Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: ZPO § 115; ZPO § 117 Abs. 4; ZPO § 234 Abs. 1 Satz 1; ZPO § 236 Abs. 2 Satz 2; BGB § 1629 Abs. 3 Satz 1
Instanzenzug: AG Fürstenwalde 10 F 342/02 vom OLG Brandenburg 10 UF 40/05 vom
Gründe
I.
Die Parteien streiten um Kindesunterhalt, den die Klägerin für die seit der Trennung bei ihr lebenden gemeinsamen Kinder in Prozessstandschaft für diese geltend macht.
Das Amtsgericht hat die Klage wegen krankheitsbedingt fehlender Leistungsfähigkeit des Beklagten abgewiesen. Das Urteil ist der Klägerin am zugestellt worden. Mit Antrag vom hat sie Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines Berufungsverfahrens begehrt. Dem Antrag war eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin nebst Anlagen beigefügt. Mit Beschluss vom , der Klägerin zugestellt am , hat das Berufungsgericht die begehrte Prozesskostenhilfe versagt. Am hat die Klägerin Berufung eingelegt, diese zugleich begründet und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Außerdem hat sie Gegenvorstellung gegen den Beschluss vom erhoben. Das Berufungsgericht hat die Gegenvorstellung mit Beschluss vom zurückgewiesen. Mit weiterem Beschluss vom hat es den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung auf Kosten der Klägerin verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und der Berufungsbegründungsfrist.
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, weil das Berufungsgericht bei der Versagung der begehrten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abgewichen ist und deswegen ein Fall der Divergenz vorliegt. Nach gefestigter Rechtsprechung dient das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in besonderer Weise dazu, den Rechtsschutz und das rechtliche Gehör zu garantieren. Daher gebieten es die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BGHZ 151, 221, 227 m.w.N.; Senatsbeschluss vom - XII ZR 225/04 - FamRZ 2005, 791, 792). Gegen diesen Grundsatz verstößt die angefochtene Entscheidung.
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zur Wiedereinsetzung in die schuldlos versäumten Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung.
a) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist einer Partei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann zu gewähren, wenn sie innerhalb der Rechtsmittelfrist ein vollständiges Prozesskostenhilfegesuch eingebracht hat und vernünftigerweise nicht damit rechnen musste, dass ihr Antrag wegen fehlender Bedürftigkeit abgelehnt werde (Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 221/99 - NJW-RR 2000, 1387 m.w.N. und vom - XII ZB 116/05 - zur Veröffentlichung bestimmt). Das ist hier der Fall.
Im Ansatz geht das Berufungsgericht allerdings zutreffend von einer Obliegenheit der Klägerin zur Vorlage der Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aus. Für den Regelfall schreibt § 117 Abs. 4 ZPO zwingend vor, dass sich der Antragsteller zur Darlegung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des durch die Verordnung vom (BGBl. I 3001, abgedruckt bei Zöller/Philippi ZPO 25. Aufl. § 117 Rdn. 15) eingeführten Vordrucks bedienen muss. Ein Antragsteller kann deshalb grundsätzlich nur dann davon ausgehen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe dargetan zu haben, wenn er rechtzeitig (vor Ablauf der Rechtsmittelfrist) einen ordnungsgemäß ausgefüllten Vordruck zu den Akten gereicht hat (Senatsbeschluss vom - XII ZA 11/03 - FamRZ 2004, 1548; BGH Beschlüsse vom - I ZB 20/02 - FamRZ 2003, 89 und vom - VI ZB 21/98 - VersR 1999, 1123). Einen solchen Vordruck hatte die Klägerin, bezogen auf ihre eigenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse, vor Ablauf der Berufungsfrist eingereicht und ihm zum Beleg auch die erforderlichen Anlagen beigefügt (vgl. Senatsbeschluss vom aaO).
b) Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Berufungsgerichts musste die Klägerin mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe nicht zugleich Erklärungen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der minderjährigen Kinder einreichen. Der Senat hat inzwischen entschieden, dass im Rahmen einer nach § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB im Wege der gesetzlichen Prozessstandschaft erhobenen Klage auf Kindesunterhalt für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des klagenden Elternteils und nicht auf diejenigen der betroffenen Kinder abzustellen ist (Senatsbeschluss vom - XII ZB 242/03 - FamRZ 2005, 1164, 1166 f.). Auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Kinder kam es mithin für die Beurteilung der Prozesskostenarmut nach § 115 ZPO nicht an. Deswegen konnte die Klägerin nach Vorlage der Erklärung über ihre eigenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse mit entsprechenden Nachweisen davon ausgehen, dass ihr die beantragte Prozesskostenhilfe bewilligt würde.
Die Klägerin war somit schuldlos gehindert, Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil einzulegen und diese zu begründen. Diese Verhinderung ist erst nach Ablauf einer angemessenen Überlegungsfrist entfallen (Senatsbeschluss vom - XII ZB 70/93 - FamRZ 1993, 1428 f.; aaO m.w.N.), die mit Zustellung des Beschlusses vom am begann. Die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO für die Berufung hat die Klägerin mit ihrem am eingegangenen Schriftsatz deswegen gewahrt. Eine Wiedereinsetzung in die Begründungsfrist ist hier nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO auch ohne Antrag möglich, weil die Klägerin innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist mit der Berufungsbegründung auch diese versäumte Handlung nachgeholt hat.
c) Die Verwerfung der Berufung als unzulässig steht der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen schuldloser Versäumung der Berufungsfrist und der Berufungsbegründungsfrist nicht entgegen, weil dem Beschluss des Berufungsgerichts mit der Bewilligung der Wiedereinsetzung insoweit die Grundlage entzogen und er damit gegenstandslos geworden ist (vgl. Senatsbeschluss vom aaO 792 m.w.N.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BAAAC-05977
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein