Leitsatz
[1] Zur Bindungswirkung eines Zwischenurteils, das das Minderungsbegehren eines Käufers dem Grunde nach für berechtigt erklärt.
Instanzenzug: LG Offenburg
Tatbestand
Die Beklagte verkaufte der Klägerin im Jahr 1988 insgesamt 6 CNC-Hochleistungswerkzeugmaschinen zur Herstellung von Schaftfräsern mit den Bezeichnungen J. 515-1 (Maschinen Nrn. 1175, 1266 und 1267), Q. 1001 (Nr. 1274), J. 310 (Nr. 1273) und N. (Nr. 1254). Nachdem die Klägerin im Rahmen der Vertragsverhandlungen genaue Informationen unter anderem zu Leistungskapazitäten, Taktzeiten und der Möglichkeit von bedienungs- und wartungsfreien sogenannten "Geisterschichten" verlangt hatte, übersandte ihr die Beklagte mit Schreiben vom die gewünschten Daten. Nach der Lieferung rügte die Klägerin mit Schreiben vom Mängel der Maschinen, unter anderem die Nichteinhaltung der zugesagten Leistungswerte. Im Rahmen eines von der Klägerin beantragten Beweissicherungsverfahrens erstattete der Sachverständige Dipl. Ing. S. am ein schriftliches Gutachten.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin Minderung des Gesamtkaufpreises, hilfsweise Schadenersatz, in Höhe von 2.144.277,00 DM (1.096.351,40 €) verlangt. Durch Grundurteil vom hat das Landgericht der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß ein Anspruch der Klägerin auf Herabsetzung des Kaufpreises bezüglich der Maschine J. 515-1 Nr. 1266 nicht gegeben sei. Die hiergegen eingelegte Revision der Beklagten hat der Senat nicht zur Entscheidung angenommen.
Nach den vom Berufungsgericht im Grundurteil getroffenen Feststellungen wurden die im Schreiben vom genannten und Vertragsinhalt gewordenen Leistungsdaten von den Maschinen nicht erreicht. Nach der Einholung weiterer Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. W. im Betragsverfahren hat das Landgericht der Klage in Höhe von 506.719,40 € nebst Zinsen - unter Abweisung im übrigen - stattgegeben. Es hat die Höhe der Minderung wegen eingeschränkter Leistungsfähigkeit - nicht erreichter Taktzeiten und Unmöglichkeit, sogenannte Geisterschichten zu fahren - auf der Grundlage von Beobachtungszeiträumen von 4 3/4 bis 7 Stunden für die Maschinen J. 515-1 Nr. 1267, Q. 1001 Nr. 1274, J. 310 Nr. 1273 und N. Nr. 1254 auf 668.595,00 DM sowie wegen nutzloser Aufwendungen für Zusatzaggregate zur Durchführung von Geisterschichten auf 322.462,00 DM, insgesamt auf 991.057,00 DM (506.719,40 €) geschätzt; eine weitergehende Minderung wegen eingeschränkter Maschinenverfügbarkeit hat es verneint, weil der von den Sachverständigen S. und Prof. Dr. W. dafür übereinstimmend für erforderlich gehaltene Beobachtungszeitraum von 500 Stunden nicht eingehalten sei. Bezüglich der Maschine J. 515-1 Nr. 1175 hat es die Zubilligung einer Minderung mit der Begründung abgelehnt, nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. W. sei es möglich, daß der Sachverständige S. die Taktzeiten unrichtig ermittelt habe, weil ein zu geringer Vorschub gewählt worden sei.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Die Klägerin hat die Verurteilung der Beklagten in Höhe von insgesamt 876.373,20 € nebst Zinsen, die Beklagte die Klageabweisung in vollem Umfang erstrebt. Das Oberlandesgericht hat die Klage unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren zuletzt in der Berufungsinstanz gestellten Antrag weiter.
Gründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Der Klägerin stehe kein Recht auf Minderung des Kaufpreises für die Maschinen zu, weil ihr ein Nachweis der Minderungshöhe nicht gelungen sei. Die Bindung an das Grundurteil schließe nicht aus, daß die Klage im Betragsverfahren abgewiesen werde, da durch das Grundurteil nicht entschieden worden sei, in welchem Umfang der Wert der gelieferten Maschinen mangelbedingt gemindert gewesen sei. Eine Schätzung der Minderung - auch eines Mindestbetrages - gemäß §§ 287 Abs. 2, 525 ZPO sei nicht möglich. Das vorliegende Material reiche nicht aus, um ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen. Hinsichtlich der Maschinenverfügbarkeit fehle es an einer ausreichenden Datenbasis für die Ermittlung eines Minderungsbetrages, da für eine Begutachtung nach den Aussagen des Sachverständigen S. , die von dem Sachverständigen Prof. Dr. W. gebilligt worden seien, eine Maschinenlaufzeit von 500 Stunden erforderlich sei. Die für eine Schätzung nach § 287 Abs. 1 und 2 ZPO vorauszusetzende höhere oder deutlich höhere Wahrscheinlichkeit dahin, daß die Maschinen in ihrer Leistungsfähigkeit in einem bestimmten Ausmaß hinter den an sie zu stellenden Anforderungen zurückblieben, ließe sich unter diesen Umständen nicht gewinnen. Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit gelte entsprechendes. Auch dazu habe der Sachverständige S. ausgeführt, daß eine Beurteilung erst nach einer Laufzeit von 500 Stunden erfolgen könne. Nachdem sich das Berufungsgericht dieser Beurteilung des Sachverständigen im Grundurteil angeschlossen habe, sei es daran gebunden (§ 318 ZPO). Daran ändere nichts, daß die Annahmen des Sachverständigen hinsichtlich des Prüfzeitraums von 500 Stunden seit den Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. W. zweifelhaft geworden seien. Dieser Sachverständige habe allerdings einen Zeitraum von 3 mal 8 Stunden als ausreichend angesehen, der aber auch bei weitem nicht eingehalten sei.
II.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand. Die Revision rügt mit Erfolg, daß das Berufungsgericht die Grundlagen für eine Schätzung des Minderungsbetrages gemäß § 287 Abs. 2, 1 ZPO nicht ausreichend ermittelt und bewertet hat, weil es sich zu Unrecht an Feststellungen des Grundurteils gebunden hält (§§ 304, 318 ZPO).
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht zunächst davon ausgegangen, daß auf den vor dem geschlossenen Kaufvertrag das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum geltenden Fassung anzuwenden ist (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB) und der Klägerin - wie bereits im Grundurteil festgestellt - dem Grunde nach ein Anspruch auf Minderung des für die Maschinen gezahlten Kaufpreises zusteht (§§ 459, 462, 472 BGB a.F.).
2. Rechtsfehlerhaft sind die Erwägungen des Berufungsgerichts, die zu der Annahme führen, der Klägerin sei der Nachweis der Höhe der Minderung nicht gelungen. Zwar geht es zutreffend davon aus, daß die Höhe der Minderung durch das Gericht gemäß § 287 Abs. 2 in Verbindung mit Abs.1 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände nach freier Überzeugung geschätzt werden kann, wobei die Schätzung möglichst nahe an die Wirklichkeit heranführen soll (, NJW-RR 1997, 688 unter II 2 d aa m.w.Nachw.). Das Revisionsgericht kann nur überprüfen, ob die Ermittlung des Minderwerts auf grundsätzlich falschen oder offenbar unsachlichen Erwägungen beruht und ob wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen außer acht gelassen sind (vgl. BGH aaO unter II 2 d aa). Wie die Revision zu Recht rügt, hat das Berufungsgericht jedoch wegen der von ihm fälschlich angenommenen Bindungswirkung des Grundurteils die Schätzgrundlagen nicht ausreichend festgestellt und die Möglichkeit einer Schätzung auch nur eines Mindestbetrages der Minderung von vornherein verfahrensfehlerhaft abgelehnt. Das Berufungsgericht nimmt hinsichtlich der Minderung wegen verringerter Leistungsfähigkeit der Maschinen zu Unrecht eine Bindung an die Feststellung im Grundurteil an, eine Beurteilung des Umfangs der Beeinträchtigungen könne erst nach 500 Stunden Maschinenlaufzeit erfolgen; ferner läßt es wesentliche Beweisergebnisse außer acht.
a) Die Bindungswirkung eines Grundurteils erstreckt sich nur auf die in ihm bejahte oder verneinte Rechtsfolge (§ 318 ZPO). Es ist daher darauf abzustellen, wie das Gericht in der Urteilsformel, die gegebenenfalls unter Heranziehung von Tatbestand und Entscheidungsgründen auszulegen ist, entschieden hat (, NJW-RR 1997, 188 unter II 1). Ausführungen über die Höhe einer Forderung oder eines Schadens nehmen an der Rechtskraft des Grundurteils nicht teil und sind für das weitere Verfahren nicht bindend (BGHZ 10, 361, 362; , VersR 1960, 248 unter III; , MDR 1964, 214).
Das Berufungsgericht hat sich in seinem ersten Berufungsurteil, in dem es die Berufung gegen das Grundurteil des Landgerichts zurückgewiesen hat, ausschließlich mit der Frage befaßt, ob der Sachverständige S. Mängel der Maschinen festgestellt hat. Soweit es sich den weiteren Ausführungen des Sachverständigen S. angeschlossen hat, in welchem Umfang die von der Beklagten geschuldeten Leistungen nicht erbracht seien, könne erst nach einer Laufzeit von 500 Stunden gesagt werden, betreffen diese die Höhe der Minderung, auf die sich die innere Rechtskraft des Urteils nach dem oben Gesagten nicht erstreckt. Dies ist auch sachgerecht. Die der Klägerin nachteiligen Darlegungen über die Art und Weise der Ermittlung der Minderungshöhe konnte sie nicht angreifen, weil sie durch die Urteilsformel des Grundurteils nicht beschwert war. Es kann daher nicht richtig sein, daß das Berufungsgericht an diese Feststellungen im späteren Betragsverfahren gebunden ist (vgl. auch Senatsurteil vom - VIII ZR 255/64, NJW 1967, 1231). Zu Unrecht hat das Berufungsgericht demgemäß gemeint, außer acht lassen zu müssen, daß der Sachverständige Prof. Dr. W. einen geringeren als den von dem Sachverständigen S. angegebenen Prüfzeitraum von 500 Stunden als ausreichend angesehen hat.
b) Nicht zu folgen ist daher den Erwägungen des Berufungsgerichts, der Klägerin könne eine Minderung mangels Nachweises zur Höhe nicht zugebilligt werden. Zutreffend ist zwar der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß die Klage trotz Vorliegens eines Grundurteils noch im Betragsverfahren abzuweisen ist, wenn die Höhe des Anspruchs nicht - auch nicht im Wege einer Mindestschätzung - ermittelt werden kann (vgl. BGH, Senatsurteil vom - VIII ZR 70/00, NJW-RR 2001, 1542 unter II 3 m.w.Nachw.). Unter Zugrundelegung der gutachterlichen Äußerungen des Sachverständigen Prof. Dr. W. hätte jedoch geprüft werden müssen, in welchem Umfang der Sachverhalt eine hinreichende Grundlage für eine Schätzung bietet. Dies hat das Berufungsgericht aufgrund seiner vermeintlichen Bindung an das Grundurteil unterlassen.
c) Soweit das Berufungsgericht ferner ohne weitere Begründung ausführt, jedenfalls sei der vom Sachverständigen Prof. Dr. W. für erforderlich gehaltene Zeitraum für die Beobachtung der Maschinen von 3 mal 8 Stunden Laufzeit nicht eingehalten, widerspricht diese Aussage den Feststellungen des Landgerichts, wonach auch Beobachtungszeiträume von 5 Stunden für eine Schätzung ausreichen. Dies ist - sofern es als Hilfsbegründung anzusehen sein sollte - verfahrensfehlerhaft und kann die Ablehnung der Schätzung nicht tragen (§§ 286, 287 ZPO). Das Berufungsgericht hat dabei offensichtlich übersehen, daß der Sachverständige, wie in den Entscheidungsgründen des landgerichtlichen Urteils festgehalten, geäußert hat, jedenfalls sei ein Beobachtungszeitraum von fünf Stunden eine geeignete Grundlage für die Ermittlung der Leistungsfähigkeit einer Maschine.
III.
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben und ist daher aufzuheben (§ 562 ZPO). Die Zurückverweisung, bei der der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch macht, gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, sein Schätzermessen unter Beachtung der oben dargelegten Grundsätze und des bisher nicht gewürdigten Berufungsvorbringens der Parteien auszuüben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW-RR 2005 S. 1157 Nr. 16
GAAAC-04010
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja