BGH Urteil v. - VII ZR 346/03

Leitsatz

[1] Angemessen zur Leistung der Sicherheit ist eine Frist, die es dem Besteller ermöglicht, die Sicherheit ohne schuldhaftes Verzögern zu beschaffen. Grundsätzlich ist darauf abzustellen, was von einem Besteller zu verlangen ist, der sich in normalen finanziellen Verhältnissen befindet.

Gesetze: BGB § 648 a

Instanzenzug:

Tatbestand

Die Klägerin verlangt vom Beklagten Schadensersatz in Höhe von 65.002,63 €. Der Beklagte macht mit der Widerklage Werklohn für nicht erbrachte Leistungen in Höhe von 48.789,91 € geltend.

Die Klägerin beauftragte den Beklagten am als Subunternehmer mit Erdarbeiten. Die Klägerin verpflichtete sich gegen Vorauszahlungsbürgschaft, auf den Werklohn Vorauszahlungen zu leisten.

Am verlangte der Beklagte gemäß § 648 a BGB Sicherheit in Höhe von 110.133,62 DM für die restlichen Arbeiten. Dafür setzte er eine Frist bis zum , 12.00 Uhr. Die Klägerin teilte mit Schreiben vom mit, daß sie der Bitte auf Leistung einer Bürgschaft nachkommen werde und die Bürgschaftsausstellung in die Wege geleitet sei. Die Bürgschaft werde nach Eingang an den Beklagten weitergereicht, der um die Erklärung auf Übernahme der Bürgschaftskosten in Höhe von 2 % gebeten werde. Gleichzeitig wies die Klägerin darauf hin, daß die gesamten Erdarbeiten für den Restaushub bis abzuschließen seien. Der Beklagte kündigte mit weiterem Schreiben vom den Werkvertrag. Er stellte die Arbeiten ein und räumte die Baustelle. Die Klägerin widersprach am gleichen Tag und forderte den Beklagten auf, die Arbeiten wieder aufzunehmen. Sie teilte am mit, daß sie das Bauvorhaben abrechnen und Schadensersatz geltend machen werde.

Die Klägerin beansprucht Schadensersatz. Der Beklagte verlangt mit der Widerklage restlichen Werklohn abzüglich ersparter Aufwendungen.

Nach Erlaß eines klageabweisenden Teilversäumnisurteils hat das Landgericht den Beklagten unter Aufhebung des Versäumnisurteils zur Zahlung von 63.060 € verurteilt und die Widerklage abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat auf Berufung des Beklagten das Teilversäumnisurteil aufrechterhalten und die Widerklage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Gründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Auf das Schuldverhältnis sind die bis zum geltenden Gesetze anwendbar (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I.

1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Klägerin stehe ein Anspruch aus § 326 Abs. 1 BGB a.F. nicht zu. Der Beklagte habe aufgrund des Schreibens vom seit dem ein den Eintritt des Verzugs hinderndes Leistungsverweigerungsrecht gehabt. Er habe zu Recht Sicherheit in Höhe von 110.133,62 DM gefordert. Die Sicherheit sei innerhalb angemessener Frist gefordert worden. Insoweit sei zu berücksichtigen, daß der Beklagte bis zum noch ungesicherte Leistungen in Höhe von 93.133,62 DM zu erbringen gehabt habe. Auch wenn die Klägerin nicht in der Lage gewesen sei, die Bürgschaft innerhalb der gestellten Frist zu besorgen, sei es ihr unbenommen geblieben, diese später vorzulegen, dadurch das Leistungsverweigerungsrecht des Beklagten zu beseitigen und dessen Schuldnerverzug zu begründen. Da die Klägerin die Bürgschaft später nicht beigebracht habe, sei das Leistungsverweigerungsrecht des Beklagten nicht beseitigt worden.

Der vom Beklagten mit der Widerklage erfolgte Anspruch sei dem Grunde nach aus § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B gegeben. Im Schreiben der Klägerin vom liege eine Kündigung nach § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B. Dem Beklagten stehe der restliche Vergütungsanspruch abzüglich ersparter Aufwendungen zu, dessen Höhe noch durch Sachverständigengutachten zu klären sei.

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit rechtsfehlerhaften Erwägungen hat das Berufungsgericht angenommen, der Beklagte habe der Klägerin eine angemessene Frist zur Sicherheitsleistung gesetzt.

a) Dem Unternehmer steht nach § 648a Abs. 1 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht zu, wenn er dem Besteller zur Leistung der Sicherheit eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmt hat, daß er nach dem Ablauf der Frist die Leistung verweigere und die Frist fruchtlos abgelaufen ist. Welche Frist angemessen ist, läßt sich nicht allgemein, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles bestimmen. Der Gesetzgeber hat bewußt die Dauer der zu setzenden Frist nur mit dem unbestimmten Begriff "angemessen" umschrieben. Sie soll nach der Begründung des Gesetzes so bemessen sein, daß dem Besteller ermöglicht wird, die Sicherheit ohne schuldhaftes Verzögern zu beschaffen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß in der Regel Verhandlungen mit einem oder mehreren baufinanzierenden Kreditinstituten geführt werden müssen. Dazu wird nach der Vorstellung des Gesetzgebers in der Regel eine Frist von sieben bis zehn Tagen erforderlich sein (BT-Drucks. 12/1836, S. 8).

Welche Frist danach im Einzelfall angemessen ist, obliegt der Beurteilung durch den Tatrichter. Dieser hat zu berücksichtigen, daß schuldhaftes Verzögern im Sinne der Gesetzesbegründung sich nicht allein an den konkreten Verhältnissen des jeweiligen Bestellers ausrichtet. Vielmehr ist grundsätzlich darauf abzustellen, was von einem Besteller zu verlangen ist, der sich in normalen finanziellen Verhältnissen befindet. Ein solcher Besteller handelt nur dann ohne schuldhaftes Verzögern, wenn er die Beschaffung der Sicherheit soweit wie möglich beschleunigt. Denn der Unternehmer hat ein schützenswertes Interesse daran, die Sicherheit so schnell wie möglich zu erhalten, weil er bis zu deren Erhalt eine ungesicherte Vorleistung erbringen muß.

b) Die Erwägungen des Berufungsgerichts tragen dem nicht hinreichend Rechnung. Das Berufungsgericht hat erkannt, daß die von dem Beklagten gesetzte Frist außergewöhnlich kurz bemessen war. Zu Unrecht meint es, die Frist dürfe deshalb verkürzt werden, weil der Beklagte bereits am die Arbeiten hätte fertig stellen müssen und bei einer längeren Frist der Zweck der Sicherheit verfehlt würde. Auf diesen Gesichtspunkt kommt es nicht an. Entscheidend ist, welchen Zeitraum die Klägerin ohne schuldhaftes Verzögern benötigte, die Sicherheit zu besorgen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin die Sicherheit in der von dem Beklagten gesetzten Frist beschaffen konnte.

c) Das Berufungsurteil kann auch nicht mit der Begründung aufrechterhalten bleiben, die Klägerin hätte später eine Sicherheit vorlegen können. Richtig ist allerdings, daß mit dem Schreiben vom eine angemessene, über den hinaus laufende Frist in Gang gesetzt worden ist. Diese ist auch nicht dadurch hinfällig geworden, daß der Beklagte am den Vertrag außerordentlich gekündigt hat. Denn ein Kündigungsgrund bestand nicht. Die Voraussetzungen für die Aufhebung des Vertrages gemäß §§ 648a Abs. 5 Satz 1, 643 BGB lagen, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, nicht vor. Die Klägerin war jedoch nach dem nicht mehr verpflichtet, eine Sicherheit zu stellen, weil der Beklagte seinerseits die Leistung endgültig verweigert hat, wie durch die unberechtigte Kündigung und die Räumung der Baustelle zum Ausdruck gekommen ist. Sie war wegen dieses grob vertragswidrigen Verhaltens des Beklagten berechtigt, ihrerseits den Vertrag außerordentlich zu kündigen. Von diesem Kündigungsrecht hat sie am Gebrauch gemacht. Dem Beklagten steht ein Anspruch aus § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B daher nicht zu.

II.

Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben. Die Widerklage ist abzuweisen. Im übrigen wird die Sache an das Berufungsgericht zur weiteren Verhandlung zurückverwiesen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
DB 2005 S. 1517 Nr. 28
YAAAC-03502

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein