Leitsatz
[1] Zur Bedeutung einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers im Rechtsstreit nach einer ordnungsgemäßen Klageerhebung.
Gesetze: ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 1; ZPO § 253 Abs. 4; ZPO § 130 Nr. 1
Instanzenzug: LG München I vom
Tatbestand
Der Kläger ist Zahnarzt und nimmt die Beklagte als Erbin ihres verstorbenen Ehemannes auf Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 50.000 DM in Anspruch. Ferner verlangt er im Wege der Stufenklage Auskunft und Rechnungslegung. Der Kläger hatte den geforderten Betrag als Anzahlung auf einen mit dem verstorbenen Ehemann der Beklagten geschlossenen Praxisübergabevertrag vom geleistet.
Der Kläger hat in der Klageschrift seine Anschrift mit L. straße , M. , angegeben. Unter dieser Anschrift hat er zum damaligen Zeitpunkt die übernommene Zahnarztpraxis betrieben. Nachdem der Kläger diese Adresse im Laufe des Verfahrens aufgegeben hatte, wurden von seiner Seite verschiedene Anschriften genannt, wobei unklar blieb, ob er hierunter jeweils hätte geladen werden können.
Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil eine Klage nur zulässig sei, wenn eine ladungsfähige Anschrift des Klägers noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliege.
Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers aufgrund der mündlichen Verhandlung vom zurückgewiesen. Mit der vom Senat angenommenen Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter.
Gründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, eine Partei müsse während des gesamten Prozesses unter einer ladungsfähigen Anschrift erreichbar sein. Sei eine ladungsfähige Anschrift zum Schluß der mündlichen Verhandlung nicht mehr gegeben, müsse die Klage als unzulässig abgewiesen werden, da dann davon auszugehen sei, daß die Klage in rechtsmißbräuchlicher Weise betrieben werde. Der Kläger habe auch im Berufungsrechtszug nicht nachgewiesen, daß er unter den zuletzt angegebenen Anschriften tatsächlich wohne. Ein darauf gerichtetes Beweisangebot sei als verspätet zurückzuweisen.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zu Recht rügt die Revision, daß das Berufungsgericht die Klage als unzulässig angesehen hat.
1. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß der Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung eine ladungsfähige Anschrift genannt hatte. Dies wird nicht angegriffen und ist auch sonst nicht zu beanstanden.
2. Enthält schon die Klageschrift keine ladungsfähige Anschrift, ist die Klage nach herrschender Meinung jedenfalls dann unzulässig, wenn die Angabe ohne weiteres möglich ist und kein schützenswertes Interesse entgegensteht (BGHZ 102, 332, 334 ff. = ZZP 101, 457 mit ablehnender Anmerkung Zeiss; vgl. , NJW 2001, 885 unter II, 3 b aa; BVerwG, NJW 1999, 2608, 2609; BFH, NJW 2001, 1158). Es fehlt an der Zulässigkeitsvoraussetzung einer Ordnungsmäßigkeit der Klageerhebung im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 ZPO in Verbindung mit § 130 Nr. 1 ZPO. Obwohl die in § 253 Abs. 4 ZPO in Bezug genommene Bestimmung des § 130 Nr. 1 ZPO grundsätzlich nur eine Soll-Vorschrift darstellt, ist hieraus angesichts der Bedeutung der Klageschrift für den Gang des Verfahrens ein zwingendes Erfordernis für diesen den Rechtsstreit einleitenden Schriftsatz zu entnehmen. Auch wenn mit dem Erfordernis der Angabe einer ladungsfähigen Anschrift in der Klageschrift Anforderungen gestellt werden, die über die ausdrücklich im Gesetz geregelten Zulässigkeitsvoraussetzungen hinausgehen, ist dies grundsätzlich von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (, NJW 1996, 1272). In einem solchen Fall gibt der Kläger, wenn er nicht triftige Gründe für die Vorenthaltung seiner Adresse anführen kann, zu erkennen, daß er den Prozeß aus dem Verborgenen führen will, um sich einer möglichen Kostenpflicht zu entziehen; dies wäre rechtsmißbräuchlich (BGHZ 102, 332, 336).
Wird dagegen eine in der Klageschrift angegebene ladungsfähige Anschrift im Laufe des Prozesses unrichtig und bringt der anwaltlich vertretene Kläger eine neue ladungsfähige Anschrift nicht bei, darf die Klage nicht aus diesem Grund allein als unzulässig abgewiesen werden. Eine gesetzliche Grundlage hierfür besteht nicht. Mit der Angabe der ladungsfähigen Anschrift in der Klageschrift hat der Kläger die Anforderungen an die Bezeichnung seiner Person nach §§ 253 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4, 130 Nr. 1 ZPO erfüllt. Die Prozeßvoraussetzung einer ordnungsgemäßen Klageerhebung, die ihrer Natur nach nur die Einleitung des Verfahrens betrifft, ist damit gegeben. Der Kläger hat zugleich zum Ausdruck gebracht, daß er sich nachteiligen Kostenfolgen im Falle des Unterliegens stellt.
3. Nachdem das Verfahren in zulässiger Weise begonnen hatte, konnte es in der Folgezeit, jedenfalls - wie hier - bei anwaltlicher Vertretung ordnungsgemäß durchgeführt werden, auch wenn der Kläger nicht mehr über eine ladungsfähige Anschrift verfügt haben sollte. Im Anwaltsprozeß haben Zustellungen ohnehin an den Prozeßbevollmächtigten der Partei zu erfolgen (§ 172 ZPO, § 176 ZPO a.F.). Mit der Erwägung, die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung sei im Hinblick auf eine Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers erforderlich (§ 141 ZPO), lassen sich die Bedenken des Berufungsgerichts gegen die Zulässigkeit der Klage gleichfalls nicht begründen. Das Ausbleiben einer Partei, deren persönliches Erscheinen mangels ladungsfähiger Anschrift nicht angeordnet werden konnte (§ 141 Abs. 2 ZPO) und gegen die daher auch kein Ordnungsgeld (§ 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO) verhängt werden darf, steht einer Fortführung des Verfahrens nicht entgegen. Es hat für den Gegner keine nachteiligen Folgen, kann sich aber zu Lasten der ferngebliebenen Partei auswirken, weil sie auf die vom Gericht beabsichtigten Fragen zu ihren Gunsten nichts vorbringen kann. Bei einer angeordneten Parteivernehmung nach §§ 445 ff. ZPO bleibt es dem Gericht, auch wenn die Sanktionen der §§ 446, 454 ZPO mangels ordnungsgemäßer Ladung (§ 450 Abs. 1 Satz 2 und 3 ZPO) nicht eingreifen können, unbenommen, aus der Vorenthaltung einer ladungsfähigen Anschrift unter Heranziehung des allgemeinen Gesichtspunkts einer Beweisvereitelung (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl. § 286 Rdnr. 14a; vgl. Musielak/Foerste, ZPO, 3. Aufl. § 286 Rdnr. 62 ff.) Schlüsse zum Nachteil der Partei zu ziehen. Selbst wenn die Partei erschienen wäre, ließe sich ohnehin weder eine persönliche Erklärung nach § 141 ZPO noch eine Aussage im Rahmen einer vom Gericht angeordneten Parteivernehmung erzwingen. Die beklagte Partei hingegen wird, wenn sie wegen des Verhaltens des Klägers begründeten Anlaß hat, eine Vereitelung ihres künftigen Kostenerstattungsanspruchs (Zöller/Vollkommer, aaO § 916 Rdnr. 8; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 22. Aufl. § 916 Rdnr. 11 a.E. m.w.Nachw.) zu befürchten, überlegen können, ob sie sich durch einen dinglichen Arrest absichert (Zöller/Vollkommer, aaO § 917 Rdnr. 5 m.w.Nachw.).
III.
Nach alledem ist das Berufungsurteil - noch unter Anwendung der bis zum für die Revisionsinstanz geltenden Verfahrensvorschriften (§ 26 Nr. 7 EGZPO) - aufzuheben, weil das Berufungsgericht die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts, das die Klage als unzulässig abgewiesen hat, zu Unrecht zurückgewiesen hat (§ 564 ZPO a.F.). Da für das Berufungsgericht ein Fall notwendiger Zurückverweisung im Sinne des § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO a.F. (§ 26 Nr. 5 EGZPO) vorliegt und der Rechtsstreit zur Begründetheit der Klage nicht entscheidungsreif ist, verweist der Senat die Sache unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils gemäß § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F. an das Landgericht zurück (, NJW 1996, 3008 unter III; Musielak/Ball, ZPO 2. Aufl. § 565 Rdn. 21).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
XAAAC-03978
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein