 436 m.w.N.). Die Zirkelschlüssigkeit kann entfallen, wenn Teile einer Aussage, aus deren Wahrheit auf die Glaubhaftigkeit anderer Aussageteile geschlossen wird, eine außerhalb der Aussage selbst liegende, also "externe" Bestätigung erfahren haben. Ein Zirkelschluß ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs daher nicht gegeben, wenn aus dem Ablauf der Vernehmung oder dem Verhalten der Beweisperson bei ihrer Befragung (vgl. Senatsurteil vom - 2 StR 342/91 [in NStZ 1992, 141 insoweit nicht abgedruckt]; BGH StV 1998, 635) oder aus der inhaltlichen Struktur ihrer Aussage (vgl. BGH, BGHR StPO § 261 Aussageverhalten 17) auf deren Glaubhaftigkeit geschlossen werden kann, oder wenn Umstände außerhalb der Aussage selbst, welche diese zu bestätigen geeignet sind, durch entsprechende Vorhalte an den Zeugen in die Hauptverhandlung eingeführt wurden (vgl. etwa BGH StV 1993, 59 f. m. Anm. Weider; BGH, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 9; ; Beschl. vom - 4 StR 547/96). Dabei ist es aus revisionsrechtlicher Sicht als ausreichend angesehen worden, wenn dies nach dem Zusammenhang der Urteilsgründe möglich ist (; vgl. dazu auch Fischer StV 1993, 670 ff.).

c) Träfen die Bekundungen der Nebenklägerin zu, so wäre dem Zeugen, der in diesem Fall Augenzeuge der Tat war, der Anklagevorwurf gegen den Angeklagten auch dann bekannt, wenn er seit der Tat keinen Kontakt zu diesem hatte. Wenn die dem entgegenstehende Feststellung, der Zeuge habe den konkreten Tatvorwurf gegen den Angeklagten zu Beginn seiner Vernehmung nicht gekannt, nicht aus Beweisergebnissen außerhalb der Aussage gewonnen wäre, so könnte sie nur Ergebnis von dessen Würdigung selbst sein. In diesem Fall hätte sie aber nicht umgekehrt als Indiz für die Glaubhaftigkeit dieser Aussage herangezogen werden dürfen.

Vorliegend hat das Landgericht die Feststellung, dem Zeugen P. sei zu Beginn seiner Vernehmung der Anklagevorwurf unbekannt gewesen (UA S. 25), mit dem zeitlichen Ablauf und den Aufenthaltsorten des Angeklagten und des Zeugen begründet. Ausdrückliche Ausführungen dazu, wie das Landgericht die genannte Feststellung getroffen hat, enthält das Urteil hingegen nicht. Hinweise auf externe Bestätigungen enthält es insoweit, als ausgeführt ist, der Zeuge habe einen offenen und glaubwürdigen Eindruck hinterlassen (UA S. 24), und sein Auftreten und Verhalten bei seiner Vernehmung sei spontan und offen gewesen (UA S. 27). Zur Struktur seiner Aussage ist ausgeführt, er habe "keinerlei besondere Entlastungstendenzen gezeigt" und Erinnerungslücken eingeräumt (UA S. 27); auch ein mögliches Selbstentlastungs-Motiv des Zeugen ist erörtert (ebenda). Zwar können solche Erwägungen nach der oben genannten Rechtsprechung der Annahme eines Zirkelschlusses entgegenstehen. Die Urteilsgründe machen aber nicht hinreichend deutlich, ob das Landgericht sich der Problematik überhaupt bewußt war. Der Senat kann, da ihm eine eigene Beweiswürdigung verwehrt ist, auf ihrer Grundlage letztlich nicht ausschließen, daß das Landgericht seine Überzeugung von der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen P. auf zirkelschlüssiger Beweisgrundlage gewonnen hat.

2. Der neue Tatrichter wird bei der Würdigung der Aussage der Nebenklägerin K. dem Gesichtspunkt der Gesamtwürdigung möglicherweise noch größere Aufmerksamkeit zuwenden müssen, als dies bisher geschehen ist. Zwar enthält das Urteil neben der ausführlichen Erörterung einzelner Unklarheiten, Auffälligkeiten und Widersprüche in den verschiedenen Aussagen der Zeugin auch kurze zusammenfassende Würdigungen (z.B. UA S. 32 f.); der Senat kann aber nicht ausschließen, daß eine weitergehende Gesamtwürdigung zu einer anderen Gewichtung auch der in der Beweisaufnahme bestätigten Aussageinhalte geführt hätte.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
EAAAC-09981

1Nachschlagewerk: nein