Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 349 Abs. 4; StPO § 354 Abs. 2; StGB § 46 Abs. 3; StGB § 213; StGB § 213 Alt. 1; StGB § 224 Abs. 1; StGB § 226 Abs. 1; StGB § 226 Abs. 3
Instanzenzug: LG Oldenburg vom
Gründe
Das Landgericht Oldenburg hatte den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat den Strafausspruch wegen fehlerhafter Strafzumessungserwägungen aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Im zweiten Durchgang hat das Landgericht gegen den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von vier Jahren verhängt. Hiergegen hat dieser erneut Revision eingelegt, die mit der Sachrüge wiederum Erfolg hat.
Nach den Feststellungen erreichte den nicht vorbestraften Angeklagten, der gerade in einer Sporthalle an einem Fußballturnier teilnahm, der Hilferuf seines vor der Halle befindlichen Schwagers, er werde von zwei Männern geschlagen, die den Angeklagten bereits auf seinem Weg zum Fußballturnier ohne Anlaß in aggressiver Weise verfolgt und beschimpft und damit eine Schlägerei ausgelöst hatten. Der Angeklagte und sein Bruder eilten darauf nach außen, um ihrem Schwager zu helfen, weitere Veranstaltungsteilnehmer folgten ihnen. Vor der Halle riß der Angeklagte aus einem Gartenzaun einen Holzpfahl und stellte einen der Angreifer aufgebracht zur Rede, wobei sich seine Erregung noch steigerte, als ihn dieser, wie schon zuvor u. a. mit Worten wie "Arschloch" beschimpfte. Daraufhin schlug der Angeklagte mit dem Pfahl in Richtung der Körperseite seines etwa einen Kopf größeren Gegners, traf ihn jedoch am Kopf, weil dieser sich in diesem Augenblick etwas abwandte und bückte. Sein Kontrahent erlitt ein subdurales Hämatom und fiel auf das Pflaster. Der Angeklagte war über die Konsequenz seines Schlages erschrocken und rannte davon. Der Geschädigte mußte sich einer Notoperation am Schädel unterziehen und befand sich mehrere Wochen im Koma. Nach den im zweiten Durchgang getroffenen ergänzenden Feststellungen besteht beim Geschädigten eine linksseitige Lähmung von Dauer mit sehr erheblichen Beeinträchtigungen seiner Körperfunktionen.
Die Strafkammer hat erneut den Regelstrafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB zugrunde gelegt und einen minder schweren Fall nach dieser Vorschrift im Hinblick auf die dauerhaften sehr schweren Schädigungen verneint.
Der Strafausspruch hält wiederum einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand, da die Strafzumessungserwägungen besorgen lassen, die Strafkammer habe den mehrfachen Provokationen des Geschädigten nicht das vom Gesetz gewollte Gewicht beigemessen.
Zwar hat das Landgericht ausdrücklich berücksichtigt, daß der Angeklagte im Vorfeld des Tatgeschehens von dem Geschädigten und dem Zeugen H. zweimal grundlos und in erheblichem Maße provoziert und dabei zunächst von beiden beschimpft und förmlich gejagt worden ist und daß danach ein Angriff der beiden gegen den bislang unbeteiligten Schwager des Angeklagten erfolgte. Schließlich konnte es nicht ausschließen, daß der Angeklagte unmittelbar vor dem Schlag vom Geschädigten erneut beleidigt worden ist.
Derartigen schwerwiegenden Provokationen mißt das Gesetz eine erhebliche Bedeutung zu. In Fällen des provozierten Totschlags ist nach § 213 Alt. 1 StGB die Strafrahmenmilderung zwingend. Hätte der Angeklagte daher, wie das mit der Anklage angenommen worden war, mit bedingtem Tötungsvorsatz zugeschlagen, hätte trotz der erheblichen Folgen ein minder schwerer Fall nach § 213 StGB angenommen werden müssen. Wäre die dauerhafte linksseitige Lähmung des Geschädigten bereits im ersten Durchgang feststellbar gewesen, hätte eine Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung nach § 226 Abs. 1 StGB erfolgen müssen. Bei der danach gebotenen Prüfung, ob ein minder schwerer Fall nach § 226 Abs. 3 StGB gegeben ist, hätte wiederum eine Bejahung im Hinblick auf die erheblichen Provokationen mehr als nahe gelegen. Dabei hätte die ein Tatbestandsmerkmal erfüllende schwere Körperverletzung (Lähmung) im Hinblick auf § 46 Abs. 3 StGB nicht strafschärfend berücksichtigt werden dürfen. Soweit darüber hinausgehende, zusätzliche Schäden gegeben sind, hätte aber andererseits berücksichtigt werden müssen, daß der Angeklagte nicht vorbestraft, voll geständig und reumütig ist und in das Geschehen ohne jede eigene Schuld zunächst als Opfer der kriminellen Verhaltensweisen des Geschädigten und des Zeugen H. verwickelt worden ist. Bei dem sich danach ergebenden Strafrahmen von sechs Monaten bis fünf Jahren läge die verhängte Freiheitsstrafe von vier Jahren nahe an der Höchstgrenze, was nach Sachlage kaum vertretbar erscheint.
Der Senat macht von § 354 Abs. 2 StPO Gebrauch und verweist die Sache an eine Strafkammer des Landgerichts Hildesheim zurück.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BAAAC-08689
1Nachschlagewerk: nein