BGH Beschluss v. - X ZR 112/00

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 234 Abs. 1; ZPO n.F. § 321a Abs. 2 Satz 2; GG Art. 103 Abs. 1; GG Art. 2 Abs. 1

Gründe

1. Die Beklagte ist Inhaberin der u.a. mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patente 0 247 983 und 0 496 437 sowie des DD-Ausschließungspatents 273 197, die eine pharmazeutische Formulierung des Wirkstoffs Omeprazol betreffen. Die Klägerinnen haben unter Vorlage zahlreicher Druckschriften geltend gemacht, die Gegenstände der Streitpatente seien nicht neu und beruhten nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die Beklagte hat die Streitpatente nur in eingeschränktem Umfang verteidigt. Das Bundespatentgericht hat der Klage nach Antrag stattgegeben. Der Bundesgerichtshof hat nach Beweisaufnahme durch Urteil vom die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Gegenvorstellung, zu deren Begründung sie auf die gleichzeitig eingelegte Verfassungsbeschwerde an das Bundesverfassungsgericht verweist.

2. Die Beklagte macht geltend, das Urteil des Bundesgerichtshofs verletze den grundrechtlichen Anspruch der Beklagten auf faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG) und das Grundrecht auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).

Der Bundesgerichthof habe einen offensichtlich ungeeigneten Sachver-ständigen bestellt, der aufgrund seiner Unerfahrenheit und mangelnden Qualifikation nicht in der Lage gewesen sei, sachkundige Aussagen zum Wissen und Können eines Fachmanns zum maßgeblichen Zeitpunkt (Prioritätstag ) zu machen, und dies bei der Beweiswürdigung unter Außerachtlassung seiner eigenen Rechtsprechung nicht berücksichtigt. Er habe die Ausführungen und Wertungen des gerichtlichen Sachverständigen unkritisch übernommen. Zudem habe der Bundesgerichtshof das Vorbringen der Beklagten nicht berücksichtigt. Er habe sich mit den Argumenten der Beklagten nicht auseinandergesetzt und habe, obwohl die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen im einzelnen durch die Parteigutachter Prof. Dr. B. und Prof. Dr. Dr. M. widerlegt worden seien, hierzu keine Stellung genommen und sich den spekulativen Bemerkungen des gerichtlichen Sachverständigen angeschlossen.

3. Die Gegenvorstellung der Beklagten hat keinen Erfolg.

a) Es braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden, ob nach der Neuregelung des Rechtsmittelsystems durch das Zivilprozeßreformgesetz eine Gegenvorstellung gegen ein rechtskräftiges Urteil des Bundesgerichtshofs statthaft ist. In den verfahrensrechtlichen, das Nichtigkeitsverfahren betreffenden Vorschriften des Patentgesetzes und - ergänzend - in der Zivilprozeßordnung ist eine Gegenvorstellung auf Grund einer behaupteten Verletzung des grundrechtlichen Anspruchs auf faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gegen ein rechtskräftiges Berufungsurteil des Bundesgerichtshofs nicht vorgesehen. Dieses Rechtsschutzsystem genügt zwar nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (Plenarbeschluß v. - 1 PBvU 1/02, NJW 2003, 1924) nur teilweise den für den Rechtsschutz bei der Verletzung des Verfahrensgrundrechts des Art. 103 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gebotenen Anforderungen, nämlich soweit eine Verletzung im allgemeinen Rechtsmittelsystem geltend gemacht werden kann. Auch erfüllten die von der Rechtsprechung der Fachgerichte zur Schließung der Lücke im Rechtmittelsystem entwickelten außerordentlichen Rechtsbehelfe nicht die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit. Deshalb müsse der Gesetzgeber bis zum eine Lösung finden.

Es kann auch dahinstehen, ob damit den Fachgerichten vor einer Neuregelung in Rechtsfortbildung freigestellt ist, ein rechtskräftiges Berufungsurteil wegen einer behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs zu überprüfen und mit der Rechtsfolge der Durchbrechung der Rechtskraft gegebenenfalls zu korrigieren.

b) Jedenfalls ist die Gegenvorstellung nicht zulässig. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist es nämlich geboten, für die Verpflichtung des Gerichts, seine gegen ein Verfahrensgrundrecht verstoßende Entscheidung selbst zu korrigieren, und damit für die Einlegung einer Gegenvorstellung eine zeitliche Grenze vorzusehen (vgl. , NJW 2001, 2262; , NJW 2002, 1577). Diese ist in Anlehnung an die im Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen vor dem Bundesgerichtshof geltende Wiedereinsetzungsfrist (§ 234 Abs. 1 ZPO; Sen.Beschl. v. - X ZR 154/99, GRUR 2000, 1010, 1011 - Schaltmechanismus; Sen.Beschl. v. - X ZR 41/00, GRUR 2001, 271, 272 - Kreiselpumpe) mit zwei Wochen ab Zustellung der Entscheidung zu bemessen. Von dieser Frist ist auch der Gesetzgeber bei der Neuregelung des § 321a Abs. 2 Satz 2 ZPO n.F. ausgegangen. Auch das Bundesverfassungsgericht hat für den Fall nicht rechtzeitiger Neuregelung durch den Gesetzgeber eine Frist von 14 Tagen ab Zustellung der Entscheidung als angemessen angesehen (BVerfG aaO, NJW 2003, 1924, 1928)

Diese Frist hat die Beklagte versäumt. Das Urteil vom ist der Beklagten am zugestellt worden. Diese hat erst am und damit nach Ablauf der Frist Gegenvorstellung erhoben.

4. Unabhängig hiervon ist der Anspruch der Beklagten auf faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht verletzt.

a) Gegenstand der Streitpatente war nicht der Wirkstoff Omeprazol, der in den Streitpatenten als bekannt beschrieben wird, sondern Sach-, Verwendungs- und Verfahrensansprüche für eine spezifische Arzneizubereitung zur oralen Anwendung. Zur Klärung der in den Streitpatentschriften enthaltenen technischen Begriffe sowie der Kenntnisse und des Könnens des einschlägigen Fachmanns hat der Senat einen Sachverständigen bestellt, gegen dessen Fachkenntnisse und Qualifikation die Beklagte trotz ausreichender Zeit und Gelegenheit weder nach Vorlage des schriftlichen Gutachtens noch bei Erörterung in der mündlichen Verhandlung begründete Einwände erhoben hat. Angesichts der großen wirtschaftlichen Bedeutung der Streitpatente haben die Parten sehr umfassend und kontrovers vorgetragen. Beide Parteien haben zur Widerlegung der Argumente der Gegenseite Gutachten von ausgewiesenen Fachleuten vorgelegt, wobei für die Klägerinnen die Gutachter Prof. Dr. Ba. , Prof. Dr. Sch. und Prof. Dr. S. gefochten haben, während die Beklagte sich auf die Ausführungen von Prof. Dr. B. , Prof. Dr. Dr. M. und Dr. L. gestützt hat. In Gegenwart dieser Gutachter hat der Senat den gerichtlichen Sachverständigen zu den einzelnen streitigen Punkten befragt und den Parteien Gelegenheit gegeben, ihren Standpunkt im einzelnen zu erläutern, dem Sachverständigen Vorhaltungen zu machen sowie Fragen zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts zu stellen.

b) Dem Gericht obliegt die Beurteilung, ob eine technische Lehre patentwürdig ist, insbesondere ob sie auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Diese Wertung hat das Gericht auf Grund von Tatsachen zu treffen, welche die Parteien vortragen. Der Senat hat seine Überzeugung auf Grund des Vorbringens der Parteien, der vorgelegten Dokumente, des schriftlichen und mündlichen Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen, der vorgelegten Parteigutachten sowie auf Grund des Inhalts der mündlichen Verhandlung gewonnen, in welcher der gerichtliche Sachverständige auf Grund dieses Vorbringens und der Privatgutachten im einzelnen befragt worden ist. Ausweislich der Entscheidungsgründe ist der Senat bei der Bestimmung des einschlägigen Fachmanns von den durch Literaturstellen und die Parteigutachter bestätigten Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen ausgegangen. Er hat ferner die dem Fachmann vor dem Prioritätstag zur Verfügung stehenden Kenntnisse und Fähigkeiten der in den Streitpatentschriften als Stand der Technik genannten Publikation von Pilbrant und Cederberg (Development of an oral formulation of omeprazole, Scand. J. Gastroentrol. 1985; 20 (Suppl. 108 S. 113 ff.), der europäischen Patentschrift 0 124 395 sowie der Publikation Bauer (Übersicht über Inkompatibilitätsmöglichkeiten, insbesondere bei der Umhüllung von Arzneizubereitungen, Deutsche Apotheker Zeitung 1978 S. 125 ff.) entnommen und sich mit den Argumenten der Beklagten, insbesondere mit den von dieser vorgetragenen Beweisanzeichen, befaßt. Daß die Beklagte den Senat von der Patentwürdigkeit ihrer Neuerungen nicht hat überzeugen können, begründet nicht die behauptete Verletzung von Grundrechten der Beklagten aus Art. 103 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG.

Fundstelle(n):
ZAAAC-04864

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein