BGH Beschluss v. - X ZB 27/04

Leitsatz

[1] § 97 Abs. 7 GWB begründet ein subjektives Recht auf Einleitung und Durchführung eines nach Maßgabe des § 97 Abs. 1 GWB geregelten Vergabeverfahrens.

Die Verletzung dieses subjektiven Rechts unterliegt der durch § 102 GWB eröffneten Nachprüfung.

Ein Vertrag zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem Unternehmen hat Dienstleistungen zum Gegenstand, wenn der öffentliche Auftraggeber hiermit eine Leistung beschaffen will, die nicht unter § 99 Abs. 2 oder 3 GWB fällt, und das Unternehmen jedenfalls unter anderem diese Leistung zu erbringen hat.

Verpflichtet sich der öffentliche Auftraggeber seinerseits zu einer geldwerten Gegenleistung, handelt es sich um einen entgeltlichen Vertrag, wenn Leistung und Gegenleistung voneinander nicht trennbare Teile eines einheitlichen Leistungsaustauschgeschäfts sind.

§ 13 VgV ist entsprechend anzuwenden, wenn es im Anwendungsbereich der §§ 97 bis 99, 100 Abs. 1 GWB bei der Beschaffung von Dienstleistungen zur Beteiligung mehrerer Unternehmen gekommen ist, die Angebote abgegeben haben, und der öffentliche Auftraggeber eine Auswahl unter diesen Unternehmen trifft.

Gesetze: GWB § 97 Abs. 7; GWB § 102; GWB § 99 Abs. 1; VgV § 13

Instanzenzug:

Gründe

A. Die Antragstellerin und die Beigeladene sind Entsorgungsunternehmen. Die Antragstellerin war von der Antragsgegnerin, einer kreisfreien Stadt, beauftragt, bis zum Ablauf des Jahres 2004 Container für Altpapier an bestimmten Stellen im Stadtgebiet aufzustellen, diese zu leeren und das Altpapier zu verwerten. Die Antragsgegnerin wollte/will diese sich aus Sicht der Bürger als Bringsystem darstellende Vorgehensweise beginnend ab Januar 2005 auf ein haushaltsnahes Holsystem umstellen. Sie will den Bürgern Abfallbehälter für das Altpapier zur Verfügung stellen sowie das darin abgelegte Altpapier durch einen Eigenbetrieb einsammeln und zu einer Umschlagsanlage bringen. Wegen der weiteren Behandlung des Altpapiers an bzw. ab der Umschlagsanlage nahm sie mit der Antragstellerin und der Beigeladenen sowie mit mindestens zwei weiteren Entsorgungsunternehmen Kontakt auf. Diese Kontaktaufnahme führte zu Angeboten über die "Papiervermarktung" bzw. "Altpapierentsorgung" einer H. GmbH, eines Unternehmens R. K. S. und der Antragstellerin sowie zu Verhandlungen mit der Beigeladenen.

Am 27./ unterzeichneten die Antragsgegnerin und die Beigeladene einen Kaufvertrag mit einer am beginnenden Laufzeit von fünf Jahren. Danach verkauft die Antragsgegnerin für 50 € pro Tonne das gesamte von ihr oder Unterauftragnehmern im Stadtgebiet erfaßte Altpapier. Die Durchführung des Vertrags soll wie folgt geschehen: Die Antragsgegnerin soll bis auf Widerruf durch die Beigeladene sämtliche gesammelten Altpapiermengen bei einer bestimmten von der Beigeladenen mit der Annahme beauftragten Betriebsstätte anliefern. Das dortige Personal soll den angelieferten Altpapiermengen grobe Störstoffe entnehmen und der Antragsgegnerin zur (Wieder-)Abholung bereitstellen. Die Beigeladene soll monatlich angeben, welche Mengen getrennt nach Papier und Störstoffen die Betriebsstätte im Vormonat verlassen haben und, falls eine Umladung dort nicht mehr stattfindet, welche Altpapiermengen direkt der Verwertung zugeführt worden sind. Außerdem soll die Beigeladene die verkehrsüblichen Nachweise und Belege über die Verwertung der gesammelten und angelieferten Verkaufspackungen aus "PPK" vorlegen, damit die Antragsgegnerin ihren vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Betreibern des sogenannten Dualen Systems nachkommen kann.

Mit anwaltlichem Schreiben vom rügte die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin, daß ein Vertrag über die Altpapierverwertung nicht ohne vorheriges Ausschreibungsverfahren abgeschlossen werden dürfe. Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin daraufhin mit Schreiben vom mit, "daß ein Kaufvertrag über das im Stadtgebiet durch den Abfallwirtschafts- und Stadtreinigungsbetrieb erfaßte Altpapier unterschrieben worden" sei.

Hierauf hat die Antragstellerin am die Vergabekammer angerufen und beantragt, der Antragsgegnerin zu untersagen, einen Auftrag zur Verwertung des im Gebiet der Antragsgegnerin anfallenden, der öffentlichen Entsorgungsverantwortlichkeit unterliegenden Altpapiers an ein Unternehmen der privaten Entsorgungswirtschaft ohne vorangegangene öffentliche Ausschreibung zu vergeben. Diesen Nachprüfungsantrag hat die Vergabekammer für zulässig und begründet erachtet. Mit Beschluß vom hat sie die Antragsgegnerin verpflichtet, den in Frage stehenden Auftrag zur Verwertung des Altpapiers aus Haushalten der Stadt nicht ohne EU-weite Ausschreibung zu vergeben.

Gegen diesen Beschluß haben sowohl die Antragsgegnerin als auch die Beigeladene sofortige Beschwerde mit dem Antrag eingelegt,

den Beschluß der Vergabekammer aufzuheben und den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Antragstellerin hat beantragt,

die sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zurückzuweisen.

Das angerufene (red. LS abgedr. in AbfallR 2004, 293) das Nachprüfungsverfahren dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Es hält den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin für statthaft, für nach § 107 GWB zulässig und auch für begründet, weil die Antragsgegnerin öffentlicher Auftraggeber gemäß § 98 Nr. 1 GWB sei und es sich bei dem am 27./ von der Antragsgegnerin und der Beigeladenen unterzeichneten Vertrag um einen öffentlichen Auftrag im Sinne von § 99 GWB handele, der den gemäß § 100 Abs. 1 GWB in Verbindung mit § 2 Nr. 3 VgV erforderlichen Schwellenwert übersteige und nicht nach § 100 Abs. 2 GWB vom Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausgenommen sei. Hinsichtlich der Einordnung des Vertrags vom 27./ als entgeltlicher Dienstleistungsauftrag sieht das Oberlandesgericht Düsseldorf jedoch eine Divergenz zu dem Beschluß des Oberlandesgerichts Celle vom (13 Verg 8/04, abgedr. in OLGR Celle 2004, 593 f.), die eine Vorlage an den Bundesgerichtshof erforderlich mache.

B. Der Senat hat gemäß § 124 Abs. 2 Satz 2 GWB anstelle des Oberlandesgerichts über die sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu entscheiden, weil das Oberlandesgericht Düsseldorf die Sache zu Recht vorgelegt hat. Das Oberlandesgericht Celle hat einen Kaufvertrag, der im Gebiet des öffentlichen Auftraggebers eingesammeltes Altpapier betraf und mit dem Unternehmen abgeschlossen wurde, das für die Überlassung das unter mehreren insoweit eingegangenen Angeboten günstigste abgegeben hatte, nicht als entgeltlichen öffentlichen Auftrag im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB gewertet, der Dienstleistungen zum Gegenstand hat, und deshalb das Unterlassen der Einleitung und Durchführung eines Vergabeverfahrens nach Maßgabe von § 97 Abs. 1 GWB (geregeltes Vergabeverfahren) als nicht in dem durch § 102 GWB eröffneten Verfahren nachprüfbar angesehen. Diese Auffassung will das Oberlandesgericht Düsseldorf in der vorgelegten Sache nicht zugrunde legen, weil es den Kaufvertrag mit dem Unternehmen, welches das nach Ansicht der Antragsgegnerin günstigste Angebot abgegeben hat, als entgeltlichen öffentlichen Auftrag über Dienstleistungen im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB ansieht. Da es nach den weiteren Ausführungen des vorlegenden Oberlandesgerichts hierauf für die von diesem beabsichtigte Entscheidung in der Sache ankommt, ist der nach § 124 Abs. 2 Satz 1 GWB vorausgesetzte, die Vorlagepflicht begründende Tatbestand gegeben.

C. Die zulässigen sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gegen den Beschluß der Vergabekammer vom bleiben ohne Erfolg, weil der von der Antragstellerin angebrachte Nachprüfungsantrag zulässig und begründet ist.

I. 1. Der Nachprüfungsantrag vom ist statthaft, obwohl mit ihm nicht die Art und Weise der Einleitung oder Durchführung eines geregelten Vergabeverfahrens gerügt wird, sondern beanstandet wird, daß ein nach Maßgabe des § 97 Abs. 1 GWB geregeltes Vergabeverfahren bislang nicht stattgefunden hat (für Primärrechtsschutz in diesen Fällen z.B. BayObLG u.a. VergabeR 2003, 563; OLG Jena VergabeR 2002, 52; OLG Düsseldorf u.a. NZBau 2003, 55 u. aus der Lit. z.B. Burgi, NZBau 2003, 16, 19; zweifelnd OLG Naumburg NZBau 2003, 224).

a) Nach § 102 GWB unterliegt der Nachprüfung "die Vergabe öffentlicher Aufträge". § 107 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 GWB, der ebenfalls die Zulässigkeit eines Nachprüfungsverfahrens nach § 102 GWB betrifft, stellt auf die Nichtbeachtung, die Verletzung oder den Verstoß gegen Vergabevorschriften "im Vergabeverfahren" ab. Daraus kann abgeleitet werden, daß um Primärrechtsschutz auf dem durch § 102 GWB eröffneten Weg erst nachgesucht werden kann, wenn ein öffentlicher Auftraggeber zur Deckung seines Bedarfs bereits in ein Verfahren eingetreten ist, das der Beschaffung beispielsweise von Dienstleistungen am Markt dient, hierauf ausgerichtet ist und mit der Vergabe des Auftrags seinen Abschluß finden soll. Ob den genannten Bestimmungen darüber hinaus wegen des Zusammenhangs, in dem sie stehen, überhaupt entnommen werden kann, daß ein Vergabeverfahren notwendig ist, das nach Maßgabe des § 97 Abs. 1 GWB geregelt ist, kann dahinstehen. Denn die einzig mögliche Auslegung wäre das nicht. Da in den genannten, die Zulässigkeit eröffnenden und näher regelnden Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen von einer bestimmten Förmlichkeit des angesprochenen Vergabeverfahrens und seiner Einleitung nicht die Rede ist, sondern in § 107 GWB wesentlich auf die materiellen Vergabevorschriften und deren Mißachtung abgestellt ist, kommt vielmehr jedenfalls auch in Betracht, daß es ausreicht, wenn überhaupt ein Verfahren in Frage steht, an dem ein öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 GWB und mindestens ein außenstehender Dritter (Unternehmen) beteiligt ist und das eingeleitet ist, um einen entgeltlichen Vertrag im Sinne des § 99 GWB beispielsweise über eine von einem Unternehmen zu erbringende Dienstleistung abzuschließen, der nicht nach § 100 Abs. 2 GWB von den Regelungen des Vierten Teiles des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausgenommen ist und dessen Wert den nach § 100 Abs. 1 GWB festgelegten Schwellenwert erreicht oder übersteigt. Eröffnen die maßgeblichen Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen auch diese Auslegung, muß aber auch außerhalb eines nach Maßgabe des § 97 Abs. 1 GWB geregelten Vergabeverfahrens ein Nachprüfungsantrag statthaft sein. Dies gebietet der Grundsatz gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung nationalen Rechts, der eingreift, wenn der Wortlaut der einschlägigen nationalen Norm oder Normen einen Entscheidungsspielraum eröffnet (BGHZ 149, 165, 173 f.). Denn nach Gemeinschaftsrecht dürfen die Mitgliedstaaten die vergaberechtliche Nachprüfungsmöglichkeit nicht von der Einleitung und Durchführung eines bestimmten Vergabeverfahrens abhängig machen.

b) Zu beachten ist insoweit Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 98/665/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 92/50/EWG geänderten Fassung. Diese Vorgabe verlangt, daß die Entscheidungen der Vergabebehörden hinsichtlich der in den Anwendungsbereich der letztgenannten Richtlinie fallenden Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, nachgeprüft werden können. Nach der Auslegung, die diese Regelung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften erfahren hat, liegt bereits dann eine Entscheidung vor, die der Nachprüfung zugänglich sein muß, wenn ein öffentlicher Auftraggeber beschließt, kein geregeltes Vergabeverfahren einzuleiten, weil der zu erteilende Auftrag seiner Auffassung nach nicht in den Anwendungsbereich der einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts bzw. des diese umsetzenden nationalen Rechts fällt ( Rdn. 33). Auch im Streitfall muß deshalb das in Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben nach § 102 GWB vorgesehene Nachprüfungsverfahren eröffnet sein.

c) Das kann auch nicht im Hinblick darauf in Zweifel gezogen werden, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften das Gemeinschaftsrecht eine Nachprüfbarkeit nicht fordert hinsichtlich Handlungen, die eine bloße Vorstudie des Marktes darstellen oder die rein vorbereitend sind und sich im Rahmen der internen Überlegungen des öffentlichen Auftraggebers im Hinblick auf die Vergabe eines öffentlichen Auftrags abspielen (EuGH, aaO Rdn. 35). Denn dieses Stadium hatte die Antragsgegnerin bereits verlassen, weil sie mehreren Unternehmen Gelegenheit zu Angeboten gegeben hatte, mit der Beigeladenen über deren Angebot verhandelt hatte und hierauf schließlich dieser den Vorzug gegeben hat. Die Einleitung eines in gewisser Hinsicht sogar wettbewerblichen Verfahrens steht im Streitfall deshalb fest, so daß auch die Gründe des Beschlusses vom (NZBau 2003, 224, 227), die das Oberlandesgericht Naumburg insoweit zu den vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften dann mit Urteil vom beschiedenen Vorlagefragen veranlaßt haben, der Statthaftigkeit des Nachprüfungsantrags der Antragstellerin nicht entgegenstehen können.

2. Die Antragstellerin ist antragsbefugt.

Wegen des verfassungsrechtlichen Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren, dürfen an die in § 107 Abs. 2 GWB genannten Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden; die Darlegungslast darf insoweit nicht überspannt werden (, NZBau 2004, 564; vgl. auch Sen.Beschl. v. - X ZB 7/04, NZBau 2004, 457, 458). Das hiernach Erforderliche hat die Antragstellerin vorgebracht. Ihr Interesse am Auftrag hat sie bereits durch den Hinweis geltend gemacht, der Antragsgegnerin ein Angebot abgegeben zu haben. Die Verletzung in Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB ist durch die insbesondere auf abfallrechtliche Gesichtspunkte gestützte Darlegung geltend gemacht, daß trotz der Anlieferung des Altpapiers durch die Antragsgegnerin und dessen Verkauf an die Beigeladene noch eine Entsorgungsaufgabe bestehe und deshalb eine Dienstleistung zu erbringen sei, weshalb der Auftrag nicht wie geschehen habe vergeben werden dürfen, sondern nach § 97 Abs. 1 GWB habe ausgeschrieben werden müssen. Dafür, daß der Antragstellerin infolge der Mißachtung von § 97 Abs. 1 GWB zumindest ein Schaden zu entstehen droht, genügt, daß der behauptete Vergaberechtsverstoß geeignet ist, die Aussichten auf den Zuschlag zu beeinträchtigen (BVerfG, NZBau 2004, 564, 566). Das kann im Streitfall nicht zweifelhaft sein, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß bei einem geregelten Vergabeverfahren, das unter für alle Bieter gleichen Bedingungen und ohne weitere Vertragsverhandlungen mit lediglich einem Unternehmen stattfindet, die Antragstellerin den Zuschlag hätte erhalten müssen.

3. Der Zulässigkeit des Begehrens der Antragstellerin steht nicht § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entgegen, wonach der Nachprüfungsantrag unzulässig ist, soweit der Antragsteller den gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren erkannt und nicht unverzüglich gerügt hat.

a) Anders als § 107 Abs. 2 GWB macht diese einen Ausnahmetatbestand regelnde Vorschrift die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags nicht von einer entsprechenden Darlegung durch den Antragsteller abhängig und verlangt von diesem auch nicht, einen etwaigen Verdacht auszuräumen, verspätet gerügt zu haben; lediglich im Rahmen der Mitwirkungs- und Wahrheitspflicht, die jede Partei eines förmlichen Streitverfahrens trifft, hat der Antragsteller sich hierzu zu äußern. Die Unzulässigkeit eines ansonsten zulässigen Nachprüfungsantrags kann deshalb nur angenommen werden, wenn dem Antragsteller nachgewiesen ist, daß er den behaupteten Vergaberechtsverstoß erkannt und diesen gleichwohl nicht unverzüglich gerügt hat (OLG Düsseldorf u.a. VergabeR 2001, 419, 421; Meier, VergabeR 2004, 176, 179).

b) Die hierzu erforderliche Überzeugung läßt sich im Streitfall nicht gewinnen. Denn es ist weder von der Antragsgegnerin oder der Beigeladenen dargetan noch etwas dafür ersichtlich, daß die Antragstellerin bereits vor dem positive Kenntnis hatte, hinsichtlich des im Stadtgebiet gesammelten Altpapiers werde es ein geregeltes Vergabeverfahren nicht geben, obwohl ein solches notwendig sei. Zwar kann der Antragstellerin nicht verborgen geblieben sein, daß bisher kein geregeltes Vergabeverfahren eingeleitet worden war. Der gerügte Vergabeverstoß war jedoch erst bekannt, wenn die Antragstellerin aus den ihr bekannten Umständen auch geschlossen hatte, daß ein geregeltes Vergabeverfahren erforderlich ist, es hierzu aber nicht kommen würde, oder - was nach ständiger Rechtsprechung (z.B. BGHZ 133, 192, 198 f.; , NJW 2000, 953 m.w.N.) Wissen regelmäßig gleichsteht - wenn sie sich dieser Erkenntnis, obwohl sie sich aufdrängte, verschlossen oder entzogen hatte. Hierzu hat die Antragstellerin unwidersprochen vorgetragen, ihr sei erst am in einem persönlichen Gespräch seitens der Antragsgegnerin mitgeteilt worden, die Stadt beabsichtige, jetzt ein regionales Entsorgungsunternehmen mit der Altpapiervermarktung für die nächsten fünf Jahre zu beauftragen. Da der bisherige Kontakt der Antragsgegnerin mit der Antragstellerin auch als eine noch der Erkundung der Möglichkeiten des Marktes dienende Vorbereitungsmaßnahme verstanden werden konnte, kann daher der Antragstellerin jedenfalls nicht widerlegt werden, erst zu diesem Zeitpunkt einen aussagekräftigen Anhaltspunkt gehabt zu haben, daß es bei dem bisherigen Vorgehen der Antragsgegnerin verbleiben solle und es ein geregeltes Vergabeverfahren nicht geben werde. Der Antragstellerin kann deshalb nicht vorgeworfen werden, die Notwendigkeit des bisher unterbliebenen geregelten Vergabeverfahrens nicht früher gerügt zu haben, als es mit dem Schreiben vom geschehen ist. Unter diesen Umständen bedarf es im Streitfall auch keiner Beantwortung der streitigen Frage, ob § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nach seinem Wortlaut oder Sinngehalt der Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags überhaupt entgegenstehen kann, wenn das Nachprüfungsverfahren geführt wird, damit ein bisher unterbliebenes geregeltes Vergabeverfahren eingeleitet und durchgeführt wird (verneinend z.B. BayObLG u.a. VergabeR 2002, 244; OLG Frankfurt NZBau 2004, 692, 693; OLG Düsseldorf NZBau 2001, 696; Burgi, NZBau 2003, 16, 21; bejahend z.B. Wagner, VergabeR 2002, 250, 251; Otting, VergabeR 2002, 146, 147; Bär, ZfBR 2001, 375, 377).

4. Die Zulässigkeit des am angebrachten Nachprüfungsantrags der Antragstellerin scheitert schließlich auch nicht daran, daß die Antragsgegnerin und die Beigeladene bereits am 27./ den Kaufvertrag über das im Stadtgebiet gesammelte Altpapier unterzeichnet hatten. Zwar kann die Vergabekammer in zulässiger Weise nicht mehr angerufen werden, sobald der Vertrag, an welchem ein Antragsteller Interesse zu haben behauptet, wirksam zustande gekommen ist, weil dann zuvor begangene Verstöße gegen vergaberechtliche Bestimmungen nicht mehr beseitigt werden können (BGHZ 146, 202, 206). Diese Folge tritt unabhängig davon ein, ob die Einigung unter Beachtung der Vorgaben des § 97 Abs. 1 GWB oder sonstwie zustande gekommen ist, weshalb nach einem wirksamen Vertragsschluß ein Nachprüfungsantrag auch dann unzulässig ist, wenn der Mangel eines geregelten Vergabeverfahrens gerügt wird (ebenso Burgi, NZBau 2003, 16, 20 m.w.N.). Mit ihrer Übereinkunft vom 27./ haben die Antragsgegnerin und die Beigeladene einen wirksamen Vertrag jedoch nicht geschlossen, weil die Antragsgegnerin, die öffentlicher Auftraggeber nach § 98 Nr. 1 GWB ist, die Antragstellerin entgegen § 13 Satz 1, 2 VgV zuvor nicht darüber unterrichtet hat, daß und warum beabsichtigt sei, deren Angebot nicht zu berücksichtigen und statt dessen das Geschäft mit der Beigeladenen zu tätigen.

a) § 13 Satz 6 VgV, der anordnet, daß ein ohne vorherige Information der Bieter abgeschlossener Vertrag nichtig ist, betrifft entgeltliche Verträge zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem außenstehenden Dritten (Unternehmen), die den maßgeblichen Schwellenwert erreichen oder überschreiten und Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen des Unternehmens zum Gegenstand haben. Das folgt aus §§ 97 Abs. 1 u. 6, 98, 99 Abs. 1, 100 Abs. 1 GWB. Auf einen solchen Vertrag in der Form des Dienstleistungsauftrags haben die Antragsgegnerin und die Beigeladene sich geeinigt.

aa) Der Vertrag vom 27./ hat Dienstleistungen zum Gegenstand, weil die Antragstellerin einen weder durch Lieferung von Waren noch durch Bauleistungen zu erfüllenden Bedarf hat (vgl. § 99 Abs. 4 GWB), diesen nicht durch Einsatz eigener Einrichtungen, Arbeitskräfte o.ä. befriedigen will und die Beigeladene sich verpflichtet hat, das insoweit Nötige für die Antragsgegnerin zu erledigen.

(1) Wann ein Dienstleistungsauftrag im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB vorliegt, kann nicht losgelöst vom Zweck des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen beantwortet werden, der gemäß § 97 Abs. 1 GWB darin besteht, die Beschaffung von Dienstleistungen durch öffentliche Auftraggeber zu erfassen und zu regeln. Das rückt die Frage in den Vordergrund, ob der öffentliche Auftraggeber einen entsprechenden Bedarf hat und ob dieser mit dem abgeschlossenen Vertrag gedeckt werden soll. Da das Vergaberecht des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen andererseits nicht der Durchsetzung sonstiger rechtlicher oder tatsächlicher Vorgaben dient, die ein öffentlicher Auftraggeber zu beachten haben mag, entscheidet darüber, ob ein Bedarf besteht und deshalb eine Dienstleistung beschafft werden soll, allein der öffentliche Auftraggeber. Sobald er einen tatsächlich bestehenden Bedarf erkennt oder auch nur meint, einen durch Dienstleistung zu befriedigenden Bedarf zu haben, den er nicht selbst decken will, kommt deshalb die Einordnung eines zu diesem Zweck geschlossenen Vertrags als Dienstleistungsauftrag im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB in Betracht.

(2) Der Streitfall ist insoweit dadurch gekennzeichnet, daß der Antragsgegnerin nach den einschlägigen gesetzlichen oder sie im Verhältnis zum sogenannten Dualen System vertraglich bindenden Regeln die Entsorgung der im Stadtgebiet anfallenden und ihr überlassenen Abfälle verpflichtet ist und daß die hierzu erforderlichen Arbeiten sich nicht auf das Einsammeln, das Befördern zu einer Umschlagsanlage und das dortige Überlassen an einen Dritten beschränken. Diese Vorgänge allein bewirken lediglich eine Zusammenführung von Altpapier und können ferner zu einer Änderung der Besitz- und Eigentumslage führen. Um das Altpapier zu entsorgen, bedarf es jedoch weiterer Behandlung, sei es in Form von Handlungen, die bestimmt und geeignet sind, das Altpapier einer stofflichen Verwertung zuzuführen, und die so zu dieser gesetzlich erlaubten Art der Entsorgung (vgl. § 4 Abs. 1 KrW-/AbfG) beitragen, sei es in Form von Handlungen, die der Beseitigung des Altpapiers dienen. Erst wenn sichergestellt ist, daß auch das insoweit Nötige getan wird, ist deshalb der Entsorgungslast der Antragsgegnerin Rechnung getragen.

(3) Unter den Umständen des Streitfalls sind Zweifel nicht angebracht, daß die Antragsgegnerin den Vertrag vom 27./ unterzeichnet hat, um Leistungen zu erhalten, die bestimmt und geeignet sind, gerade dies sicherzustellen. Die Umstellung der Altpapierentsorgung von dem bisherigen Bringsystem auf das von der Antragsgegnerin beschlossene Holsystem hat einen ständigen Anfall großer Mengen von Altpapier auf einer Umschlagsanlage zur Folge, die beginnend mit einer sukzessiven Entfernung von dort einer geordneten Weiterverwendung zugeführt werden müssen. Dies erfordert Dienstleistungen im Sinne von § 97 Abs. 4 GWB. Daß die Antragsgegnerin davon ausging, diese ohne Vergabe selbst erbringen zu müssen, muß schon deshalb angenommen werden, weil sie das Holsystem beschlossen hat, sie deshalb für dessen Funktionieren ihren Bürgern gegenüber einzustehen hat und das neue System anderenfalls nicht weiter zu praktizieren wäre. Bereits damit ist der für einen Dienstleistungsauftrag erforderliche Dienstleistungsbedarf gegeben.

(4) Daß der am 27./ geschlossene Vertrag die Beigeladene zu der Erbringung der vorstehend genannten Dienstleistungen verpflichtet, steht ebenfalls fest. Zwar ist eine Entfernungs- und der stofflichen Verwertung dienende Weiterverwendungspflicht nicht ausdrücklich genannt. In § 2 Abs. 1 des Vertrags wird jedoch vorausgesetzt, daß das Altpapier die Umschlagsanlage "verläßt" und von der Beigeladenen "der Verwertung zugeführt" wird. Der von der Beigeladenen zu erledigende "Output", wie es dort ferner heißt, ist also Inhalt des von der Beigeladenen vertraglich Übernommenen. Das erlaubt im Rückschluß die Überzeugung, daß das Geschäft vom 27./ auch mit einer entsprechenden Verpflichtung der Beigeladenen gewollt ist. Bestätigt wird dies dadurch, daß in der Beschlußvorlage der Verwaltung der Antragsgegnerin der Vertrag, der zur Durchführung der dann vom Rat beschlossenen Umstellung der Altpapiererfassung abgeschlossen werden soll, als "Papierverwertungsvertrag" bezeichnet ist.

(5) Der Feststellung, daß der am 27./ unterzeichnete Vertrag daher ein Dienstleistungsauftrag ist, steht nicht entgegen, daß die Antragsgegnerin und die Beigeladene die gegenseitigen Rechte und Pflichten mittels eines Kaufvertrags geregelt haben, weil sie das Altpapier als ein werthaltiges Gut angesehen haben und es deshalb an die Beigeladene gegen Entgelt veräußert werden soll. Denn § 99 Abs. 1 GWB stellt weder auf die zivilrechtliche Einordnung eines Vertrags noch darauf ab, ob in der Übernahme der Leistung im Sinne des § 99 Abs. 4 GWB, die von dem Unternehmen erbracht werden soll, ein wesentlicher oder gar der Hauptzweck des Vertrags liegt. Der Vertrag muß lediglich Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Gemäß der Erläuterung, die § 99 Abs. 4 GWB gibt, reicht es aus, daß der Vertrag sich überhaupt über Leistungen verhält, die das Unternehmen zu erbringen hat. Ob ein Vertrag gleichwohl ausnahmsweise Dienstleistungen dann nicht im Sinne von § 99 Abs. 1 GWB zum Gegenstand hat, wenn die vertragsgemäß von dem Unternehmen zu erbringende Leistung angesichts des rechtlichen und wirtschaftlichen Schwerpunkts des Vertrags nicht ins Gewicht fällt, braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden. Angesichts des vor allem in § 97 Abs. 1 GWB zum Ausdruck kommenden Anliegens des in diesem Gesetz normierten Vergaberechtssystems, daß öffentliche Beschaffung, soweit sie nicht ausdrücklich ausgenommen ist, umfassend unter geregelten Wettbewerbsbedingungen erfolgt, könnte eine solche Ausnahme ohnehin nur in Fällen in Erwägung gezogen werden, in denen die Pflicht zur Dienstleistung völlig untergeordneter Natur ist und es deshalb ausgeschlossen erscheint, daß auch ihretwegen der Vertrag abgeschlossen worden ist. Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht zu beurteilen.

bb) Der Vertrag vom 27./ weist unabhängig von den vom vorlegenden Oberlandesgericht hierzu angestellten Überlegungen und getroffenen Feststellungen die nach § 99 Abs. 1 GWB ferner erforderliche Entgeltlichkeit bereits deshalb auf, weil die Antragsgegnerin sich zur Überlassung des im Stadtgebiet gesammelten Altpapiers verpflichtet hat und daher ihrerseits eine Verpflichtung zu einer geldwerten Leistung eingegangen ist.

Von Entgeltlichkeit eines Vertrags wird üblicherweise gesprochen, wenn der Empfänger einer versprochenen Leistung seinerseits eine (Gegen-)Leistung zu erbringen hat (vgl. BGHZ 141, 96, 99 m.w.N.). Es ist nichts dafür ersichtlich, warum dies nicht auch hinsichtlich § 99 Abs. 1 GWB gelten sollte. Vor allem erfordert die Vorschrift nicht, in Fällen, in denen die von dem Unternehmen übernommene (Dienst-)Leistung in der weiteren Behandlung eines Gutes von Wert liegt und in denen der öffentliche Auftraggeber - wegen dieser Eigenschaft - eine Bezahlung durch das Unternehmen erreichen kann, Entgeltlichkeit erst dann anzunehmen, wenn feststeht, daß und gegebenenfalls inwieweit bei der Höhe des von dem Unternehmen zu zahlenden Preises die Pflicht zur Erbringung der übernommenen (Dienst-)Leistung preismindernd berücksichtigt worden ist. Dabei kann dahinstehen, ob sich das bereits daraus ergibt, daß § 99 Abs. 1 GWB nicht von einem Entgelt für die (Dienst-)Leistung spricht, die der betreffende Vertrag zum Gegenstand hat, sondern von einem entgeltlichen Vertrag und es hiernach ausreichen könnte, daß ein Vertrag, der wenigstens unter anderem Beschaffungszwecken dient, überhaupt eine geldwerte Gegenleistung des öffentlichen Auftraggebers vorsieht. Die Leistungen, die die Beigeladene vertragsgemäß zu erbringen hat, damit für die geordnete Altpapierverwertung Sorge getragen wird, lassen sich nämlich nicht von den kaufvertraglichen Komponenten trennen, welche die Antragsgegnerin und die Beigeladene hinsichtlich des betreffenden Altpapiers vereinbart haben. Der Vertrag vom 27./ mit seinen Komponenten ist vielmehr das wesentliche Mittel, deren sich die Antragsgegnerin bedient, um die gewünschte Dienstleistung zu erhalten. Die Altpapierverwertung einerseits und die Veräußerung des Altpapiers andererseits stellen nicht zwei voneinander trennbare Leistungsaustauschgeschäfte dar, die mehr oder weniger willkürlich in einem Rechtsgeschäft miteinander verbunden worden sind. Aus vergaberechtlicher Sicht ist der Verkauf des Altpapiers das rechtliche Gewand, in dem sich die Antragsgegnerin die Leistungen beschafft, die die ihr obliegende geordnete Altpapierverwertung sicherstellen oder zumindest fördern sollen, zumal der Erwerb des Altpapiers ein nachhaltiges Interesse der Beigeladenen an dessen (gewinnbringender) Verwertung begründet. Daß bei wirtschaftlicher Betrachtung die Kauf- bzw. Verkaufskomponente des Vertrags bei weitem im Vordergrund stehen mag, ist unerheblich. Denn § 99 GWB schließt nicht Veräußerungsgeschäfte der öffentlichen Hand von der Anwendung der Vorschriften des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen aus. Ein Veräußerungsgeschäft kann lediglich als solches die Anwendbarkeit dieser Vorschriften nicht begründen. Ist es hingegen Mittel zur Beschaffung einer Leistung, ist der kaufrechtliche Aspekt des öffentlichen Auftrags ohne Bedeutung. Das entspricht auch dem Zweck des in §§ 97 ff. GWB geregelten Vergaberechts. Denn auf diese Weise wird eine vollständige Erfassung aller Beschaffungsvorgänge erreicht, die für den öffentlichen Auftraggeber mit geldwertem Aufwand verbunden sind.

Hiernach erübrigt es sich auch, sich mit der ergänzenden Vereinbarung der Beigeladenen und der Antragsgegnerin vom zu befassen, in der diese nachträglich bekundet haben, den vereinbarten Zahlungsbetrag ausschließlich als Gegenleistung für die Übereignung des gelieferten Altpapiers gewollt zu haben.

cc) Angesichts der gebotenen Auslegung von § 99 Abs. 1 GWB kann entgegen der Meinung der Beigeladenen gegen die Anwendung des Vergaberechts des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen auf den am 27./ unterzeichneten Vertrag auch nichts aus § 100 Abs. 1 GWB hergeleitet werden. Diese Vorschrift verlangt das Erreichen oder Übersteigen eines bestimmten Schwellenwerts für einen Auftrag, wie er in § 99 Abs. 1 GWB definiert ist. Auch insoweit ist deshalb der Vertrag selbst und damit dessen Wert maßgebend. Dieser liegt hier - wie von keinem Beteiligten bezweifelt wird - über dem in § 2 Nr. 3 VgV festgelegten Schwellenwert.

dd) In Anbetracht der beiderseits bestehenden Pflichten aus dem Vertrag vom 27./ kann dieser schließlich nicht als Konzessionsvertrag, der beispielsweise bei der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor vom Anwendungsbereich der Richtlinie 93/38/EWG des Rates ausgenommen ist (, Tz. 56, NZBau 2001, 148, 150 f. - Tele Austria), vergaberechtsfrei sein. Denn die Vereinbarung beschränkt sich nicht darauf, der Beigeladenen das Recht zu verschaffen, die eigene Leistung selbst zu nutzen oder entgeltlich zu verwerten (vgl. zu diesem Erfordernis z.B. EuGH, aaO; BayObLG NZBau 2002, 233; OLG Düsseldorf NZBau 2002, 634; OLG Celle NZBau 2005, 51).

b) § 13 VgV ist eine Regelung, die das Verfahren näher bestimmt, das § 97 Abs. 1 bis 5 GWB für die Beschaffung von Dienstleistungen durch öffentliche Auftraggeber vorschreibt. Die Informationspflicht und die öffentliche Aufträge nach § 99 Abs. 1 GWB treffende Nichtigkeitsfolge im Falle ihrer Mißachtung sind damit Teil eines nach Maßgabe des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen eingeleiteten und durchgeführten geregelten Vergabeverfahrens (vgl. Sen.Beschl. v. - X ZB 44/03, NZBau 2004, 229, für BGHZ 158, 43 vorgesehen; so auch z.B. Jasper/Pooth, ZfBR 2004, 543, 546; Dietlein/Spießhofer, VergabeR 2003, 509, 513; Dieckmann, NZBau 2001, 481, 482; Hertwig, NZBau 2001, 241). Das hat zur Folge, daß diese Bestimmung nicht unmittelbar anwendbar ist, wenn - wie hier - bislang ein derart geregeltes Verfahren nicht stattgefunden hat (so auch z.B. Jasper/Pooth, ZfBR 2004, 543, 545 f.; Dietlein/Spießhofer, VergabeR 2003, 509, 513; Schimanek, ZfBR 2003, 39, 41; Delius, ZfBR 2003, 341, 342; Portz, VergabeR 2002, 211, 217; Hailbronner, NZBau 2002, 474, 479; Putzier, DÖV 2002, 517, 519; Dieckmann, NZBau 2001, 481, 482; Hertwig, NZBau 2001, 241, 242; Gesterkamp, WuW 2001, 665, 669; a.A. z.B. OLG Thüringen ZfBR 2004, 193, 195; OLG Düsseldorf ZfBR 2003, 605; OLG Dresden ZfBR 2002, 298).

c) Die Nichtigkeit des öffentlichen Vertrags vom 27./ folgt jedoch aus einer gebotenen entsprechenden Anwendung von § 13 VgV (für Analogie - allerdings in unterschiedlichem Umfang - z.B. Otting, VergabeR 2002, 11, 18 u. 147; Hertwig, NZBau 2001, 241 f.; Byok, NJW 2001, 2295, 2301; Prieß, EuZW 2001, 365, 367; Bär, ZfBR 2001, 375, 379; wohl auch Dreher, NZBau 2001, 244, 245; im Erg. ebenfalls für Nichtigkeit des Vertrags Burgi, NZBau 2003, 16, 21; gegen Analogie z.B. Jasper/Pooth, ZfBR 2004, 543, 545 f.; Delius, ZfBR 2003, 341, 343; Schimanek, ZfBR 2003, 39, 41; Hailbronner, NZBau 2002, 474, 481 ff.; Portz, VergabeR 2002, 211, 217 f.; Antweiler, u.a. VergabeR 2002, 109, 110; Müller-Wrede/Kaelble, VergabeR 2002, 1; Putzier, DÖV 2002, 517, 519; Braun, NZBau 2001, 675, 678; Diekmann, NZBau 2001, 481; Heuvels/Kaiser, NZBau 2001, 479; Wegmann, NZBau 2001, 475, 478; Stolz, VergabeR 2001, 154; Gesterkamp, WuW 2001, 665, 668 f.).

(1) Die Vorschrift ordnet die Informationspflicht und die Nichtigkeit eines ohne Information geschlossenen öffentlichen Auftrags an, weil anderenfalls ein übergangener Bieter zunächst unerkannten Verstößen gegen das Vergaberecht nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg begegnen könnte. Das sich hieraus ergebende Anliegen ist nicht auf den mit der Vorschrift geregelten Fall beschränkt. In ihm kommt vielmehr ein Grundgedanke effektiven Rechtsschutzes zum Ausdruck (vgl. BT-Drucks. 455/00, S. 19). Damit steht die Regelung für eine Heranziehung bei vergleichbaren Sachverhalten zur Verfügung (a.A. z.B. Lindenthal, VergabeR 2003, 630, 635). § 114 Abs. 2 Satz 1 GWB, aus dem verschiedentlich geschlossen wird (z.B. Jasper/Pooth, ZfBR 2004, 543, 546), § 13 VgV sei eine der Analogie nicht zugängliche Einzelfallregelung, verbietet diese Wertung nicht. Der Senat hat bereits in seiner für BGHZ 158, 43 vorgesehenen Entscheidung vom (NZBau 2004, 229, 230) darauf hingewiesen, daß § 114 Abs. 2 Satz 1 GWB, nach dem ein bereits erteilter Zuschlag nicht aufgehoben werden kann, der Kompetenz der zur Gewährung des Primärrechtsschutzes berufenen Vergabekammern und der ihnen im Instanzenzug nachgeordneten Gerichte einerseits und der für die Entscheidungen über Schadensersatzklagen zuständigen Zivilgerichte andererseits dient. Eine Aussage darüber, daß die Vorschrift nicht entsprechend herangezogen werden dürfe, ist hiermit nicht verbunden. Ihr Grundgedanke ist vielmehr auch dann tangiert, wenn entgegen § 97 Abs. 1 GWB zur Beschaffung von Dienstleistungen ein geregeltes Vergabeverfahren nicht eingeleitet wird, weil auch dann droht, daß an dem Auftrag interessierte Unternehmen als Folge eines Vertragsschlusses keinen Primärrechtsschutz erlangen können.

Die damit gegebene Regelungslücke kann auch ohne weiteres mit der unter der Sanktion der Nichtigkeit stehenden Informationspflicht nach § 13 VgV ausgefüllt werden, wenn - wie hier - die Beschaffung einer Dienstleistung immerhin zur Beteiligung mehrerer Unternehmen, zu verschiedenen Angeboten und schließlich zu einer Auswahl durch den öffentlichen Auftraggeber geführt hat. Denn dann gibt es neben dem in Aussicht genommenen Unternehmen bestimmte andere außenstehende Dritte, die - wie im Falle eines geregelten Vergabeverfahrens - als Bieter aufgetreten sind, und deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, sowie Gründe für die Nichtberücksichtigung dieser Angebote. Diese Gegebenheiten kann der öffentliche Auftraggeber wie bei einem geregelten Vergabeverfahren zu einer sachgerechten Information der Unternehmen nutzen, deren Angebote nicht zum Zuge kommen sollen, so daß insoweit Unsicherheiten hinsichtlich der Informationspflicht nicht bestehen. Eine Unkenntnis von der Notwendigkeit eines geregelten Vergabeverfahrens mit entsprechender Information von Unternehmen, die ebenfalls als Argument gegen eine entsprechende Anwendung von § 13 VgV ins Feld geführt wird (z.B. Lindenthal, VergabeR 2003, 630, 634), kann hingegen allenfalls bestehen, wenn der öffentliche Auftraggeber verkannt hat, daß er öffentlicher Auftraggeber ist, daß die beabsichtigte Beschaffung auf einen öffentlichen Auftrag im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB gerichtet ist oder daß dieser Vertrag den Schwellenwert erreicht oder übersteigt. Die richtige rechtliche Einordnung eines geplanten Vorgehens gehört aber zum allgemeinen Risiko, das jeder zu tragen hat, der am Rechtsleben teilnehmen will (ähnlich Petersen, ZfBR 2003, 611, 614; OLG Düsseldorf NZBau 2003, 400, 405). Es führt auch nicht etwa gerade hier zu nicht mehr hinnehmbaren Unzuträglichkeiten für die betreffende Partei, weil allenfalls in Zweifelsfällen die Entscheidung gegen ein geregeltes Vergabeverfahren weniger streng beurteilt werden kann, in diesen Fällen der öffentliche Auftraggeber die Notwendigkeit eines solchen Verfahrens aber regelmäßig erwogen haben wird und deshalb die mit einem Angebot hervorgetretenen Unternehmen jedenfalls vorsorglich hätten informiert werden können.

(2) Zu berücksichtigen ist auch nicht etwa ein vorrangiges Interesse des Unternehmens, mit dem sich der öffentliche Auftraggeber über den öffentlichen Auftrag geeinigt hat. Nach § 97 GWB, der insoweit die maßgebliche Bestimmung ist, gehört es nicht zu den Aufgaben des Vergaberechts, daß die Beteiligten auf die Wirksamkeit eines Vertragsschlusses über die Beschaffung am Markt vertrauen können, und auch aus zivilrechtlicher Sicht steht jede Einigung unter dem Vorbehalt der Anerkennung der rechtlichen Wirksamkeit. Außerdem ist dem Vergaberecht ein Anspruch auf einen zu erteilenden Auftrag unbekannt (vgl. BGHZ 154, 32, 40 f.; a.A. - Anspruch in engen Grenzen - Kaelble, ZfBR 2003, 657). Erst wenn der Vertrag nach der Gesetzeslage, zu der neben dem unmittelbaren Regelungsgehalt der einschlägigen Vorschriften auch durch Analogieschluß gewonnene Regeln gehören, wirksam zustande gekommen ist, besteht insoweit für das Unternehmen eine unter Eigentumsgarantie stehende Rechtsposition.

Eine Planwidrigkeit der damit bestehenden und ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke kann schließlich auch nicht mit der Begründung verneint werden (so aber Burgi, NZBau 2003, 16, 21; ähnlich Dietlein/Spießhofer, VergabeR 2003, 509, 517; Müller-Wrede/Kaelble, VergabeR 2002, 1, 5), allein der unmittelbare Regelungsgehalt von § 13 VgV sei durch die Ermächtigung in § 97 Abs. 6 GWB gedeckt (vgl. hierzu Sen.Beschl. v. - X ZB 44/03, NZBau 2004, 229, für BGHZ 158, 43 vorgesehen). Da die Bundesregierung befugt war, die Bestimmungen des § 13 VgV durch Rechtsverordnung zu treffen (Sen.Beschl. v. , aaO, S. 230 f.), handelt es sich hierbei um ein verfassungsgemäß zustande gekommenes Gesetz im materiellen Sinne. Als solches hat die Regelung keine andere Qualität als eine durch den Gesetzgeber selbst getroffene. Sie bestimmt den materiellen Gehalt des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit, wie wenn sie unmittelbar dort aufgenommen worden wäre. Damit enthält das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen trotz eines grundsätzlichen Anliegens des dort geregelten Vergaberechts nur für einen Teilbereich desselben eine sachgerechte Lösung. Das macht die entsprechende Heranziehung von § 13 VgV in den genannten Fällen nötig.

II. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist auch begründet.

Die Antragstellerin hat Anspruch darauf, daß die Antragsgegnerin die gewünschten Leistungen im Wege eines geregelten Vergabeverfahrens beschafft und den insoweit erstrebten Vertrag ausschreibt, letzteres weil Gründe für ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige öffentliche Vergabebekanntmachung nicht dargetan oder ersichtlich sind. Das folgt aus § 97 Abs. 1 GWB in Verbindung mit § 4 Abs. 1 VgV sowie § 3 a Nr. 1 Abs. 1 VOL/A 2. Abschnitt.

Aus § 97 Abs. 1 GWB ergibt sich angesichts des bereits Ausgeführten die Pflicht der Antragsgegnerin, zur Beschaffung der erörterten Leistungen ein geregeltes Vergabeverfahren einzuleiten. Diese Pflicht hat nicht allein Ordnungsfunktion. Durch die Eröffnung eines Verfahrens mit bestimmten Regeln sollen die durch sie konkretisierten Grundsätze von Wettbewerb, Transparenz und Gleichbehandlung gewährleistet werden (vgl. auch § 97 Abs. 2 GWB). Da die insoweit geltenden Bestimmungen gemäß § 97 Abs. 7 GWB ein subjektives Recht begründen, bedingt das, auch hinsichtlich der Einleitung eines geregelten Vergabeverfahrens einen durchsetzbaren Anspruch zugunsten interessierter Unternehmen anzuerkennen, wenn in dieser Weise nach § 97 Abs. 1 GWB eine von dem öffentlichen Auftraggeber gewünschte Beschaffung vorzunehmen ist (ebenso z.B. Burgi, NZBau 2003, 16, 19; Schimanek, ZfBR 2003, 39, 40; a.A. z.B. Portz, VergabeR 2002, 211, 217 f.). Die Einleitung eines geregelten Vergabeverfahrens ist gleichsam "Existenzgrundlage" (so Müller-Wrede/Kaelble, VergabeR 2002, 1, 8 unter Hinweis auf BT-Drucks. 13/9340, S. 13 f.) für die bei Durchführung eines geregelten Vergabeverfahrens sich ergebenden subjektiven Rechte, so daß es nur konsequent ist, auch einen Anspruch der Unternehmen auf Einleitung eines geregelten Verfahrens anzuerkennen. Erst er eröffnet den umfassenden Rechtsschutz, der nach den erörterten europarechtlichen Vorgaben notwendig ist. Ihn der Regelung in § 97 Abs. 7 GWB zu entnehmen, ist auch mit dessen Wortlaut in Einklang zu bringen. Denn auch die oben genannten Vorschriften gehören zu den Bestimmungen über das Vergabeverfahren.

III. Die Verfolgung des Anspruchs auf Einleitung eines geregelten Vergabeverfahrens durch die Antragstellerin ist schließlich auch nicht rechtsmißbräuchlich.

Ein Unternehmen verhält sich nicht schon dann treuwidrig, wenn es einem öffentlichen Auftraggeber ein Angebot abgibt, das eine Dienstleistung zum Gegenstand hat, ohne bereits hierbei auf die Notwendigkeit eines geregelten Vergabeverfahrens hinzuweisen. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben kommt erst in Betracht, wenn das Unternehmen bereits zu diesem Zeitpunkt weiß oder - was regelmäßig positiver Kenntnis gleichsteht (vgl. z.B. BGHZ 133, 192, 198 f.; , NJW 2000, 953 m.w.N.) - sich aufdrängender Erkenntnis verschließt, daß der öffentliche Auftraggeber den Auftrag ohne Einleitung und Durchführung eines notwendigen geregelten Vergabeverfahrens vergeben will (vgl. OLG Brandenburg NJOZ 2004, 2759). Hierfür ist aber im Streitfall - wie bereits hinsichtlich § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ausgeführt - nichts dargetan oder ersichtlich. Da die Antragsgegnerin und die Beigeladene nach wie vor die Notwendigkeit eines geregelten Vergabeverfahrens leugnen, muß ohne derartige Darlegung oder entsprechende Anhaltspunkte im übrigen auch der Antragstellerin zugute gehalten werden, hiervon nicht schon ausgegangen zu sein, als es zu dem formlosen Kontakt kam und dieser zu dem Angebot der Antragstellerin an die Antragsgegnerin führte.

D. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO in entsprechender Anwendung (vgl. Sen. BGHZ 146, 202, 216).

Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten (vgl. Sen. BGHZ 146, 202, 217).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
ZIP 2005 S. 1615 Nr. 36
VAAAC-04780

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: ja