Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StGB § 46 Abs. 2; StGB § 49 Abs. 1; StGB § 51; StGB § 177 Abs. 1; StGB § 177 Abs. 2; StGB § 177 Abs. 2 Nr. 1; StGB § 177 Abs. 5; StPO § 154 a Abs. 2; StPO § 267 Abs. 1
Instanzenzug: LG Osnabrück vom
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung, wegen Vergewaltigung in drei Fällen und wegen Körperverletzung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
Im Fall IV. 1 der Urteilsgründe hat der Senat die Verfolgung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154 a Abs. 2 StPO auf das Verbrechen der Vergewaltigung beschränkt, da der Körperverletzungsvorsatz bislang nicht ausreichend begründet worden ist. Daß der Angeklagte damit "rechnete", daß durch sein Handeln eine Allergie ausgelöst werden könnte (rechtliche Würdigung - UA S. 43, 44), ist durch Feststellungen nicht belegt. Die sonst romanhaften, unnötig weitschweifigen Urteilsausführungen sind gerade bei den nach § 267 Abs. 1 StPO vorgeschriebenen, tatbestandsausfüllenden Angaben sehr knapp und zum Körperverletzungsvorsatz im Fall IV. 1 lückenhaft. Im übrigen würde ein "Rechnen" nur die Wissensseite des Vorsatzes, nicht aber das hier durchaus nicht selbstverständliche Willenselement belegen.
In dem nach der Beschränkung verbleibenden Umfang hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom unter Abschnitt I, II 1 - 2 genannten Gründen zum Schuldspruch und zu den Strafaussprüchen in den Fällen IV. 3 bis 6 keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
I. Darüber hinaus hält jedoch auch der Strafausspruch in den Fällen IV. 1, 2, 7 und 8 rechtlicher Nachprüfung stand. Insbesondere stellt es keinen Rechtsfehler dar, daß die Strafkammer bei der Strafzumessung für die Vergewaltigungsfälle ohne nähere Ausführungen zur Strafrahmenwahl vom Regelstrafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB, den sie im Fall IV. 2 nach § 21, § 49 Abs. 1 StGB gemildert hat, ausgegangen ist. Die vom Generalbundesanwalt vermißte ausdrückliche Begründung, warum der Regelstrafrahmen und nicht der des Grundtatbestandes nach § 177 Abs. 1 StGB oder gar der des minder schweren Falles nach § 177 Abs. 5 StGB angewendet worden ist, bedarf es nur, wenn der Sachverhalt eine solche Prüfung nahelegt und eine Erörterung in den Urteilsgründen als Grundlage einer revisionsrechtlichen Nachprüfung geboten ist. Liegt aber die Heranziehung eines niedrigeren Strafrahmens in Anbetracht der gesamten Umstände fern, ist eine solche Erörterung aus sachlichrechtlichen Gründen nicht geboten (BGH StV 1981, 541; GA 1987, 226). So liegt es hier:
1. Sämtliche Vergewaltigungsfälle sind dadurch gekennzeichnet, daß das Opfer in einer weit über den Durchschnitt sonstiger Fälle hinausgehenden Weise erniedrigt worden ist. Dies gilt insbesondere für die Begleitumstände im Fall IV. 1, im Fall IV. 2 mußte sich das Opfers infolge heftiger Schmerzen übergeben und in den Fällen IV. 7 und 8 begleitete er seine Handlungen mit abstoßenden und seine Frau in besonderer Weise demütigenden Bemerkungen.
2. Ein Abgehen vom Regelstrafrahmen liegt auch deshalb fern, weil es sich nicht um einen einzelnen isolierten Übergriff eines sonst unbescholtenen Mannes handelt, sondern um eine schwerwiegende Serie von acht abgeurteilten Gewalttaten zum Nachteil seiner Ehefrau, der bereits eine weitere festgestellte, aber nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellte Vergewaltigung im Jahre 1998 (UA S. 9) vorausgegangen war, bei der er seine Ehefrau ebenfalls besonders entwürdigend behandelt hatte. Durch die Einbettung der Einzeltaten in diese Serie wird gleichzeitig auch das Gewicht jeder Einzeltat deutlich erhöht, bei der nicht nur Vortaten, sondern grundsätzlich auch nachfolgende Taten strafschärfend berücksichtigt werden können, sofern wie hier ein innerer kriminologischer Zusammenhang besteht (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 25).
3. Auch die von der Strafkammer als strafmildernd herangezogenen Umstände erfordern nicht die Erörterung einer Strafrahmenverschiebung. Denn sie haben zum Teil nur geringes Gewicht, zum Teil sind sie strafzumessungsrechtlich irrelevant:
a) Der Freiheitsentzug durch Untersuchungshaft als solcher stellt bei Verhängung einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe wegen der vollen Anrechenbarkeit nach § 51 StGB grundsätzlich keinen strafmildernd zu berücksichtigenden Nachteil für den Angeklagten dar (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 18; BGH wistra 2001, 105; Schäfer, Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 434). Anders mag dies sein, wenn im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten wie eine besondere Beeindruckung eines Täters durch den Freiheitsentzug, die dazu führte, daß gegen ihn eine Bewährungsstrafe verhängt werden konnte (BGH NStZ 1994, 242). In der Entscheidung BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 18 wurde die Untersuchungshaft nicht als solche, sondern nur im Zusammenhang mit einer überlangen Verfahrensdauer gewertet. Ebenso hat der 1. Strafsenat im Urteil vom - 1 StR 579/99 - die mildernde Berücksichtigung von Untersuchungshaft nur unter dem Gesichtspunkt der dort damit verbundenen Ungewißheit gebilligt. Ob eine solche den Angeklagten besonders belastende Ungewißheit mit einem Strafverfahren verbunden ist, die dann durch eine Untersuchungshaft verstärkt werden kann, hängt jedoch zunächst von anderen Faktoren ab, insbesondere wie offen der Ausgang des Verfahrens und welcher Art die zu erwartenden Sanktionen sind.
b) Die spontane Tatbegehung ist bei Vergewaltigungen, die nur ausnahmsweise von langer Hand geplant werden, die Regel und rechtfertigt daher keine Milderung von Gewicht.
c) Das "problematische Beziehungsgeflecht" ist nach den getroffenen Feststellungen durch übermäßigen Alkoholkonsum des Angeklagten, häufige Gewalttätigkeiten gegenüber Kindern und Ehefrau und letztlich durch das von seiner Ehefrau nicht geteilte Verlangen nach ausgefallenen sexuellen Praktiken, bei denen er seine Macht zeigen und sie erniedrigen konnte, gekennzeichnet (UA S. 6 ff.). Daß diese vom Angeklagten zu vertretenden Faktoren strafmildernd zu werten seien, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen.
d) Die Alkoholisierung des Angeklagten, die im Fall IV. 2 zu einer Strafrahmenmilderung nach § 21, § 49 Abs. 1 StGB und in den Fällen IV. 7 und 8 zur Strafmilderung wegen der enthemmenden Wirkung des Alkohols geführt hatte, gab hier zur Erörterung einer Strafrahmenverschiebung keinen Anlaß, weil der Angeklagte nach den Feststellungen um die Gefahr von Übergriffen nach Alkoholgenuß wußte. Bereits 1995 schrieb er seiner Frau nach einem entsprechenden Vorfall: " Ich werde nie wieder Alkohol trinken und Dir nie wieder weh tun ..." (UA S. 7).
e) Daß die "gute Sorge" des Angeklagten für seine Familie nur die äußeren Verhältnisse betraf, hat das Landgericht zutreffend erörtert und damit gelegentliche Tätlichkeiten und "despotisches" Verhalten gegenüber Familienmitgliedern (UA S. 7, 8) relativierend berücksichtigt.
II. Die Beschränkung der Strafverfolgung im Fall IV. 1 läßt die verhängte Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten unberührt. Zwar entfällt der von der Strafkammer berücksichtigte Umstand, daß zwei Tatbestände (Vergewaltigung und Körperverletzung) erfüllt worden sind, doch steht dem gegenüber, daß die erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigung des Opfers vom Angeklagten zu vertreten war und deshalb nach § 46 Abs. 2 StGB als verschuldete Auswirkung straferschwerend hätte berücksichtigt werden dürfen. Daneben liegt in dem Tatgeschehen neben dem Beischlaf ein anderweitiges, zudem besonders ekelerregendes und erniedrigendes Eindringen in den Körper der Frau. Diese zweifache Erfüllung eines Regelbeispiels nach § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB hätte ebenfalls strafschärfend berücksichtigt werden dürfen (BGHR StGB § 177 Abs. 2 Strafzumessung 1).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
RAAAC-09151
1Nachschlagewerk: nein