BGH Beschluss v. - XII ZB 195/04

Leitsatz

[1] Ein Kostenfestsetzungsverfahren für die Kosten der Vorinstanzen ist auch dann unterbrochen, wenn die Unterbrechungswirkung erst in einem späteren Rechtszug eintritt.

Gesetze: ZPO § 104; ZPO § 240

Instanzenzug:

Gründe

I.

Die Klägerin wehrt sich mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde gegen die Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des . Mit diesem Beschluß wurden die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 19.075,47 € nebst Zinsen festgesetzt.

Kostengrundentscheidung des Kostenfestsetzungs- und -ausgleichsverfahrens ist das Berufungsurteil vom in der Fassung der Berichtigungsbeschlüsse vom , und . Das Berufungsgericht hat unter teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.996.083,50 € nebst Zinsen zu zahlen.

Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Klägerin Beschwerde eingelegt. Das Verfahren ist unter dem Aktenzeichen - XII ZR 141/03 - beim Bundesgerichtshofs anhängig. Insoweit ist der Rechtsstreit durch das am eröffnete Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten unterbrochen.

Trotz dieser Verfahrensunterbrechung hat das Landgericht am den streitbefangenen Kostenfestsetzungsbeschluß erlassen. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hat das Beschwerdegericht den Kostenfestsetzungsbeschluß aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Dagegen wehrt sich die Klägerin mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet:

1. Zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, daß die Insolvenzschuldnerin trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Unterbrechungswirkung gemäß §§ 240, 249 ZPO geltend machen kann. Die Unterbrechung soll den Verfahrensbeteiligten, insbesondere dem Insolvenzverwalter, Gelegenheit geben, sich über die durch Insolvenzeröffnung veränderte Sachlage zu informieren und daraus die rechtlichen Konsequenzen zu ziehen.

Da die Insolvenzschuldnerin trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens existent bleibt und nicht auszuschließen ist, daß ein eröffnetes Insolvenzverfahren wieder aufgehoben wird, ohne daß es bei einer GmbH zur Löschung im Handelsregister kommt, muß ihr zugestanden werden, die Verfahrensunterbrechung geltend zu machen ( - NJW 1997, 1445 und Versäumnisurteil vom - VIII ZR 224/94 - NJW 1995, 2563 jeweils m.w.N.).

2. Das Beschwerdegericht hat auch in der Sache richtig entschieden. In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob ein Kostenfestsetzungsverfahren gemäß § 240 ZPO unterbrochen wird:

Für eine solche Unterbrechung sprechen sich aus: OLG München ZIP 2003, 2318 und ZInsO 2002, 1037; OLG Brandenburg MDR 2001, 471; KG NJW-RR 2000, 731; OLG Stuttgart ZIP 1998, 2066 f.; OLG Thüringen FamRZ 1997, 765 f.; und OLG Düsseldorf ZIP 1996, 1621; Stein/Jonas/Borg 22. Aufl. ZPO § 103 Rdn. 2, vor § 239 Rdn. 3; MünchKomm/Feiber 2. Aufl. ZPO § 240 Rdn. 20; Musielak/Stadler 4. Aufl. ZPO § 240 Rdn. 6; Zöller/Herget ZPO 25. Aufl. § 104 Rdn. 21 Unterbrechung; Uhlenbruck 12. Aufl. InsO § 85 Rdn. 20; FK-InsO/App 3. Aufl. § 85 Rdn. 6 und MünchKomm/Schumacher InsO vor §§ 85 bis 87 Rdn. 44 jeweils m.w.N..

Demgegenüber vertreten die Oberlandesgerichte Koblenz (Rpfleger 1991, 335) und Hamburg (MDR 1990, 349 f.) die Auffassung, ein Kostenfestsetzungsverfahren für die schon abgeschlossene Instanz werde von der Unterbrechung nicht berührt, wenn die Unterbrechungswirkung nach § 240 ZPO erst im höheren Rechtszug eintritt.

Der Senat entscheidet die für den vorliegenden Rechtsstreit entscheidungserhebliche Rechtsfrage dahingehend, daß ein Kostenfestsetzungsverfahren für die Kosten der Vorinstanzen auch dann unterbrochen ist, wenn die Unterbrechungswirkung erst in einem späteren Rechtszug eintritt und die Kostengrundentscheidung somit nicht rechtskräftig wird.

Der Wortlaut des § 240 Satz 1 ZPO "wird das Verfahren ... unterbrochen" ist nicht eindeutig. Es fehlt eine gesetzliche Definition des Begriffs "Verfahren" und eine Abgrenzung zu der synonym gebrauchten Bezeichnung "Prozeß" (vgl. insbesondere die Formulierung in § 261 Abs. 2 ZPO einerseits und andererseits in § 275 Abs. 2 ZPO).

Aus der Gesetzesgeschichte ergeben sich keine Auslegungshinweise. Eine inhaltliche Änderung ist, nachdem die Gesetzesfassung vom bis unverändert geblieben war, mit dem Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung vom nur zur sprachlichen Anpassung an die Insolvenzordnung erfolgt. Die schon damals in der Kommentarliteratur beschriebenen unterschiedlichen obergerichtlichen Auffassungen hat der Gesetzgeber auch bei dem Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom nicht zum Anlaß genommen, den Gesetzeswortlaut zu präzisieren, während § 251 ZPO (Ruhen des Verfahrens) überarbeitet wurde (BT-Drucks. 14/4722 S. 80).

In § 104 Abs. 3 Satz 2 ZPO ist geregelt, daß ein Beschwerdeverfahren gegen eine Kostenfestsetzungsentscheidung bis zur Rechtskraft der Kostengrundentscheidung ausgesetzt werden kann. Gesetzessystematisch spricht dies dafür, auch bei einer Verfahrensunterbrechung das Kostenfestsetzungsverfahren nicht isoliert zu Ende zu führen.

Dies entspricht im Ergebnis auch dem Sinn und Zweck der Unterbrechung:

Mit der Unterbrechung nach §§ 240, 249 ZPO wird den Beteiligten des Verfahrens und dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit gegeben, sich auf die durch Insolvenz einer Partei eingetretene Veränderung der Sachlage einzustellen (Uhlenbruck aaO).

Außerdem soll eine Entlastung der Gerichte herbeigeführt werden. Ein Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes mit zum Teil hoheitlichen Befugnissen kann in besonderem Maße eine außergerichtliche Beilegung von Rechtsstreitigkeiten erreichen. Im Passivprozeß muß der Gläubiger durch die Insolvenzsituation seines Schuldners das Prozesskostenrisiko noch stärker fürchten. Überlegungen dazu sind vor dem Hintergrund der Forderungsanmeldung gemäß § 174 ff. InsO von entscheidender Bedeutung.

Der Passivprozeß kann nach § 86 InsO nur um die dort besonders genannten Gegenstände ausgetragen werden.

Das vorliegend streitige Kostenfestsetzungsverfahren, das die Klägerin als Kostengläubigerin führt, entspricht einem Passivprozeß. Daher ist sie grundsätzlich gehalten, die im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemachten Forderungen beim Insolvenzverwalter zur Tabelle anzumelden. Daß dies vorliegend geschehen wäre, trägt die Rechtsbeschwerde nicht vor. Eine solche Anmeldung ist auch aus der Akte nicht ersichtlich.

Der Senat muß vorliegend nicht entscheiden, ob das Kostenfestsetzungsverfahren entsprechend § 180 Abs. 2 InsO mit dem Ziel, den Kostenerstattungsanspruch der Höhe nach festzustellen (dazu OLG München ZIP 2003, 2318 f.), aufgenommen werden kann. Die gegen eine solche Feststellung im Kostenfestsetzungsverfahren geäußerten Bedenken wären erst dann entscheidungserheblich, wenn der Insolvenzverwalter eine entsprechende Anmeldung bestreiten würde.

III.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 97 Abs. 1 ZPO. Bei der Festsetzung des Streitwertes hat der Senat 10 % der geltend gemachten Kostenausgleichsforderung zugrunde gelegt, da eine höhere Verteilungsquote im Insolvenzverfahren weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist (vgl. § 182 InsO sowie Zöller/Herget ZPO 25. Aufl. § 3 Rdn. 16 Insolvenzverfahren).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
SAAAC-06093

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja