Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 154 Abs. 2; StPO § 247; StPO § 247 Satz 2 2. Alt.; StPO § 338 Nr. 5; StPO § 344 Abs. 2; StPO § 349 Abs. 2
Instanzenzug: LG Trier vom
Gründe
Das Landgericht hatte den Angeklagten durch Urteil vom
- der Mißhandlung von Schutzbefohlenen in drei Fällen (II. 1., II. 2. und II. 3. - Einzelstrafen ein Jahr zwei Monate, ein Jahr sechs Monate, ein Jahr sechs Monate),
- der Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in drei Fällen (II. 4., II. 5. und II. 9. - Einzelstrafen zwei Jahre, zwei Jahre vier Monate und zwei Jahre vier Monate),
- der Körperverletzung in vier Fällen (II. 6., II. 7., II. 8. und II. 10. - Einzelstrafen je sieben Monate) und
- der Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (II. 11. - Einzelstrafe drei Jahre sechs Monate)
für schuldig befunden und gegen ihn unter Berücksichtigung der durch einen Strafbefehl vom eingetretenen Zäsurwirkung zwei Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren vier Monaten und vier Jahren zwei Monaten verhängt, letztere unter Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl und unter Aufrechterhaltung der dort angeordneten Sperrfrist.
Auf seine Revision wurde das Urteil durch Senatsbeschluß vom in den Fällen II. 2. und II. 3. sowie II. 6. bis II. 8., in den Gesamtstrafaussprüchen und hinsichtlich der aufrechterhaltenen Maßregel aufgehoben. Im übrigen wurde die Revision verworfen, so daß der Angeklagte hinsichtlich der Fälle II. 1., 4., 5., 9.,10. und 11. rechtskräftig verurteilt ist. Der Aufhebung lag insbesondere zugrunde, daß die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit in den Fällen II. 2./3. sowie in den Fällen II. 6. bis 8. nicht fernlag und weitere Feststellungen möglich erschienen. In der erneuten Verhandlung hat das Landgericht die Fälle II. 2./3. als eine Mißhandlung von Schutzbefohlenen (Einzelstrafe zwei Jahre) und die Fälle II. 6. bis 8. als eine Mißhandlung von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit Körperverletzung (Einzelstrafe ein Jahr sechs Monate) gewertet und den Angeklagten unter Berücksichtigung der bereits rechtskräftig festgestellten Taten und der insoweit festgesetzten Einzelstrafen aus der ersten Verurteilung
- wegen Vergewaltigung in vier Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, im vierten Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung,
- wegen vorsätzlicher Körperverletzung und
- wegen Mißhandlung von Schutzbefohlenen in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und vier Monaten verurteilt.
Mit seiner dagegen gerichteten Revision erhebt er Verfahrensrügen und rügt die Verletzung materiellen Rechts.
Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge, mit der der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO geltend gemacht wird, teilweise Erfolg. Im übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Mit Recht beanstandet die Revision, daß die Hauptverhandlung unter Verstoß gegen § 247 Satz 2 StPO zeitweise in Abwesenheit des Angeklagten stattgefunden hat.
Die - zu Protokoll der Geschäftsstelle - erklärte Rüge ist noch zulässig ausgeführt.
Die Revision trägt vor, im Rahmen der Vernehmung der Ehefrau des Angeklagten, der Zeugin J. , seien Lichtbilder aus der Akte förmlich in Augenschein genommen worden. Von diesen Lichtbildern habe der Angeklagte, der während der Vernehmung der Zeugin von der Hauptverhandlung ausgeschlossen gewesen sei, in keiner Phase des Verfahrens Kenntnis erhalten. Aus den dem Revisionsgericht aufgrund der Sachrüge zugänglichen Urteilsgründen läßt sich außerdem entnehmen, daß die hier interessierenden Lichtbilder zwei nebeneinander aufgestellte Kinderbetten zeigen.
Die Rüge ist auch begründet. Durch die Niederschrift über die Hauptverhandlung wird bewiesen (§ 274 StPO), daß während der Vernehmung der Zeugin, bei der der Angeklagte nach § 247 Satz 2 2. Alt. StPO ausgeschlossen war, durch Gerichtsbeschluß die Inaugenscheinseinnahme der Lichtbilder Bl. 179 und 180 d. A. angeordnet und den anwesenden Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Augenscheinseinnahme gegeben wurde.
Daß damit eine förmliche Beweisaufnahme durch Einnahme eines gerichtlichen Augenscheins stattgefunden hat und die Lichtbilder nicht lediglich als Vernehmungsbehelf eingesetzt worden sind, läßt sich neben der an sich schon eindeutigen Formulierung auch aus der abweichenden Protokollierung in den Fällen ersehen, in denen Zeugen eine Urkunde etc. "vorgehalten" wurde. Umstände, die die Beweiskraft des Protokolls in Zweifel ziehen könnten, liegen nicht vor. Eine förmliche Augenscheinseinnahme durfte aber nicht in Abwesenheit des Angeklagten erfolgen, denn es handelt sich dabei um einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung, von dem er nicht nach § 247 StPO ausgeschlossen werden darf (vgl. BGHSt 21, 332 f.; BGHR StPO § 247 - Abwesenheit 5, 25; BGHR StPO § 338 Nr. 5 - Angeklagter 3, 12; BGH StV 1981, 57; 1987, 475; 2000, 238; Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 247 Rdn. 7, 19). Zumindest hätte die Augenscheinseinnahme in Gegenwart des Angeklagten wiederholt werden müssen. Da dies ausweislich der Sitzungsniederschrift nicht geschehen ist, liegt der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO vor.
Der dargestellte Verfahrensverstoß führt zur Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten im Fall II. 6. bis 8. wegen Mißhandlung von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit Körperverletzung. Das Landgericht hat sich bei seiner Beweiswürdigung zu diesem Fall ausdrücklich auf die Lichtbilder gestützt.
Hingegen gefährdet der Verfahrensfehler den Bestand der Verurteilung im Fall II. 2./3. nicht. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ist ein Einfluß des Verfahrensfehlers insoweit ausgeschlossen (BGH NJW 1977, 443; BGHR StPO § 338 Beruhen 1), weil sich die Beweisaufnahme durch die Inaugenscheinnahme der Lichtbilder bei der Vernehmung der Zeugin J. darauf nicht bezog. Dem Angeklagten ist in diesem Fall zur Last gelegt worden, seine beiden sechs und fünf Jahre alten Töchter, die in der neu bezogenen Wohnung einen Wasserschaden verursacht hatten, geschlagen, getreten, in der Nacht geweckt und erneut geschlagen sowie der älteren Tochter Haarbüschel ausgerissen und ihre Brustwarzen so gedreht zu haben, daß Blutergüsse entstanden. Die Zeugin J. war zum Tatzeitpunkt in Tunesien und konnte aus eigenem Erleben zum Tatgeschehen nichts bekunden. Der Angeklagte hat zwar Einzelheiten bestritten, aber zugegeben, die Kinder "schlimm" geschlagen zu haben. Das Ausmaß der Verletzungen und die Art der Verletzungshandlungen hat das Landgericht außerdem auf die Aussage mehrerer anderer Zeugen gestützt.
Die Aufhebung des Urteils im Fall II. 6. bis 8. zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
2. Die weiteren Verfahrensrügen entsprechen nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO. Bei der Rüge der fehlerhaften Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs wird die dienstliche Äußerung der abgelehnten Richterin nicht mitgeteilt. Soweit die Verletzung der Aufklärungspflicht gerügt wird (Ablehnung seines in der Hauptverhandlung gestellten Antrags, die Akte an die Staatsanwaltschaft zurückzugeben bzw. weitere Zeugen zu vernehmen), fehlt es an bestimmten Beweisbehauptungen.
Die Rüge, seinen Anträgen auf Entpflichtung von Rechtsanwalt S. und Beiordnung von Rechtsanwältin K. sei rechtsfehlerhaft nicht stattgegeben worden, teilt die ablehnenden Beschlüsse der Kammer nicht vollständig - was für das Verständnis erforderlich wäre - mit. Im übrigen waren diesen Anträgen - wie die Kammer zu Recht angenommen hat - auch keine konkreten und hinreichenden Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß zu diesen Zeitpunkten eine nachhaltige und nicht zu beseitigende Erschütterung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Angeklagten und Rechtsanwalt S. vorgelegen hat, die besorgen ließ, daß die Verteidigung nicht mehr sachgerecht geführt werden konnte. Dies wäre aber Voraussetzung für die Ersetzung des Pflichtverteidigers gewesen (vgl. BGHSt 39, 310, 314 f.; Meyer-Goßner, aaO § 143 Rdn. 5).
3. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Damit, daß Zeugen etwas anderes gesagt haben, als im Urteil festgestellt, kann der Angeklagte im Revisionsverfahren nicht gehört werden.
4. Der Senat hatte erwogen, die Einstellung des Verfahrens hinsichtlich der Tatvorwürfe II. 6. bis 8. nach § 154 Abs. 2 StPO unter Aufrechterhaltung der Gesamtstrafe anzuregen, sieht sich daran jedoch durch die Entscheidung des - gehindert.
5. Es bestand kein Anlaß, die Sache - wie beantragt - an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
OAAAC-09969
1Nachschlagewerk: nein