Leitsatz
[1] Ein vertragswidriges Verhalten des Gegners berechtigt im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses grundsätzlich nicht zur fristlosen Kündigung ohne vorherige Abmahnung, es sei denn die Vertrauensgrundlage der Rechtsbeziehung ist derart erschüttert, daß sie auch durch die Abmahnung nicht wieder hergestellt werden kann.
Gesetze: BGB a.F. § 242 Bc; BGB a.F. § 326 Db; BGB a.F. § 326 Dc; BGB a.F. § 553
Instanzenzug: OLG Celle vom LG Hannover
Tatbestand
Die Kläger begehren die Rückgabe einer Bürgschaftsurkunde, die sie den Beklagten zur Absicherung von Ansprüchen aus einem Mietgarantie- und Mietverwaltungsvertrag übergeben haben. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Mit notariellem Vertrag vom erwarben die Beklagten von der Ehefrau des Klägers zu 2) ein Wohn- und Geschäftshaus in W., das die Klägerin zu 1) gemäß notariellem Bauvertrag vom selben Tag sanieren sollte. In dem ebenfalls an diesem Tag geschlossenen - nicht notariell beurkundeten - Mietgarantie- und Mietverwaltungsvertrag verpflichteten sich die Kläger gegenüber den Beklagten, die Vermietung und Verwaltung des Objekts für die Dauer bis zum zu übernehmen. Zur Absicherung ihrer Verpflichtungen aus diesem Vertrag übergaben sie den Beklagten eine Bürgschaftsurkunde der Sparkasse M. vom über 48.000 DM. Nachdem die Beklagten am den Bauvertrag mit der Klägerin zu 1) gekündigt, deren Mitarbeiterin Hausverbot erteilt und in der Folge ein Maklerunternehmen mit der Vermietung des betreffenden Objekts beauftragt hatten, kündigten die Kläger ihrerseits den Mietgarantie- und Mietverwaltungsvertrag am fristlos. Sie verlangen die Rückgabe der Bürgschaftsurkunde und berufen sich darauf, die Beklagten hätten es ihnen nach der Kündigung des Bauvertrages mangels Angabe eines zuverlässigen Fertigstellungstermins und durch die Einschaltung einer anderen Maklerfirma unmöglich gemacht, verbindliche Verträge mit Mietinteressenten abzuschließen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hat der Senat die Revision zugelassen, mit der die Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehren.
Gründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:
Der Mietgarantievertrag sei formgültig. Er sei nicht Bestandteil des Verpflichtungsgeschäfts zur Übertragung oder zum Erwerb des Grundstücks gewesen. Hierfür spreche schon, daß die Parteien den Bau- und den Grundstückskaufvertrag sowie den Mietgarantievertrag in getrennten Urkunden niedergelegt hätten. Auch seien die Vertragspartner jeweils nicht identisch gewesen. Schließlich seien die Parteien selbst bis zum Berufungsverfahren ausdrücklich von einer selbständigen Verpflichtung der Kläger zur Vermietung und Verwaltung ausgegangen, die auch unabhängig von der Erteilung des Bauauftrags für sich genommen wirtschaftlich sinnvoll sein könne. Die Kläger seien aber berechtigt gewesen, den Mietgarantievertrag fristlos zu kündigen, da sich die Beklagten vertragsuntreu verhalten hätten, als sie eine Maklerfirma mit der Vermietung des Objekts beauftragt hätten, ohne den Klägern die Verschiebung des avisierten Fertigstellungstermins sowie das nunmehr zu erwartende Bezugsfertigkeitsdatum mitzuteilen. Einer Abmahnung vor der fristlosen Kündigung habe es deshalb nicht bedurft. Die außerordentliche Kündigung sei auch nicht verfristet und außerdem als ordentliche Kündigung wirksam.
Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf ergänzenden schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten hat das Berufungsgericht abgelehnt. Die Beklagten hätten im Anschluß an die schriftliche Mitteilung des Vorsitzenden Richters, daß der Senat die fristlose Kündigung entgegen seiner in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung doch für möglicherweise gerechtfertigt halte, ausreichend Gelegenheit zum Vortrag gehabt.
II.
Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Überprüfung jedenfalls in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden sind allerdings die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Formgültigkeit des Mietgarantie- und Mietverwaltungsvertrages. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung war der Vertrag nicht wegen engen Zusammenhangs mit den beiden am selben Tag abgeschlossenen notariellen Verträgen - dem Bau- und dem Grundstückskaufvertrag - gemäß § 313 Satz 1 BGB a.F. beurkundungsbedürftig. Zwar ist auch eine für sich allein nicht formbedürftige Vereinbarung notariell zu beurkunden, wenn sie mit einem von den Beteiligten beabsichtigten Grundstückserwerb eine rechtliche Einheit bilden soll (BGHZ 101, 393, 396; , WM 1994, 1711; Senatsurteil vom - XI ZR 249/95, WM 1996, 2230, 2231 m.w.Nachw.). Einen solchen Zusammenhang hat das Berufungsgericht hier aber nicht festgestellt. Wie es zu Recht ausgeführt hat, kommt es insoweit entscheidend darauf an, daß die Verträge nach den Vorstellungen der Beteiligten untrennbar voneinander abhängig sein sollen. Ob ein solches beurkundungsbedürftiges einheitliches Rechtsgeschäft vorliegt, ist eine Frage der vom Tatrichter vorzunehmenden Würdigung des Einzelfalles (BGHZ 78, 346, 349; 101, 393, 397 und , aaO, jeweils m.w.Nachw.). Diese hat das Berufungsgericht angesichts der Niederlegung der Verträge in verschiedenen Urkunden (vgl. BGHZ 101, 393, 396) und angesichts des für die Feststellung des übereinstimmenden Willens zu berücksichtigenden nachvertraglichen Verhaltens der Parteien (, WM 1988, 1599, 1600 und vom - XII ZR 308/95, NJW-RR 1998, 801, 803; , Umdruck S. 3) in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint. Gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Parteien hätten dadurch, daß sie sich nach der Kündigung des Bauvertrages übereinstimmend auf die rechtliche Unabhängigkeit und den Fortbestand des Mietgarantie- und Mietverwaltungsvertrags berufen haben, deutlich gemacht, daß nach ihrem Willen die Verträge nicht miteinander stehen und fallen sollten, ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern.
2. Von Rechtsirrtum beeinflußt sind hingegen die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, der Mietgarantie- und Mietverwaltungsvertrag sei durch die fristlose Kündigung der Kläger vom beendet worden.
a) Dabei kann dahinstehen, ob - wie die Revision geltend macht - die nur eingeschränkter revisionsrechtlicher Nachprüfung unterliegende (Senatsurteil vom - XI ZR 50/02, WM 2003, 1416, 1417) tatrichterliche Entscheidung des Berufungsgerichts, es habe ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung vorgelegen, auf der Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, weil das Berufungsgericht Vorbringen der Kläger verwertet hat, ohne den Beklagten Gelegenheit zur Erwiderung in einem nachgelassenen Schriftsatz zu geben.
b) Jedenfalls erweist sich die Annahme des Berufungsgerichts, die fristlose Kündigung sei auch ohne vorherige Abmahnung der Beklagten wirksam gewesen, mit der gegebenen Begründung als nicht haltbar. Wie die Revision zu Recht beanstandet, reicht entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts in aller Regel allein ein vertragswidriges Verhalten des Gegners für eine fristlose Kündigung noch nicht aus (, WM 1984, 1375, 1376). Vielmehr entspricht es einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, wie er etwa in dem Gebot der Nachfristsetzung bei Verzug oder in dem Erfordernis der Abmahnung bei vertragswidrigem Gebrauch der Mietsache zum Ausdruck kommt, daß bei Dauerschuldverhältnissen eine außerordentliche Kündigung grundsätzlich erst dann in Betracht kommt, wenn der andere Vertragsteil nachdrücklich auf die Folgen seiner Vertragswidrigkeit hingewiesen worden ist (, aaO, vom - I ZR 184/89, NJW-RR 1991, 1266, 1267 und vom - XII ZR 122/90, WM 1992, 156, 157). Ausnahmsweise kann zwar etwas anderes gelten, wenn die Vertrauensgrundlage der Rechtsbeziehung derart erschüttert ist, daß sie auch durch die Abmahnung nicht wieder hergestellt werden kann (, aaO S. 1267 f. und vom - XII ZR 122/90, aaO). Dazu fehlt es bislang jedoch an Feststellungen des Berufungsgerichts. Daß die Beklagten den Klägern die Verschiebung des Fertigstellungstermins nicht mitgeteilt haben, reicht insoweit nicht aus.
3. Wie die Revision zu Recht geltend macht, kann die fristlose außerordentliche Kündigung vom entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht in eine wirksame ordentliche Kündigung umgedeutet werden. Zwar ist eine solche Umdeutung grundsätzlich möglich, wenn es ersichtlich der Wille des Kündigenden war, sich - wann auch immer - vom Vertrag zu lösen (, NJW 1981, 976, 977). Eine Umdeutung setzt aber voraus, daß das Geschäft in das umgedeutet wird, zulässig ist. Das ist hier nicht der Fall. Eine ordentliche Kündigung des Dauerschuldverhältnisses scheidet nämlich bei einer festen Vertragslaufzeit aus (, WM 2003, 1094, 1096, zur Veröffentlichung in BGHZ 154, 171 vorgesehen). Eine solche war hier aber vereinbart, da den Klägern die Vermietung und Verwaltung des Objekts ausweislich Ziffer 1 des Mietgarantie- und Mietverwaltungsvertrags bis übertragen worden ist.
III.
Das angefochtene Urteil war nach alledem aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, war sie an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses wird zur Frage der Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung des Mietgarantie- und Mietverwaltungsvertrags ohne vorherige Abmahnung unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens der Parteien ergänzende Feststellungen zu treffen haben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
VAAAC-05658
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja