Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 349 Abs. 2; StPO § 349 Abs. 4
Instanzenzug: LG Berlin
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Heroin (A 6,3 kg; N 18 g) zu Freiheitsstrafen verurteilt, einen Personenkraftwagen des Angeklagten A eingezogen und Geldbeträge für verfallen erklärt.
Die Revision des Angeklagten A erweist sich aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Dagegen ist die Revision des Angeklagten N mit der Sachrüge erfolgreich. Eines Eingehens auf die formellen Rügen bedarf es deshalb nicht.
Die - bisherigen - Feststellungen belegen ein täterschaftliches Handeltreiben durch Verwahren des Rauschgifts für einen Dritten zum Weiterverkauf, in der Absicht, damit einen finanziellen Vorteil zu erzielen, nicht.
Beide Angeklagte, die allein ungehinderten Zugang zu der Wohnung des Angeklagten N hatten, bestreiten, von der in einer fast leeren Kammer befindlichen Tasche mit 18 g Heroin, einer Feinwaage und 294 g Streckmittel Kenntnis gehabt zu haben.
Das Landgericht folgert die Alleintäterschaft des Angeklagten N aus seiner Zugangsberechtigung als Wohnungsinhaber und weil es die bestreitende Einlassung des Mitangeklagten für glaubhaft hält. Die zu diesem Ergebnis führende Beweiswürdigung wird den besonderen Anforderungen nicht gerecht, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in den Fällen einer alleinigen Belastung eines bestreitenden Angeklagten durch einen Mitangeklagten zu stellen sind (vgl. BGHR StPO § 261 Mitangeklagte 2; BtMG § 29 Beweiswürdigung 7; BGH StV 2000, 243, 244; 599). Das in diesen Fällen anerkannte Erfordernis, daß der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkennen muß, in seine Überlegungen einzubeziehen und in besonderem Maße eine Gesamtwürdigung aller Indizien vorzunehmen hat (BGH StV 2000, 599 f. m.w.N.), besteht wegen gleicher Sachlage auch, wenn - wie hier - ein täterschaftsbegründendes Indiz von der Bewertung sich gegenseitig ausschließender Einlassungen der Mitangeklagten abhängt.
Das Landgericht hat die Einlassung des Angeklagten A für glaubhaft erachtet, weil die zusätzliche Handelsmenge von 18 g Heroin für ihn keine erhöhte Straferwartung begründet hätte und er durch ein weitergehendes Geständnis seinen mit ihm entfernt verwandten Mitangeklagten hätte entlasten können. Abgesehen davon, daß der Angeklagte A hiermit möglicherweise die Verantwortung für einen durchaus schuldrelevanten Drogenumschlagplatz hätte übernehmen müssen, setzt diese Betrachtung ein im übrigen glaubhaftes Geständnis voraus, das der Angeklagte A nach den Feststellungen aber nicht abgelegt hat: Er hatte sich dahin eingelassen, eine bloße Hilfstätigkeit für H , den Mitbesitzer des Heroins, ausgeübt zu haben. Das Landgericht hat dies in einer umfassenden Gesamtwürdigung genauso widerlegt wie seinen behaupteten geringen finanziellen Vorteil, einen in Abrede gestellten - observierten - Heroinverkauf und die angegebene legale Herkunft sichergestellter 5.600 DM. Auf dieser Grundlage hat es den Angeklagten A als selbständig handelnden Heroinhändler angesehen. Die Überzeugung, der Angeklagte hätte ein weitergehendes Geständnis abgelegt, wenn es der Wahrheit entsprochen hätte, ist angesichts des aufgezeigten Verteidigungsverhaltens nicht tragfähig.
Hinzu kommt, daß nur der Angeklagte A bis zum Auffinden der 18 g Heroin in der Wohnung des Angeklagten N zu Rauschgift in Verbindung stand. Er hatte vielfach Heroingemisch aus der Wohnung des ehemaligen Mitangeklagten Hi , die als Umschlagplatz für über 6 kg Heroin diente, entnommen und sich am Tag seiner Festnahme - nach auffälliger Umschau - zur Wohnung des Angeklagten N begeben, der sich von 9.00 bis 24.00 Uhr wie stets in seiner Pizzeria aufhielt. In der Tasche, in der das Rauschgift lagerte, fanden sich Geschäftsunterlagen des Angeklagten N mit nur einem Fingerabdruck des Angeklagten A , der für den des Lesens und Schreibens nur unzureichend mächtigen Mitangeklagten die geschäftlichen Angelegenheiten erledigte. Dieses Indiz hat das Landgericht genausowenig in die gebotene Gesamtwürdigung eingestellt wie die Tatsache, daß das in zwei Wohnungen sichergestellte Heroin, zu denen nur der Angeklagte A als Einzelperson freien Zugang hatte, teilweise aus gemeinsamen Ursprungsmengen stammt. Es hätte sogar nahegelegen, ein Eigengeschäft des Angeklagten A durch Abzweigen und Strecken des noch in der Wohnung Hi vorhandenen Heroingemenges in Erwägung zu ziehen.
Die Sache bedarf deshalb neuer tatrichterlicher Aufklärung und Bewertung. Der Senat weist darauf hin, daß das Aufbewahren von Rauschgift, das gewinnbringend veräußert werden soll, die Annahme täterschaftlichen Handeltreibens nur nach wertender Betrachtung der Gesamtumstände rechtfertigt (vgl. BGH StV 1998, 587, 588; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 42) und daß im Falle eines bloßen Duldens von Rauschgiftgeschäften eine Unterlassungstäterschaft des Wohnungsinhabers nur in Betracht kommt, wenn die Wohnung eine besondere Gefahrenquelle für eine leichtere Ausführung von Straftaten darstellt (vgl. BGHR StGB § 13 Abs. 1 Garantenstellung 10).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
RAAAC-07476
1Nachschlagewerk: nein