Leitsatz
[1] Zur Befugnis des Revisionsgerichts, die Erfolgsaussicht einer auf die Verfahrensrüge fehlerhaft ermittelten ausländischen Rechts gestützten Revision anhand eigener Kenntnis des ausländischen Rechts zu beurteilen (im Anschluß an BGHZ 122, 373, 378).
Zur Rechtsnatur und zu den Anforderungen der nach dominikanischem Zwangsvollstreckungsrecht zur Erhaltung der Wirksamkeit eines gegenüber dem Drittschuldner ausgesprochenen Leistungsverbots (oposición, Art. 557 CPC) zu erhebenden Klage auf Wirksamerklärung dieser Vollstreckungsmaßnahme (demanda en validez, Artt. 563 ff. CPC).
Gesetze: ZPO § 554b; ZPO § 559 Abs. 2 Satz 2; ZPO § 565 Abs. 4 a.F.; Código de Procedimiento Civil (Dominikanische Republik) Artt. 557; Código de Procedimiento Civil (Dominikanische Republik) Artt. 563 ff.
Instanzenzug: OLG Celle LG Verden
Gründe
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
I.
Die Revision greift die Auffassung des Berufungsgerichts an, die Beklagten seien durch das am zugestellte Schriftstück ("acto de oposición") nach dominikanischem Recht nicht gehindert gewesen, das Hotel an die Kläger zurückzugeben, und macht insoweit im Wege der Verfahrensrüge geltend, das Berufungsgericht habe das maßgebliche ausländische Recht unzureichend ermittelt.
Damit kann sie im Ergebnis keinen Erfolg haben.
II.
Das Revisionsgericht kann die Verfahrensrüge, das Berufungsgericht habe das ausländische Recht fehlerhaft ermittelt, in vollem Umfang nachprüfen, auch wenn dies die Prüfung ausländischen Rechts voraussetzt (vgl. BGHZ 122, 373, 378.) Dies gilt mangels Bindungswirkung jedenfalls, soweit das Berufungsgericht den Inhalt des ausländischen Rechts nicht festgestellt hat oder darauf nicht eingegangen ist (vgl. BGHZ 40, 197, 201; Zöller/Geimer ZPO 23. Aufl. § 293 Rdn. 28 2. Absatz).
III.
Es kann dahinstehen, ob die Auffassung der Revision zutrifft, entgegen der auf ein Gutachten des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht gestützten Auffassung des Berufungsgerichts enthalte das am zugestellte Schriftstück ein dem Beklagten zu 1 als Drittschuldner gegenüber nach dominikanischem Recht wirksames Verbot, das Hotel an die Kläger herauszugeben.
Selbst wenn dies zuträfe, wäre ein solches Verbot nach Ablauf einer Frist von acht Tagen wirkungslos geworden mit der Folge, daß einer Rückgabe dann nichts mehr im Wege gestanden hätte. Eine im Vergleich zum Vorenthaltungszeitraum von mehreren Jahren so kurzfristige Verhinderung der Rückgabe würde die (Teil-)Annahme der Revision nicht rechtfertigen.
1. Die dominikanische Zivilprozeßordnung (Código de Procedimiento Civil, CPC) beruht auf der durch Dekret Nr. 2214 vom 17. April 1884 in nahezu wörtlicher Übersetzung übernommenen französischen Zivilprozeßordnung (Code de Procédure Civile, CPrC). Französische Rechtsprechung und Lehre sind daher, der Praxis der dominikanischen Gerichte entsprechend, zum Verständnis und zur Auslegung des dominikanischen Prozeßrechts ergänzend heranzuziehen. Dies gilt insbesondere für die den Artt. 557 bis 567 CPC nahezu wortgleich entsprechenden Artt. 557 bis 567 CPrC, die in Frankreich auch nach Inkrafttreten des Nouveau Code de Procédure Civile (NCPC) bis zur Reform des Vollstreckungsrechts durch Gesetz vom weitergalten.
Nach Art. 557 CPC kann jeder Gläubiger aufgrund eines auf einen bestimmten Betrag lautenden notariellen oder privatschriftlichen Titels in den Händen eines Dritten befindliche Vermögensgegenstände seines Schuldners sowie dessen Forderungen gegen einen Drittschuldner pfänden (embargo retentivo) und dem Drittschuldner untersagen, an den Schuldner zu leisten (oposición). Gegenstand der Vollstreckung kann auch ein Herausgabeanspruch sein (vgl. Woopen, Zwangsvollstreckung und Arrest in Forderungen nach französischem Recht unter besonderer Berücksichtigung der Vollstreckung in Bankkonten [1989] S. 103). Dieser erste, vorläufige Vollstreckungsakt liegt zunächst in der Hand des Gerichtsvollziehers; nur bei Fehlen eines Titels oder zur vorläufigen Bezifferung einer unbestimmten Geldforderung bedarf es nach Artt. 558 f. CPC der Mitwirkung des Richters (vgl. zum frz. Recht Pirrung DGVZ 1975, 1, 7).
2. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Grundbucheintragung des zugunsten der Vollstreckungsgläubigerin bestehenden Vorrechts des nicht befriedigten Verkäufers einen geeigneten Titel im Sinne des Art. 557 CPC darstellt, wie die Beklagten geltend machen, oder ob sie lediglich eine dingliche Sicherung des Anspruchs der Verkäuferin auf bevorrechtigte Befriedigung vor anderen Gläubigern darstellt und als Titel im Sinne des Art. 557 CPC vielmehr der notariell beurkundete Kaufvertrag selbst in Betracht kommt.
Ebenso kann dahinstehen, ob die Beklagten überhaupt Drittschuldner sind, was fraglich erscheint, da sich der Kaufpreisanspruch der Vollstreckungsgläubigerin C. C. C. C. por A. nicht gegen die Kläger persönlich, sondern deren Besitzgesellschaft T. O. C. S.A. als Käuferin richtet (für deren Verbindlichkeiten die Anteilsinhaber grundsätzlich nicht haften), während die Beklagten die Rückgabe des Hotels nicht dieser, sondern den Klägern persönlich als ihren Verpächtern schuldet.
Ferner bedarf es keiner Prüfung, ob das am zugestellte Schriftstück den Anforderungen des Art. 559 Satz 1 CPC genügt, demzufolge der "acto de embargo" neben dem zugrundeliegenden Titel auch die Pfändungssumme bezeichnen muß, und welche Auswirkungen Art. 557 Abs. 2 CPC, demzufolge die ausgesprochene Verfügungsbeschränkung das Doppelte des Wertes des der Vollstreckung zugrundeliegenden Forderungsbetrages (hier: vier Kaufpreisraten à 4.166,67 $) nicht überschreiten darf, auf die Pfändung eines unteilbaren Herausgabeanspruchs hat.
Denn selbst wenn das am zugestellte Schriftstück einen zunächst wirksamen "acto de oposición" im Sinne des Art. 557 CPC darstellte, verlor dieser alsbald kraft Gesetzes (Art. 565 CPC) seine Wirksamkeit, weil die Vollstreckungsgläubigerin nicht innerhalb der grundsätzlich acht Tage nach der Pfändung ablaufenden Frist des Art. 563 CPC bei dem Gericht des Wohnortes der Vollstreckungsschuldnerin (Art. 567 CPC) gegen diese die erforderliche Klage auf Wirksamerklärung der Pfändung (demanda en validez) erhoben und dies innerhalb der gleichen Frist dem Drittschuldner angezeigt hat (Art. 564 CPC).
3. Der Auffassung der Revision, der Erhebung einer solchen Klage habe es hier nicht bedurft, da eine Klage der Vollstreckungsgläubigerin auf Zahlung des Kaufpreises und somit eine auf Seite 2 des Sachverständigengutachtens als "Klage in der Hauptsache" bezeichnete Klage im Sinne der Artt. 563 ff. CPC bereits anhängig gewesen sei, vermag der Senat nicht zu folgen.
Artt. 563 - 565 CPC sprechen nicht von einer Klage "en lo principal" oder "en cuanto al fondo", sondern von einer "demanda en validez", die der "demande en validité" im Sinne der Artt. 563 - 565 CPrC entspricht. Diese darf mit einer Klage in der "Hauptsache" - etwa im Sinne des § 926 Abs. 1 ZPO - nicht verwechselt werden.
Diese "Bestätigungs- und Überweisungsklage" stellt vielmehr die zweite Stufe der Zwangsvollstreckung dar und ist auf die Wirksamerklärung der Pfändung und die Überweisung der Forderung gerichtet. Erst mit der Entscheidung des Gerichts (jugement de validité) wird die Forderung gegen den Dritten auf den Vollstreckungsgläubiger übertragen (vgl. Sonnenberger/Schweinberger, Einführung in das französische Recht, 2. Aufl. S. 185 f.). Die endgültige materiellrechtliche Zuweisung des Vollstreckungsgegenstandes bleibt somit einem gerichtlichen Verfahren vorbehalten, in dem die Ordnungsmäßigkeit der Vollstreckungshandlungen und im Falle der Verfahrenseinleitung ohne Vollstreckungstitel auch das Bestehen der Forderung des Vollstreckungsgläubigers geprüft wird (vgl. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 169).
Wird die Frist zur Erhebung dieser Klage nicht eingehalten, wird der gesamte Pfändungsakt unwirksam, so daß der Drittschuldner wieder befreiend an den Schuldner leisten und dieser wieder frei über die Forderung verfügen kann (vgl. Woopen aaO S. 140 ff.; Vincent, Voies d'exécution et procédures de distribution, 11. Aufl. [1974] Rdn. 136 = S. 192; Pirrung aaO).
Zum Verständnis der besonderen Funktion der "Validitätsklage" ist auch der von der dominikanischen Kommission zur Reform und Modernisierung der Justiz am vorgelegte Vorentwurf einer neuen Zivilprozeßordnung heranzuziehen, dessen Artt. 1275 ff. den embargo retentivo durch einen embargo retentivo de atribución (etwa: Pfändung und Überweisung) ersetzen. Dieser bedarf keiner nachfolgenden "validación" und ermächtigt den Drittschuldner im Rahmen gesetzlicher Vorgaben, befreiend an den Vollstreckungsgläubiger zu leisten. Damit würde das dominikanische Recht der französischen Reform des Vollstreckungsrechts folgen, die die saisie-arrêt ebenfalls durch eine (einaktige) saisie-attribution ersetzt hat.
Anlaß zu der Reform in Frankreich war im übrigen auch die Kritik an der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom bestehenden Notwendigkeit, die Wirksamkeit der Pfändung in einem besonderen Verfahren bestätigen zu lassen. So führen Perrot/Théry (Procédures civiles d'exécution [2000] Rdn. 340 = S. 360) rückblickend aus:
(Die saisie-arrêt ... wies einen Mischcharakter auf: zunächst als Sicherungsmaßnahme und schließlich als Vollstreckungsmaßnahme. Die erste Phase begann mit der Pfändung, die zur Folge hatte, daß über die gepfändete Forderung nicht verfügt werden konnte. Sodann mußte der Gläubiger die Klage auf Wirksamerklärung der Pfändung erheben, unabhängig davon, ob er einen vollstreckbaren Titel hatte oder nicht. Sobald er das Validitätsurteil erstritten hatte, wurde die Pfändung zu einer Vollstreckungsmaßnahme ... und das Urteil hatte die Übertragung der Forderung auf den Vollstreckungsgläubiger zur Folge. ... So sehr dieser Mechanismus seine Berechtigung hatte, wenn der Gläubiger nicht über einen vollstreckbaren Titel verfügte, so sehr gab er im umgekehrten Fall Anlaß zur Kritik... Wie soll man verstehen, daß es nach einem ersten Prozeß, der dazu dient, einen vollstreckbaren Titel zu erwirken, erforderlich sein soll, einen zweiten für die Vollstreckung anzustrengen?(
Daß die zuvor oder nachträglich erhobene Klage zur Hauptsache mit der nach Artt. 563 ff. CPC erforderlichen Klage auf Wirksamerklärung nicht identisch sein kann, ergibt sich zudem aus der ausschließlichen örtlichen Zuständigkeit des Wohnsitzgerichts des Vollstreckungsschuldners für die Erhebung dieser Klage (Art. 567 CPC). So hat die Cour de Cassation (Civ. 2, Urteil vom , Bulletin 1995 II n°56 S. 32), deren Rechtsprechung großen Einfluß auf die dominikanische Rechtspraxis hat, zum inhaltlich entsprechenden Art. 567 Abs. 1 CPrC entschieden, daß der Vollstreckungsgläubiger, der eine saisie-arrêt wegen einer Unterhaltsforderung ausgebracht hat, die nachfolgende Klage auf Wirksamerklärung nicht unter Berufung auf die Rechtsnatur der der Vollstreckung zugrunde liegenden Forderung wahlweise auch vor dem Gericht seines eigenen Wohnsitzes erheben kann, denn Art. 46 NCPC, der diesen Wahlgerichtsstand für Unterhaltsklagen eröffnet, findet auf eine solche Klage keine Anwendung, weil diese etwas anderes ist als eine auf die Verurteilung des Schuldners zu Unterhaltszahlungen gerichtete Klage ("une demande en validité d'une saisie-arrêt, distincte d'une demande de condamnation d'un débiteur d'aliments"). Auch im Rahmen der Vollstreckung wegen einer Klageforderung, für die die Zuständigkeit des Handelsgerichts oder des Landwirtschaftsgerichts gegeben ist, kann die Validitätsklage nur vor den Zivilgerichten erhoben werden (vgl. Vincent aaO Rdn. 134 m.N.).
4. Die Beklagten waren daher mangels wirksamer Verbotsverfügung nicht gehindert, das Hotel nach Ablauf der Frist des Art. 563 CPC schuldbefreiend an die Kläger zurückzugeben. Mangels Rückgabe schulden sie - zumindest abgesehen von den wenigen Tagen bis zum Ablauf dieser Frist - die Nutzungsentschädigung, zu der sie verurteilt wurden, sowie dem Feststellungsausspruch entsprechend Ersatz des durch verspätete Rückgabe entstandenen und entstehenden weiteren Schadens.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BAAAC-06440
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein