Leitsatz
[1] a) Im Vergabenachprüfungsverfahren entscheiden die Vergabesenate der Oberlandesgerichte über sofortige Beschwerden gegen Entscheidungen der Vergabekammern abschließend. Wird die im Vergabenachprüfungsverfahren gegen eine Entscheidung der Vergabekammer erhobene Beschwerde als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen, endet daher das Nachprüfungsverfahren mit der Entscheidung des Vergabesenats.
b) Aus dem Umstand, daß nach § 124 Abs. 2 GWB die Sache im Falle der Divergenz dem Bundesgerichtshof vorzulegen ist und dieser anstelle des Vergabesenats entscheidet, kann nicht hergeleitet werden, daß den Parteien ein in den Verfahrensvorschriften nicht vorgesehenes Rechtsmittel gegen Beschwerdeentscheidungen der Vergabesenate einzuräumen ist; eine solche Auslegung der Vorschrift verstößt gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete verfassungsrechtliche Gebot der Rechtsmittelklarheit.
c) Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Beschwerdegericht als im Vergabenachprüfungsverfahren letztinstanzlich entscheidendes Gericht gehalten ist, auf eine Eingabe einer Partei der von ihr erhobenen Rüge der Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf rechtliches Gehör nachzugehen, unterliegt der Beurteilung durch das Beschwerdegericht. Eine Nachprüfung seiner Entscheidung durch den Bundesgerichtshof findet nicht statt.
Gesetze: GWB § 116; GWB § 124 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Parteien haben im Vergabenachprüfungsverfahren über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung einer öffentlichen Ausschreibung gestritten. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist von der Vergabekammer zurückgewiesen worden. Der Beschluß wurde der Antragstellerin am Samstag, dem zugestellt. Hiergegen hat die Antragstellerin am um 23.32 Uhr per Fax sofortige Beschwerde eingelegt, wobei die letzten Seiten der Beschwerdeschrift mit der Unterschrift ihres Prozeßbevollmächtigen nicht übertragen wurden. Drei Minuten nach Mitternacht übermittelte der Prozeßbevollmächtigte der Antragstellerin die Beschwerdeschrift per Fax erneut einschließlich der Seite mit der Unterschrift. Das Beschwerdegericht hat die Antragstellerin auf diesen Umstand hingewiesen und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen gegeben. Am hat die Antragstellerin beantragt, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Mit Beschluß vom hat das Beschwerdegericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig verworfen und der Antragstellerin anheim gestellt, die Beschwerde zurückzunehmen. Hiergegen hat die Antragstellerin am weitere Beschwerde eingelegt, die gegebenenfalls als außerordentliche Beschwerde behandelt werden solle. Sie hat unter anderem geltend gemacht, ihr habe von Amts wegen Wiedereinsetzung gewährt werden müssen, und der Beschluß des Beschwerdegerichts beruhe auf der Verletzung des Gebots rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).
Mit Beschluß vom hat das Beschwerdegericht die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs für unbegründet gehalten und die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung über die außerordentliche Beschwerde der Antragstellerin vom vorgelegt.
II. Das von der Antragstellerin als weitere oder außerordentliche Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel ist unzulässig.
1. Das im vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) geregelte Vergabenachprüfungsverfahren sieht vor, daß die Vergabesenate der Oberlandesgerichte über sofortige Beschwerden gegen die Entscheidungen der Vergabekammern abschließend entscheiden (§§ 116 f. GWB). Ein vom Bundesgerichtshof zu bescheidendes Rechtsmittel gegen die Entscheidungen der Vergabesenate ist im Gesetz nicht vorgesehen. Wird die im Vergabenachprüfungsverfahren gegen eine Entscheidung der Vergabekammer erhobene Beschwerde als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen, endet daher das Nachprüfungsverfahren mit der Entscheidung des Vergabesenats. Daraus folgt, daß eine nach § 238 Abs. 1 Satz 2 ZPO vorab getroffene Entscheidung des Beschwerdegerichts über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unanfechtbar ist (§ 120 Abs. 2 GWB i.V.m. § 73 Nr. 2 GWB, § 238 Abs. 2 Satz 2 ZPO; vgl. , BGHR ZPO § 238 Abs. 2 - Beschwerde, weitere 2; Beschl. v. - VI ZB 23/00, NJW 2002, 2397 m.w.N.).
2. Die Beschwerde der Antragstellerin ist auch nicht aus anderen Gründen zulässig.
a) Die Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof ist ausdrücklich zu der von der Antragstellerin beantragten Behandlung ihrer Eingabe als "weitere" und "gegebenenfalls außerordentliche" Beschwerde erfolgt. Der Beschluß des Beschwerdegerichts ist daher keine Vorlage aus Gründen der Divergenz (§ 124 Abs. 2 GWB); eine Divergenz ist auch in der Sache nicht erkennbar. Denn der Beschluß des Beschwerdegerichts vom steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Fristversäumung durch Übermittlung unvollständiger Schriftsätze im Wege der Faxversendung und zur Gewährung der Wiedereinsetzung ohne Antrag (vgl. , NJW 1994, 2097; Urt. v. - VIII ZR 217/99, NJW 2000, 1591).
Aus dem Umstand, daß nach § 124 Abs. 2 GWB im Falle der Divergenz die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen ist und dieser anstelle des Beschwerdegerichts entscheidet, kann nicht hergeleitet werden, daß den Parteien ein in den Verfahrensvorschriften nicht vorgesehenes Rechtsmittel gegen eine Beschwerdeentscheidung des Vergabesenats einzuräumen wäre. Eine solche Auslegung der Vorschrift würde gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtsmittelklarheit verstoßen (vgl. dazu , NJW 2003, 1924, 1928 unter C, IV).
b) Die von der Antragstellerin eingelegte Beschwerde ist schließlich auch als außerordentliche Beschwerde wegen Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unzulässig. Die Vorschriften des GWB zum Vergabenachprüfungsverfahren sehen einen derartigen außerordentlichen Rechtsbehelf nicht vor. Dessen Schaffung für das Vergabenachprüfungsverfahren im Wege der Rechtsfortbildung steht - wie bereits ausgeführt ist - das verfassungsrechtliche Gebot der Rechtsmittelklarheit entgegen. Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Beschwerdegericht als im Vergabenachprüfungsverfahren letztinstanzlich entscheidendes Gericht gehalten ist, auf Gegenvorstellung einer Partei der von ihr erhobenen Rüge der Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf rechtliches Gehör nachzugehen (vgl. dazu BVerfG aaO unter C II; BGHZ 150, 133 f.), unterliegt der Beurteilung durch das Beschwerdegericht. Das Beschwerdegericht hat diese Prüfung ausweislich seines Beschlusses vorgenommen. Seine Entscheidung unterliegt nicht der Nachprüfung durch den Bundesgerichtshof, da ein Rechtsmittelverfahren, in dem diese Prüfung vorgenommen werden könnte, gesetzlich nicht vorgesehen ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
LAAAC-04727
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja