BGH Urteil v. - VIII ZR 74/05

Leitsatz

[1] Zur Frage, ob dem Mieter von Wohnraum ein Anspruch gegen den Vermieter auf Unterlassung des Betriebs einer Mobilfunksendeanlage zusteht, wenn die Anlage die in der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung festgelegten Grenzwerte für elektromagnetische Felder nicht überschreitet.

Gesetze: BGB § 535 Abs. 1 Satz 2; BGB § 536

Instanzenzug: AG Freiburg 4 C 717/00 vom LG Freiburg 3 S 19/01 vom

Tatbestand

Die Kläger sind Mieter einer im Haus des Beklagten gelegenen Dachgeschosswohnung. Der Kläger zu 2 ist aufgrund einer Erkrankung bettlägerig und auf einen Herzschrittmacher angewiesen. Durch Nutzungsvertrag vom 11./ gestattete der Beklagte der D. GmbH (nunmehr: T. GmbH) - die dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten als Streithelferin beigetreten ist - gegen ein Nutzungsentgelt, im Speicher und auf dem Dach des Hauses eine Mobilfunksendeanlage einzurichten. Für dieses Vorhaben erteilte die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post am und am Standortbescheinigungen.

Mit ihrer Klage haben die Kläger vom Beklagten verlangt, die Einrichtung und den Betrieb der Mobilfunksendeanlage zu unterlassen. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren die Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Gründe

Die Revision der Kläger hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in GE 2005, 547 veröffentlicht ist, hat zur Begründung ausgeführt:

Die Kläger hätten die Voraussetzungen für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht bewiesen. Zwar könnten dem Mieter einer Wohnung Abwehransprüche nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB gegen Immissionen zustehen, die vom Betrieb einer Mobilfunksendeanlage ausgingen. Der Anspruch sei jedoch ausgeschlossen, wenn der betroffene Mieter die von der Mobilfunkanlage ausgehenden Beeinträchtigungen durch elektromagnetische Felder als unwesentlich dulden müsse (§ 906 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB). Dies sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Fall. Der Sachverständige Prof. Dr. W. habe in seinem Gutachten unter Berücksichtigung der Standortbescheinigungen vom und vom ausgeführt, dass die Anlage die maßgeblichen Grenzwerte der 26. Bundesimmissions-schutzverordnung (BImSchV) sowie des Entwurfs DIN VDE 0848-3-1 (VDE 0848 Teil 3-1): 2002-05 einhalte und die Wohnung der Kläger außerhalb des Sicherheitsabstandes liege. In seinem Ergänzungsgutachten habe der Sachverständige weiter ausgeführt, dass die Störfestigkeit von Herzschrittmachern entsprechend den Werten der DIN VDE 0848-3-1 eingehalten sei und die Wohnung der Kläger außerhalb des Einwirkungsbereichs für aktive Körperhilfen gemäß § 10 Abs. 1 der Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder (BEMFV) liege. Ausweislich des Gutachtens, dem sich die Kammer anschließe, und der Standortbescheinigung vom werde damit den geltenden Grenz- und Richtwerten eindeutig genügt. Wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse hinsichtlich einer Gesundheitsgefährdung im Bereich der hier in Rede stehenden Einwirkungen unterhalb der derzeit geltenden Grenzwerte lägen auch unter Berücksichtigung der von beiden Parteien vorgelegten Gutachten nicht vor.

Die Kläger könnten sich zur Begründung ihres Unterlassungsanspruchs auch nicht auf eine gesteigerte vertragliche Fürsorgepflicht des Beklagten berufen. Der Vermieter sei aufgrund des Mietvertrags verpflichtet, die Richt- und Grenzwerte nach der Bundesimmissionsschutzverordnung einzuhalten, die sich an nachweisbaren Gesundheitsgefahren durch Hochfrequenzfelder orientierten. Eine weitergehende Fürsorgepflicht des Vermieters, allen denkbaren abstrakten Gefahren entgegenzuwirken, bestehe nicht. Maßgeblich sei das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen; die Befürchtung des Mieters, die Anlage sei dennoch gesundheitsgefährdend, reiche nicht aus. Im vorliegenden Fall sei weder eine Störbeeinflussung der Funktion des Herzschrittmachers noch eine Gesundheitsgefährdung des Klägers zu 2 bewiesen.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand, so dass die Revision der Kläger zurückzuweisen ist. Die Kläger haben keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Unterlassung des Betriebs der Mobilfunksendeanlage, deren Einrichtung der Beklagte seiner Streithelferin aufgrund des Nutzungsvertrags vom 11./ gestattet hat.

Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Unterlassungsanspruch der Kläger entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB verneint; hiergegen erhebt die Revision keine Beanstandungen. Entgegen der Auffassung der Revision steht den Klägern auch kein Unterlassungsanspruch auf mietvertraglicher Grundlage zu. Dieser lässt sich im vorliegenden Fall nicht mit der Verpflichtung des Vermieters begründen, dem Mieter die Wohnung in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB).

1. a) Maßgebend für die Frage, ob die Wohnung eine vertragsgemäße Beschaffenheit aufweist, sind in erster Linie die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Die Revision macht nicht geltend, dass die Parteien eine Vereinbarung getroffen haben, die es dem Beklagten untersagt, auf seinem Hausgrundstück einem Dritten den Betrieb einer Mobilfunksendeanlage zu gestatten. Dies ist auch im Übrigen nicht ersichtlich. Fehlt eine vertragliche Vereinbarung über die Beschaffenheit der gemieteten Wohnung - wozu auch Einwirkungen durch Immissionen gehören können -, ist die Einhaltung der einschlägigen technischen Normen geschuldet (Senat, Urteil vom - VIII ZR 355/03, WuM 2004, 715, unter II 1). Dem entsprechend ist in der Rechtsprechung und im Schrifttum anerkannt, dass eine Mietwohnung keinen Sachmangel (§ 536 BGB) aufweist, wenn eine in der Nähe gelegene Mobilfunksendeanlage die in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte für elektromagnetische Felder nicht überschreitet (LG Berlin, NZM 2003, 60; LG Karlsruhe, DWW 2004, 57 m.w.Nachw.; MünchKommBGB/Schilling, 4. Aufl., Vor § 535 Rdnr. 60; Palandt/Weidenkaff, BGB, 65. Aufl., § 536 Rdnr. 20 m.w.Nachw.; Staudinger/Emmerich, BGB (2003), § 536 Rdnr. 30; a.A. AG München, WuM 1999, 111; Kniep, WuM 2002, 598, 600).

Dass das Berufungsgericht die Einhaltung der in der 26. BImSchV sowie in den unangegriffen herangezogenen DIN-Normen festgelegten Grenzwerte als ausreichend angesehen hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Ein anderer Beurteilungsmaßstab ist entgegen der Auffassung der Revision nicht deshalb anzulegen, weil die wissenschaftliche Diskussion über die von Mobilfunksendeanlagen ausgehenden Gefahren noch nicht abgeschlossen ist. Die vom Verordnungsgeber in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte beruhen auf den übereinstimmenden Empfehlungen internationaler und nationaler Sachverständigengremien, unter anderem der Strahlenschutzkommission, die sich an nachweisbaren Gesundheitsgefahren orientieren. Der Verordnungsgeber hatte weiter gehende Schutzmaßnahmen abgelehnt, weil sie sich nicht auf verlässliche wissenschaftliche Erkenntnisse stützen könnten (vgl. , NJW 2002, 1638, unter I 1 m.w.Nachw.; , NJW 2004, 1317, unter II zur nachbarrechtlichen Duldungspflicht gemäß § 906 Abs. 1 BGB). Die Revision, die auf von den Klägern in den Tatsacheninstanzen vorgetragene wissenschaftliche Stellungnahmen verweist, zeigt nicht auf, dass bisher nicht berücksichtigte Forschungsergebnisse vorliegen, wonach die vom Verordnungsgeber in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte unzureichend sind, weil sie nicht mehr dem heutigen Erkenntnisstand entsprechen würden. Hierfür bestehen auch im Übrigen keine Anhaltspunkte; insbesondere wird laufend eine Risikobewertung durch internationale und nationale Fachkommissionen vorgenommen (vgl. dazu BVerfG, aaO, unter I 1 und III 1 c m.w.Nachw.; vgl. auch OLG Frankfurt, NJW-RR 2005, 1544 f.; Wahlfels, DRiZ 2006, 51, 52).

b) Das sachverständig beratene Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die vorgenannten Grenzwerte betreffend die Mietwohnung der Kläger - auch hinsichtlich der Störfestigkeit des vom Kläger zu 2 verwendeten Herzschrittmachers - nicht überschritten werden. Soweit die Revision rügt, das Berufungsgericht habe verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt, die Kläger hätten das vom Sachverständigen Prof. Dr. W. in seinem Gutachten zugrunde gelegte Vorhandensein von Aluminiumfolie und Mineralwolle als Dämmstoff im Haus des Beklagten in Abrede gestellt, hat der Senat diese Rüge geprüft, jedoch nicht für durchgreifend erachtet; von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 564 Satz 1 ZPO).

2. Entgegen der Auffassung der Revision liegt ein Mangel der Mietwohnung auch nicht darin begründet, dass die Kläger dem "Restrisiko" einer Gesundheitsgefährdung ausgesetzt seien. Zwar kann nach der Verkehrsanschauung gegebenenfalls bereits die begründete Besorgnis einer Gesundheitsgefahr die Gebrauchstauglichkeit der Mieträume zu Wohnzwecken beeinträchtigen (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1987, 968, 969 und NZM 2003, 395, 396; BayObLG, NJW-RR 1999, 1533, 1534; Kraemer in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., III Rdnr. 1333; Staudinger/Emmerich, aaO, Rdnr. 8, 12 f.). Dass die Gesundheit der Kläger durch den Betrieb der Mobilfunksendeanlage (konkret) gefährdet wird, hat das Berufungsgericht jedoch rechtsfehlerfrei verneint; auch die Revision zeigt eine solche auf wissenschaftlichen Erkenntnissen gründende Gefahr nicht auf.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
NJW 2006 S. 2625 Nr. 36
NJW-RR 2006 S. 879 Nr. 13
NAAAC-04628

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja