Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: BGB § 195 a.F.; BGB § 635 a.F.; BGB § 638 a.F.; BGB § 638 Abs. 1; BGB § 823
Instanzenzug: OLG Rostock vom
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz.
Die Klägerin ist eine 100-prozentige Tochter der H. Elektrowerke GmbH & Co. KG (im folgenden wie im Berufungsurteil: Muttergesellschaft). Letztere belieferte seit vielen Jahren den Haushaltsgerätehersteller M. unter anderem mit Elektromotoren für gewerblich nutzbare Waschmaschinen. Diese Motoren stellte die Klägerin her und verkaufte sie an ihre Muttergesellschaft.
Im Jahre 1994 hatte die Klägerin dabei Kapazitätsprobleme und beauftragte deshalb die Beklagte mit der Herstellung von Wicklungen in Statoren zum Einbau in die von der Klägerin herzustellenden Elektromotoren. Die Klägerin übergab der Beklagten eine Musterwicklung und eine Herstellungsanweisung, die eine Wicklung mit zwei Drähten, Spule in Serie geschaltet, vorsah. Die Beklagte lieferte in der Zeit vom bis zum Statoren - mindestens 274, nach dem Vortrag der Klägerin 304 Stück -, wobei weiter streitig ist, ob bei allen oder nur bei einem Teil der Statoren die Wicklungen mit nur einem Draht und entsprechend mit paralleler Schaltung der Spulen ausgeführt waren. Die Klägerin baute die von der Beklagten gelieferten Statoren in Elektromotoren ein und verkaufte diese an die Muttergesellschaft, die 250 so hergestellte Elektromotoren an M. verkaufte, wo sie zum Teil in Waschmaschinen eingebaut wurden.
Beim Betrieb der Waschmaschinen durch die Endkunden stellte sich heraus, daß die Elektromotoren heiß liefen. Dies rügte M. gegenüber der Muttergesellschaft mit Telefax vom . Die im folgenden von M. und der Muttergesellschaft durchgeführten Untersuchungen ergaben, daß die falsch gewickelten Statoren die Ursache für das Heißlaufen der Motoren waren. Die Muttergesellschaft erkannte ihre Haftung gegenüber M. an und vereinbarte, daß M. die Motoren zurückgab und im Gegenzug den Kaufpreis erstattet bekam. Ihren Schaden stellte die Muttergesellschaft der Klägerin in Rechnung.
Mit Schreiben vom verlangte die Klägerin von der Beklagten die Nachbesserung der fehlerhaften Wicklungen. Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom , daß sie Schadensersatzforderungen der Klägerin nicht anerkenne, und berief sich auf Verjährung.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe eines Betrages von 221.575,44 DM und hinsichtlich des auf Feststellung der weiteren Schadensersatzpflicht der Beklagten gerichteten Antrages stattgegeben.
Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Mit ihrer Revision strebt die Beklagte weiterhin die Klageabweisung an. Die Klägerin tritt dem entgegen.
Gründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht.
Gemäß § 638 Abs. 1 BGB in der vor dem geltenden Fassung - a.F.- verjähren Schadensersatzansprüche des Bestellers nach § 635 BGB a.F., sofern nicht der Unternehmer den Mangel arglistig verschwiegen hat, in sechs Monaten. Die Verjährung beginnt mit der Abnahme des Werkes. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterliegen der kurzen Verjährung des § 638 BGB a.F. sogenannte Mangelschäden, die dem Werk unmittelbar anhaften, sowie solche Mangelfolgeschäden, die mit dem Mangel eng und unmittelbar zusammenhängen. Entferntere Mangelfolgeschäden sind nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung und der für diese geltenden 30-jährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB a.F. zu beurteilen (Sen.Urt. v. - X ZR 100/94, NJW-RR 1996, 1203, 1205 f. m.w.N.). Die Frage, nach welchen Regeln durch eine mangelhafte Werkleistung verursachte Schäden zu ersetzen sind, ist vor allem nach dem lokalen Zusammenhang zwischen Werk und Schaden zu entscheiden. Realisiert sich ein Schaden erst durch Hinzutreten eines weiteren Ereignisses und an weiteren Rechtsgütern, ist dieser grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln der positiven Vertragsverletzung zu behandeln (Senat BGHZ 133, 155, 160).
Das Berufungsgericht hat sich mit dieser Rechtsprechung auseinandergesetzt und ist zu dem Ergebnis gelangt, daß es sich vorliegend um einen entfernteren Mangelfolgeschaden handele. Es hat ausgeführt, es komme zur Abgrenzung auf eine an Leistungsobjekt und Schadensersatz orientierte Güter- und Interessenabwägung an. Ob ein enger Zusammenhang zwischen Mangel und Folgeschaden anzunehmen sei, richte sich nicht in erster Linie nach kausalen, sondern nach lokalen Kriterien. Zwar sei der Schaden hier auf die fehlerhafte Wicklung der Statoren zurückzuführen. Die Fehlerhaftigkeit sei jedoch für die Klägerin trotz Qualitätskontrollen nicht erkennbar gewesen, weshalb sie die Statoren in der Annahme, diese seien entsprechend ihren Anweisungen gewickelt, in die Elektromotoren eingebaut habe. Erst die Beanstandungen der Endkunden hätten den Austausch der Motoren veranlaßt und den mit der Rückabwicklung verbundenen Schaden ausgelöst. Der dadurch schließlich bei der Klägerin "angekommene" Schaden könne nicht mehr als unmittelbare Folge der fehlerhaften Wicklungen angesehen werden. Auch ein enger zeitlicher Zusammenhang könne nicht bejaht werden, weil die Statoren bis Ende Februar 1995 geliefert worden seien, M. aber erstmalig mit Schreiben vom gegenüber der Muttergesellschaft Beanstandungen erhoben habe. Schließlich führe auch eine Güter- und Interessenabwägung zu dem Ergebnis, daß ein entfernter Mangelfolgeschaden anzunehmen sei. Beklagte, Klägerin und Muttergesellschaft seien letztlich Zulieferer für M. gewesen, welche erst das Endprodukt hergestellt habe. Wie der vorliegende Fall zeige, könne derjenige, der Bauteile für einen anderen herstelle und dafür wiederum auf die Zulieferung eines Dritten angewiesen sei, nicht zuverlässig ausschließen, daß die ihm zugelieferten Teile in dem letztlich herzustellenden Gesamtwerk ihre Funktion nicht ordnungsgemäß erfüllten.
Diese Bewertung des Berufungsgerichts ist nicht frei von Rechtsfehlern. Der Schaden, für den die Klägerin Ersatz beansprucht, ist, bei Zugrundelegung der tatrichterlichen Feststellungen, als "enger" Mangelfolgeschaden anzusehen.
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist ein enger Zusammenhang zwischen Mangel und Folgeschaden vor allem dann bejaht worden, wenn das Werk nur darauf gerichtet war, seine Verkörperung in einem weiteren Werk zu finden, in dem sich der Schaden dann geäußert hat. Ein unter § 638 BGB a.F. fallender Folgeschaden ist danach bei Fehlern in nicht verkörperten Leistungen wie der eines Architekten, eines Statikers, eines Vermessungsingenieurs oder von Gutachtern angenommen worden (BGHZ 37, 341, 344; BGHZ 48, 257, 258; BGHZ 58, 225, 228; BGHZ 72, 257, 259). Bei gegenständlichen Leistungen ist ein enger Zusammenhang vor allem dann angenommen worden, wenn die Schäden an Gegenständen eingetreten waren, auf die die mangelhafte Werkleistung unmittelbar eingewirkt hatte, wobei zugleich ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Mangel und dem weiter eingetretenen Schaden bestand. Ein derartiger lokaler Zusammenhang ist beispielsweise bejaht worden bei Schäden an einem Bauwerk infolge mangelhafter Rohr- und Putzarbeiten bei seiner Errichtung (, NJW 1963, 805, 806), bei Rissen an dem Längsträger eines Sattelschleppers infolge fehlerhafter Montage eines Doppelachsaggregates an diesem Träger (BGHZ 55, 392) und bei einem Motorschaden nach einem mangelhaft ausgeführten Ölwechsel (Senat BGHZ 98, 45, 47).
Demgegenüber ist ein nach den Regeln der positiven Vertragsverletzung zu ersetzender Mangelfolgeschaden bejaht worden für die Folgen eines Brandes, der nach Umstellung einer Ölheizung durch den Bruch einer Ölleitung entstanden war (BGHZ 58, 305, 307), für Schäden durch auslaufendes Öl infolge fehlerhafter Montage einzelner Teile der ölführenden Leitungen (BGHZ 57, 242), für die Folgen eines Einbruchs, der durch den fehlerhaften Einbau einer Alarmanlage ermöglicht worden war (Senat BGHZ 115, 332), und für Schäden, die infolge der Notlandung eines Flugzeuges entstanden waren, die dadurch veranlaßt worden war, daß sich der Pilot nach dem fehlerhaften Einbau eines Tankanzeigegerätes über die Menge des restlichen Treibstoffs geirrt hatte (Sen.Urt. v. - X ZR 85/91, NJW 1993, 923).
Nach den tatrichterlichen Feststellungen sind die Statoren gemäß der vertragsgemäßen Zweckbestimmung und in der beabsichtigten Weise weiterverwendet worden. Sie waren von vornherein dazu bestimmt, in die von der Klägerin herzustellenden Elektromotoren eingebaut zu werden. Die fehlerhafte Wicklung wirkte sich daher als Fehler der Elektromotoren aus. Das Einzelwerk, das die Beklagte herstellen sollte, hat seine Bestimmung, zu einem mangelfreien Elektromotor beizutragen, daher verfehlt und das Gesamtwerk in Mitleidenschaft gezogen. Der Umstand, daß der Schaden, der bei der Klägerin "angekommen" ist, derjenige ist, der durch die Rückabwicklung im Verhältnis M. - Muttergesellschaft und von letzterer an die Klägerin weitergereicht worden ist, macht diesen nicht zu einem entfernten Mangelfolgeschaden. Die Konstellation, daß das hergestellte Werk, erst nachdem es mehrere Stationen durchlaufen hat, schließlich denjenigen erreicht, der das Gesamtwerk in Gebrauch nimmt, rechtfertigt für sich genommen keine andere Beurteilung, wenn der Schaden an Gegenständen eingetreten ist, auf die die mangelhafte Werkleistung unmittelbar eingewirkt hat.
Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, daß in der Regel neben dem lokalen Zusammenhang auch ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Mangel und dem weiter eingetretenen Schaden als Voraussetzung für die Einordnung als enger Mangelfolgeschaden angesehen worden ist (Sen.Urt. v. , aaO, 924). Dies beruht auf der Erwägung, daß die Wertung, die das Gesetz durch die kurze Verjährungsfrist getroffen hatte, nur in Sonderfällen durchbrochen werden kann. Das Zeitmoment ist dabei Ausdruck einer nach Billigkeit vorzunehmenden Abwägung und berücksichtigt, daß ein Mangel unter Umständen erst bei Einbau und Verwendung tatsächlich erkennbar ist. Die Beklagte hat dazu vorgetragen, die Klägerin habe die Mängel bei ordnungsgemäßer Prüfung feststellen können. Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag im Rahmen der Prüfung eines etwaigen Mitverschuldens der Klägerin gewürdigt und angenommen, die Klägerin habe eine Qualitätskontrolle vorgenommen, dabei jedoch die fehlerhaften Wicklungen nicht erkannt. Die Beklagte habe nicht dargetan, daß die Klägerin Anlaß gehabt habe, bei der Endkontrolle weitere spezielle Messungen durchzuführen. Für die Frage, ob die fehlende Erkennbarkeit eine Durchbrechung der Regelung des § 638 BGB a.F. rechtfertigt, sind jedoch andere Maßstäbe anzulegen. Standen der Klägerin, wie sie selbst vorgetragen hat, die Meßgeräte zur Verfügung, mit denen der gerichtliche Sachverständige die zur Begutachtung erforderlichen Messungen vorgenommen hat, und hatte sie mithin im Rahmen der von ihr durchgeführten Endkontrolle die Möglichkeit, die stark abweichende Leistungsaufnahme der Motoren festzustellen, die mit den von der Beklagten hergestellten Statoren ausgestattet waren, so hat sich das Zeitmoment nicht auf die Erkennbarkeit des Mangels ausgewirkt und spielt deshalb im Rahmen der nach Billigkeit vorzunehmenden Abwägung keine Rolle, unabhängig von der Frage, ob die unterlassene Prüfung der Klägerin als Mitverschulden angelastet werden kann.
Eine abschließende Sachentscheidung ist dem Senat nicht möglich, da das Berufungsgericht nicht geprüft hat, ob die kurze Verjährungsfrist des § 638 Abs. 1 BGB a.F. gleichwohl deshalb keine Anwendung findet, weil die Beklagte den Mangel ihres Werks arglistig verschwiegen hat. Zur Prüfung dieses Einwands ist der Rechtsstreit daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Ein arglistiges Verhalten der Beklagten könnte aus dem Vortrag der Klägerin herzuleiten sein, die Beklagte habe verschwiegen, daß die Wicklungen anweisungswidrig hergestellt worden seien. Auch hierzu fehlen bisher Feststellungen des Berufungsgerichts. Sollte es zutreffen, daß die Beklagte von Anweisungen der Klägerin abgewichen ist oder es zugelassen hat, daß ihre Mitarbeiter eigenmächtig die Anweisungen mißachteten, ohne dies der Klägerin mitzuteilen, so könnte dies den Vorwurf der Arglist begründen. Arglistiges Verhalten liegt dabei nach der Rechtsprechung des Senats bereits dann vor, wenn dem Unternehmer bewußt ist, daß dem Besteller ein Mangel unbekannt sein könnte, und er das angebotene Werk bei Kenntnis des Mangels nicht als Vertragserfüllung annehmen werde (Sen.Urt. v. - X ZR 2/90, NJW-RR 1991, 1269).
Schließlich hat das Berufungsgericht bisher keine Feststellungen dazu getroffen, ob eine Haftung der Beklagten aus § 823 BGB in Betracht kommt, auf den die Klägerin ihre Schadensersatzansprüche ebenfalls gestützt hat. Die Klägerin hat dazu vorgetragen, daß die Statoren nicht getrennt werden könnten, ohne die im Eigentum der Klägerin stehenden Motoren zu beschädigen. Sollten vertragliche Ansprüche der Klägerin verjährt sein, so wird das Berufungsgericht auch zu diesem Vorbringen weitere Feststellungen zu treffen haben. Soweit das Berufungsgericht dieser Frage bei der Erörterung der Schadenshöhe nachgegangen ist, genügen seine bisherigen Feststellungen nicht, um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen des § 823 BGB in Form einer von der Klägerin darzulegenden und zu beweisenden Eigentumsverletzung vorliegen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BAAAC-04927
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein