Leitsatz
[1] Zur Glaubhaftmachung eines Versehens bedarf es nicht der Darlegung von Gründen, die das Versehen erklären könnten.
Gesetze: ZPO § 233 Fb
Instanzenzug: OLG Frankfurt am Main vom LG Limburg
Gründe
I.
Die Beklagte hat gegen das ihr am zugestellte Urteil am Berufung eingelegt, diese jedoch erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist am begründet. Gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hat sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zur Begründung vorgetragen, ursächlich für die Fristversäumung sei ein Versehen der Kanzleiangestellten E. , einer zuverlässigen und mit dem Fristenwesen vertrauten Kraft. Der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten habe bei Zustellung des Urteils die schriftliche Anweisung erteilt, den Ablauf der Berufungsfrist und den der Berufungsbegründungsfrist (), jeweils mit Vorfrist, im Fristenkalender zu vermerken. Die Kanzleiangestellte E. habe auf dem Aktenvermerk hinsichtlich beider Fristen einen Erledigungsvermerk angebracht, versehentlich aber nur die Berufungsfrist nebst Vorfrist, nicht dagegen die Berufungsbegründungsfrist im Kalender eingetragen. Zur Glaubhaftmachung hat die Beklagte Ablichtung des betreffenden Aktenvermerks sowie eine eidesstattliche Versicherung der Kanzleiangestellten E. vorgelegt.
II.
Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung abgelehnt und die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei aufgrund des von dem Beklagten vorgetragenen Sachverhalts nicht davon überzeugt, daß die Fristversäumung nicht auf einem Verschulden des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten beruhe. Nach der Lebenserfahrung sei davon auszugehen, daß der Aktenvermerk von der Kanzleiangestellten E. in einem Arbeitsgang abgearbeitet worden sei; dann aber sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Berufungsfrist eingetragen worden, die Eintragung der ebenso bedeutenden Berufungsbegründungsfrist dagegen unterblieben sei. Gründe dafür seien nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht vorgetragen worden.
III.
1. Die hiergegen form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde der Beklagten ist gemäß § 238 Abs. 4 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist zulässig gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, denn die Entscheidung des Berufungsgerichts verletzt die Beklagte in ihrem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (, NJW 2004, 367 unter II 1).
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet, denn die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht auf einer Würdigung, die der Beklagten den Zugang zu dem von der Zivilprozeßordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert.
Nach dem Vorbringen der Beklagten im Wiedereinsetzungsverfahren ist Ursache der Fristversäumung ein Versehen der zuverlässigen und mit dem Fristenwesen vertrauten Kanzleiangestellten E. bei der Ausführung der ihr schriftlich erteilten Anweisung zur Notierung der Berufungsbegründungsfrist. Daß es sich hierbei um ein Versehen handelte, hat die Kanzleiangestellte E. eidesstattlich versichert. Konkrete Umstände, die Zweifel an der Glaubhaftigkeit ihrer eidesstattlichen Versicherung begründen könnten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Damit ist ein Geschehensablauf glaubhaft gemacht, bei dem nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (z.B. , NJW 1995, 1682 unter III 1; Beschluß vom - III ZB 6/95, VersR 1996, 388). Soweit das Berufungsgericht darüber hinaus zur Glaubhaftmachung eines Versehens die Darlegung von Gründen fordert, die das Versehen erklären könnten, überspannt es die an die Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes zu stellenden Anforderungen (vgl. auch , NJW-RR 1999, 428 unter II 3).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2005 S. 2625 Nr. 36
NJW-RR 2005 S. 1006 Nr. 14
IAAAC-03782
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja