Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StGB § 316; StPO § 265; StPO § 349 Abs. 2
Instanzenzug: LG Rostock
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:
- den Angeklagten S. wegen (unerlaubten) Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit (unerlaubter) Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 17 Fällen sowie wegen (unerlaubten) Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit versuchter (unerlaubter) Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten;
- den Angeklagten Z. - unter Freisprechung im übrigen - wegen (unerlaubten) Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit (unerlaubter) Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen sowie wegen (unerlaubten) Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten;
- die Angeklagten H. und Ho. wegen Beihilfe zum (unerlaubten) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit (Beihilfe zur unerlaubten) Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 17 Fällen und wegen Beihilfe zum (unerlaubten) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit versuchter (gemeint ist: Beihilfe zur versuchten unerlaubten) Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten (H. ) bzw. drei Jahren (Ho. );
- den Angeklagten R. wegen Beihilfe zum (unerlaubten) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit (Beihilfe zur unerlaubten) Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen sowie wegen Beihilfe zum (unerlaubten) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit versuchter (gemeint ist: Beihilfe zur versuchten unerlaubten) Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.
Außerdem hat das Landgericht den Verfall von Wertersatz in Höhe von 50.000 DM (S. ), 5.300 DM (Z. ), 4.000 DM (H. ) und 6.000 DM (Ho. ) angeordnet.
Gegen dieses Urteil wenden sich die Staatsanwaltschaft sowie die Angeklagten S. , Z. , H. und R. mit ihren Revisionen; sie rügen die Verletzung materiellen Rechts. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg; die übrigen Rechtsmittel sind unbegründet.
I. Revisionen der Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwaltschaft beanstandet, daß die Angeklagten nicht wegen bandenmäßiger Begehungsweise (§ 30 a Abs. 1 BtMG) und daß die Angeklagten Ho. und H. nur wegen Beihilfe und nicht wegen (Mit-)Täterschaft verurteilt wurden. Bezüglich des letzten der abgeurteilten Fälle (Fall II 18) rügt die Beschwerdeführerin zusätzlich die Strafzumessung.
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Spätestens Anfang März 1999, nachdem der Angeklagte S. den Angeklagten H. , der als Kurierfahrer für die Firma "c. r. " tätig war, kennengelernt hatte, kamen die Angeklagten S. und Z. überein, in den Niederlanden Haschisch in großen Mengen zu erwerben, dieses durch einen Paket- und Kurierdienst nach Deutschland zu schmuggeln und im Raum Rostock gewinnbringend zu verkaufen. Unter Einschaltung des niederländischen Paketkurierunternehmens "S. -N. ", das mit der Firma "c. r. " zusammenarbeitete, wurden die Pakete mit dem von S. in den Niederlanden gekauften Haschisch von dort aus über Irxleben bei Magdeburg, dem zentralen Sammelpunkt des Kurierdienstes "c. r. ", vom Angeklagten H. nach Rostock verbracht. Um die Rauschgiftlieferungen für H. kenntlich zu machen, wurde auf den Paketen als Absender "Meik L. " und als Empfänger "Dr. Heiner Ro. " aufgeführt. Hinter dem Empfänger verbarg sich der Angeklagte Ho. , der die Haschischpakete für ein monatliches Entgelt von 1.000 DM entgegennahm, den Paketinhalt jeweils nach Weisung des Angeklagten S. an Zwischenhändler aushändigte und "das Inkasso" besorgte. H. erhielt für seine Tätigkeit monatlich 500 DM, bei zwei Lieferungen im Monat 700 DM. S. und Z. hatten pro Kilogramm Haschisch einen Gewinn von mindestens 400 DM.
Als es im August 1999 zum Streit wischen Z. und S. kam, gewann der Angeklagte S. den Angeklagten R. für den Plan, weiter auf dem genannten Transportweg Haschisch aus den Niederlanden nach Deutschland einzuführen. R. vermittelte S. über einen in den Niederlanden wohnenden Freund den Drogenhändler "T. ", bei dem das Haschisch günstiger bezogen werden konnte als bisher. In einigen Fällen begleitete er den Angeklagten S. beim Einkauf in den Niederlanden als Fahrer und "Bodyguard". Als Entlohnung wurden ihm Unterkunft, Verpflegung, Bordellbesuche und 1700.- DM (Fall II 18) gezahlt.
Insgesamt wurden in der Zeit vom 7./8. März bis unter Mitwirkung der Angeklagten S. , H. und Ho. in 17 Fällen zwischen 1 kg und 21,5 kg - zusammen 180,5 kg - Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von jeweils über 7,5 g THC pro Sendung von den Niederlanden nach Deutschland verbracht und hier gewinnbringend veräußert. In drei der Fälle (Fälle II 1, 2, 5) kaufte und versandte S. das Rauschgift gemeinsam mit dem Angeklagten Z. , in drei weiteren Fällen (Fälle II 14, 15, 17) begleitete der Angeklagte R. den Angeklagten S. in die Niederlande; in den Fällen II 1 und 2 war der Angeklagte Z. - wie auch im Fall II 3 - zudem selbst am Absatz des Rauschgifts in Rostock beteiligt.
Als im März 2000 der ehemalige Mitangeklagte G. den Rauschgifthandel übernehmen wollte, weil gegen S. und R. polizeiliche Ermittlungen liefen, vermittelte S. dem G. den Rauschgifthändler "T. " - gegen Zahlung einer Provision - dadurch, daß er zusammen mit R. und G. in die Niederlande fuhr, wo G. - wie geplant - von "T. " ca. 10 kg Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von ca. 900 g THC erwarb, das auf die bisher durchgeführte Art nach Rostock gelangen sollte. Das Rauschgift wurde jedoch von der niederländischen Polizei noch in den Geschäftsräumen der Firma "S. -N. " sichergestellt und durch Imitate ersetzt, die später beim Angeklagten Ho. sichergestellt wurden (Fall II 18).
2. In seiner rechtlichen Würdigung hat das Landgericht ausgeführt, eine bandenmäßige Tatbegehung liege nicht vor, weil ein Handeln mit gefestigtem Bandenwillen im gemeinsamen übergeordneten Bandeninteresse nicht feststellbar sei. Im Hinblick auf die Angeklagten H. , Ho. und R. fehle es zudem an der Eingliederung in eine Bandenstruktur, weil ihnen kein bestimmender Einfluß eingeräumt worden sei, welche Rauschgiftgeschäfte stattfinden sollten, und weil ihnen die Rolle gleichberechtigter Partner nicht zugekommen sei. Ihre Tatbeiträge seien lediglich als Beihilfehandlungen zu werten; denn diese Angeklagten hätten weder mit der Beschaffung des Haschisch noch mit den Verkaufsgeschäften etwas zu tun gehabt und sie seien für ihre Tätigkeit lediglich mit einem fixen und eher geringen, von den Rauschgiftgeschäften unabhängigen Geldbetrag entlohnt worden.
3. Die Annahme der Strafkammer, eine bandenmäßige Begehungsweise liege nicht vor und die Angeklagten H. und Ho. hätten nur Beihilfe geleistet, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des - (BGHSt 46, 321 = NStZ 2001, 421) setzt der Begriff der Bande den Zusammenschluß von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen. Abweichend von der früheren Rechtsprechung (vgl. nur BGH NStZ 1996, 443; 2001, 32, 33) ist ein "gefestigter Bandenwille" oder ein "Tätigwerden in einem übergeordneten Bandeninteresse" nicht mehr erforderlich. Die Mitglieder der Bande können vielmehr in der Bande ihre eigenen Interessen an einer risikolosen und effektiven Tatausführung und Beute- oder Gewinnerzielung verfolgen. Diese neue Rechtsprechung gilt - unabhängig davon, ob sie sich zugunsten oder zu Lasten eines Angeklagten auswirkt - auch für "Altfälle" (vgl. BVerfG NStZ 1990, 537 [zu § 316 StGB]; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 2 Rdn. 38 m.w.N.; für den Bandenbegriff des Betäubungsmittelgesetzes vgl. ). Danach unterscheidet sich die Bande von der Mittäterschaft durch das Element der auf eine gewisse Dauer angelegten Verbindung mehrerer Personen zu zukünftiger gemeinsamer Deliktsbegehung. Mitglied einer Bande kann auch sein, wem nach der - stillschweigend möglichen - Bandenabrede nur Aufgaben zufallen, die sich bei wertender Betrachtung als Gehilfentätigkeiten darstellen (, zum Abdruck in BGHSt bestimmt).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe waren die fünf Angeklagten Mitglieder einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verbunden hatten (§ 30 a Abs. 1 BtMG):
Alle Angeklagten waren in eine auf Dauer angelegte deliktische Gruppierung eingebunden, die vom Erwerb und Versand des Rauschgifts in den Niederlanden (durch S. , Z. /R. ) über dessen Transport nach Rostock (durch H. ) und die (Zwischen-) Lagerung bis hin zur Verteilung an die Zwischenhändler und das "Inkasso" (durch Ho. ) arbeitsteilig aufgebaut war. Die vom Landgericht festgestellte Arbeitsteilung ist typisch für eine organisierte Bandentätigkeit, selbst wenn die Aufgaben einzelner Mitglieder bei wertender Betrachtung möglicherweise nur als Gehilfentätigkeiten erscheinen. Das hindert die Beteiligung als Mitglied der Bande nicht. Alle Angeklagten, auch der Angeklagte R. , der zwar erst später in die Bandenstruktur eintrat, der aber durch die Vermittlung einer günstigeren "Bezugsquelle" und die Begleitung beim Einkauf in mehreren Fällen nicht nur völlig untergeordnete Beiträge erbrachte (vgl. hierzu ), haben zur Verwirklichung des Bandenzwecks maßgeblich beigetragen.
b) Nach den Feststellungen des Landgerichts waren - neben den Angeklagten S. und Z. - auch die Angeklagten H. und Ho. an den abgeurteilten Taten als (Mit-) Täter beteiligt:
Die Frage, ob die Beteiligung an einer Tat Mittäterschaft oder Beihilfe ist, beurteilt sich auch beim bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach den allgemeinen Grundsätzen über die Abgrenzung zwischen diesen Beteiligungsformen. Dabei ist jedoch zu beachten, daß der Begriff des Handeltreibens wegen seiner weiten Auslegung jede eigennützige, den Umsatz fördernde Tätigkeit erfaßt, selbst wenn es sich nur um eine gelegentliche, einmalige oder vermittelnde Tätigkeit handelt. Wesentliche Anhaltspunkte für die Beurteilung, ob ein Tatbeteiligter beim unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln Mittäter oder nur Gehilfe ist, sind insbesondere der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so daß Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Tatbeteiligten abhängen (st. Rspr.; vgl. nur BGH NStZ 1999, 451, 452; 2000, 482; NStZ-RR 2001, 148). Zu berücksichtigen ist hierbei, daß die Mittäterschaft - ebenso wie die Beteiligung an einer Bande - durchaus Abstufungen nach dem Grad des Tatinteresses und des Tateinflusses zuläßt (BGHSt 42, 255, 258).
Zwar unterliegt die Bewertung des Tatrichters, ein Angeklagter sei lediglich Gehilfe des Betäubungsmittelhandels gewesen, nur begrenzter revisionsrechtlicher Kontrolle (BGH NStZ-RR 2001, 148, 149); die Feststellungen des Landgerichts weisen jedoch aus, daß auch die Angeklagten H. und Ho. als (Mit-) Täter gehandelt haben:
Allerdings begründet die Mitgliedschaft in einer Bande noch nicht für sich die Mittäterschaft (). Hier waren aber beide Angeklagten von Anfang an unverzichtbar in die bandenmäßige Struktur eingebunden und hatten dort - wie sie wußten - wichtige, mit einem hohen Maß an Tatherrschaft verbundene Funktionen inne. Der Angeklagte H. hat seine logistischen Kenntnisse und Fähigkeiten in die Bande eingebracht und war für den - jeweils längere Zeit dauernden - Transport zu der "Verteilerstelle Ho. " allein zuständig. Er war dafür verantwortlich, die Betäubungsmittelsendungen aus der übrigen Kurierpost herauszufiltern und hatte über längere Zeit erhebliche Mengen Rauschgift in Besitz. Ho. nahm das Haschisch entgegen, lagerte es, verteilte es kiloweise an die Zwischenhändler und nahm große Geldbeträge entgegen. Beide Angeklagten taten dies, um regelmäßige monatliche Einkünfte aus den Rauschgiftgeschäften der Bande zu erzielen. Sie hatten ein erhebliches Risiko, das sie bereit waren, für die Entlohnung auf sich zu nehmen. Daß die Angeklagten H. und Ho. nicht "gleichberechtigte Partner" waren, sie keinen bestimmenden Einfluß auf die Beschaffung des Rauschgifts und dessen Verkauf hatten und ihre Entlohnung unabhängig vom Gewinn und vergleichsweise gering war, hindert unter den hier gegebenen Umständen - nämlich der arbeitsteiligen Übernahme eines maßgeblichen Organisationsbereichs der Bande - nicht ihre Verurteilung als Mittäter.
Dagegen weist die - von der Staatsanwaltschaft nicht angegriffene - Bewertung des Landgerichts, der Angeklagte R. sei in den Fällen II 14, 15, 17 und 18 der Urteilsgründe lediglich als Gehilfe zu bestrafen, keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.
c) Der Senat ändert die Schuldsprüche dementsprechend dahin ab, daß die Angeklagten des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bzw. der Beihilfe dazu (Angeklagter R. ) schuldig sind. Damit entfallen Schuldsprüche wegen an sich tateinheitlich begangener Einfuhrdelikte (vgl. BGHR BtMG § 30 a - Konkurrenzen 1; Bande 8 [Bewertungseinheit]). § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da bereits die Anklage von bandenmäßiger Begehungsweise und einem täterschaftlichen Handeln der Angeklagten H. und Ho. ausgegangen ist; im übrigen hätten sich die Angeklagten gegen die geänderten Schuldsprüche auch nicht wirksamer als geschehen verteidigen können.
d) Als Folge der Änderung der Schuldsprüche müssen sämtliche Strafaussprüche aufgehoben werden; denn der Senat kann nicht ausschließen, daß sich die rechtlich fehlerhafte Beurteilung durch die Strafkammer bei der Strafzumessung zugunsten der Angeklagten ausgewirkt hat. Damit erübrigt es sich, auf die Beanstandungen der Staatsanwaltschaft zur Strafzumessung im Fall II 18 der Urteilsgründe einzugehen. Die Verfallsanordnungen können bestehen bleiben, weil sie von der Aufhebung der Strafaussprüche nicht berührt werden und keinen Rechtsfehler aufweisen.
II. Revisionen der Angeklagten
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen der Angeklagten hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu deren Nachteil ergeben. Insoweit nimmt der Senat auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seinen Antragsschriften nach § 349 Abs. 2 StPO vom Bezug.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DAAAC-08042
1Nachschlagewerk: nein