BGH Urteil v. - VIII ZR 278/02

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: MHG § 4 Abs. 5; ABE § 20; AVBWasserV § 30; AVBWasserV § 30 Nr. 1; BGB § 145; BGB § 315; BGB § 315 Abs. 3

Instanzenzug:

Tatbestand

Der Beklagte ist unter anderem Eigentümer der jeweils mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücke B. straße und in B. , für die von der Klägerin Wasser geliefert und Entwässerungsleistungen erbracht werden. Mit "Vertragsbestätigung" vom wandte sich die Klägerin hinsichtlich der vorgenannten Grundstücke an den Beklagten und teilte ihm unter anderem mit, er sei als Grundstückseigentümer nunmehr ab ihr Vertragspartner und werde aufgefordert, Abschlagszahlungen zu leisten. Dem Schreiben waren die Vertragsbedingungen für die Wasserversorgung von B. , die Tarifübersicht und die Allgemeinen Bedingungen für die Entwässerung in B. beigefügt. Der Beklagte erwiderte der Klägerin hierauf mit Schreiben vom , es bestehe noch kein Vertrag mit der Klägerin, vielmehr habe er, der Beklagte, eine Abrechnung der Wasserkosten zwischen den Mietern und der Klägerin unmittelbar gemäß § 4 Abs. 5 MHG vorgesehen, die bereits zuvor erbetene Zustimmung der Klägerin stehe noch aus. Über diese Direktabrechnung kam es zwischen den Parteien in der Folgezeit nicht zu einer Einigung.

Mit Schreiben vom teilte die Klägerin dem Beklagten sodann mit, bei Durchsicht ihrer Unterlagen sei ihr aufgefallen, daß hinsichtlich der genannten Grundstücke noch kein schriftlicher Wasserlieferungsvertrag vorliege. Der Beklagte entgegnete mit Schreiben vom sinngemäß, daß zwischen ihm und der Klägerin kein Vertragsverhältnis bestehe und er ein solches auch nicht wünsche. Vielmehr erfolge die Wasserentnahme durch die Mieter, so daß auch nur diese Vertragspartner der Klägerin seien.

Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin den Beklagten für das Grundstück B. straße auf Zahlung von Entgelten für Wasserlieferungen und Entwässerungsleistungen für die Zeit vom bis in Höhe von insgesamt 20.023,85 DM nebst Zinsen in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

Mit seiner - zugelassenen - Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Gründe

I.

Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, zwischen den Parteien sei ein Vertrag über die Lieferung von Wasser durch konkludentes, sozialtypisches Verhalten im Rahmen der Daseinsvorsorge zustande gekommen. Indem die Klägerin das Grundstück des Beklagten über die dort vorhandene Wasseruhr (Sammelanschluß) mit Wasser beliefert habe, habe sie diesem in Form einer sogenannten Realofferte den Abschluß eines Wasserlieferungsvertrages angeboten; dieses Angebot habe der Beklagte durch Entnahme des Wassers zwecks Weiterleitung an seine Mieter angenommen. Daß der Beklagte mehrmals zuvor oder gleichzeitig der Klägerin gegenüber geäußert habe, er wolle keinen Vertrag mit ihr abschließen, sei unbeachtlich, da er sich hiermit in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten, nämlich dem Bezug von Wasser über die Sammeleinrichtung, setze.

Der Klageanspruch, bezogen auf die Wasserversorgung, sei auch der Höhe nach begründet. Der Beklagte könne sich im vorliegenden Verfahren nicht auf die behauptete Unbilligkeit der Tarife im Sinne von § 315 BGB berufen; denn dabei würde es sich jedenfalls nicht um einen offensichtlichen Abrechnungsfehler im Sinne des hier anwendbaren § 30 AVBWasserV handeln. Nach dieser Vorschrift sei der Beklagte in einem solchen Fall auf einen etwaigen Rückforderungsprozeß verwiesen; § 30 AVBWasserV umfasse auch Einwände gegen die Billigkeit der Tarife.

Entgegen der Ansicht des Beklagten unterliege § 30 AVBWasserV schon deshalb nicht der Überprüfung, ob er den Anforderungen der Richtlinie 93/13 EWG über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen entspreche, weil es sich bei den vorliegenden Wasserlieferungsverträgen um Verträge handele, die einer gewerblichen Tätigkeit des Beklagten zuzurechnen seien. Im übrigen stelle § 30 AVBWasserV keine mißbräuchliche Klausel im Sinne der Richtlinie 93/13 EWG dar, weil dadurch lediglich das prozessuale Recht des Beklagten eingeschränkt werde, seine Einwendungen im Prozeß der Klägerin gegen ihn auf Zahlung geltend zu machen.

Hinsichtlich des von der Klägerin weiter begehrten Entgelts für Entwässerungsleistungen sei in gleicher Weise ein Vertrag zwischen den Parteien zustande gekommen; der Beklagte sei auch hier mit seinem Einwand der Unbilligkeit der Tarife gemäß § 20 ABE auf eine Rückforderung in einem gesonderten Prozeß zu verweisen.

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, daß zwischen den Parteien ein Vertrag über Wasserlieferungen durch konkludentes Handeln zustande gekommen ist.

a) Nach ständiger Rechtsprechung (RGZ 111, 310, 312; BGHZ 115, 311, 314; s.a. , LM Nr. 7 Vorb.z. § 145 BGB; , WM 1968, 115 unter II 2 b; , WM 1983, 341 = NJW 1983, 1777 unter I 3 a; OLG Saarbrücken NJW-RR 1994, 436) und allgemeiner Meinung im Schrifttum (Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke, Recht der Elektrizitäts-, Gas- und Wasserversorgung, AVBWasserV § 2 Rdnr. 17 ff.; Morell, AVBWasserV, E § 2 Anmerkung a) zu Abs. 2; siehe auch Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., Einf. v. § 145 Rdnr. 28) nimmt derjenige, der aus einem Verteilungsnetz eines Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt, das Angebot zum Abschluß eines entsprechenden Versorgungsvertrages konkludent an; eine Erklärung, er wolle mit dem Unternehmen keinen Vertrag schließen, ist unbeachtlich, da dies in Widerspruch zu seinem eigenen tatsächlichen Verhalten steht.

b) Einem Vertragsschluß zwischen den Parteien steht nicht, wie die Revision geltend macht, der Umstand entgegen, daß nicht der Beklagte, sondern seine Mieter Wasser entnommen und Brauchwasser in die Kanalisation eingeleitet haben. Das Angebot der Klägerin auf Erbringung der Versorgungsleistungen richtet sich typischerweise an den Grundstückseigentümer, weil nur diesem ein Anspruch auf Anschluß an die Versorgung zusteht und Wasserversorgungsunternehmen ihre Versorgungsaufgabe durch Abschluß des Wasserversorgungsvertrages mit diesem Personenkreis erfüllen (OLG Saarbrücken aaO; OLG Dresden, VIZ 2000, 500; dasselbe GE 2001, 851, 852; Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke aaO, § 2 AVBWasserV Rdnr. 19; Morell aaO, E § 2 Anmerkung a) zu Abs. 1). Vorliegend kommt hinzu, daß nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts das Wasser für den in Frage stehenden Abrechnungszeitraum über den auf dem Grundstück des Beklagten befindlichen Sammelanschluß entnommen wurde und Wasserzähler für die Mietwohnungen erst im Februar 2000 angebracht worden sind. Bereits aufgrund dieser Tatsache kann nicht angenommen werden, daß die Klägerin ihr Vertragsangebot an die ihr unbekannten Mieter gerichtet hat. Wenn der Beklagte, der seinen mietvertraglichen Verpflichtungen nur durch die von der Klägerin gewährleistete Wasserversorgung nachkommen konnte, die Versorgungsleistungen auf seinem Grundstück zuließ, ist dieses Verhalten als konkludente Annahme des Vertragsangebots der Klägerin zu werten.

c) Daß der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom mitgeteilt hatte, er beabsichtige eine unmittelbare Abrechnung der Wasserkosten gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 MHG zwischen den Mietern und der Klägerin, ist unerheblich. Eine solche Direktabrechnung hätte nach allgemeiner Meinung die Zustimmung der Klägerin als Wasserversorgungsunternehmen vorausgesetzt (BVerwG WuM 1987, 685, 686; Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 7. Aufl., § 4 MHG Rdnr. 102; MünchKommBGB-Voelskow, BGB, 3. Aufl., § 4 MHG Rdnr. 27; Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke aaO, § 2 AVBWasserV Rdnr. 33; Morell aaO, E § 1 Anmerkung d) zu Abs. 1). Zu einer derartigen Vereinbarung mit der Klägerin ist es jedoch nicht gekommen, nachdem für den fraglichen Abrechnungszeitraum weder die Mietwohnungen mit Wohnungswasserzählern ausgestattet waren noch der Beklagte bereit war, eine Mithaftung als Grundstückseigentümer zu übernehmen.

2. Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht jedoch, soweit es eine Nachprüfung der vom Beklagten geltend gemachten Unbilligkeit der Tarife nach § 30 AVBWasserV als ausgeschlossen angesehen und den Beklagten hierfür auf einen Rückforderungsprozeß verwiesen hat.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft das Versorgungsunternehmen die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit der Ermessensausübung bei Festsetzung des Leistungsentgelts (§ 315 Abs. 3 BGB) dann, wenn das Versorgungsunternehmen hieraus Ansprüche gegen die andere Vertragspartei erhebt (, NJW 1969, 1809 f.; , WM 1987, 295 = NJW 1987, 1828 unter II 3 a; , WM 1991, 2065 = NJW-RR 1992, 183 unter I; zuletzt , unter II 1 b, z.Veröff. in BGHZ best.; siehe auch OLG Celle, NJW-RR 1993, 630 f., jew.m.w.Nachw.).

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ergibt sich auch nichts anderes aus der Regelung des § 30 Nr. 1 AVBWasserV, nach welcher Einwände gegen Rechnungen und Abschlagszahlungen zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur berechtigen, "soweit sich aus den Umständen ergibt, daß offensichtliche Fehler vorliegen". Das Bestreiten der Billigkeit der Preisbestimmung des Versorgungsunternehmens wird davon nicht erfaßt. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom (aaO unter II 2 b) sowohl für den Tarifkunden - wie für den Sonderkundenbereich (vgl. auch , RdE 1976, 25 unter I zu Abschn. VIII, 4 der "Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit elektrischer Arbeit aus dem Niederspannungsnetz des Elektrizitätsversorgungsunternehmens" vom ) ausgeführt hat, betrifft der vom Kunden eines Versorgungsunternehmens erhobene Einwand der Unbilligkeit der Preisbestimmung nach § 315 BGB nicht Rechen- und Ablesefehler oder andere Abrechnungsgrundlagen, sondern die Leistungspflicht des Kunden, der im Falle der Unangemessenheit des verlangten Preises von Anfang an nur den vom Gericht bestimmten Preis schuldet (§ 315 Abs. 3 BGB). Wenn die nach billigem Ermessen zu treffende Bestimmung der Gegenleistung einer Partei überlassen ist, entfällt die bei einem Vertrag normalerweise bestehende Gewißheit über Inhalt und Umfang der Leistung, welche aus der Einigung der Partei hierüber folgt. Den Belangen des Kunden, der die Preisbestimmung für unbillig hält und ein schutzwürdiges Interesse daran hat, lediglich den tatsächlich geschuldeten Preis zahlen zu müssen, kann nur dadurch hinreichend Rechnung getragen werden, daß es ihm gestattet wird, sich gegenüber dem Leistungsverlangen des Versorgungsunternehmens entsprechend dem in § 315 Abs. 3 BGB enthaltenen Schutzgedanken auf die Unangemessenheit und damit Unverbindlichkeit der Preisbestimmung zu berufen und diesen Einwand im Rahmen der Leistungsklage zur Entscheidung des Gerichts zu stellen. Hieran hat der erkennende Senat auch in nachfolgenden Entscheidungen festgehalten (, WM 1990, 608 unter B I 3 a; aaO; a.A. Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke aaO, § 30 AVBEltEV Rdnr. 26; Morell aaO, E § 30 Anmerkung d); siehe auch KG in KGR Berlin 2001, 273).

b) Auf die - auch von der Revision nicht mehr angegriffenen - Ausführungen des Berufungsgerichts zur Frage eines Verstoßes des § 30 AVBWasserV in der von ihm vorgenommenen Auslegung gegen die Richtlinie 93/13 EWG des Rates vom über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen kommt es danach nicht mehr an.

3. Soweit die Klägerin darüber hinaus vom Beklagten Entgelt für Entwässerungsleistungen begehrt, ist das Berufungsgericht auch hier zu Recht von einem konkludent zustande gekommenen Vertrag zwischen den Parteien ausgegangen. Der Beklagte ist hier ebenfalls entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts (so auch KG in KGR Berlin 2000, 133) nicht mit den von ihm erhobenen Einwendungen gegen die Preisbestimmung ausgeschlossen; denn § 20 der Allgemeinen Bedingungen für die Entwässerung in B. (AEB), der als Allgemeine Geschäftsbedingungen in den Versorgungsvertrag einbezogen ist und inhaltlich der Regelung des § 30 AVBWasserV entspricht, ist in gleicher Weise auszulegen.

III.

Nachdem das Berufungsgericht demnach zu Unrecht die vom Beklagten erhobenen Einwendungen gegen die Preisbestimmung der Klägerin für das geforderte Entgelt für die Wasserversorgung und die Entwässerungsleistungen ungeprüft gelassen und den Beklagten hierfür auf einen Rückforderungsprozeß verwiesen hat, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und eine Billigkeitsprüfung nach Zurückverweisung der Sache nachzuholen. Das Berufungsgericht wird dabei dem Vorbringen der Klägerin zu dem Zustandekommen ihrer (genehmigten) Tarife nachzugehen (vgl. aaO unter II 1 d) und sich mit dem vom Beklagten behaupteten Ergebnis des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. G. auseinanderzusetzen haben, das in dem von ihm, dem Beklagten, genannten Parallelverfahren erstattet worden ist.

Fundstelle(n):
YAAAC-04419

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein