BFH Beschluss v. - I B 135/05

Anforderungen an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2

Instanzenzug:

Gründe

I. Streitig ist, ob die Voraussetzungen für einen Erlass von Säumniszuschlägen erfüllt sind.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, ist Tochtergesellschaft der X. Innerhalb des Konzerns war ein „Cash-Pooling"-System installiert, das zentral im Finanzbereich der Y —einer Schwestergesellschaft der X— gesteuert wurde. Insoweit wurden die Überschüsse der Nebenkonten (Bankkonten der angeschlossenen Gesellschaften) automatisch auf das Hauptkonto der Y umgebucht, ein auf den Nebenkonten bestehendes Defizit wurde durch eine automatische Buchung vom Hauptkonto ausgeglichen. Am 8. April hat die Y einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, die X am 12. Juni.

Aus den Ende Februar abgegebenen Jahressteuererklärungen der Klägerin ergaben sich Nachzahlungen in Höhe von ca. 1 Mio. € (Steuerbescheide vom 13. März; Fälligkeit: 16. April). Ein am 11. April gestellter Antrag der Klägerin auf Stundung und Ratenzahlung (unter Beifügung eines Tilgungsplans, der nach einem künftigen Austritt aus dem „Cash-Pool” von einem monatlich fließenden Zahlungseingang von 380 000 € ausging) wurde vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) mit Bescheid vom 23. April abgelehnt. Am 16. Mai bezahlte die Klägerin ihre Steuerschulden, nachdem ihr X entsprechende Liquidität zur Verfügung gestellt hatte. Das FA forderte Säumniszuschläge in Höhe von 7 382,50 € an. Ein Antrag auf Erlass der Zuschläge wurde unter dem 22. Mai vom FA abgelehnt; die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wurde durch abgewiesen.

Die Klägerin macht geltend, es lägen Gründe für die Zulassung der Revision i.S. des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vor.

Die Klägerin beantragt, die Revision gegen das Urteil des FG zuzulassen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen, da die von der Klägerin geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO) nicht vorliegen.

1. Das Kriterium der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), das gerade auf ein allgemeines Interesse an der Beantwortung einer Rechtsfrage abzielt (z.B. Senatsbeschluss vom I B 79/04, BFH/NV 2005, 1232), kann zwar auch erfüllt sein, wenn sich der Rechtsstreit auf eine Billigkeitsmaßnahme (als streng einzelfallbezogene Maßnahme) bezieht (z.B. , BFH/NV 2002, 1603). Die von der Klägerin formulierte Rechtsfrage, ob —wie vom FG angenommen— ihre Integration in ein „Cash-Pooling"-System einer Billigkeitsmaßnahme bereits von vornherein entgegenstehe, da für künftige Steuerzahlung Liquiditätsvorsorge betrieben werden müsse, ist im konkreten Streitfall allerdings nicht klärungsbedürftig. Denn das FA hatte als tragende Ermessenserwägung für die Ablehnung eines Erlasses des Säumniszuschlages auf die Möglichkeit der Darlehensaufnahme abgestellt, die weiteren Gesichtspunkte —deren Heranziehung das FG auch als nicht ermessensfehlerhaft ansah— wurden nur ergänzend („... seien auch deshalb nicht zu gewähren, weil ...”) angeführt. Im Übrigen reicht allein der Umstand, dass eine dem Streitfall entsprechende Konstellation noch nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung war, für die Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung nicht aus.

2. Entgegen der Ansicht der Klägerin weicht das angefochtene Urteil des FG nicht i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO von der ständigen Rechtsprechung des BFH zu den Voraussetzungen für einen Erlass von Säumniszuschlägen (dazu z.B. , BFH/NV 2006, 1381) ab. Denn das FG hat den Zweck des Zuschlags gemäß § 240 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) auf der Grundlage der BFH-Rechtsprechung herausgestellt und —da die Ausübung von Druck zur Zahlung ihren Sinn verliert, wenn „dem Steuerpflichtigen die rechtzeitige Zahlung der Steuer wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit unmöglich ist” (BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 1381)— als maßgebend angesehen, ob für die Klägerin eine Möglichkeit zur Zahlung der fälligen Steuern bestand. Das FG hat dabei unabhängig von den insolvenzrechtlichen Begriffen („Überschuldung” bzw. „Zahlungsunfähigkeit”) mit Blick auf die von der Klägerin angeführten „festen regelmäßigen Einnahmen” eine Möglichkeit der Darlehensaufnahme (und damit der Zahlung) bejaht. Selbst wenn diese Würdigung rechtsfehlerhaft wäre, liegt ihr kein von der Rechtsprechung des BFH abweichender Rechtssatz zugrunde.

3. Es liegt kein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vor. Da das FG mit dem Gesichtspunkt der Möglichkeit der Darlehensaufnahme an ein Kriterium anknüpft, dass sich dem in der Rechtsprechung herangezogenen Maßstab der Unmöglichkeit der Steuerzahlung unterordnen lässt und letztlich auch schon Gegenstand der behördlichen Entscheidung war, ist mit dieser Begründung das Recht der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt worden.

Fundstelle(n):
KÖSDI 2006 S. 15302 Nr. 11
KÖSDI 2007 S. 15427 Nr. 2
GAAAC-03803