BGH Urteil v. - 3 StR 431/04

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StPO § 244 Abs. 4 Satz 1

Instanzenzug: LG Duisburg vom

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern und wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in 52 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der die Ablehnung eines Antrags auf Einholung eines aussagepsychologischen Glaubhaftigkeitsgutachtens beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts gerügt wird. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

Nach den Feststellungen des Landgerichts hielt sich die am geborene J. R. in der Zeit von Januar 1996 bis Ende März 2000 mindestens einmal im Monat über das Wochenende in der Wohnung des Angeklagten und seiner Lebensgefährtin, der Großmutter des Kindes, auf. Hinzu kamen jeweils mehrwöchige Besuche während der Kindergarten- und Schulferien. In diesem Zeitraum mißbrauchte der Angeklagte das Kind jedenfalls einmal monatlich, mithin in mindestens 51 Fällen. Die Tatserie fand ein vorläufiges Ende, nachdem es zwischen der Mutter und der Großmutter des Kindes im April 2000 zu einem Streit und deshalb zum Abbruch der Besuchskontakte gekommen war. Erst nach der Aussöhnung und erneuten Besuchen nahm der Angeklagte im Jahr 2003 an dem inzwischen 12 Jahre alten Kind noch zweimal sexuelle Handlungen vor.

Der Angeklagte hat die Tatvorwürfe bestritten. Das Landgericht hat seine Überzeugung im wesentlichen aufgrund der Aussage der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung dreizehneinhalbjährigen J. gewonnen, an deren Glaubhaftigkeit es keinen Zweifel hatte.

1. Die Verfahrensrüge, das Landgericht habe zu Unrecht einen Beweisantrag auf Einholung eines aussagepsychologischen Glaubhaftigkeitsgutachtens abgelehnt, zeigt keinen Rechtsfehler auf. Die Verteidigung hat den Antrag gegen Ende der Beweisaufnahme gestellt und zur Begründung den Verlauf der Beweisaufnahme und deren Ergebnisse aus ihrer Sicht dargestellt. Die Strafkammer hat den Antrag nach § 244 Abs. 4 Satz 1 StPO unter Hinweis auf die eigene Sachkunde abgelehnt.

Die Beweiswürdigung, namentlich die Bewertung von Zeugenaussagen, ist vom Gesetz dem Richter zugewiesen (vgl. § 261 StPO). Sich dabei ergebende aussagepsychologische Fragen stellen keine abgelegene, sondern eine für Richter zentrale Materie dar. Bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage benötigt der Richter deshalb grundsätzlich nicht die Hilfe eines Sachverständigen (st. Rspr.; vgl. BVerfG NJW 2003, 1443). Das gilt auch für die Aussagen eines kindlichen oder jugendlichen Zeugen, der - nach Anklage - Opfer eines an ihm begangenen Sexualdelikts geworden ist (vgl. BGH NStZ 1997, 355; 2001, 105). Dabei darf sich das Gericht, zumal eine erfahrene Jugendschutzkammer, die Aussagebeurteilung in aller Regel auch bei Angaben zu Taten in der frühen Kindheit des Zeugen zutrauen ( - m. w. N., insoweit in NStZ 1999, 297 nicht abgedruckt).

Besonderheiten, die hier die Hinzuziehung eines aussagepsychologischen Sachverständigen geboten hätten, hat der Antrag nicht aufgezeigt. Die eigene Sachkunde, die das Landgericht für sich in Anspruch genommen hat, ist in den Urteilsgründen dargelegt. Dort wird die Zeugenaussage auf ihren Inhalt, ihre Entstehung und Entwicklung sowie auf ihre Vereinbarkeit mit anderen Beweisanzeichen untersucht. Die Hypothese, daß die Zeugin aus Verärgerung über den Angeklagten falsch ausgesagt haben könnte, wird vom Landgericht ebenso untersucht und verworfen wie diejenige, daß sich die Zeugin wegen der ihre Erstaussage auslösenden Situation zu einer Falschaussage hätte veranlaßt sehen können. Auch die Möglichkeit, daß die Aussage aufgrund der Befragung des Kindes durch die Mutter und deren Lebensgefährten verfälscht worden ist, hat die Kammer erkannt und nach Prüfung als nicht gegeben angesehen. Daß sie die Möglichkeit nicht ausdrücklich erörtert hat, die Zeugin könnte in der Bemühung um Konsistenz ihrer Aussage vorhandene Erinnerungslücken konstruktiv geschlossen haben, führt hier nicht zu Zweifeln an der Sachkunde des Gerichts. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Vortrags, die Zeugin habe im Jahr 1998 vorübergehend unter epileptischen Anfällen gelitten. Ein vereinzelter epileptischer Anfall führt regelmäßig nur zu einer Beeinträchtigung der Zeugentüchtigkeit für den Zeitraum des Anfalls. Über ein Mißbrauchsgeschehen während eines Anfalls hat die Zeugin erkennbar niemals berichtet. Generelle Beeinträchtigungen der Aussagefähigkeit können sich allerdings bei einer manifesten Erkrankung ergeben (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 2 Sachverständiger 10). Dies wird weder im Beweisantrag noch in der Revisionsbegründung behauptet. Nach den Urteilsfeststellungen hat vielmehr bei Untersuchungen der Zeugin im Krankenhaus eine Ursache im Sinne einer psychischen Erkrankung nicht festgestellt werden können.

2. Aus denselben Gründen bleibt die erhobene Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) ohne Erfolg. Die Hinzuziehung eines Sachverständigen drängte sich hier nicht auf.

3. Auch im übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
CAAAC-09224

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