BGH Urteil v. - XII ZR 22/02

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BGB § 134; BGB § 138 Abs. 1; BGB § 138; BGB § 126 Abs. 2; BGB a.F. § 542; BGB a.F. § 584; BGB a.F. § 566; RBerG § 1 Abs. 1

Instanzenzug: OLG Celle vom

Tatbestand

Die Klägerin sucht im Wege einer Vollstreckungsabwehrklage zu erreichen, daß die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung des Beklagten aus einer notariellen Urkunde für unzulässig erklärt wird.

Der Ehemann der Klägerin betrieb seit 1981 auf einem eigenen Grundstück ein Altenpflegeheim. Im Jahre 1989 geriet er in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Außerdem erhob die Heimaufsicht des Landkreises Osterholz Beanstandungen und ordnete durch Verfügung vom , die der Ehemann der Klägerin anfocht, die Schließung des Heimes an. Unter dem Druck dieser Umstände verkaufte der Ehemann der Klägerin das Grundstück mit Vertrag vom an den Beklagten und schloß mit diesem am selben Tag einen Pachtvertrag über das Altenpflegeheim für den Zeitraum vom bis zum mit Verlängerungsoption des Pächters auf weitere fünf Jahre. Als monatlicher Pachtzins wurden 11.000 DM vereinbart. Mit notarieller Urkunde vom , in der es u.a. heißt, daß die Klägerin als Gesamtschuldnerin gegenüber dem Beklagten auf den Pachtzins hafte, unterwarfen sich die Klägerin und ihr Ehemann entsprechend einer Klausel des Pachtvertrages gegenüber dem Beklagten

"der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen hinsichtlich der Zahlung einer monatlichen Pacht von DM 11.000 ... ab , jeweils fällig bis zum 5. eines jeden Monats im voraus, aufgrund des Abschlusses des vorgenannten Pachtvertrages."

Im Verwaltungsrechtsstreit um die Schließung des Altenheims schloß der Ehemann der Klägerin vor dem Oberverwaltungsgericht mit der zuständigen Behörde einen Vergleich, der ihm die Fortführung des Altenpflegeheims erlaubte. Der Beklagte hatte das Anwesen zwischenzeitlich, nämlich am , an Prof. Dr. B. und R. K. weiterverkauft. Der Ehemann der Klägerin schloß ebenfalls am mit den Käufern eine "Zusatzvereinbarung zum Pachtvertrag vom ", in der er eine Erhöhung des monatlichen Pachtzinses ab auf 11.880 DM anerkannte. Nachdem die Käufer von dritter Seite vom Verwaltungsrechtsstreit des Ehemanns der Klägerin erfahren hatten, fochten sie den Kaufvertrag mit dem Beklagten zunächst wegen arglistiger Täuschung an. Am schlossen sie jedoch mit diesem einen Vergleich, worin sich der Beklagte u.a. verpflichtete, für die Erfüllung des Pachtvertrages den Erwerbern gegenüber neben dem Ehemann der Klägerin zu haften, falls diesem die Erlaubnis zum Führen des Pflegeheims entzogen werden würde. Am wurden die Käufer als neue Eigentümer ins Grundbuch eingetragen. Mit Verfügung vom untersagte der Landkreis dem Ehemann der Klägerin erneut die Fortführung des Pflegeheims. Ende September 1997 schloß es das Heim zwangsweise. Mit Schreiben vom kündigte der Ehemann der Klägerin den Pachtvertrag einschließlich der Zusatzvereinbarung; ab Oktober 1997 zahlte er die Pacht nicht mehr.

Der Beklagte betreibt aus der vollstreckbaren Urkunde vom wegen offener Pachtzinsen in Höhe von insgesamt 363.000 DM (11.000 DM monatlich) - für den 33 Monate umfassenden Zeitraum von Oktober 1997 bis Juni 2000 - die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück der Klägerin. Mit ihrer Klage begehrt diese, daß die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt werde. Die Eigentümer haben im Laufe des Rechtsstreits in erster Instanz ihre Pachtzinsforderungen für den Vollstreckungszeitraum treuhänderisch an den Beklagten abgetreten. Das Landgericht hat die Vollstreckungsabwehrklage wegen des Betrags von 363.000 DM abgewiesen und die Zwangsvollstreckung nur hinsichtlich eines diese Summe übersteigenden Betrags für unzulässig erklärt. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Auf die Anschlußberufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Unzulässigkeitserklärung des Landgerichts aufgehoben, nachdem der Beklagte klargestellt hatte, nicht mehr als insgesamt 363.000 DM zu vollstrecken. Mit der vom Senat angenommenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Ziel, daß die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt werde, weiter.

Gründe

Da der Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, ist über die Revision der Klägerin auf deren Antrag durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil beruht jedoch nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 81).

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Klage abgewiesen hat, sowie in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

I.

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts greifen die Einwendungen der Klägerin gegen den in der notariellen Urkunde titulierten Anspruch des Beklagten nicht durch. Hierzu hat es im wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte sei entsprechend der Entscheidung BGHZ 120, 387, 395 als Titelgläubiger aktivlegitimiert, die Pachtzinsforderungen im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen, weil er aufgrund der fiduziarischen Abtretung der Forderungen Leistung an sich verlangen könne. Die Abtretung sei nicht nach § 134 BGB unwirksam; ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz liege nicht vor, weil der Beklagte nicht geschäftsmäßig im Sinne von § 1 Abs. 1 RBerG handele, sondern das Zwangsvollstreckungsverfahren zur Abwendung eigener Haftung gegenüber den Eigentümern betreibe. Der Ehemann der Klägerin habe den Pachtvertrag mit Schreiben vom weder nach § 4 des Pachtvertrags noch gemäß § 542 BGB a.F. wirksam fristlos kündigen können. Ein wichtiger Grund habe nicht vorgelegen. Die behördliche Schließung des Pflegeheims habe sich der Ehemann der Klägerin vielmehr selbst zuzuschreiben. Auch ein Recht zur ordentlichen Kündigung des Pachtvertrages habe dem Ehemann der Klägerin nicht zugestanden. Vielmehr sei die Zusatzvereinbarung vom dahingehend auszulegen, daß der Vertrag fest bis zum abgeschlossen sei. Der Pachtvertrag sei auch nicht wegen eines auffällig überhöhten Pachtzinses nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Die Voraussetzungen hierfür habe die Klägerin nicht dargelegt. Hingegen habe sich die Klägerin wirksam zur Mithaftung für den Pachtzins verpflichtet. Eine finanzielle Überforderung der Klägerin liege nicht vor. Sie habe nämlich Grundvermögen, das im Zwangsversteigerungsverfahren mit 660.000 DM bewertet und dort von ihr als zu niedrig beanstandet worden sei. Außerdem habe die Klägerin auch ein erhebliches eigenes Interesse an der geforderten und vereinbarten Absicherung des Beklagten als Verpächter gehabt, da durch die Anpachtung des Altenpflegeheims ihr Lebensunterhalt und der ihres Ehemannes sichergestellt werden sollte. Ihre Mithaftung sei daher nicht nach § 138 BGB sittenwidrig. Auf den Umstand, daß sie keinen Einfluß auf die Geschäftsführung durch ihren Ehemann gehabt habe, komme es nicht an.

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht und mit zutreffender Begründung die Nichtigkeit des Pachtvertrages nach § 138 Abs. 1 BGB wegen einer auffälligen Pachtzinsüberhöhung verneint, in der Abtretung der Pachtzinsforderungen und der Geltendmachung durch den Beklagten keinen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz gesehen und ein außerordentliches Kündigungsrecht des Beklagten wegen der behördlichen Schließung des Altenheims verneint. Auch hat es in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die Zusatzvereinbarung vom dahingehend ausgelegt, daß eine feste Vertragslaufzeit bis zum vereinbart worden sei. Das Oberlandesgericht ist ferner zutreffend davon ausgegangen, daß der Beklagte als Titelgläubiger zur Zwangsvollstreckung unter der Voraussetzung legitimiert ist, daß ihm der Anspruch materiell-rechtlich zusteht. Hiergegen wendet sich die Revision auch nicht.

2. Die Revision rügt aber, daß sich die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus der Unbestimmtheit des in der Unterwerfungserklärung bezeichneten Anspruchs ergebe. Die Klägerin habe sich nämlich nur nach Maßgabe des Pachtvertrags der Zwangsvollstreckung unterworfen. Mit dieser Rüge dringt die Revision nicht durch.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Vollstreckungsfähigkeit eines Titels überhaupt als Zulässigkeitsvoraussetzung der Vollstreckungsgegenklage angesehen werden kann und ob sie in der Revision nicht mehr zu prüfen ist, wenn, wie hier, bis zum Schluß des Berufungsrechtszuges keine der Parteien die Auffassung vertreten hat, die Klage richte sich gegen einen unwirksamen Vollstreckungstitel (vgl. hierzu BGHZ 118, 229, 232; - NJW 1997, 2887). Denn der Titel ist jedenfalls nicht unbestimmt. Vielmehr ergibt sich aus ihm eindeutig, daß ab monatlich 11.000 DM zu zahlen sind. Eine Beschränkung dieses Anspruchs nach Maßgabe des Pachtvertrages ist gerade nicht erfolgt. Vielmehr müßten die Schuldner bei Beendigung des Vertrages, sofern der Titelgläubiger weiter vollstreckt, Vollstreckungsabwehrklage erheben.

3. Weiter macht die Revision geltend, die Zusatzvereinbarung vom , die keine Mithaftungsvereinbarung der Klägerin enthalte und die die Klägerin nicht unterschrieben habe, hätte das Oberlandesgericht dahingehend auslegen müssen, daß mit ihrem Abschluß die Klägerin aus der Haftung ausgeschieden sei. Auch damit hat die Revision keinen Erfolg.

Das Berufungsgericht hat in der genannten Zusatzvereinbarung keinen Ausschluß der Mithaftung der Klägerin gesehen. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Mit dieser Frage brauchte sich das Oberlandesgericht auch nicht ausdrücklich zu befassen, da die von der Klägerin nunmehr befürwortete Auslegung der Zusatzvereinbarung fernliegt und sie in den Vorinstanzen auch von der Klägerin nicht vertreten wurde.

4. Die Revision rügt jedoch mit Erfolg, daß das Oberlandesgericht bei Prüfung der Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit des Schuldbeitritts der Klägerin zu den Pachtverbindlichkeiten ihres Ehemannes nicht auf die nach § 138 Abs. 1 BGB zu prüfenden Merkmale abgestellt hat.

Auch im Rahmen eines gewerblichen Miet- oder Pachtvertrages ist die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf Bürgschafts- und Mithaftungsverträge zwischen dem Vermieter oder Verpächter einerseits und einem privaten Sicherungsgeber andererseits regelmäßig entscheidend vom Grad des Mißverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des Bürgen oder Mitverpflichteten abhängig (vgl. zur Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf Mithaftungsverträge zwischen Kreditinstituten und privaten Sicherungsgebern - NJW 2002, 744, 745 f. m.w.N.). Demgemäß ist bei Beantwortung der Frage, ob eine krasse finanzielle Überforderung des Mitverpflichteten vorliegt, auf den Zeitpunkt der Übernahme der Mitverpflichtung abzustellen. Dies war der . Zu diesem Zeitpunkt hat die Klägerin die Verpflichtung übernommen, notfalls für die Vertragsdauer den Pachtzins zu tragen. Die ursprüngliche Vertragsdauer betrug fünf Jahre. Die Verlängerungsoption des Ehemanns der Klägerin um weitere fünf Jahre ist nicht mit zu berücksichtigen, da vernünftigerweise nicht angenommen werden kann, daß ein Pächter von der Option, den Vertrag zu verlängern, Gebrauch macht, wenn er zuvor den Pachtzins nicht erwirtschaften konnte. Dieser Verpflichtung - und nicht der Höhe der späteren tatsächlichen Haftung - sind das Vermögen und das Einkommen zum Zeitpunkt der Verpflichtungsübernahme gegenüber zu stellen, nicht aber die entsprechenden Verhältnisse zum Zeitpunkt der tatsächlichen Inanspruchnahme wie dies das Oberlandesgericht annimmt. Es kommt also nur auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin im Dezember 1991 an. Für diesen Zeitpunkt hat das Oberlandesgericht jedoch keinerlei Feststellungen getroffen. Insbesondere steht nicht fest, ob die Klägerin schon damals Eigentümerin des Grundstücks war, das sie bei Beginn der Zwangsvollstreckung besaß, welchen Wert es gegebenenfalls unter Abzug der Belastungen hatte und welche Einnahmen die Klägerin gegebenenfalls aus Vermietung und Verpachtung sowie Arbeitseinkommen Ende 1991 erzielte. Auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Zusatzvereinbarung im Dezember 1993 kommt es demgegenüber nicht an.

Das Berufungsurteil ist deswegen aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen treffen kann.

5. Für das weitere Verfahren wird folgendes zu beachten sein:

a) Bei der Beantwortung der Frage, ob ein eigenes persönliches oder wirtschaftliches Interesse der Klägerin am Abschluß des Pachtvertrages einen angemessenen Ausgleich zu einer etwaigen krassen finanziellen Überforderung geschaffen hat, wären nur solche Vorteile zu berücksichtigen, die der Klägerin unmittelbar und in ausreichendem Maße zugeflossen sind (vgl. - NJW 1999, 2584, 2588). Diese hätten etwa darin bestehen können, daß die Klägerin am Betrieb ihres Ehemannes beteiligt gewesen wäre und das Altenheim zusammen mit ihm geführt hätte. Dagegen spricht allerdings die Feststellung des Oberlandesgerichts, daß die Klägerin keinen Einfluß auf die Geschäftsführung des Altenheims hatte. Ihre Anstellung im Betrieb ihres Ehemannes oder die Aussicht auf höheren Unterhalt würden hingegen als nur mittelbare Vorteile nicht ausreichen (vgl. BGHZ 134, 42, 49; 146, 37, 45).

Außerdem wäre bei Vorliegen einer auffälligen finanziellen Überforderung der Klägerin zusätzlich der subjektive Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB zu prüfen, nämlich ob dem Beklagten eine verwerfliche Gesinnung vorzuwerfen wäre. Bei Vorliegen einer auffälligen finanziellen Überforderung des Mithaftenden im Rahmen eines gewerblichen Pachtverhältnisses kann dies allerdings - anders als bei der Gewährung von Krediten durch eine Bank - nicht vermutet werden (vgl. hierzu BGHZ 146 aaO 42). Vielmehr ist ähnlich den Fällen, in denen ein auffällig überhöhter Pachtzins verlangt wird (vgl. hierzu Senatsurteil vom - XII ZR 49/99 - NJW 2002, 55, 57) eine tatrichterliche Würdigung erforderlich, ob die finanzielle Überforderung für den Verpächter erkennbar war und er in anstößiger Weise die emotionale Bindung des Mithaftenden an den Pächter ausgenutzt hat.

b) Schließlich wird das Berufungsgericht, sollte es die Sittenwidrigkeit der Mitverpflichtung der Klägerin verneinen, zu prüfen haben, ob der Pachtvertrag nicht deshalb nach § 584 BGB a.F. ordentlich kündbar war, weil in der Zusatzvereinbarung vom die Form des § 566 BGB a.F. nicht eingehalten wurde. Das in den Akten befindliche Exemplar der Zusatzvereinbarung ist nur von einer Partei, nämlich dem Pächter, unterschrieben. Damit wäre die Form des § 126 Abs. 2 BGB nur eingehalten, wenn entsprechend dessen Satz 2 der neue Eigentümer B., der nach der Urkunde auch in Vertretung der Miteigentümerin K. handelte, eine gleichlautende für den Ehemann der Klägerin bestimmte Urkunde unterschrieben hätte.

Fundstelle(n):
DAAAC-06503

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein