Leitsatz
[1] Allein der Umstand, dass die klagende Partei ihr wirtschaftliches Interesse an der Durchsetzung der von ihr verfolgten Ansprüche verloren hat, ist im Zivilprozess kein Ereignis, das die Klage gegenstandslos macht.
Gesetze: ZPO § 91 a
Instanzenzug: LG Mannheim
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche aus dem zwischen dem Zeugen H. und dem Beklagten zu 1 am geschlossenen, bis zum befristeten Patentlizenzvertrag betreffend das europäische Patent 0 265 548, dessen Inhaber der Beklagte zu 1 ist.
In dem Vertrag räumte der Beklagte zu 1 dem Zeugen H. eine ausschließliche Lizenz am Gegenstand des Patents ein. Der Beklagte zu 1 sollte jedoch berechtigt bleiben, in seiner eigenen Praxis und in bestimmten Krankenhäusern das patentierte Verfahren anzuwenden. Mit Vertrag vom übertrug der Zeuge H. die Rechte aus dem Lizenzvertrag auf die Klägerin.
Die Parteien streiten darüber, ob der Lizenzvertrag durch vom Beklagten zu 1 wiederholt ausgesprochene Kündigungen oder durch eine einvernehmliche Verkürzung der Vertragslaufzeit vorzeitig beendet worden ist.
Die Klägerin hat die Beklagten auf Unterlassung, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Rechnungslegung in Anspruch genommen und beantragt, den Beklagten zu verbieten, die Bezeichnung "A. " für etwas anderes zu verwenden, als für das patentgemäße Verfahren. Schließlich hat sie vom Beklagten zu 1 die Einräumung einer kostenlosen Lizenz an der von diesem getätigten europäischen Patentanmeldung 0 607 593 begehrt. Der Beklagte zu 1 hat widerklagend die Zahlung der Lizenzgebühren für das Jahr 1996 verlangt; weiterhin hat er seinerseits die Klägerin auf Unterlassung, Auskunft und Bucheinsicht wegen Verwendung des streitgegenständlichen Verfahrens in Anspruch genommen.
Das Berufungsgericht hat in seinem ersten Berufungsurteil die Beklagten zu 1 bis 3 antragsgemäß verurteilt und die widerklagend geltend gemachten Ansprüche abgewiesen.
Der Senat hat in seinem Urteil vom das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Während des Revisionsverfahrens hat die Klägerin den Rechtsstreit teilweise hinsichtlich der Unterlassungsansprüche in der Hauptsache für erledigt erklärt, weil sie angesichts rückläufiger Produktionszahlen das patentrechtlich geschützte Produkt seit dem nicht mehr zu annehmbaren Preisen herstellen könne und ihre Produktion deshalb eingestellt habe. Die Beklagten haben sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen, weil die Klage von Anfang an unbegründet gewesen sei und der Interessenwegfall erst während des Revisionsverfahrens eingetreten sei.
Das Berufungsgericht hat in dem nunmehr angefochtenen Berufungsurteil festgestellt, dass im Umfang der Erledigungserklärung der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei. Die Ansprüche auf Rechnungslegung hat das Berufungsgericht für den Zeitraum vom bis zum der Klägerin zuerkannt. Insoweit hat das Berufungsgericht auch die Feststellung getroffen, dass die Beklagten der Klägerin gesamtschuldnerisch zum Schadensersatz verpflichtet seien. Die Widerklage hat das Berufungsgericht erneut abgewiesen.
Mit ihrer Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag, sowie der Beklagte zu 1 seinen Widerklageantrag, weiter.
Die Klägerin ist in der Revisionsinstanz nicht vertreten.
Gründe
Die zulässige Revision ist begründet; sie führt erneut zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist, und insoweit zur Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht.
Trotz der Säumnis der Klägerin und Revisionsbeklagten in der Revisionsinstanz war das Berufungsurteil in vollem Umfang der rechtlichen Nachprüfung zu unterziehen (st. Rspr.; vgl. BGHZ 37, 79, 81).
Dieser Prüfung hält das Berufungsurteil nicht stand.
1. Soweit das Berufungsgericht die Erledigung der Hauptsache festgestellt hat, hat es den Eintritt eines erledigenden Ereignisses rechtsfehlerhaft nicht geprüft. Ein erledigendes Ereignis ist eine Tatsache mit Auswirkungen auf die materiell rechtlichen Voraussetzungen der Zulässigkeit oder Begründetheit der Klage (BGHZ 83, 12, 13; 135, 58, 62; 155, 392, 398). Im Falle der einseitigen Erledigungserklärung muss das Gericht im ordentlichen Streitverfahren prüfen, ob die Hauptsache erledigt ist, ob also die eingereichte Klage zulässig und begründet war, aber durch ein nach Anhängigkeit eingetretenes Ereignis gegenstandslos geworden ist (BGHZ 91, 126, 127 f.; 106, 359, 366 f.).
Dem genügt das Berufungsurteil nicht. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die zulässige und begründete Klage durch ein Ereignis gegenstandslos geworden ist. Allein der Umstand, dass die klagende Partei ihr wirtschaftliches Interesse an der Durchsetzung der von ihr verfolgten Ansprüche verloren hat, ist im Zivilprozess kein Ereignis, das die Klage gegenstandslos macht. Es ist damit widersprüchlich, wenn das Berufungsgericht einerseits vom Fortbestehen des Lizenzvertrags ausgeht, daraus resultierende Ansprüche aber für erledigt hält. Was im Falle der Nichtausübung der Lizenz die Rechtsfolge ist, ist im Lizenzvertrag der Parteien geregelt: Der Lizenzgeber ist berechtigt, den Lizenzvertrag zu kündigen. Weder die Klägerin noch der Beklagte zu 1 haben jedoch im vorliegenden Rechtsstreit vorgetragen, dass dieses Kündigungsrecht ausgeübt worden sei. Ist aber vom Fortbestand des Patentlizenzvertrags auszugehen, so hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, dass das darauf gestützte Klagebegehren sich in der Hauptsache erledigt hätte.
2. Der Ausgang des Rechtsstreits hängt danach in erster Linie davon ab, ob der Lizenzvertrag fortbesteht oder bis zu welchem Zeitpunkt er bestanden hat. Der Senat hatte in seinem Urteil vom die Annahme des Berufungsgerichts hingenommen, der Lizenzvertrag vom sei nicht aufgrund der von den Beklagten behaupteten Kündigungen zum beendet worden. Er hat das damalige Berufungsurteil im Hinblick darauf aufgehoben, dass das Berufungsgericht weiter angenommen hatte, der Lizenzvertrag sei auch nicht durch die Vereinbarung vom vorzeitig beendet worden. Der Senat hat ausgeführt, es bedürfe weiterer tatrichterlicher Feststellungen zur Auslegung der Vereinbarung vom . Zudem sei bisher nicht geklärt, ob die Parteien die Vereinbarung überhaupt ernst gemeint hätten. Die Klägerin habe vorgetragen, die Vereinbarung sei nur zum Schein abgeschlossen worden, um den potentiellen Hersteller He. zu "beruhigen". Es werde auch der weiteren Behauptung der Klägerin nachzugehen sein, der letzte Satz der Vereinbarung, wonach diese erst nach "beiderseitiger juristischer Prüfung" Gültigkeit habe erlangen sollen, sei einvernehmlich gerade deshalb in den Text aufgenommen worden, um ein Wirksamwerden der Vereinbarung zu verhindern.
Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen zur Auslegung der Vereinbarung vom getroffen, sondern nunmehr Beweis darüber erhoben, ob die Vereinbarung nur zum Schein getroffen worden sei. Es ist zu dem Ergebnis gelangt, dass dies bewiesen und demzufolge der Lizenzvertrag nach wie vor in Kraft sei. Das Berufungsgericht hat es dahinstehen lassen, ob der Vereinbarung vom im Wege der Auslegung zu entnehmen sei, dass mit ihr eine Beendigung des zwischen den Parteien bestehenden Lizenzvertrags hätte herbeigeführt werden sollen. Es hat aufgrund der Aussage des Zeugen H. für bewiesen gehalten, dass die genannte Vereinbarung nicht ernsthaft auf die Herbeiführung einer konkreten Rechtsfolge gerichtet gewesen sei. Seine Überzeugung von der Richtigkeit der Angaben des Zeugen H. hat das Berufungsgericht darauf gegründet, dass dieser bei seiner Vernehmung einen sicheren und glaubwürdigen Eindruck gemacht habe und seine Darstellung in sich geschlossen und widerspruchsfrei gewesen sei. Zudem habe auch der Zeuge S. , der sich im übrigen an Einzelheiten der Besprechung nur dunkel habe erinnern können, bestätigt, dass der Zeuge H. eine Klausel mit juristischem Prüfungsvorbehalt in dem Vertrag hätte haben wollen. Die Zeugen Ha. und Dr. Z. hätten an der Abfassung der Vereinbarung nicht mitgewirkt und seien bei ihrer Unterzeichnung nicht anwesend gewesen.
Bei dieser Beweiswürdigung hat das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, wesentlichen Vortrag des Beklagten zu 1 in seinem Schriftsatz vom unberücksichtigt gelassen. Das Berufungsgericht hatte als Endtermin für die Einreichung von Schriftsätzen den festgesetzt. Mit an diesem Tage bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat der Beklagte zu 1 Ausführungen zum Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere zur Aussage des Zeugen H. gemacht. Er hat vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass der Zeuge H. sich gegenüber dem Zeugen Dr. Z. anlässlich eines Telefonats am Abend des zum Inhalt der an diesem Tage geschlossenen Vereinbarung, insbesondere zum Ausgleich der Schulden des Zeugen H. geäußert habe. Bei dieser Gelegenheit habe der Zeuge H. damit gedroht, dass er für einen Verlust der Approbation des Beklagten zu 1 sorgen werde, wenn der Beklagte zu 1 die Beitreibung seiner Forderungen aus dem Lizenzvertrag gegenüber der Klägerin in die Wege leiten werde.
Diese Behauptung des Beklagten zu 1 war für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Bekundungen des Zeugen H. von Gewicht. Die Beweislage war für den Beklagten zu 1 schwierig, da das Gespräch, das zum Abschluss der Vereinbarung vom geführt hat, ausschließlich zwischen dem Zeugen H. und dem Beklagten zu 1 stattgefunden hat. Das Berufungsgericht hat die Aussage der Zeugen Ha. und Dr. Z. ausdrücklich deshalb nicht herangezogen, weil diese bei der Unterzeichnung nicht anwesend gewesen seien. Bei dieser Beweislage hätte das Berufungsgericht sich mit dem Vortrag des Beklagten zu 1, der die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen H. erschüttern konnte, jedenfalls auseinandersetzen und gegebenenfalls dem Beweisantritt nachgehen müssen. Dem ist das Berufungsgericht unter Verletzung des Rechts des Beklagten zu 1 auf rechtliches Gehör verfahrensfehlerhaft nicht nachgekommen. Hätte es sich mit diesem Vorbringen auseinandergesetzt, so ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass seine Überzeugung von der Richtigkeit der Angaben des Zeugen H. , der als früherer Geschäftsführer der Klägerin ein massives eigenes Interesse an der Beantwortung der Beweisfrage hatte, erschüttert worden wäre. Soweit das Berufungsgericht seine Überzeugung durch die Aussage des Zeugen S. als gestützt angesehen hat, wonach der Zeuge H. eine Klausel mit juristischem Prüfungsvorbehalt in den Vertrag hätte haben wollen, ist hieraus allein kein Schluss auf die Richtigkeit der Angaben des Zeugen H. gerechtfertigt, da der Zeuge weiter bekundet hat, er wisse weder, ob diese Klausel dann in den Vertrag hineingekommen sei, noch warum der Zeuge H. diese Klausel in den Vertrag hätte haben wollen.
3. Schließlich hat der Senat in seinem Urteil vom ausgeführt, dass sich ohne weitere Feststellungen des Berufungsgerichts ein Anspruch aus dem Markengesetz oder aus den §§ 1, 3 UWG nicht herleiten lassen, soweit das Berufungsgericht die Beklagten zu 1 bis 3 verurteilt hatte, die Bezeichnung "A. " für etwas anderes zu verwenden als für das patentgemäße Verfahren. Das Berufungsgericht hat sich nunmehr auf die bloße Feststellung beschränkt, die Klägerin habe unwidersprochen vorgetragen, dass sie die Bezeichnung "A. " für das lizenzierte Verfahren in weiten Verkehrskreisen bekanntgemacht und ihm Geltung verschafft habe. Diese Feststellung ermangelt jeder nachvollziehbaren Begründung und geht nicht über das hinaus, was das Berufungsgericht seiner ersten Entscheidung zugrunde gelegt hatte. Das Berufungsgericht hat damit die Vorgaben in der ersten Revisionsentscheidung nicht berücksichtigt, sondern auf seinen vom Senat als fehlerhaft beanstandeten Rechtsstandpunkt zurückgegriffen. Das Berufungsgericht wird nunmehr die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben.
4. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass - abgesehen von der bereits im Urteil vom angesprochenen kartellrechtlichen Problematik - ein Verstoß gegen § 17 Abs. 1 GWB in Betracht kommt, soweit die Lizenzierung sich über den Ablauf des Schutzrechts hinaus erstrecken sollte. Dies hat jedoch nicht die Nichtigkeit des gesamten Lizenzvertrages zur Folge. Denn die Unwirksamkeit des Vertrages aus kartellrechtlichen Gründen beschränkt sich grundsätzlich auf die verbotene Regelung. Ist anzunehmen, dass die Parteien den Lizenzvertrag auch ohne diese geschlossen hätten, so lässt ihr Fortfall den Bestand des Lizenzvertrages im übrigen unberührt. Diese Frage ist in der Rechtsprechung des Kartellsenats des Bundesgerichtshofs seit langem geklärt (BGHZ 17, 41, 59; , GRUR 1975, 206, 208 - Kunststoffschaum-Bahnen; Urt. v. - KZR 31/84, NJW 1986, 58, 59 - Preisabstandsklausel; Busse Patentgesetz, 6. Aufl. § 15 PatG Rdn. 157; Immenga/Mestmäcker/Emmerich GWB, 3. Aufl. § 17 Rdn. 160, jeweils m.w.N.).
5. Nach Klärung der Frage der Laufzeit des Lizenzvertrages wird das Berufungsgericht auch über die Widerklage neu zu entscheiden haben. Es hat die Abweisung der Widerklage bisher ausschließlich darauf gestützt, dass die Klägerin aufgrund des Lizenzvertrages nach wie vor alleinige Inhaberin der Verwertungsrechte am Gegenstand des europäischen Patents 0 265 548 sei.
6. Der Senat hat von § 563 Abs. 1 Satz 3 ZPO Gebrauch gemacht.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW-RR 2006 S. 544 Nr. 8
IAAAC-05243
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja