BGH Beschluss v. - XII ZR 58/06

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 87 Abs. 1; ZPO § 172; ZPO § 712; ZPO § 714; ZPO § 719 Abs. 2

Instanzenzug: AG Mülheim an der Ruhr 28 F 91/04 vom OLG Düsseldorf II-8 UF 30/05 vom

Gründe

I.

Die Ehe der Parteien wurde durch Verbundurteil des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr vom (insoweit rechtskräftig) geschieden. Zugleich wurde der Antragsteller verurteilt, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung nachehelichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 1.067 € monatlich zu zahlen. Gegen die Entscheidung zum Unterhalt legte der Antragsteller rechtzeitig Berufung ein und begründete diese. Nachdem das Berufungsgericht Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt hatte, meldete sich für den Antragsteller Rechtsanwalt G. unter Hinweis auf die Bevollmächtigung durch den Antragsteller. Die - beim Oberlandesgericht zugelassenen - früheren Prozessbevollmächtigten legten ihr Mandat nieder. Im Verhandlungstermin vom erschien für den Antragsteller allein Rechtsanwalt G. und erklärte, nicht beim Oberlandesgericht zugelassen zu sein. Auf Antrag der Antragsgegnervertreter wurde die Berufung des Antragstellers durch Versäumnisurteil zurückgewiesen. Dieses Urteil wurde den am Oberlandesgericht zugelassenen früheren Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am zugestellt. Am wurde durch die Geschäftsstelle eine weitere Zustellung des Versäumnisurteils an Rechtsanwalt G. veranlasst, der dieses ausweislich seines Empfangsbekenntnisses am erhalten hat. Nachdem Rechtsanwalt G. am als Rechtsanwalt am Oberlandesgericht Hamm zugelassen war, legte er am (Montag) Einspruch gegen das Versäumnisurteil ein. Außerdem beantragte er, die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil ohne Sicherheitsleistung einzustellen.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Oberlandesgericht den Einspruch als unzulässig verworfen. Die zweiwöchige Einspruchsfrist habe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits mit Zustellung des Versäumnisurteils an seine früheren Prozessbevollmächtigten begonnen und sei deswegen am abgelaufen. Der durch Rechtsanwalt G. am eingelegte Einspruch sei deswegen verspätet und somit unzulässig. Die Revision hat das Berufungsgericht zugelassen, weil die Frage, ob für die Wirksamkeit der Bestellung eines neuen Prozessbevollmächtigten dessen Postulationsfähigkeit gegeben sein müsse, "in Rechtsprechung und Literatur durchaus auch verneint oder offen gelassen worden" sei.

Nach Einlegung und Begründung der Revision beantragt der Antragsteller, die Zwangsvollstreckung aus dem Verbundurteil des Amtsgerichts und aus dem Versäumnisurteil des Berufungsgerichts ohne Sicherheitsleistung, hilfsweise gegen Sicherheitsleistung vorläufig einzustellen. Zur Begründung trägt er vor, dass die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringe, zumal die Antragsgegnerin vollstreckte Beträge für ihren Unterhalt verbrauchen werde, obwohl sie seit der Trennung im August 1997 ohne Unterhaltszahlungen ausgekommen sei. Zwar habe es der Antragsteller versäumt, im Berufungsrechtszug einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO zu stellen, obwohl ihm ein solcher zumutbar und möglich gewesen wäre. Er habe aber beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil einzustellen, was als Voraussetzung für den nunmehr erhobenen Antrag genüge.

II.

Der Einstellungsantrag ist nicht begründet.

1. Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und wenn nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht (§ 719 Abs. 2 ZPO). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt eine solche Einstellung aber nicht in Betracht, wenn der Schuldner es versäumt hat, im Berufungsrechtszug einen Vollstreckungsschutzantrag gemäß § 712 ZPO zu stellen, obwohl ihm ein solcher Antrag möglich und zumutbar gewesen wäre (Senatsbeschlüsse vom - XII ZR 173/02 - NJW-RR 2002, 1650 und vom - XII ZR 80/06 - zur Veröffentlichung bestimmt).

An diesen Voraussetzungen für die Einstellung der Zwangsvollstreckung fehlt es hier. Der Antragsteller hatte im Berufungsrechtszug gegenüber dem Berufungsgericht lediglich beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom einzustellen. Über diesen Antrag hat das Berufungsgericht nicht entschieden, weil mit dem Versäumnisurteil lediglich die Berufung des Antragstellers gegen das amtsgerichtliche Urteil zurückgewiesen worden war und das Versäumnisurteil selbst deswegen keinen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist. Eine Entscheidung über diesen Antrag ist auch nicht mehr veranlasst, nachdem das Berufungsgericht den Einspruch des Antragstellers als unzulässig verworfen hat.

Der Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil des Oberlandesgerichts, der nur für die Dauer des Berufungsverfahrens gilt und nicht über den Erlass des Berufungsurteils hinauswirkt, ersetzt auch nicht den für eine Einstellung nach § 719 Abs. 2 ZPO erforderlichen Antrag nach §§ 712, 714 ZPO dahin, dass das Berufungsgericht dem Antragsteller auch bei seiner Endentscheidung Vollstreckungsschutz gewähren sollte. Einen solchen Antrag, bei dem es sich um einen Sachantrag handelt, der in der mündlichen Verhandlung gestellt werden muss (Senatsbeschluss vom aaO), hat der Antragsteller weder angekündigt noch in der mündlichen Verhandlung gestellt.

2. Der Einstellungsantrag ist aber auch deswegen unbegründet, weil die Revision des Antragstellers keine Aussicht auf Erfolg hat. Die wirksame Bestellung eines Prozessbevollmächtigten i.S. von § 172 ZPO, die nach § 87 Abs. 1 ZPO im Anwaltsprozess auch Voraussetzung eines Erlöschens der Vollmacht ist, setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass er auch rechtlich in der Lage ist, die die Partei rechtswirksam zu vertreten ( - MDR 1985, 30 zur früheren Fassung des § 176 ZPO). Das ist bei einem nicht postulationsfähigen Rechtsanwalt nicht der Fall. Denn die Postulationsfähigkeit eines Rechtsanwalts ist Prozesshandlungsvoraussetzung und muss im Zeitpunkt der Vornahme der Prozesshandlung gegeben sein ( - NJW 2005, 3773, 3774).

Fundstelle(n):
KÖSDI 2006 S. 15303 Nr. 11
WAAAC-06699

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein