Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: AO § 370; AO § 373 Abs. 1; StPO § 154 Abs. 2; StPO § 265; StPO § 349 Abs. 4; StPO § 349 Abs. 2; TabStG § 21; StGB § 47 Abs. 1
Instanzenzug: LG Augsburg vom
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis, in zwei Fällen in weiterer Tateinheit mit Steuerhinterziehung und in zwei Fällen in weiterer Tateinheit mit Kennzeichenmißbrauch, und ferner wegen Hehlerei, wegen Steuerhinterziehung und wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 99 Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Memmingen vom zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.
I.
Das Landgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
1. Der Angeklagte war seit Jahren nicht mehr im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis und bereits vielfach wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis bestraft. Er beförderte im Auftrag seiner Hinterleute in zwei Fällen von Dritten nach Griechenland eingeschmuggelte Zigaretten per Lkw von dort über Deutschland mit Ziel Großbritannien. Die Zigaretten waren dabei unter Tarnladungen verborgen. Bei der Einfuhr nach Deutschland gestellte der Angeklagte die Zigaretten nicht.
In zwei weiteren Fällen wurde der Angeklagte bei den von ihm durchgeführten Zigarettentransporten in Italien aufgegriffen. Bei diesen Fahrten hatte der Angeklagte teils nur an der Zugmaschine, teils auch am Auflieger Kennzeichen angebracht, die nicht für diese jeweiligen Fahrzeuge ausgegeben worden waren.
Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde der Angeklagte wegen einer dieser Fahrten vom Berufungsgericht Venedig am in Abwesenheit rechtskräftig unter Strafaussetzung zur Bewährung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Wegen der anderen Fahrt verurteilte ihn ein Gericht in Ancona - ebenfalls in Abwesenheit - am zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Welche Taten im prozessualen Sinne im einzelnen Gegenstand der Verurteilungen in Italien waren und nach welchem Verfahren die Abwesenheitsurteile ergangen sind, ist dem angefochtenen Urteil und den bisher eingeholten Rechtshilfeauskünften nicht zu entnehmen.
2. Daneben verdieselte der Angeklagte 17.000 l Heizöl, erwarb eine gestohlene Lkw-Zugmaschine und fuhr in 99 Fällen mit seinem Lkw Touren durch Europa, ohne im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis zu sein.
II.
Soweit der Angeklagte in zwei Fällen wegen Steuerhehlerei in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie Kennzeichenmißbrauch (Fälle II.1.c und d der Urteilsgründe) verurteilt worden ist, wird das Verfahren abgetrennt. Insoweit kommt eine Einstellung des Verfahrens wegen Strafklageverbrauchs gemäß Art. 54 SDÜ in Betracht.
Indes sind vor einer Entscheidung des Senats weitere detaillierte Auskünfte durch Vermittlung von EUROJUST zu den gegen den Angeklagten in Italien durchgeführten Strafverfahren einzuholen, da die bisherigen Feststellungen und die vorliegenden Rechtshilfeauskünfte keine hinreichende Klärung des möglichen Verfahrenshindernisses erlauben.
Es wird sodann zu prüfen sein, ob zur Auslegung der Tatbestandsmerkmale von Art. 54 SDÜ und korrespondierender Bestimmungen im Rahmenbeschluß des Rates der Europäischen Union vom über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 190/1 vom ), namentlich zur Frage der Tatidentität und der prozessualen Anforderungen an ein Abwesenheitsurteil, ein Vorabentscheidungsverfahren beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 35 EU durchzuführen ist.
Das Gebot einer einheitlichen, den Verfahrensstoff umfassend erschöpfenden Entscheidung durch das Revisionsgericht (vgl. - zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen) steht der "vertikalen" Abtrennung einzelner selbständiger Taten des vollumfänglich angefochtenen einheitlichen Urteils hier nicht entgegen. Der zur Beurteilung des Vorliegens eines aus Art. 54 SDÜ folgenden Verfahrenshindernisses erforderliche weitere tatsächliche Aufklärungsbedarf sowie die nicht fernliegende Notwendigkeit einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden eine unvorhersehbar lange Verzögerung des Verfahrens mit sich bringen. Die aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK und dem Rechtstaatsgebot folgende Pflicht zur Beschleunigung des Verfahrens, zumal in einer Haftsache, gebietet es hier - ungeachtet der einer Abtrennung entgegenstehenden prozeßökonomischen Erwägungen - über die bereits entscheidungsreifen Teile vorab zu entscheiden (vgl. BGH wistra 2000, 219, 226 f.).
III.
Die Schuldsprüche halten sachlichrechtlicher Überprüfung nicht in vollem Umfang stand.
1. Soweit die Fälle des Fahrens ohne Fahrerlaubnis bloßen Auslandsbezug aufweisen (vgl. dazu Hentschel, Straßenverkehrsrecht 37. Aufl. § 21 StVG Rdn. 2 m.w.N.), hat der Senat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
2. Im übrigen hat die Revision keinen durchgreifenden Erfolg.
a) Soweit der Tatrichter in der Nichtgestellung der Zigaretten bei der Durchfuhr durch Deutschland (Fälle II.1.a und b der Urteilsgründe) eine Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO im Hinblick auf die deutsche Tabaksteuer gesehen hat, stellt der Senat den Schuldspruch auf gewerbsmäßigen Schmuggel gemäß § 373 Abs. 1 AO um. Entsteht die Tabaksteuer - wie vorliegend - bei der Ein- oder Durchfuhr (vgl. insoweit BGHSt 48, 108, 111 ff.), ist § 373 Abs. 1 AO als spezielleres Delikt anzuwenden. Dies beruht darauf, daß die geschmuggelten Zigaretten zu keinem Zeitpunkt legal in den freien Verkehr anderer Mitgliedstaaten gelangten und daher nicht § 19 TabStG, sondern § 21 TabStG mit seinem Verweis auf die Vorschriften für Zölle (insbesondere Art. 40 ZK) anzuwenden ist. § 265 StPO steht einer Umstellung des Schuldspruchs nicht entgegen. Gegen diesen Schuldvorwurf hätte sich der Angeklagte nicht anders als geschehen verteidigen können.
b) Soweit der Tatrichter bei der Verhängung von Einzelfreiheitsstrafen unter sechs Monaten für die tatmehrheitlich begangenen Fälle des Fahrens ohne Fahrerlaubnis nicht die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB erörtert hat, erweist sich dies im Hinblick auf die Vielzahl der Vorverurteilungen nach § 21 StVG nicht als durchgreifend rechtsfehlerhaft.
3. Die Abtrennung und die Teileinstellung des Verfahrens führen zum Wegfall der Gesamtstrafe. Der neue Tatrichter wird im Hinblick auf die entfallenen Einzelstrafen zunächst nur noch eine neue Gesamtstrafe bezüglich der rechtskräftigen Schuldsprüche zu bilden haben. Er darf ergänzende Feststellungen treffen, sofern diese nicht den bisherigen Feststellungen widersprechen.
IV.
Der Senat hat den gegen den Angeklagten bestehenden Haftbefehl entsprechend § 126 Abs. 3 StPO auf die Vorwürfe beschränkt, die im Schuldspruch rechtskräftig geworden sind. Hinsichtlich der abgetrennten Vorwürfe, die absehbar auf längere Zeit hin noch nicht entscheidungsreif werden, wäre der Vollzug der Untersuchungshaft nicht mehr verhältnismäßig im Sinne von § 112 Abs. 1 Satz 2 StPO.
Fundstelle(n):
LAAAC-06989
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