BGH Beschluss v. - 3 StR 239/02

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StPO § 349 Abs. 4

Instanzenzug:

Gründe

Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, weil er im Zustand erheblich verminderter, möglicherweise sogar ausgeschlossener Schuldfähigkeit einen anderen mittels einer Axt zu verletzen versucht hatte. Hiergegen richtet sich die Revision des Beschuldigten. Sie hat mit der allgemeinen Sachbeschwerde Erfolg.

1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist nicht zulässig, wenn der Täter mit strafbefreiender Wirkung vom Versuch der rechtswidrigen Tat zurückgetreten ist (BGHSt 31, 132, 134). Das Landgericht hat nicht erkennbar geprüft, ob der Beschuldigte von der weiteren Tatausführung freiwillig zurückgetreten ist, obwohl sich eine ausdrückliche Erörterung im Urteil aufgedrängt hätte.

Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Beschuldigte, verärgert über die Geräusche aus der benachbart gelegenen Wohnung des Zeugen L. , mit einer Axt zuerst ein Loch in dessen Wohnungstür geschlagen. Als der Zeuge daraufhin die Tür öffnete, wurde er von dem Beschuldigten in die Wohnung zurückgeschubst und kam dadurch zu Fall. Der Beschuldigte führte nun einen Schlag mit der Axt auf den am Boden liegenden Zeugen, mit dem er diesen zumindest verletzten wollte und den er mit den Worten verband: "Mach leiser oder ich bringe Dich um." Der Zeuge konnte sich wegrollen und so dem Schlag ausweichen. Nun trat der Zeuge K. , der sich als Gast in der Wohnung aufgehalten hatte, hinzu und schrie den Beschuldigten an, er solle aufhören. Der Beschuldigte verließ daraufhin die Wohnung mit der Bemerkung, daß er den Zeugen L. das nächste Mal umbringen werde.

Nach diesen Feststellungen liegt es fern, daß der geistig behinderte Beschuldigte nach der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung einen Körperverletzungserfolg für möglich gehalten hätte (zum insoweit maßgeblichen "Rücktrittshorizont"; vgl. nur BGHSt 39, 221, 227; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 24 Rdn. 14 ff.). Dem Urteil ist auch nicht zu entnehmen, daß dem Beschuldigten nach dem Hinzutreten des Zeugen K. ein erneuter Axthieb nicht mehr möglich gewesen wäre, und ein Rücktritt vom Versuch wegen dessen Fehlschlags (vgl. hierzu BGHSt 39, 221, 228, 232; Tröndle/Fischer aaO Rdn. 6 ff.) nicht mehr in Betracht gekommen ist. Zuletzt war eine Erörterung des Rücktritts auch nicht deshalb entbehrlich, weil dem Beschuldigten sein außertatbestandliches Handlungsziel, die Verhinderung zukünftigen ruhestörenden Lärms durch den Zeugen L. , möglicherweise schon erreicht schien, denn dies würde einen strafbefreienden Rücktritt nicht ausschließen (vgl. BGHSt 39, 221, 231; BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, unbeendeter 23).

2. Sollte der neue Tatrichter zu dem Ergebnis kommen, daß der Beschuldigte vom Versuch der gefährlichen Körperverletzung zurückgetreten ist, so wird er das Verhalten des Beschuldigten nach Wiedereinbeziehung ausgeschiedener Gesetzesverletzungen (§ 154 a Abs. 3 StPO) unter dem Gesichtspunkt der Sachbeschädigung, des Hausfriedensbruchs und der (u. U. nur versuchten) Nötigung bzw. der Bedrohung zu würdigen haben. Dabei wird der Umstand, daß der Beschuldigte auf den Zeugen mit einer Axt eingedrungen ist, als solcher bei der Würdigung des Geschehens im Hinblick auf eine Gefährlichkeit des Beschuldigten auch dann nicht ausgeblendet werden müssen, wenn ein Rücktritt festgestellt worden ist, jedoch wiederum zu beachten sein, daß der Beschuldigte von seinem Versuch der gefährlichen Körperverletzung abgelassen hat.

Es könnte sich im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB) auch als sachgerecht erweisen, den Vorfall vom Dezember 2000, als der Beschuldigte aus ähnlichem Anlaß mit laufender Kettensäge vor der Tür des Zeugen L. stand, in das Verfahren einzubeziehen.

3. Auf die Rüge, die Strafkammer habe ein gegen den Sachverständigen gerichtetes Befangenheitsgesuch zu Unrecht abgelehnt, kommt es nicht mehr an. Sie hätte der Revision auch nicht zum Erfolg verholfen, gibt dem Senat jedoch Anlaß zu folgender Bemerkung:

Der Sachverständige, ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, war mit der Erstellung eines Gutachtens zur Frage der Schuldfähigkeit sowie der Gefährlichkeit des Beschuldigten beauftragt worden. Die von dem Verteidiger begehrte Anwesenheit bei der Exploration lehnte der Gutachter ab, so daß der Beschuldigte lediglich im Rahmen der Hauptverhandlung begutachtet werden konnte.

Die fachliche Durchführung der Untersuchung ist allein Sache des Sachverständigen; er hat hinsichtlich der Informationsbeschaffung und der Methodenwahl weitgehend freie Hand. Das Gericht darf ihm keine Weisungen darüber erteilen, auf welchem Weg er das Gutachten zu erarbeiten hat (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 78 Rdn. 6 m. w. N.). Wenn es der Sachverständige für erforderlich hielt, die psychiatrische Untersuchung des Beschuldigten in Abwesenheit dritter Personen, insbesondere des Verteidigers, vorzunehmen, weil er die Verfälschung des Ergebnisses der Exploration befürchtete, bewegte er sich im Bereich seiner Fachkompetenz. Es gibt keinen wissenschaftlichen Standard, der die Anwesenheit Dritter bei Schuldfähigkeits- und Prognosegutachten vorsieht.

Das Recht des Beschuldigten, sich in jeder Lage des Verfahrens anwaltlicher Hilfe zu bedienen, führt entgegen der Ansicht der Revision nicht zu einem Anwesenheitsrecht des Verteidigers bei der Exploration. Die Strafprozeßordnung sieht ein solches Anwesenheitsrecht nicht vor. Auch wenn die Exploration unter Umständen in Abhängigkeit von dem Gutachtenauftrag vernehmungsähnliche Elemente haben kann, ist sie mit den Vernehmungen bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht nicht gleichzusetzen.

Die Anwesenheit des Verteidigers ist auch nicht erforderlich, um sicherzustellen, daß die Begutachtung den medizinischen Standards (vgl. dazu Nedopil, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. S. 277 ff.) und der Strafprozeßordnung (insbesondere der Grenze eigener Aufklärungsmöglichkeiten des Gutachters, vgl. hierzu Rogall in SK-StPO 26. Lfg. § 80 Rdn. 17) entspricht. Wenn der Beschuldigte sich gleichwohl nur in Anwesenheit seines Verteidigers untersuchen lassen will und damit die Untersuchung in der vom Sachverständigen für erforderlich gehaltenen Art verweigert, muß er in den Fällen, in denen - wie hier - die Untersuchung ihrer Art nach die freiwillige Mitwirkung des Beschuldigten voraussetzt, damit rechnen, daß seine Begutachtung ggf. nur auf einer schmaleren Basis von Befunden erfolgen wird (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 246 a Rdn. 3; Herdegen in KK 4. Aufl. § 246 a Rdn. 3).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
YAAAC-08570

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