Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4; ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 574 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
I.
Der Kläger macht gegen den Beklagten einen Kaufpreisanspruch für die Rückübertragung von Aktien in Höhe von 100.000 € geltend. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Hiergegen hat er fristgemäß Berufung eingelegt. Auf seinen Antrag hat das Berufungsgericht die Berufungsbegründungsfrist bis zum verlängert. Die Berufungsbegründung ist als Telefax am und im Original am bei dem Berufungsgericht eingegangen.
Das Berufungsgericht hat die Berufung - ohne den Beklagten zuvor anzuhören - mit Beschluß vom als unzulässig verworfen, weil die Berufungsbegründung erst am eingegangen und somit die Berufungsbegründungsfrist versäumt sei. Das am eingegangene Telefax trägt den handschriftlichen Vermerk des Senatsvorsitzenden: "Dieses Fax wurde von mir am um 9.30 Uhr im Postfach der Wachtmeisterei aufgefunden."
II.
Die Rechtsbeschwerde, mit der der Beklagte die Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses begehrt, ist zulässig und begründet.
1. Sie ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluß gewahrt sein müssen (Senatsbeschluß vom - XI ZB 39/03, WM 2004, 1407, 1408 m.w.Nachw.; zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt), sind erfüllt. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) erforderlich, da die angefochtene Entscheidung, wie die Rechtsbeschwerde zu Recht geltend macht, das Verfahrensgrundrecht des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
Art. 103 Abs. 1 GG gibt dem Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens ein Recht darauf, daß das Gericht seinen Sachvortrag zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung berücksichtigt (BVerfGE 58, 353, 356 und 60, 120, 122 f.). Das rechtliche Gehör ist insbesondere dann verletzt, wenn ein Schriftsatz bei der Entscheidung unberücksichtigt bleibt, der, obwohl bei Gericht eingegangen, nicht zu den Akten gelangt (BVerfGE 46, 185, 187 f.). So liegt der Fall hier. Die per Telefax rechtzeitig bei Gericht eingegangene Berufungsbegründung ist bei der Verwerfungsentscheidung nicht berücksichtigt worden. Daß der Vorsitzende des Berufungssenats das Telefax erst am vorgefunden hat, ist unerheblich, weil es auf ein Verschulden nicht ankommt. Fehler in der Gerichtsorganisation dürfen, unabhängig von den Gründen, auf denen sie beruhen, nicht zu Lasten der rechtsuchenden Partei gehen.
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Beklagte hat seine Berufung, was das Berufungsgericht infolge der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG verkannt hat, rechtzeitig begründet.
3. Der angefochtene Beschluß war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Die Entscheidung über die Nichterhebung der Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 21 Abs. 1 Satz 1, § 72 Nr. 1 GKG).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
AAAAC-05344
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein