BGH Beschluss v. - VIII ZB 96/05

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 85 Abs. 2; ZPO § 234 Abs. 1 Satz 2; ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2

Instanzenzug: AG Hamburg-Bergedorf 409 C 448/04 vom LG Hamburg 307 S 119/05 vom

Gründe

I.

Der Kläger ist Eigentümer einer in H. gelegenen Wohnung. Mit der Behauptung, der Beklagte habe die Wohnung nach dem Auszug der Mieterin mehrere Monate unberechtigt genutzt, hat der Kläger Zahlung von 4.494,26 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Mahnkosten verlangt. Das Amtsgericht hat den Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen, seiner dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und ihn antragsgemäß verurteilt.

Am , dem letzten Tag der Frist zur Berufungseinlegung, ging bei dem Berufungsgericht unter dem Aktenzeichen des ebenfalls dort anhängigen Beschwerdeverfahrens ein vierseitiges Telefax des Prozessbevollmächtigten des Beklagten ein, welches aus einem Begleitschreiben, einem Prozesskostenhilfeantrag sowie dem Entwurf einer Berufungsschrift bestand. Das Begleitschreiben ist von dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten unterzeichnet worden und lautet:

"In dem Rechtsstreit K. ./. A. wird die weitere Begründung der Beschwerde vom zusammen mit der Begründung des heute eingereichten Prozesskostenhilfegesuchs im Berufungsverfahren erfolgen, dessen Geschäftszeichen ich unverzüglich mitteilen werde".

Der Prozesskostenhilfeantrag sowie der Entwurf der Berufungsschrift sind nicht unterzeichnet und tragen jeweils den Stempel "Abschrift". In dem Prozesskostenhilfeantrag heißt es unter anderem:

"...beantrage ich unter Überreichung eines Entwurfs der Berufungsschrift, dem Antragsteller als Berufungskläger Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Bergedorf - 409 C 448/04 - vom , zugestellt am , zu bewilligen und ihm den Unterzeichner als Rechtsanwalt beizuordnen. Nach Bewilligung des voranstehenden Antrags wird der Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen."

Im Übrigen kündigte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten eine Begründung des Prozesskostenhilfeantrags binnen Monatsfrist an und teilte mit, dass sich die wirtschaftlichen oder persönlichen Verhältnisse des Beklagten seit Antragstellung in erster Instanz nicht wesentlich verändert hätten.

Durch Beschluss vom , zugestellt am , hat das Berufungsgericht den Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Berufung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Antrag von dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten nicht unterzeichnet worden sei. Mit einem am bei dem Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten hat der Beklagte Berufung eingelegt sowie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Berufungseinlegung und -begründung beantragt.

Mit Beschluss vom hat das Berufungsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen.

II.

1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass der Beklagte die Berufungsfrist von einem Monat ab Zustellung des angefochtenen Urteils (§ 517 ZPO) nicht gewahrt habe. Sein Wiedereinsetzungsantrag sei unbegründet (§ 233 ZPO). Der Prozesskostenhilfeantrag vom sei von dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten nicht unterzeichnet worden, obwohl dies bei bestimmenden Schriftsätzen erforderlich sei. Der Beklagte könne sein Wiedereinsetzungsgesuch auch nicht mit Erfolg darauf stützen, dass sein Prozessbevollmächtigter dem Berufungsgericht am wenige Minuten vor der Übersendung der nicht unterzeichneten "Abschrift" des Prozesskostenhilfeantrages bereits ein Telefax mit dem von ihm unterzeichneten Original übermittelt habe. Ein solches Telefax sei nicht beim Berufungsgericht eingegangen. Insoweit liege ein einem Verschulden des Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO gleichstehendes Verschulden seines Prozessbevollmächtigten wegen nicht ausreichender Büroorganisation der Fristenkontrolle vor. Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle gehöre der Ausdruck eines Sendeberichts. Dies habe der Prozessbevollmächtigte des Beklagten unterlassen und lediglich auf ein akustisches Signal vertraut, aus dem sich die Richtigkeit des angewählten Telefaxanschlusses nicht nachvollziehen lasse.

2. Die Rechtsbeschwerde des Beklagten ist statthaft (§§ 574 Abs. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO) und gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

a) Zwar hat der Beklagte die Frist zur Einlegung der Berufung versäumt. Diese Frist begann mit Zustellung des amtsgerichtlichen Urteils vom am und endete damit am Montag, den (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist jedoch einer Partei, die die Rechtsmittelfrist versäumt, aber spätestens am letzten Tag dieser Frist einen den gesetzlichen Erfordernissen entsprechenden Antrag auf Prozesskostenhilfe (§ 117 ZPO) gestellt hat, nach der Entscheidung über diesen Antrag regelmäßig wegen der Versäumung der Frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (vgl. nur , NJW 1994, 2097 unter II 1, m. w. Nachw.). Die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist nach Ablehnung eines Prozesskostenhilfegesuchs für die zweite Instanz kann auch nicht deshalb versagt werden, weil das zugrunde liegende Prozesskostenhilfegesuch keine sachliche Begründung enthält (, NJW 1993, 732 unter II 2). Der Beklagte musste überdies vernünftigerweise nicht damit rechnen, dass sein Antrag wegen fehlender Bedürftigkeit abgelehnt werden würde. Das Amtsgericht hatte die Versagung der Prozesskostenhilfe zwar unter anderem auch darauf gestützt, diese Erwägungen sind nach der sofortigen Beschwerde des Beklagten im Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts aber nicht mehr zum Tragen gekommen. Das hat das Berufungsgericht nicht verkannt.

b) Das Berufungsgericht geht im Ansatz auch zu Recht davon aus, dass ein schriftlicher Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe als bestimmender Schriftsatz unterschrieben werden muss, und zwar entweder von der Partei selbst oder von jemandem, der sie wirksam vertreten kann ( aaO unter II 2), hier von dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten. Das Berufungsgericht hat jedoch nicht beachtet, dass die fehlende Unterschrift unter dem Prozesskostenhilfeantrag im vorliegenden Fall ausnahmsweise unschädlich ist, weil der Prozessbevollmächtigte des Beklagten bereits das Original des ebenfalls am per Telefax eingegangenen Begleitschreibens unterzeichnete hatte.

Der Grundsatz, dass ein bestimmender Schriftsatz zu seiner Wirksamkeit eigenhändiger Unterzeichnung bedarf, gilt nicht uneingeschränkt, sofern der Inhalt einer übermittelten Erklärung und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig feststehen (BGHZ 107, 129, 133 f.; , NJW 2006, 1521 unter II 2 a, jew. m. w. Nachw.). So kann ein unterschriebenes Begleitschreiben genügen, wenn es mit der nicht unterzeichneten Berufungsschrift fest verbunden ist (BGHZ 97, 251). Eine feste Verbindung kann jedoch bei der Übermittlung Frist wahrender Schriftsätze per Telefax nicht verlangt werden. Dasselbe muss daher auch gelten, wenn nur das Begleitschreiben einer Rechtsmittelschrift von einem postulationsfähigen Rechtsanwalt unterzeichnet worden ist (, NJW-RR 1999, 855 unter II; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 25. Aufl., § 519 Rdnr. 27). Ein nicht unterzeichnetes Prozesskostenhilfegesuch zur Durchführung eines Rechtsmittels ist nicht anders zu behandeln, wenn sich aus einem unterzeichneten Begleitschreiben eine vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen ergibt, das Prozesskostenhilfegesuch in den Rechtsverkehr zu bringen. Dem Zweck der Schriftform, Rechtssicherheit und insbesondere die Verlässlichkeit der Eingabe zu gewährleisten (GmS-OBG BGHZ 144, 160, 165), trägt das Telefax vom insgesamt Rechnung.

Bei dem Antrag handelt es sich allerdings um eine Abschrift, die einem Schriftsatz im Rahmen des Verfahrens über die sofortige Beschwerde gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe für die erste Instanz beigefügt war. Sollten aus diesem Gesichtspunkt Bedenken dahingehend bestehen, ob der Übersendung der Abschrift mit diesem Begleitschreiben der anwaltliche Wille zu entnehmen ist, (auch) hiermit das Prozesskostenhilfegesuch anbringen zu wollen, ist der Antrag aus anderen Gründen als gestellt anzusehen. Wie der Prozessbevollmächtigte des Beklagten anwaltlich versichert hat, hat er selbst am mit einem weiteren Telefax das unterzeichnete Original des aus mehreren Seiten bestehenden Prozesskostenhilfeantrags nebst einer Abschrift des neunseitigen Urteils der Vorinstanz übersandt und sich vergewissert, dass der Sendevorgang ordnungsgemäß abgeschlossen war. Gründe, die gegen die Richtigkeit dieser anwaltlichen Versicherung sprechen könnten, hat das Berufungsgericht nicht aufgezeigt. Das glaubhaft gemachte Vorbringen des Prozessbevollmächtigten wird im Gegenteil bestätigt durch den Umstand, dass ausweislich einer Mitteilung der gemeinsamen Annahmestelle vom noch am ein von ihm, dem Anwalt, herrührendes 14-seitiges Telefax beim Berufungsgericht eingegangen ist. Dass dessen Verbleib nicht geklärt werden konnte, kann dem Beklagten nicht zum Verschulden gereichen.

III.

Der die Berufung des Beklagten verwerfende Beschluss des Landgerichts ist nach alledem aufzuheben (§ 577 Abs. 4 ZPO). Der Senat kann dem Beklagten selbst Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung gewähren, weil diese Anträge zur Endentscheidung reif sind (§ 577 Abs. 5 ZPO).

1. Nach der Bekanntgabe der Zurückweisung seines Prozesskostenhilfeantrages am hat der Beklagte am Berufung eingelegt. Dies geschah rechtzeitig innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Wochen (§§ 234 Abs. 1 Satz 1, 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO), zumal die Zweiwochenfrist hier erst nach einer Zeitspanne von etwa drei Werktagen für die Überlegung einsetzte, ob der Beklagte das Rechtsmittel trotz der ablehnenden Prozesskostenhilfeentscheidung auf eigene Kosten durchführen will (st. Rspr. des Bundesgerichtshofs, BGHZ 4, 55, 56 f.; BGHZ 26, 99, 100; IVb ZB 119/84, NJW 1986, 257 unter II; , VersR 1999, 1123 unter II 1; , NJW 2001, 2262 unter II 2; , NJW-RR 2002, 204 unter 2 b).

2. Dem Beklagten ist Wiedereinsetzung auch in die versäumte Rechtsmittelbegründungsfrist zu gewähren (§§ 234 Abs. 1 Satz 2, 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Insbesondere hat er die Berufungsbegründung rechtzeitig nachgeholt. Die Antragsfrist beträgt gemäß § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO einen Monat ab Bekanntgabe der Prozesskostenhilfeentscheidung am . Wird die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, ist der Partei aber ebenfalls zunächst noch eine Zeitspanne von etwa drei Werktagen zur Überlegung zuzubilligen, ob das Rechtsmittel auf eigene Kosten durchgeführt werden soll. Das gilt, wie ausgeführt, nicht nur für die Rechtsmitteleinlegung, sondern auch für dessen Begründung, sofern beide Fristen - wie hier - gleichzeitig beginnen. Mit Rücksicht darauf ist die Rechtsmittelbegründung am rechtzeitig bei dem Berufungsgericht eingegangen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
FAAAC-03919

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein