BGH Urteil v. - X ZR 56/01

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: EGZPO § 26 Nr. 5; ZPO §§ 91 ff.; ZPO § 256 Abs. 1; ZPO § 519 Abs. 3 Satz 2; ZPO § 547

Instanzenzug:

Tatbestand

Die Beklagte ist eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft. Sie wurde mit der Prüfung der DM-Eröffnungsbilanz der Klägerin zum betraut und zum Abschlußprüfer der Jahresabschlüsse zum und zum bestellt.

Am verkaufte die Treuhandanstalt ihre Geschäftsanteile an der durch Umwandlung eines Betriebsteils eines ehemaligen Kombinats entstandenen Klägerin in unterschiedlicher Stückelung an insgesamt neun Angestellte (sogenannte Ersterwerber).

1994 beauftragte die Klägerin andere Wirtschaftsprüfer, die DM-Eröffnungsbilanz auf den (erneut) zu prüfen. Diese Prüfer kamen u.a. zu dem Ergebnis, daß diese Bilanz sachliche Fehler enthalten habe, daß die Beklagte nicht Abschlußprüfer habe sein können, weil sie an der Aufstellung der Bilanz mitgewirkt habe, und daß deshalb auch die nachfolgenden Abschlüsse zum und zum nicht wirksam hätten festgestellt werden können.

Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin das im Hinblick auf die DM-Eröffnungsbilanz und die beiden Jahresabschlüsse an die Beklagte gezahlte Honorar nebst Zinsen zurückverlangt. Dieser Teil der Klage ist beschieden; insoweit hat der Senat die Revision der in den Vorinstanzen unterlegenen Klägerin nicht angenommen.

Die Klägerin hat außerdem zuletzt noch Feststellung begehrt, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche Schäden und Folgeschäden zu ersetzen, die ihr aus Anlaß und/oder infolge der von der Beklagten zu vertretenden Aufstellung und/oder Prüfung der DM-Eröffnungsbilanz auf den sowie der Schlußbilanz auf den und auf den entstanden sind. Das Landgericht hat auch diesen Teil der Klage abgewiesen. Das Kammergericht hat die den Feststellungsantrag betreffende Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Auch hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin.

Gründe

Soweit das Rechtsmittel sich dagegen wendet, daß das Berufungsgericht die den Schadensersatzfeststellungsantrag betreffende Berufung der Klägerin mangels ausreichender Berufungsbegründung als unzulässig verworfen hat, ist die Revision der Klägerin gemäß § 547 ZPO in der bis zum geltenden und hier gemäß § 26 Nr. 5 EGZPO maßgeblichen Fassung (a.F.) statthaft. Die in rechter Frist und Form eingelegte und begründete Revision hat insoweit auch Erfolg; sie führt zur Zurückverweisung des Feststellungsbegehrens an das Berufungsgericht und - als Folge davon - auch zur Zurückverweisung der nach §§ 91 ff. ZPO in Abhängigkeit vom Erfolg dieses Begehrens zu beantwortenden Frage, wer in welchem Umfang die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.

1. Die Zulässigkeit der im Hinblick auf den Feststellungsantrag erhobenen Revision hat zur Folge, daß der Senat den insoweit für die Zulässigkeit der Berufung maßgeblichen Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht selbständig zu würdigen hat (, NJW 2001, 2722 m.w.N.). Diese Prüfung ergibt, daß die Berufungsbegründung der Klägerin den Anforderungen des § 519 Abs. 3 Satz 2 ZPO a.F. genügt hat.

a) Das Landgericht hat das zuletzt noch streitige Schadensersatzfeststellungsbegehren abgewiesen, weil nicht einmal ersichtlich sei, wer die Klägerin in welcher Höhe und woraus in Anspruch nehmen solle. Außerdem hat das Landgericht die Klägerin auch in der Lage gesehen, die Höhe gegebenenfalls drohender Ansprüche darzulegen.

Mit der zweiten Begründung ist das Feststellungsinteresse, also die gemäß § 256 Abs. 1 ZPO bei Feststellungsklagen erforderliche besondere Sachurteilsvoraussetzung, verneint worden, weil die Erhebung einer auf Leistung gerichteten Schadensersatzklage möglich gewesen oder - wie das Landgericht sich ausgedrückt hat - der Vorrang der Leistungsklage nicht beachtet sei. Aber auch die erste Begründung, mit der die Frage negativ beantwortet worden ist, ob ein Schaden der Klägerin wahrscheinlich ist, zielte auf die Zulässigkeit der Feststellungsklage.

b) Da beide Begründungen des Landgerichts die Abweisung der Feststellungsklage als unzulässig gleichermaßen und unabhängig voneinander rechtfertigen sollten, war die von der Klägerin hiergegen eingelegte Berufung hinreichend begründet, wenn die Klägerin als Rechtsmittelführerin für jede Begründung dargelegt hatte, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen sich nach ihrer Auffassung die angegriffene Entscheidung nicht rechtfertige. Denn die Rechtsmittelbegründung muß - im Falle ihrer Berechtigung - geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen. Hierzu reicht ein Angriff gegen eine von mehreren selbständigen Urteilsbegründungen nicht aus (st. Rspr., z.B. , NJW 1990, 1184; Urt. v. - XI ZR 260/00, BGH-Report 2001, 525).

c) Gegen die Annahme des Landgerichts, im vorliegenden Fall habe der Vorrang der bezifferten Leistungsklage beachtet werden können, hat die Klägerin in ihrer Berufungsbegründungsschrift angeführt (dort S. 68), solange die tatsächliche Inanspruchnahme der Klägerin durch die Rechtsnachfolgerin der Treuhandanstalt möglich und in der Höhe noch nicht festgestellt sei, müsse eine Feststellungsklage zulässig sein. Außerdem hat sie sich unter Angabe des/der Aktenzeichen auf eine Nichtigkeitsklage von Gesellschaftern bezogen (S. 7) und darauf abgestellt, daß sich nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Nichtigkeitsklage Rückschlüsse ergäben, die im vollem Umfange derzeit noch nicht erfaßt werden könnten (S. 68). Das war eine auf den konkreten Fall bezogene Darlegung und ließ erkennen, daß und warum die Klägerin die Verneinung eines Feststellungsinteresses durch das Landgericht nicht für tragfähig hielt und mit der Berufung bekämpfte. Das genügte dem Begründungserfordernis. Denn nach ständiger Rechtsprechung zu dem bis zum 31. Dezember geltenden Prozeßrecht muß die Berufungsbegründung nur auf den Streitfall zugeschnitten sein und deutlich machen, auf welche Punkte tatsächlicher oder rechtlicher Art sich die Angriffe erstrecken sollen (, NJW-RR 2002, 1499 m.w.N.). Darauf, ob die gemachten Ausführungen schlüssig, hinreichend substantiiert oder rechtlich haltbar sind, kommt es in diesem Zusammenhang hingegen nicht an (, NJW 1999, 3784 m.w.N.). Es kann deshalb in diesem Zusammenhang auch dahinstehen, ob und gegebenenfalls wie die Darlegungen der Klägerin zur Zulässigkeit der Schadensersatzfeststellungsklage mit den nachfolgend unter d) behandelten Ausführungen der Berufungsbegründungsschrift in Einklang zu bringen sind.

d) Zu Recht macht die Revision ferner geltend, daß die Klägerin sich in der Berufungsbegründungsschrift auch mit der Frage der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts befaßt hat und daß der insoweit gemachten Darlegung zu entnehmen war, warum die Klägerin sich geschädigt fühlt und daß sie aus diesem Grund die Abweisung des Feststellungsantrags nicht hinzunehmen bereit ist. Nach diesen Darlegungen ist der Feststellungsantrag nicht - wie vom Landgericht angenommen - wegen einer durch die Erstellung und/oder Prüfung der streitigen Bilanzen möglicherweise verursachten Inanspruchnahme der Klägerin durch Dritte gestellt, sondern weil die Beklagte mit den Ersterwerbern kollusiv zusammengewirkt haben soll, damit die Ersterwerber die von ihnen nach der Behauptung der Klägerin dann auch genutzte Möglichkeit hätten, sich Werte der unterbewerteten Gesellschaft anzueignen, um hiermit das für den Kaufpreis aufgenommene Darlehen alsbald tilgen zu können. So heißt es in der Berufungsbegründungsschrift (auf S. 19), daß "das bei Management-by-out-Privatisierung gebräuchliche Modell hier manipulativ so verbessert" worden sei, daß eine fast volle Abdeckung des Kaufpreises aus zukünftigen Erträgen und Darlehen der Klägerin als gesichert erschienen sei. Außerdem behandelt die Berufungsbegründung (auf S. 60 ff.) ausdrücklich verdeckte Gewinnausschüttungen, Darlehen und eine Vorabausschüttung von 2 Mio. DM an die Ersterwerber. Das genügte im Hinblick auf das vom Landgericht vermißte Eingehen auf eine mögliche Schädigung der Klägerin, die dadurch geschehen sein soll, daß die Beklagte die Bilanzen geprüft hat. Auch insoweit ist ohne Belang, ob diese oder andere in der Berufungsbegründung hierzu gemachten Ausführungen schlüssig, hinreichend substantiiert oder rechtlich haltbar sind.

2. Das Berufungsgericht, das - wie die Nichtannahme der Revision im übrigen zeigt - Ansprüche wegen Schlechterfüllung ohne Rechtsfehler verneint hat, wird deshalb nunmehr über das aufgrund des zusätzlichen Vortrags der Klägerin möglicherweise berechtigte Schadensersatzfeststellungsbegehren sachlich zu entscheiden und die Kostenentscheidung neu zu treffen haben. Dabei werden das gesamte insoweit einschlägige Vorbringen der Parteien hierzu einschließlich etwaiger geltend gemachter Einreden und das - gegebenenfalls nach prozeßfördernder gerichtlicher Anleitung - insoweit ergänzend Vorgebrachte zu berücksichtigen sein.

Fundstelle(n):
UAAAC-05226

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein