BGH Urteil v. - VII ZR 50/04

Leitsatz

[1] a) Hat der Auftraggeber eines Vertrages, in dem die VOB/B vereinbart worden ist, nicht binnen zwei Monaten nach Zugang der Schlussrechnung Einwendungen gegen deren Prüfbarkeit erhoben, wird der Werklohn auch dann fällig, wenn die Rechnung objektiv nicht prüfbar ist. Es findet die Sachprüfung statt, ob die Forderung berechtigt ist. Bei ausreichender Grundlage kann der Werklohn gemäß § 287 ZPO geschätzt werden (im Anschluss an , BauR 2004, 1937).

b) Die Frist von zwei Monaten gilt auch dann, wenn eine Schlussrechnung während eines laufenden Gerichtsverfahrens eingereicht wird.

Gesetze: VOB/B § 14; VOB/B § 16 Nr. 3 Abs. 1 B

Instanzenzug: KG Berlin 26 U 75/02 vom LG Berlin 96 O 108/01 vom

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Bezahlung restlichen Werklohns.

Die Parteien schlossen Anfang 1998 unter Vereinbarung der VOB/B einen Generalübernehmervertrag, in dem die Klägerin die schlüsselfertige Erstellung von bis zu 30 Einfamilienhäusern übernahm.

Für die zu erstellenden Mittelhäuser, Einfamilienhäuser und Reiheneckhäuser wurden Brutto-Festpreise vereinbart.

Die Klägerin hat 13 Häuser größtenteils fertig gestellt. Am hat sie ihre Arbeiten eingestellt. Die Beklagte hat daraufhin den Werkvertrag am gekündigt und die restlichen Arbeiten durch die zuvor von der Klägerin beauftragten Subunternehmer ausführen lassen.

Die Klägerin rechnete die von ihr erbrachten Leistungen mit Schlussrechnung vom ab. Ihre auf Zahlung eines Restwerklohns von 669.627,96 DM gerichtete Klage hat das als derzeit unbegründet abgewiesen, weil der Werklohn mangels Prüfbarkeit der Schlussrechnung nicht fällig sei. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin am Berufung eingelegt. Unter dem hat sie eine neue Schlussrechnung erstellt, die für die tatsächlich erbrachten Leistungen eine Restwerklohnforderung von 668.928,07 DM ausweist. Sie hat in der Berufungsinstanz ihre Forderung aus der Schlussrechnung vom weiter verfolgt und für den Fall, dass auch das Berufungsgericht von der Nichtprüfbarkeit dieser Rechnung ausgehen sollte, ihren Werklohnanspruch auf die Schlussrechnung vom gestützt. Die Beklagte hat die fehlende Prüfbarkeit auch dieser Schlussrechnung gerügt.

Das Kammergericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, weder die Schlussrechnung vom noch die vom seien prüffähig.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageforderung in Höhe von 669.627,96 DM weiter.

Gründe

Die Revision hat ganz überwiegend Erfolg. Sie führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Auf das Schuldverhältnis sind die bis zum geltenden Gesetze anwendbar (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I.

Das Berufungsgericht hält die Klage für derzeit unbegründet, weil die Klägerin die nach einem gekündigten Pauschalvertrag an eine prüfbare Schlussrechnung zu stellenden Anforderungen weder mit der Schlussrechnung vom noch der vom erfüllt habe.

1. Mit der Schlussrechnung vom habe die Klägerin weder die erbrachten Leistungen prüfbar von den nicht ausgeführten Leistungen abgegrenzt noch die dafür beanspruchte Vergütung auf der Grundlage der dem Vertrag zugrunde liegenden Kalkulation berechnet. Die nach Prozentsätzen vorgenommene Abrechnung der erbrachten Leistungsteile reiche nicht aus, der Beklagten eine Überprüfung zu ermöglichen. Außerdem habe die Klägerin die Schlussrechnung nicht auf der Grundlage der Angebotskalkulation erstellt.

2. Mit der Schlussrechnung vom habe die Klägerin zwar den Kriterien für die Abrechnung beim gekündigten Pauschalvertrag grundsätzlich Folge geleistet. Auch diese Rechnung sei jedoch nicht prüfbar. Die Klägerin habe das vorgelegte Aufmass nicht durch Vermessung vor Ort an den einzelnen streitbefangenen Häusern vorgenommen, sondern anhand von Revisionszeichnungen für jede Wohneinheit. Der auf diesen Revisionszeichnungen handschriftlich eingetragene Bautenstand sei nach dem Vortrag der Klägerin im Vergleich mit der Baubeschreibung und den tatsächlichen Verhältnissen vor Ort kontrolliert worden. Das daraus abgeleitete Aufmass beruhe dementsprechend auf einer lediglich per Augenscheinnahme erfolgten Schätzung und sei damit nicht schlüssig.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung teilweise nicht stand.

1. Das Berufungsgericht geht im Ansatz zu Recht davon aus, dass bei einem vorzeitig beendeten Pauschalvertrag der Auftragnehmer seine erbrachten Leistungen vorzutragen, von dem nicht ausgeführten Teil abzugrenzen und das Verhältnis der bewirkten Leistungen zur vereinbarten Gesamtleistung sowie des Preisansatzes für die Teilleistungen zum Pauschalpreis darzulegen hat (st. Rspr., vgl. , BauR 1999, 632 = ZfBR 1999, 194). Soweit zur preislichen Bewertung der erbrachten Leistungen Anhaltspunkte aus der Zeit vor Vertragsschluss nicht vorhanden oder nicht ergiebig sind, muss der Unternehmer im Nachhinein im Einzelnen darlegen, wie die erbrachten Leistungen unter Beibehaltung des Preisniveaus zu bewerten sind.

2. Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, dass die Schlussrechnung vom als nicht prüfbar zu qualifizieren ist. Die Klägerin hat insoweit den Anforderungen an die Abrechnung eines vorzeitig beendeten Pauschalvertrags nicht entsprochen, weil sie bei der preislichen Bewertung der ausgeführten Leistungen nicht von einer den Vertragspreisen zum Generalübernehmervertrag zugrunde liegenden, sondern einer später vorgenommenen abweichenden Kalkulation ausgegangen ist.

3. Das Berufungsgericht hat zu Recht die Schlussrechnung vom und den darauf gestützten Sachvortrag der Klägerin berücksichtigt.

Der Senat hat mit Urteil vom (VII ZR 229/03, zur Veröffentlichung bestimmt) entschieden, dass eine nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz gefertigte neue Schlussrechnung, die zur Erreichung der Prüfbarkeit und Herbeiführung der Fälligkeit der Werklohnforderung erstellt wurde, in der Berufungsinstanz nicht im Hinblick auf die Vorschriften der §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 ZPO unberücksichtigt zu bleiben hat. Entsprechendes hat grundsätzlich auch für den neuen Tatsachenvortrag zu gelten, der der Darlegung der Prüfbarkeit und der Richtigkeit dieser Schlussrechnung dient.

4. Ob die Beurteilung des Berufungsgerichts zutrifft, auch die Schlussrechnung vom sei nicht prüfbar, kann dahingestellt bleiben, da die Beklagte mit dem Einwand der mangelnden Prüfbarkeit der Schlussrechnung ausgeschlossen ist.

Der Senat hat mit Urteil vom (VII ZR 173/03, BauR 2004, 1937 = ZfBR 2005, 56 = NZBau 2005, 40) entschieden, dass ein Auftraggeber gegen Treu und Glauben verstößt, wenn er Einwendungen gegen die Prüfbarkeit einer Schlussrechnung entgegen § 16 Nr. 3 Satz 1 VOB/B nicht innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Zugang der Schlussrechnung erhebt. Dies gilt auch für eine während des Rechtsstreits vorgelegte Schlussrechnung. Versäumt der Auftraggeber die Frist, findet die Sachprüfung statt, ob die Forderung berechtigt ist.

Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin hat die Beklagte die Schlussrechnung vom am erhalten. Erst mit Schriftsatz vom hat die Beklagte die fehlende Prüfbarkeit dieser Schlussrechnung gerügt. Die zweimonatige Prüfungsfrist wurde nicht eingehalten; die Beklagte ist daher mit dem Einwand der fehlenden Prüfbarkeit der Schlussrechnung ausgeschlossen.

III.

Das Berufungsgericht wird deshalb nach Zurückverweisung die sachliche Berechtigung der Forderung der Klägerin zu prüfen haben. Dabei sind auch die von der Beklagten gegen die Prüfbarkeit der Schlussrechnung vorgebrachten Einwände zu berücksichtigen (vgl. , BauR 2004, 316 = NZBau 2004, 216 = ZfBR 2004, 262). Das Berufungsgericht ist gehalten, von § 287 ZPO Gebrauch zu machen. Der Umstand, dass das Aufmaß lediglich auf Schätzungen beruht, schließt nicht aus, dass es eine ausreichende Grundlage für die vorzunehmende Schätzung ist (vgl. , BauR 2004, 1937 = ZfBR 2005, 56 = NZBau 2005, 40; vom - VII ZR 424/02, BauR 2004, 1441 = NZBau 2004, 549 = ZfBR 2004, 687).

Fundstelle(n):
NJW-RR 2006 S. 454 Nr. 7
ZAAAC-03613

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein